Rede von
Maritta
Böttcher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziehen wir doch einmal kurz Bilanz, was seit der letzten BAföG-Debatte in diesem Haus für die Betroffenen draußen alles real passiert ist: Studierende, die ihr Studium im Vertrauen auf geltendes Recht geplant hatten, standen plötzlich vor der Situation, daß ihre Förderungshöchstdauer abgelaufen war, weil Auslandssemester und Gremientätigkeit nicht mehr angerechnet wurden.
Studienabschlußförderung wurde nur noch per Kreditvertrag angeboten. Mittellose Studierende hatten also die fragwürdige Entscheidung zu treffen, ihr Studium kurz vor Abschluß abzubrechen oder sich in Erwartung eines angesichts der Akademikerarbeitslosigkeit durchaus nicht sicheren Einkommens kräftig zu verschulden.
Selbst wenn sie das in Kauf nahmen, gab es Probleme bei der Datenübermittlung zwischen BAföG- Amt und Deutscher Ausgleichsbank, so daß eine zumindest vorübergehende Mittellosigkeit keine Seltenheit war. Also bestanden wieder die Alternativen: Existenz sichern oder zügiger Studienabschluß.
Gibt es eigentlich Erhebungen, wie viele Studienabbrüche, unnötige Unterbrechungen, Abbrüche von Auslandsaufenthalten usw. auf das Konto der undurchdachten Regelungen und unkoordinierten Durchführungen der 18. BAföG-Novelle gehen?
Die unzureichende Anpassung von Bedarfssätzen und Freibeträgen führte zum weiteren Absinken der Gefördertenquote. Mit dem Bundeshaushalt 1997 wurde eine weitere Mittelreduzierung für das BAföG um 10,7 Prozent beschlossen. Damit werden die Ausgaben für Studierende gegenüber 1992 halbiert. Der seit Jahren andauernde Substanzverlust des BAföG wird trendgerecht fortgesetzt.
Was Sparen auf Kosten der Bildung für ein Land wie unseres bedeutet, dazu ist in diesem Haus schon genügend gesagt worden. Aber abgesehen von der grundlegenden Unterfinanzierung dieses Bereiches werden ja auch die naheliegenden Refinanzierungsmöglichkeiten nicht genutzt. Nach Berechnungen des DSW könnte etwa die Hälfte des Finanzaufwandes für 1997 aus den Darlehensrückflüssen ehemaliger BAföG-Geförderter bestritten werden. Diese Rückflüsse werden jedoch nicht zweckgebunden für die Verbesserung der Ausbildungsförderung verwendet, sondern fließen dem allgemeinen Staatshaushalt zu.
Nun hören wir den Standpunkt der Finanzminister, daß Steuermehreinnahmen bei Kinder- und Ausbildungsfreibeträgen als Auswirkungen der Steuerreform zur Gegenfinanzierung der Steuerreform benötigt werden und nicht für Zwecke der Ausbildungsförderung zur Verfügung stehen.
Die Erhöhung des Kindergeldes wird voll auf die Elterneinkommen angerechnet, ohne die Freibeträge entsprechend anzuheben. Das bedeutet: Was auf der
Maritta Böttcher
einen Seite mit großartiger Geste ausgeteilt wird, wird auf der anderen Seite klammheimlich mehrfach wieder einkassiert, und zwar eben bei jenen, die es am nötigsten brauchen. Das ist eine verlogene Politik.
Mir ist schon klar, daß die Bundesregierung mit der politischen Weichenstellung der 18. BAföG-Novelle und des Haushaltes 1997 ihre Sparpläne ganz gut auch ohne Reformdebatten realisieren kann. Zumindest stört es nicht, wenn diese Debatten nur sehr schleppend vorankommen, wenn es langwierige Termin-, Abstimmungs- und Protokollschwierigkeiten gibt, wenn statt über Inhalte über verschiedene Wahrnehmungen von Diskussionen geredet wird.