Rede von
Matthias
Berninger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist zwar relativ spät, aber die Beschäftigung mit der Zukunft des BAföG ist deshalb so wichtig, weil alles, was wir momentan an Informationen über die Entwicklung des BAföG bekommen, und alles, was in letzter Zeit an Politik in diesem Bereich gemacht worden ist, durchaus den Schluß zuläßt, daß das BAföG den Bach runtergeht, Frau Kollegin Odendahl.
Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, die mir große Sorgen bereiten. Wenn im Jahre 1996 in einer Stadt wie Duisburg die Zahl der BAföG-Empfänger um 22,8 Prozent zurückgeht und diejenigen, die noch BAföG beziehen, weniger bekommen und wenn in einer Stadt wie Siegen über 20 Prozent weniger BAföG-Geförderte leben als im Jahr zuvor und wenn in der Bundesrepublik insgesamt fast 15 Prozent weniger BAföG-Empfänger zu verzeichnen sind, dann deutet das darauf hin, daß das Thema Chancengleichheit immer weiter in den Hintergrund gerät; denn auf der anderen Seite haben wir festgestellt, daß die finanzielle Situation in der Bevölkerung keineswegs so ist, daß die Leute plötzlich im Wohlstand schwimmen und deswegen kein BAföG mehr brauchen.
Entscheidend ist, daß wir alle, nicht nur die Koalition - insofern greife ich das, was Herr Hollerith gesagt hat, gern auf -, es insgesamt nicht geschafft haben, das BAföG den Preissteigerungen in den letzten Jahren anzupassen. Deshalb tragen wir, Bund und Länder gemeinsam, die Verantwortung dafür, eine Reform des BAföG vorzunehmen. Das heißt aber nicht nur, daß die rot-grünen Länder diese Verantwortung tragen, sondern auch die Bundesregierung, die heute nur spärlich vertreten ist.
Sie machen da einen großen Fehler.
Ich glaube, daß wir in einer sehr schwierigen Situation sind; denn der Kompromiß um die 18. Novelle, den Sie notdürftig mitgetragen haben, ging davon aus, daß man mit dieser Bundesregierung letzten Endes fair zusammenarbeiten kann und daß es so etwas wie einen fairen Vertragspartner auf dieser Seite gibt.
Das halte ich - das ist die Erfahrung der letzten Monate - inzwischen für ein Gerücht.
Offensichtlich scheint die Bundesregierung mit der 18. Novelle ganz zufrieden zu sein. Über die Verzinsung und dadurch, daß man das BAföG nicht anpaßt und Studierende, die in Gremien tätig sind, zukünftig bestraft und Leute, die im Ausland studieren, in Zukunft bestraft, indem sie in der Regelstudienzeit nicht mehr wie früher gefördert werden können, spart sie 1 Milliarde DM. Damit scheint die Regierung also zufrieden zu sein.
Die Regierung scheint mit diesem Zustand sehr zufrieden zu sein, denn sie spart Geld. Wenn wir gemeinsam dafür verantwortlich sind, Herr Kollege Hollerith, dann müssen wir uns genau dagegen stellen.
Sie haben zu Recht gefragt, wo das Geld für eine BAföG-Reform herkommen soll. Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn das, was sich der Bundesminister Rüttgers vorstellt, nämlich daß man auf dem Stand der 18. BAföG-Novelle eine BAföG-Reform machen will, Politik der Bundesregierung bleibt, kann man die Sache knicken. Dann gibt es keine BAföG-Reform, denn es gibt dafür kein Geld.
SPD und Grüne haben immer kritisiert, daß man durch die Instrumente der Verzinsung und der Einschränkung von Leistungen Geld zusammengekratzt hat, um Hochschulsonderprogramme zu finanzieren. Sich auf dieser Position auszuruhen ist aber - gelinde gesagt - verantwortungslos. Ich glaube, daß es ein Riesenfehler dieser Bundesregierung wäre, wenn sie an dieser Haltung festhielte.
