Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Poppe, ich warte eigentlich noch auf Ihre Kurzintervention. Nachdem Sie bis zur Rede des Außenministers die Perspektiven vermißt haben, müßten Sie eigentlich nach der Rede des Außenministers aufstehen und sagen: Da waren sie.
Im übrigen glaube ich gar nicht, daß wir uns vorstellen sollten, ausschließlich die Politik könne die Erfolge in Osteuropa erzielen. Vielmehr ist es außergewöhnlich, daß nach vergleichsweise kurzer Zeit viele Akteure dabei sind, mitzuhelfen, daß diese Reformziele erreicht werden, so daß die Veränderungen viel schneller geschehen, als das die Politik erreichen könnte.
Kollege Francke und Kollege Meckel haben darauf hingewiesen, wie differenziert die Entwicklung abläuft. Ich will versuchen, zum Schluß ein paar Aspekte der wirtschaftspolitischen Entwicklung darzustellen und dabei auch einmal positive Elemente herauszustellen, die in der deutschen Öffentlichkeit häufig viel zuwenig im Mittelpunkt stehen.
Sie wissen, die Reformstaaten in Mittel-/Osteuropa stellen eine eigene Gruppe dar. Sie haben den Tiefpunkt der Entwicklung überwunden. Sie sind bei etwa 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1989 angekommen und haben in allen Kennziffern
Erich G. Fritz
positive Entwicklungen: Inflation, Arbeitslosigkeit, Haushaltsdefizit. Ja, es gibt sogar einige Länder, die ihre Auslandsverschuldung in den letzten Jahren abbauen konnten. Die Tschechische Republik ist bei der Arbeitslosenrate mit 3,2 Prozent nicht nur in Osteuropa ein positiver Ausreißer; wir können von solchen Zahlen nur träumen.
Der Reformprozeß auf dem Weg zur Marktwirtschaft ist fortgeschritten. Man könnte davon sprechen, daß in diesen Ländern schon die zweite Phase dieses Reformprozesses beginnt, daß es jetzt um die Feinsteuerung geht, weil bei diesem schnellen Umstellungsprozeß natürlich eine Vielzahl von Verzerrungen und auch von Ungleichgewichten entsteht. Hier ist mehrfach auch auf die soziale Auswirkung hingewiesen worden. Die Durchschnittszahlen sagen über die Verteilung der Fortschritte natürlich wenig aus.
Die positive Entwicklung dieser Länder, zu denen Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Slowenien sowie mit Abstrichen die baltischen Staaten und Rumänien gehören, zeichnet sich durch einen hohen Grad an Marktöffnung .aus. Die Belebung des Handels untereinander ist besonders zu würdigen, weil sie darauf hinweist, daß auch zwischen den Reformstaaten selber ein Prozeß in Gang kommt.
Besonders erfreulich ist, mit welcher Geschwindigkeit und mit welcher Korrektheit diese Länder sich in das internationale Handelssystem integrieren. Der Weg in die OECD und in die WTO wird sehr zügig beschritten.
Die für weitere Beitrittskandidaten offene CEFTA verstärkt die gemeinsame Richtung der Reform mit Blick auf die EU. Das ist wesentlich mehr als ein Trainingscenter, wie manche es so abschätzig nennen. Man merkt vielmehr, wie da übernationale Strukturen entstehen, die ganz schnell zu einer neuen Orientierung führen und wesentlich dazu beitragen, daß sich die Assoziationsabkommen schnell in Richtung EU-Mitgliedschaft entwickeln können.
Die Kaufkraft der MOE-Länder hat sich erhöht. Sie ist ausschlaggebend dafür, daß die Länder zu interessanten Absatzmärkten geworden sind.
Die Wirkung der Reformpolitik kann man auch an der Wirtschaftsstruktur dieser Länder ablesen. Am erwirtschafteten Sozialprodukt ist der Privatanteil deutlich gestiegen: in Ungarn und Tschechien auf 79 Prozent und in der Slowakei auf 58 Prozent. Die Unternehmensdichte pro tausend Einwohner liegt in diesen Ländern mittlerweile bei 31. Diese Zahl besagt wenig. Aber man muß wissen, daß sie in der EU auch nur 43 beträgt. Das heißt, es gibt hier eine schnelle Entwicklung.
Ein Mittelstand entsteht. Das ist auch ein Beitrag zur sozialen Entwicklung dieser Länder. 30 bis 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden bereits durch kleine und mittelständische Unternehmen erzeugt. Wichtig ist: Dort, wo die Reformschritte am konsequentesten gemacht werden und die Entwicklung am weitesten fortgeschritten ist, ist auch der Anteil von kleinen und mittelständischen Unternehmen am höchsten. Man sieht also, daß viele Strukturen,
die wir hier in der sozialen Marktwirtschaft als wichtig empfinden, bei diesen Transformationpsrozessen, wenn sie denn gestattet werden, zu positiven Auswirkungen auch für den Wohlstand der Menschen führen.
