Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der englische Schriftsteller Aldous Huxley prophezeite im Jahre 1932 im ersten Vorwort zu seinem Roman „Schöne neue Welt", es werde 600 Jahre dauern, bis seine Zukunftsvision von Dutzendlingen Wirklichkeit werden könnte. Diese Prognose mußte er bereits in der zweiten Auflage des Buches im Jahre 1949 auf 100 Jahre verkürzen.
Inzwischen äußern Wissenschaftler aus England und den USA, daß es nicht mehr lange dauern werde, bis das Klonen von Menschen möglich sei. Huxleys Prophezeihung aus dem Jahre 1949 scheint sich also doppelt so schnell zu verwirklichen.
Das geklonte schottische Schaf Dolly hat uralte Phantasien, vor allem aber Ängste der Menschen
schlagartig hochaktuell werden lassen. Grundsätzlich, so hat sich der für Dolly verantwortliche britische Wissenschaftler Ian Wilmut kürzlich geäußert, sei sein Verfahren auf den Menschen übertragbar. Erlangt der Mensch am Ende des 20. Jahrhunderts also prometheische Fähigkeiten?
Daß das Klon-Schaf Dolly weltweite Diskussionen auslösen würde, war klar, und das ist gut so; denn die Diskussion darüber, ob Menschen das, was sie vielleicht bald können, auch dürfen, fordert unser Gewissen heraus und zwingt uns, zu fundamentalen Wertentscheidungen eindeutig Stellung zu nehmen.
Daß in diesem Zusammenhang die Frage nach Nutzen oder Schaden der Gentechnologie insgesamt einmal mehr gestellt wird, liegt nahe. Trotzdem sollten wir uns auch hier vor Pauschalurteilen hüten; denn die Gentechnologie hat ohne jeden Zweifel bereits viel Gutes für die Menschheit gebracht und wird dies auch in Zukunft tun. Darauf hat auch Bundespräsident Roman Herzog kürzlich hingewiesen. Er hat klargemacht, daß man wegen einzelner negativer Aspekte nicht auf die gesamte Gen- und Medizintechnik verzichten dürfe.
Ohne jede Einschränkung muß aber vollkommen klar sein: Ein Klonen von Menschen darf es nicht geben.
Um diesem Postulat auch Geltung und Achtung zu verschaffen, hat der Deutsche Bundestag bereits am 13. Dezember 1990 das Embryonenschutzgesetz verabschiedet. Über die Zielsetzung heißt es in der damaligen Bundestagsdrucksache - ich zitiere -:
Die neuen Methoden der In-vitro-Fertilisation wie auch der Gentechnologie machen es erforderlich, die Grenzen ihrer Anwendung beim Menschen rechtlich festzulegen. Entscheidendes Ziel des Entwurfs ist es, jeder Manipulierung menschlichen Lebens bereits im Vorfeld zu begegnen.
Deutschland ist damit das erste Land, in dem die Klonung von Menschen nicht nur untersagt, sondern auch unter Strafe gestellt worden ist. Dies gebietet die in Art. 1 des Grundgesetzes normierte Achtung vor der Würde des Menschen und die Ehrfurcht vor dem unverfügbaren Leben eines jeden einzelnen; denn das Klonen verstößt gegen die Menschenwürde.
Das Klonen von Menschen ist nicht nur ein ungeheuerlicher Eingriff in die Schöpfung, der keinesfalls hingenommen werden darf; es ist auch „das Maximum der Herrschaft des Menschen über den Menschen", wie es Erzbischof Sgreccia, der Vizepräsident der päpstlichen Akademie Pro Vita, kürzlich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag" ausgedrückt hat.
In der Öffentlichkeit sind nun, ausgelöst durch einen Wissenschaftler, Zweifel an der Lückenlosigkeit des Embryonenschutzgesetzes in zweierlei Hinsicht aufgekommen. Worauf gründen sich diese? Zum einen wird vom Direktor des Instituts für Humangene-
Dr. Wolfgang Götzer
tik und medizinische Biologie in Halle angeführt, daß der Zellkern beim Klonen nur 99 Prozent der Erbinformation des Nachkommen stelle. 1 Prozent stamme von den Mitochondrien, Organellen innerhalb der Zelle, aber außerhalb des Zellkerns. Daraus folge, daß ein geklontes Lebewesen nicht absolut identisch mit dem Spender des Zellkerns sein müsse. Darauf aber, so der Wissenschaftler, baue § 6 des Embryonenschutzgesetzes auf.