Matthias Berninger
Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie Sie dort als Bildungspolitiker dort ruhig und selbstzufrieden sitzen können, wenn im Haushalt für Bildung, im Zukunftsressort, wesentlich mehr als im gesamten Durchschnitt gespart wird. Statt zu investieren, sind Sie für Kürzungen in diesem Bereich.
Es stimmt: Auch in den Ländern wird gekürzt. Das steht aber in keinem Verhältnis zu dem, was auf Bundesebene passiert. Wenn Sie die Kürzungen beklagen, müssen Sie auch das zur Kenntnis nehmen.
- Das ist sicherlich richtig. Sie nannten auch Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel. Ich hoffe, daß die CDU-Kollegen Ihres Landes dabei zugehört haben.
Nun komme ich zur Frage der BAföG-Reform zurück. Die Frage ist: Wird der Herr Minister mit auf den Sockel aufsteigen? Meine Einschätzung ist: Er wird es nicht machen. Zu dem, was der Herr Lenzer als Sprecher der Unionsabgeordneten im Bildungsbereich erzählt, wird die Bundesregierung sicherlich stehen.
Wir als Opposition müssen uns dann aber fragen: Lohnt es denn überhaupt, daß wir diese Scheinverhandlungen und diese Verschleppungstaktik weiter wie bisher begleiten? Ich bin der Meinung: Ich warte zwar ab, was im April passiert, dennoch müssen wir eine neue Strategie wählen.
Wenn man eine Bildungsreform hinbekommen will, also mehr Flexibilität, vielleicht auch mehr Wettbewerb in den Hochschulen und Veränderungen, die dazu führen, daß in diesem Land wieder mehr in Bildung investiert wird - was zumindest in Sonntagsreden alle wollen -, dann geht das nicht ohne BAföG. Nicht umsonst ist die letzte Bildungsreform 1970 mit einer BAföG-Reform verbunden worden. Die BAföG- Reform hat sie letzten Endes in Gang gesetzt, weil sie den Leuten eine Chance gegeben hat, die Ausbildung überhaupt machen zu können. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe sehr von dieser Regelung profitiert.
Die nächste Bildungsreform, die wir machen, wird nicht ohne BAföG-Reform laufen. Die SPD-regierten Länder müssen sich, wenn sie sich schon nicht auf der Ebene von Verhandlungen und Kompromissen -18. BAföG-Novelle, dafür versuchen wir eine Reform in Gang zu setzen - mit der CDU einigen können, fragen, ob man es durchgehen lassen kann, daß wir eine Hochschulreform durchführen, bei der die Länder wieder mitmachen müssen und bei der die Diskussion um BAföG und Studiengebühren in Vergessenheit gerät. Das darf nicht passieren.
Ich wünsche mir eine gemeinsame rot-grüne Strategie, die in Richtung auf 1998 drei Dinge festlegt. Erstens. Wenn 1998 Rot-Grün regiert, wird in Bildung investiert. Es werden mehr Ressourcen für Bildung freigesetzt.
Das wünsche ich mir von Rot-Grün.
- In vielen Bereichen besagt die Realität in der Tat das Gegenteil, weil die Länder und die Kommunen von der Art und Weise, wie der Bund im Moment Finanzpolitik macht, ganz massiv betroffen sind.
Sie hatten das Land Hessen nicht angesprochen. Ich mache das einmal, ganz offen; ich komme aus Hessen. Auch mir macht es Sorgen, wie in Hessen Planstellen nicht besetzt werden. Ich will die ewige Debatte, wer schuld und wer nicht schuld ist, gar nicht. Ich will etwas ganz anderes, nämlich daß RotGrün sagt: Wenn Rot-Grün 1998 regiert, werden wir in Bildung investieren - im Gegensatz zu dieser Bundesregierung.