Die Konvergenz der Industriestrukturen nimmt zu. Der Außenhandel ist regional und strukturell, besonders bei arbeitsintensiven Produkten, sehr schnell auf die Nachfragestruktur der Europäischen Union umgestellt worden. Das führt hinsichtlich dieser Ländergruppe zu dem Eindruck: Im nachhinein wird man sagen können, die Geschwindigkeit des Wandels war ungeheuer. Wir werden sie mit Hochachtung zur Kenntnis nehmen, auch wenn man als Zeitzeuge - besonders die Betroffenen selber - immer das Gefühl hat, das Ganze gehe viel zu langsam. Es ist deutlich abzusehen: Die genannten Länder werden im Rahmen einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit ihren Reformkurs erfolgreich abschließen.
Ganz anders sieht dies bei den Ländern der GUS und den weniger fortgeschrittenen Ländern aus. Wenn wir dort nach dem Jahr 1997 im wirtschaftlichen Bereich eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau erreichen können, dann ist viel gewonnen. Wenn dies wenigstens dazu beitragen würde, daß die politischen Rahmenbedingungen nicht schlechter werden, dann könnte man sagen, daß das Jahr 1998 mit Hoffnung zu erwarten ist. Noch ist aber der Einfluß der alten Eliten und noch sind die Vorteile derer, die schon immer die Hebel in der Hand gehabt haben, zu groß, als daß sie bereit wären, Reformschritte wirklich zuzulassen. Dies geht ja bis zum Boykott von einzelnen Reformmaßnahmen und der Privatisierung.
Meine Damen und Herren, die Weltbank hat im Weltentwicklungsbericht gesagt:
Wo immer eine konsequente Liberalisierung verfolgt wurde, verbunden mit handelspolitischer Öffnung, makroökonomischer Stabilisierung und dem Aufbau von Märkten und den sie tragenden Institutionen, konnte nach kurzer Zeit eine drastische Erhöhung des Lebensstandards realisiert werden.
Damit sind die Marksteine der Reformpolitik im wirtschaftlichen Bereich begründet.
Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu den Auswirkungen auf Deutschland sagen. Der Handel mit den osteuropäischen Ländern hat sich in den letzten Jahren im Schnitt um 24 Prozent pro Jahr verbessert. Er ist nicht ausgeglichen. Die Exporte in Richtung Osten sind höher als die Exporte des Ostens in den Westen. Immerhin aber befindet sich der Austausch auf einem sehr hohen Niveau.
Man geht davon aus, daß sich dieses Volumen in den nächsten fünf Jahren noch verdoppeln kann. Das sind Perspektiven, die zeigen, daß es für die westlichen Länder, besonders für Deutschland, nicht nur Anpassungsleistungen, sondern auch Vorteile gibt. Außenminister Kinkel hat schon darauf hingewiesen, daß wir beim Außenhandel mit Osteuropa
Erich G. Fritz
den Umfang des Warenaustausches mit den USA erreichen. Er hat, nachdem die endgültigen Zahlen vorliegen, für 1997 sogar Unrecht. Wir überschreiten den Umfang, da wir vermutlich eine Höhe von 115 Milliarden DM erreichen werden. Mit den USA haben wir einen Umfang in Höhe von 110 Milliarden DM.
Es taucht immer wieder das Gerücht auf, der Westen habe sich bei der Unterstützung der Reformprozesse zu sparsam verhalten. Ich glaube, auch das stimmt nicht, und zwar nicht nur aus deutscher Sicht, sondern auch insgesamt nicht. Allein von 1991 bis 1993 gewährte der Westen öffentliche Hilfen an die MOE-Länder in einer Größenordnung von 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dieser Länder. Der Marshallplan nach 1945 erreichte 2,5 Prozent. Von daher ist das eine Größenordnung, die durchaus in der Lage ist, Impulse für die Marktwirtschaft zu geben.
Die Bundesregierung hat die Politik der Unterstützung eines weit über den wirtschaftlichen Bereich hinausgehenden Reformprozesses in der Beantwortung der Anfrage ausführlich dargestellt. Es ist ein beeindruckendes Dokument, und überall hört man von Vertretern dieser Länder, daß dies sehr anerkannt wird. Wir unterstützen die Bundesregierung in der Fortführung dieser Politik.