Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aggressionen und Diffamierungen in der politischen Diskussion in den letzten Wochen helfen keinem Arbeitslosen. Die Leute haben das Geschrei und die Diffamierung allemal satt. Sie erwarten Lösungen von der Politik, das heißt, von allen, auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition.
4,7 Millionen Arbeitslose, das ist eine neue Dimension. Das wird in unserem Land nicht mehr so empfunden, als ob es nur Randgruppen berühren könne, sondern jeder läuft heute Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Dies hat die Aufmerksamkeit geschärft, aber auch die Bereitschaft, an Lösungen mitzuwirken und möglicherweise auch Opfer zu bringen, wenn denn diese Opfer, die unverzichtbar sind, gerecht verteilt werden.
Die Opposition hat mehr zu liefern, als uns hier anzuschreien. Das erwarten auch die Menschen draußen im Lande.
Ich sage hier in aller Ruhe: Die Zeichen dafür, daß wir die Arbeitslosigkeit zurückführen können, daß wir sie überwinden können, stehen nicht schlecht: auf Grund der weltwirtschaftlichen Situation, des Aufschwungs rund um den Erdball, auch in Europa, der günstigen Rahmenbedingungen in Deutschland mit niedrigen Zinsen, stabilen Preisen, moderaten Lohnabschlüssen und einer Normalisierung des D-
Mark-Außenwertes. Und wenn wir die Konjunktur anschauen: Die Auftragseingänge nehmen wieder zu, und die Investitionen beginnen zu steigen.
Aber - ich habe das immer gesagt, auch in der Diskussion der letzten Wochen - der konjunkturelle Rückenwind, den wir verspüren, kann uns nicht die Lösung der Arbeitslosigkeitsprobleme bringen. Wir müssen, um bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erfolgreich zu sein, die Hausaufgaben im eigenen Land machen,
um unsere Strukturen an das anzupassen, was wir weltweit vorfinden, um dem zu begegnen, was von neuen und besseren Konkurrenten auf die Märkte gekommen ist.
Da sind wir ganz schnell wieder bei unserer Steuersenkungspolitik, bei der Politik der Senkung der Abgaben, bei der Senkung der Lohnzusatzkosten. Da sind wir bei Liberalisierung, Privatisierung, Investitionen in Forschung und Entwicklung und anderem mehr. Ich will darauf in der kurzen mir zur Verfügung stehenden Redezeit heute nicht mehr eingehen. Viel ist dazu schon gesagt worden, auch von meinen Vorrednern.
Ich füge aber eines hinzu - das ist heute nur angeklungen -: Neben der Reformpolitik ist es dringend erforderlich, neue Beschäftigungsfelder zu erschließen. Neue Beschäftigungsfelder erschließen ist leicht gesagt und schwer getan. Hier ist in erster Linie die Wirtschaft gefordert. Was die Politik tun kann, ist, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.
Wir können uns nicht mehr auf die reifen Industrien, auf Stahl, Kohle und Textil konzentrieren, obwohl es da die Arbeitsplätze der Gegenwart gibt und wir diese Bereiche nicht wegwischen und so tun können, als ob sie nicht da wären. Das haben die Diskussionen und die Entscheidungen der letzten Tage gezeigt. Wir müssen auf die Zukunftstechnologien zugehen. Da bietet die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft in der Tat viel mehr Chancen als jeder andere Bereich.
Hier haben wir Weichenstellungen vorgenommen, die sich auszuzahlen beginnen, ob das die Entwicklung in der Telekom ist, ob das die Entwicklung bei der gelben Post ist, wo neue Unternehmen, neue kreative, weltweit orientierte Dienstleistungen entstehen, oder ob das die Rahmenbedingungen für die Informationsgesellschaft sind, die wir mit dem Forum 2000 - mit Telearbeit, mit neuen Initiativen bei Electronic commerce, bei besseren Bedingungen für Biotechnologie und Gentechnologie - gestalten, wo wir aber nicht durch Umlegen eines Schalters durch die Regierung neue Arbeitsplätze schaffen können.
Vielmehr ist es ein mühseliger Weg in diesem Lande, durch entsprechende Rahmenbedingungen, auch durch entsprechende Fördermaßnahmen, dafür Sorge zu tragen, daß im Dienstleistungssektor, in neuen Beschäftigungsfeldern neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies zu fordern ist sehr leicht. Sich gegenseitig Vorwürfe zu machen ist noch viel leichter. Das ist es aber nicht. Das ist Kärrnerarbeit. Keiner kann der Bundesregierung attestieren, daß sie hier nicht ihre Schularbeiten gemacht habe, daß sie hier nicht alles daran setze, bei modernen Technologien,
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
in neuen Beschäftigungsfeldern für mehr Arbeit zu sorgen.
