Rede von
Heidemarie
Lüth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Repräsentative parlamentarische Demokratie ist unabdingbar, aber sie ist, wie die
Gesetzentwürfe zur Änderung des Art. 45 c des Grundgesetzes und zur Änderung des Befugnisgesetzes zeigen, auch einer Verbesserung würdig. Wir meinen, daß diese Gesetzentwürfe eine Verbesserung des bestehenden Zustandes darstellen.
Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung einer Bürgerbeauftragten ergibt sich allerdings die Frage, ob der gewollte Zuwachs an Demokratie auch wirklich erreicht wird. Ich möchte, ehe ich das kurz ausführe, auf den Jahresbericht verweisen, in dem unter anderem immer wieder dargestellt wird, daß bestimmte Beschlüsse des Petitionsausschusses durch die Regierung ignoriert werden.
Eine Bürgerbeaufragte, die ebenso wie der Petitionsausschuß in ihren Kompetenzen gegenüber der Regierung eingeschränkt bleibt, erfüllt damit die in sie gesetzten Hoffnungen auf ein Mehr an Demokratie nur bedingt - ähnlich wie der Ausschuß, der in seinen Möglichkeiten zusätzlich durch den Parteienproporz beschränkt ist. Aus dieser Sicht: Was soll dann das Neue an einer Bürgerbeauftragten sein?
Zum nächsten Teil erlaube ich mir gleich einen Hinweis, damit es dazu keine Zwischenrufe gibt. Gerade weil ich aus der DDR komme, sage ich: Nehme ich jedoch die Probleme ernst, dazu auch den Gedanken der Volkssouveränität, wie er im Art. 20 des Grundgesetzes genannt ist, ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, parlamentarische Demokratie zu ergänzen.
Zustimmung bei der PDS)
Die Bürgerbeauftragte sollte daher Teil einer unmittelbaren Demokratie und Vermittler zwischen beiden sein. Sie sollte nicht nur Beschwerden entgegennehmen können, sondern vielmehr Instanz einer demokratischen Öffentlichkeit sein.
Über die Bürgerbeauftragte findet man dann eine Öffentlichkeit, zum Beispiel bei Massenpetitionen, und so auch den Zugang zum Parlament und zum Gesetzgebungsverfahren. Man könnte so die Sorgen und Interessen der Bevölkerung, etwa der 4,7 Millionen Arbeitslosen, unmittelbar zum Ausdruck bringen - vielleicht auch in parlamentarischen Debatten.
Sie sollte diese Öffentlichkeit, wenn sie die Verwaltung kontrolliert und kritisiert, auch vermitteln können, und zwar nicht nur nach rechtlichen Maßstäben, sondern - wie zum Beispiel der französische Ombudsmann - auch nach den Maßstäben der Zweckmäßigkeit, Menschlichkeit und Fairneß.
Die Durchsetzung vielfältiger Formen der unmittelbaren Demokratie ist aus unserer Sicht eine zentrale Grundfrage der Demokratisierung des demokratischen Systems der Bundesrepublik. Einer Demokratisierung des Parlaments im Rahmen einer Änderung des Petitionsrechts, die sich allein auf innerparlamentarische Aufgaben und Rechte bezieht, zum Beispiel die Stärkung der Minderheitenrechte, Ausbau des Zitierrechts usw., sind dadurch aus unserer Sicht enge Grenzen gesetzt. Nur über ein Mehr an Bürgerrechten im Gesetzgebungsprozeß selber und gegenüber den parlamentarischen Institutionen ist eine
Heidemarie Lüth
demokratische Qualität auch der repräsentativen Demokratie und des Parlamentarismus zu erreichen.
Die Bundestagsgruppe der PDS wird darum noch in diesem Jahr im Rahmen eines Konzepts zur unmittelbaren Demokratie einen eigenen Gesetzentwurf zum Bürgerbeauftragten vorlegen, der die gegebenen Möglichkeiten, die hier im Ansatz schon vom Bündnis 90/Die Grünen aufgezeigt werden, noch besser nutzen wird.
Danke.