Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was die Koalitionsredner hier geboten haben, war schon ein schändliches Spiel mit der Arbeitslosigkeit.
Es ist pure Demagogie, ein drittrangiges Steuerproblem - mehr ist nämlich die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, isoliert betrachtet, nicht -
zum zentralen Standortproblem der Bundesrepublik Deutschland aufzublasen.
Wer so argumentiert, verfügt weder über Wirtschafts- noch über Finanz-, noch über andere Kompetenz. Er zeigt nur: Diese Regierung hat abgewirtschaftet. Das ist ein deutlicher Beleg hierfür.
Es ist zynisch, die steigenden Arbeitslosenzahlen in Ost und West mit dieser Steuer zu begründen. Sie wollen von Ihrer von Grund auf verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik ablenken. Das gelingt Ihnen nicht mehr; damit kommen Sie nicht mehr durch.
Auch die taktische Raffinesse, mit der die Kollegen Schäuble, Merz und andere dachten, die SPD hier vorführen zu können, verfängt nicht mehr. Herr Kollege Merz, warum empfehlen Sie uns denn eine Organklage gegen ein noch gar nicht beschlossenes Gesetz? Herr Kollege Repnik, warum zitieren Sie den Ausnahmecharakter eines Verfassungsgerichtsurteils und nennen nicht die Grundlage dieses Urteils, die nämlich verlangt, daß das Ende der Gesetzgebung klar ist, bevor man klagen kann?
Wenn das so ist, müßten Sie gleichzeitig die Verfassungsänderung und die einfachgesetzliche Änderung zur Abstimmung stellen und dürften das nicht voneinander trennen, wie Sie das gemacht haben.
Wir haben schon 1995 erklärt, daß wir mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer unter bestimmten Bedingungen einverstanden sind. Diese Bedingungen haben wir immer wieder im Einvernehmen mit der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände genannt. Fakt ist der - davon können Sie, Herr Thiele, noch so wortreich nicht ablenken -: Bis heute gibt es keine Zustimmung der Kommunen und der Länder. Deswegen stimmen auch wir nicht zu.
Die kommunalen Spitzenverbände haben dies noch am 29. Januar bzw. 30. Januar verlangt. So heißt es in den Beschlüssen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wörtlich:
Die verbleibende Gewerbesteuer und die Beteiligung an der Umsatzsteuer sind im Grundgesetz wirksam abzusichern.
Joachim Poß
Der Deutsche Städtetag sagt:
Unverzichbar ist für die Städte die verfassungsmäßige Absicherung der verbleibenden Gewerbeertragsteuer.
Warum stimmen Sie dann nicht unserem Vorschlag zu, den Gemeinden in Art. 28 GG eine mit kommunalem Hebesatzrecht ausgestaltete Gewerbesteuer als Bestandteil ihrer finanziellen Eigenverantwortung zuzugestehen? Warum machen Sie das nicht?
Ich hoffe - ich wende mich an die Kommunalpolitiker in der CDU/CSU -, daß Sie heute genau zugehört haben, als der Kollege Merz bekräftigt hat: Wir wollen die Abschaffung der Gewerbeertragsteuer. Das hat Herr Merz für die Koalition erklärt.
Mit dieser Botschaft gehen Sie einmal in die Kommunen und sagen Sie, welche Finanzperspektive sie angesichts des Umstandes haben,
daß täglich Jugendheime und andere freiwillige Einrichtungen geschlossen werden müssen. Auch das ist doch blanker Zynismus im Umgang mit den Anforderungen dieser gemeindlichen Ebene: ihnen keine Perspektive zu geben, ihnen diese Perspektive zu versagen. Das haben heute Herr Merz und auch Herr Thiele hier gemacht.
Ich freue mich darüber. Jetzt ist endlich Klarheit. Jetzt können alle meine Freundinnen und Freunde in den Kommunen die CDU-Kommunalpolitiker fragen: Wie haltet ihr es mit der Zukunft der Gewerbesteuer insgesamt?
Da werden sich alle Kommunalpolitiker in Hessen freuen, daß diese Botschaft heute morgen so deutlich übergekommen ist.
Wir haben gesagt: Wir stimmen zu, wenn ein Ausgleich erfolgt. Dieser Ausgleich ist bisher weder für westdeutsche noch für ostdeutsche Kommunen hergestellt worden. Der Zinsvorteil von 20 Millionen DM über das KfW-Programm kann doch wohl nicht der Ausgleich für die ostdeutschen Kommunen sein. Mit diesem Ergebnis können sich die CDU-Bundestagsabgeordneten in Ostdeutschland nicht sehen lassen.