Meine Damen und Herren, dazu gehört auch ein Bereich, der immer wieder zu kurz kommt. Wir haben in diesem Land ungeheuer viel Know-how, Know-how auch beim Betrieb, bei der Operation in wichtigen technologieorientierten Bereichen: im Umweltschutz, im Recycling, bei Strom, im Gesundheitswesen, bei Häfen und Flughäfen, im Messe- und Kongreßwesen, in Verkehrstechnologien. Wir müssen darangehen, diese Beschäftigungsfelder und dieses Know-how, das in Deutschland vorhanden ist, häufig noch in öffentlich-rechtlichen Strukturen, weltweit zu vermarkten und anzubieten: in Asien, in Lateinamerika und anderswo.
In diesen Bereich - auch dazu möchte ich hier etwas sagen - gehört ebenso das zusätzliche Engagement privater Investoren im Infrastrukturbereich. Die Infrastruktur wird in Deutschland weitgehend betrieben, aber auch weitgehend finanziert und erstellt durch öffentliche Aufträge. Das muß anders werden. Wir müssen Weichenstellungen vornehmen, um privates Kapital für den Infrastrukturbetrieb und für Infrastrukturinvestitionen zu mobilisieren.
Dazu brauchen wir auch das, was wir mit dem 25-
Milliarden-DM-Programm zur Verstetigung von Investitionen versuchen, einem Programm, das darauf orientiert ist, daß private Know-how-Träger und private Investoren in die Infrastruktur gehen. Dies ist ein Stück angebotsorientierte Politik, weil Investoren in Bereichen gewonnen werden sollen, die ansonsten der öffentlichen Hand reserviert bleiben. Deshalb werden private Kredite hergenommen, um private Investoren dazu zu bringen, mehr zu tun. Zusätzlich wollen wir Existenzgründungen und Existenzsicherungen fördern, indem wir Mittel aus dem Bankenbereich, primär privates Geld, in diese Bereiche lenken. Das ist kein Umschwenken auf die Programme aus den 70er Jahren, die sich alle als Strohfeuer herausgestellt haben, sondern eine Orientierung hin auf privates Engagement im Investitionsgüterbereich und im Infrastrukturbereich. Dies ist mit unserer Wirtschaftspolitik vereinbar.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Wort zur Kohle sagen. Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. Ich bin froh darüber, daß es gelungen ist, einen Kompromiß zu finden, der Massenentlassungen und ein Anheizen der Atmosphäre und der Situation im Bergbau vermeidet. Es muß aber heute und hier gesagt werden: Wir müssen die Zeit bis zum Jahr 2005 nutzen, um den notwendigen Umbau bei der Kohle und den Kohleunternehmen herbeizuführen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß sich die Ruhrkohle, die mit den Saarbergwerken zusammenzugehen hat, auf andere Bereiche orientiert.
Wir müssen dafür Sorge tragen, daß die Menschen, die im Bergbau arbeiten, eine Perspektive in zukunftsorientierten Bereichen haben. Wir können eine Politik nicht fortsetzen, die die gleichen Probleme, die wir im Jahre 1997 unter größten Mühen zumindest für eine Frist gelöst haben, im Jahre 2001 oder im Jahre 2002 wieder auf uns zukommen läßt, betreffend die Zeit nach 2005.
Die Kohle hat jetzt eine Kalkulationsgrundlage. Sie hat bis zum Jahr 2005 eine Perspektive. Sie muß diese Perspektive aber nutzen, um sich in andere Dimensionen hinein zu entwickeln und in anderen Sektoren Fuß zu fassen, ansonsten hätten sowohl die Kohleindustrie als auch wir, als auch NordrheinWestfalen und das Saarland die Schulaufgaben nicht gemacht. Das wäre eine verfehlte Politik.
Ich warne davor, die Probleme zu verschieben und zu denken, sie seien gelöst. Wir müssen heute darangehen, damit für die Zeit nach 2005 eine Perspektive mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen besteht.
Die Bundesregierung hat ein Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das Ihrer Mitwirkung und der Aufgabe Ihrer Blockadehaltung im Bundesrat bedarf. Ich sage Ihnen: Die Menschen haben es satt, daß Sie uns diffamieren und hier aggressiv und unter persönlicher Herabsetzung diskutieren. Die Menschen erwarten Lösungen von der Politik.
Die Politik repräsentieren wir alle, auch Sie! Wir haben ein klares Konzept, das in sich schlüssig ist. Wir werden es durchsetzen, und zwar am Ende mit Erfolg.