Ich zitiere den Abs. 1 von § 6 des Embryonenschutzgesetzes:
Wer künstlich bewirkt, daß ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Fötus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die angesprochene Auslegung des § 6 des Embryonenschutzgesetzes ist meines Erachtens unzutreffend. Bereits bei den Beratungen über das Embryonenschutzgesetz im Jahre 1990 war bekannt, daß beim Klonen keine hundertprozentige Übereinstimmung der Erbinformation erzielt wird. Der Gesetzgeber hat deshalb damals auch ganz bewußt nicht von der „selben", sondern von der „gleichen" Erbinformation gesprochen.
Auch wenn man den Kommentar zum Embryonenschutzgesetz von Keller/Günther/Kaiser zu Rate zieht, findet man unter Randnummer 6 zu § 6, daß unter „gleicher Erbinformation" - ich zitiere - „Identität der DNS der Zellkerne" zu verstehen ist, also genau der 99 Prozent, von denen besagter Wissenschaftler selbst ausgeht.
Im übrigen findet sich in Randnummer 7 des Kommentars ein klarer Hinweis auf die Ratio legis, wo bezüglich einer eventuellen Lücke davon die Rede ist, daß § 6 erkennbar einen „Rundumschutz" bezwecke, der die Herstellung von Kopien menschlicher Individuen schlechthin unterbinden solle.
Ein weiterer Zweifel bezieht sich auf § 8 des Embryonenschutzgesetzes, der die Begriffsbestimmungen enthält. Hier geht es um die Frage, ob zu den geschützten Zellen im Sinne des § 8 auch zellkerntransplantierte, also geklonte Zellen gehören, die keine befruchteten Eizellen sind. Ich würde dies im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes, nämlich „jeder Manipulierung menschlichen Lebens bereits im Vorfeld zu begegnen", und auch unter Verweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs bejahen. Gleichwohl: Da wir alle wollen, daß unser Embryonenschutzgesetz wasserdicht ist, sollen diese Punkte geprüft werden und notfalls die erforderlichen Klarstellungen im Gesetz vorgenommen werden.
Es genügt aber nicht - ich denke, auch darin sind wir uns einig -, daß wir in Deutschland ein unmißverständliches Klonverbot haben. Wir müssen uns auch auf internationaler Ebene dafür einsetzen, daß durch entsprechende internationale Konventionen das Klonen von Menschen geächtet und verboten wird.
Die Bioethik-Konvention des Europarats wird sicher nicht unseren Vorstellungen und Vorschriften gerecht. Vom Klonen steht dort im Augenblick
nichts. Auch im Entwurf einer Bioethik-Deklaration der UNESCO ist weder von einem Verbot des Klonens von Menschen die Rede, noch werden Eingriffe in das Erbgut von Keimzellen verboten. In beiden Fällen muß von deutscher Seite aus versucht werden, mit dem Ziel nachzubessern, ein weltweites Klonverbot zu erreichen.
Für den Fall, daß diese Bemühungen erfolglos bleiben, möchte ich allerdings klarstellen: Die hohen deutschen Standards können durch diese internationalen Konventionen nicht aufgeweicht werden. Unsere strengen deutschen Vorschriften bleiben also davon unberührt. Trotzdem sollten wir uns damit nicht zufriedengeben. Auch deshalb ist zu begrüßen, daß in dem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P., der heute zur Abstimmung steht, die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für ein internationales Verbot des Klonens von Menschen einzusetzen.
Lassen Sie mich abschließend meiner Freude Ausdruck geben über die große Gemeinsamkeit, die in dieser Frage hier im Deutschen Bundestag herrscht. Allerdings müssen wir uns im klaren sein, daß auch das beste Embryonenschutzgesetz nur Wirkung hat, wenn in unserer Gesellschaft eines uneingeschränkt gilt und praktiziert wird: Die Ehrfurcht vor dem unverfügbaren Leben eines jeden Menschen,
auch des Ungeborenen.