Erinnern Sie sich eigentlich noch an die Zusicherung des Bundeskanzlers, daß Änderungen bei der Gewerbesteuer nur im Konsens mit den Gemeinden erfolgen sollen? Wo ist denn dieser Konsens? Die Garantieerklärung dieses Bundeskanzlers ist nichts wert. Sie ist genausowenig wert wie viele andere
Kanzlerworte auch - zur Rente, zur Arbeitslosigkeit, zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
Heute geht es um wesentlich mehr als nur um die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer; das müssen alle wissen. Es geht um die Abschaffung der gesamten Gewerbesteuer. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer soll nur ein erster Schritt sein. Es geht also gar nicht um den Wegfall von 8 Milliarden DM an originären Steuereinnahmen der Gemeinden und um einen Ausgleich über die Umsatzsteuer. Nein, meine Damen und Herren, es geht um die Gewerbesteuer insgesamt und damit um ein Volumen von 50 Milliarden DM.
Sie haben beschlossen, den Kommunen 50 Milliarden DM originärer Steuerkraft wegzunehmen, ohne auch nur anzudeuten, welchen Ausgleich die Gemeinden in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhalten sollen. Herr Merz hat gesagt, es erfolge ein angemessener Ausgleich. Was ist das denn in einer Zeit, in der die Finanzdecke bei den Kommunen, bei den Ländern, beim Bund so knapp ist?
Auf den Unternehmensbereich bezogen heißt das: Wir reden heute nicht nur über die Abschaffung einer Substanzsteuer. Wir reden über die Abschaffung einer Ertragsteuer mit dem sechsfachen Aufkommen dieser Substanzsteuer.
- Wer Ihrer heutigen Forderung, dem ersten Schritt, folgt, der stimmt auch dem zweiten Schritt zu. Das ist das Problem.
- Heute nicht. Aber heute wollen Sie die Grundlage für die Abschaffung des Steueraufkommens von 50 Milliarden DM für die Kommunen schaffen.
Nach den Plänen der Koalition gibt es für die Gemeindefinanzen keine Zukunft. Das Gegenteil aber ist notwendig: Wir müssen nach Wegen suchen, die Finanzautonomie der Gemeinden zu stärken, um deren finanzielle Eigenverantwortung abzusichern.
Deshalb ist es wichtig, daß auch in Ihren eigenen Reihen Klarheit über die Tragweite Ihrer Pläne herrscht. Wenn Sie in Art. 106 GG nur die bestehende Ertragskompetenz der Gewerbesteuer zugunsten der Kommunen klarstellen wollen, dann ist das keine Sicherheit für die Kommunen.
Joachim Poß
Sie wollen keine Gemeindefinanzreform, wie sie auch der Städtetag fordert. Sie lehnen unseren Antrag zur Einsetzung einer gemeinsamen Kommission zur Gemeindefinanzreform ab, obwohl dies die Mehrheit des Bundesrates so beschlossen hat. Was soll dann die Aussage von Herrn Merz im Finanzausschuß: Auch wir wollen eine Gemeindefinanzreform!, wenn hier und heute im Deutschen Bundestag bei diesem Antrag keine Konsequenzen folgen?
Ihnen geht es nur darum, die Interessen der 5-Prozent-Partei F.D.P. durchzusetzen.
Bei dieser Klientelpartei wundert mich die kommunalfeindliche Haltung nicht. Ich frage mich nur, wie die Volkspartei CDU/CSU mit einer solchen Haltung leben kann. Das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.
Einerseits bekennen Sie sich mit hehren Worten zur kommunalen Selbstverwaltung, andererseits beseitigen Sie mit Ihrer konkreten Politik die bewährten finanziellen Grundlagen der Selbstverwaltung.
Statt Perspektiven aufzuzeigen, zerstören Sie Vertrauen und nehmen den Kommunen die noch bestehende Hoffnung auf eine sichere finanzielle Zukunft.
Wir stimmen der Verlängerung der Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern ausdrücklich zu. Darauf hätten wir uns heute beschränken können, meine Damen und Herren.
Zu einer Bilanz der finanziellen Auswirkungen der Gewerbesteuerpläne in den neuen Ländern gehört auch, die Wirkungen der Absenkung bei der degressiven Abschreibung einzubeziehen. Nach den vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Übersichten ergibt sich in der Summe, daß die Unternehmen in den neuen Ländern bei Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer kräftig draufzahlen. Sie müssen nämlich in vollem Umfang zur Gegenfinanzierung über die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen beitragen. Im Saldo ergibt sich eine jährliche Verschlechterung von über 600 Millionen DM im Jahre 1999,
die bis zum Jahre 2000 auf über 1 Milliarde DM ansteigt. Die von der Koalition immer wieder behauptete Entlastung der Unternehmen findet also tatsächlich gar nicht statt.
Wir haben gesagt, daß wir einer Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer im Konsens mit Ländern und
Gemeinden zustimmen können. Ein solcher Konsens liegt hier nicht vor. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.