Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mag sein, daß sich einige Kollegen ärgern, daß wir am heutigen Freitag noch eine solche bildungspolitische Debatte zum BAföG aufgenommen haben. Aber ich sage dies als liberaler bildungspolitischer Sprecher: Ich bin nur traurig über die Zeit; denn am Freitagnachmittag sind hier sehr wenige Leute, die sich das anhören können.
Ich denke, in einer Zeit, in der unsere ganzen Kräfte gebraucht werden und in der unsere Aufmerksamkeit durch große Reformen, wie die Steuerreform und die Gesundheitsreform, aufgesaugt wird, dürfen wir nicht diejenigen vergessen, um die wir uns auch zu kümmern haben und die ebenfalls verlangen, daß wir für sie eine Reform durchführen. Wir haben das jetzt tatsächlich in eine Hand gegeben, nämlich in die der Bund-Länder-Kommission. Diese - das müssen wir einfach feststellen - kommt aber nicht zu den schnellen Ergebnissen, wie wir das gerne möchten.
Ebenso sorge ich mich darum, daß man natürlich auch bei der Bildungspolitik nachfragt, ob man möglicherweise für die großen anstehenden Reformvorhaben auch beim Bildungsbereich noch einige Finanzen mit zur Verfügung gestellt bekommt. Bedauerlicherweise verträgt in diesem Zusammenhang das BAföG-Modell, das ohnehin schon an Magersucht leidet, nicht noch eine neue Diät.
Hinzu kommt, daß es nach Ansicht der F.D.P. allerhöchste Zeit wird, das BAföG nicht länger als ein die Abgabenlast steigerndes Sozialgesetz zu betrachten. Zwar orientiert sich die Gewährung der Auszahlung des BAföGs ausschließlich an sozialen Gesichtspunkten, aber dies nur deshalb, weil man in der ersten Phase des Studiums den Geförderten noch nicht ansehen kann, ob sie die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen oder nicht.
Deshalb ist das BAföG die einzige an Sozialbedürftigkeit orientierte Fördermaßnahme, die den Geförderten in 99 Prozent der Fälle aus der Sozialbedürftigkeit heraushilft. Kinder von BAföG-Geförderten benötigen, wenn sie dann selbst Studenten sind, in der Regel kein BAföG mehr. Dieser Effekt kann auch zur Folge haben, daß die Gefördertenquote im Laufe der Jahre sinkt.
Solange diese Mechanismen die Entwicklung der Förderquote bestimmen, könnte man sie als Qualitätsausweis werten. Tatsächlich aber sinkt die Gefördertenquote kontinuierlich, weil die im Blockadespiel zwischen Bundestag und dem Bundesrat immer wieder verschleppten Anpassungen die Höhe der Freibeträge und Bedarfssätze von der tatsächlichen Entwicklung der Lebenshaltungskosten abgekoppelt haben.
Diese Einsicht ist auch in diesem Hause weit verbreitet. Sie hat dazu geführt, daß sich die Regierungschefs von Bund und Ländern im letzten Jahr darauf verständigt haben, noch vor Ablauf der Legislaturperiode die Ausbildungsförderung grundlegend zu reformieren. Auch mein Vorsitzender, Wolfgang Gerhardt, hat seinen Bildungsentwurf mit „Chancen nutzen" überschrieben und damit die Chancengleichheit vorangestellt.
Für die F.D.P. stelle ich hier fest: Es ist uns vollkommen egal, ob die Antwort auf die Frage, welches Modell wir bekommen, Drei-Körbe-Modell, Vier-Schichten-Modell oder Fünf-Stufen-Modell heißt. Wichtig und unverzichtbar erscheinen mir aber folgende Feststellungen, die ein zukünftiges BAföG-Modell erfüllen muß:
Wir wollen ein BAföG-Modell, das erstens allen Befähigten unabhängig von Herkunft, Einkommen und
Dr. Karlheinz Guttmacher
I Geschlecht eine Studienchance bietet, zweitens die Ausbildungsförderung für das 21. Jahrhundert als eine bedarfsdeckende, den Lebensunterhalt sichernde Förderung gewährleistet, drittens den Studierenden als jungen Erwachsenen und nicht als abhängiges Kind behandelt,
viertens an die aus der Situation der Hochschulen resultierende Studienwirklichkeit angepaßt werden kann, fünftens insbesondere kinderreiche Familien von den Kosten der Hochschulausbildung entlastet, sechstens ein zügiges und zielführendes Studium individuell und gesamtwirtschaftlich ermöglicht, siebtens transparent und effizient und für die Studierenden handhabbar geschaffen ist, achtens die Kostenbelastung der öffentlichen Haushalte minimiert und neuntens die Finanzierung sowohl bei steigenden Studierendenzahlen als auch bei steigenden Lebenshaltungskosten gewährleistet.
Im Sinne der Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit sollte dabei die Ausbildungsförderung auf mittlere Sicht aus dem allgemeinen Steuerhaushalt in einen separaten Fonds überführt werden.
Mit Steuermitteln sollten nach Ansicht der F.D.P. nur Stipendien für überdurchschnittlich gute Studierende und der Aufwand zur Minimierung sozialer Härtefälle finanziert werden.
Rückzahlungen der Geförderten sollten sich am Einkommen und der Studienleistung orientieren und in einen separaten BAföG-Fonds erfolgen. So kann gewährleistet werden, daß ein gerechterer Ausgleich zwischen dem individuellen und dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen gefunden wird.
Wir sind uns darüber im klaren, daß eine solch umfassende Reform nicht ohne gravierende Folgeänderungen im Unterhalts- und Steuerrecht möglich sein wird. Wir sind uns zur Zeit nur noch nicht darüber im klaren, wie eine bislang aus Steuermitteln finanzierte Leistung kontinuierlich mittelfristig in eine Fondslösung überführt werden kann. Hierzu bedarf es sicherlich der intensiven Unterstützung des auf Bundes- und Länderebene versammelten Sachverstands.
Die F.D.P. würde es begrüßen, wenn das Bildungsministerium zum Thema Ausbildungsfinanzierung ein Leitprojekt ausschreiben würde, also einen Ideenwettbewerb, bei dem nur die Vorschläge Eingang finden würden, bei denen Unterhalts-, Steuer- und Verfassungsrechtler mindestens ein prinzipielles Okay geben würden.
Zunächst aber würde ich mir wünschen, daß in der Bund-Länder-Kommission auch Vorschläge erarbeitet werden, die uns im Bildungs- und Wissenschaftsausschuß vorgelegt werden.
Danke schön.