Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In brüskierender Weise hat heute die Regierungskoalition die zweite und dritte Lesung ihres Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung gepeitscht; eines Gesetzentwurfes, der von seiner rechtlichen Ausgestaltung her die Mütter und Väter des Grundgesetzes bestimmt nicht hätte ruhig schlafen lassen.
Wer wie CDU und F.D.P. so etwas tut, muß schon lange den Blick für Rechtssicherheit und politische Kultur verloren haben. Die Koalition, Herr Merz, hat Stillstand. Ihr geht offenbar immer mehr der politische Atem aus. Die PDS hingegen tritt in ihrem alternativen Programm für eine soziale und ökologische Reform von Steuern und Abgaben konsequent für eine Veränderung der derzeitigen Praxis in der Kommunalfinanzierung und in der Unternehmensbesteuerung ein. Danach darf eben nicht - Herr Thiele hat es löblicherweise erwähnt -, so ist unsere Position, in erster Linie die Substanz eines Unternehmens, sondern muß vor allem sein Ertrag einer angemessenen Besteuerung unterliegen.
Wir brauchen jetzt Vorschläge im Rahmen der großen Einkommensteuerreform, wie es auf diesem Gebiet langfristig weitergehen kann. Da in die Berechnung der Gewerbekapitalsteuer Dauerschulden und Dauerschuldzinsen in angemessener Weise mit eingehen, ist es aus Sicht der PDS nicht zu verantworten, wenn die noch verbliebenen gewerblichen Unternehmen in Ostdeutschland mit ihrer geringen Eigenkapitaldecke und ihrer hohen Kreditbelastung auch noch Gewerbekapitalsteuer entrichten sollen, so wie es in einigen Bundesländern vorgesehen ist.
Aber, Herr Bundesfinanzminister, ich wiederhole es nochmals: Sie haben die rechtlichen Grundlagen für dieses kontraproduktive Vorgehen in Sachsen und Brandenburg gelegt. Die Koalition hat in chaotischer Weise am 12. Dezember den Beschluß durchgesetzt, formal die Gewerbekapitalsteuer 1997 in Ostdeutschland einzuführen, wohlwissend, daß es dafür keine politischen und keine rechtlichen Voraussetzungen gibt.
Ungeachtet unserer kritischen Position zu Substanzsteuern können wir einer bundesweiten Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nur dann zustimmen, wenn die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen auch tatsächlich geschaffen werden. Das ist im Gesetzentwurf aber nicht der Fall.
Unsere Forderungen lauten folgendermaßen. Erstens. Im Grundgesetz muß eine Bestandsgarantie für die nach Versenkung der Kapitalsteuer noch ver-
Dr. Uwe-Jens Rössel
I bleibende Ertragsteuer verankert werden. Die Koalition lehnt dies ausdrücklich ab und beharrt auf ihrer Koalitionsvereinbarung, wonach die Abschaffung der Kapitalsteuer der Einstieg in den völligen Ausstieg aus der Gewerbesteuer ist. Distanzieren Sie sich öffentlich von dieser Koalitionsvereinbarung! Das wäre eine Verhandlungsgrundlage.
Zweitens. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sollte endlich fester Bestandteil einer dringend notwendigen Reform der Kommunalfinanzen sein. Die Kommunalfinanzen in Deutschland müssen vom Kopf, auf dem sie jetzt stehen, endlich auf die Füße gestellt werden. Anderenfalls droht dem Gemeinwesen höchste Gefahr. Die PDS hat konkrete Reformvorschläge auf den Tisch des Hohen Hauses gebracht, über die Sie heute zustimmend entscheiden können.
Wir verlangen vor allem eine deutliche Anhebung des Anteils der Gemeinden an der Einkommensteuer - sie beträgt derzeitig 15 Prozent - bis auf 20 Prozent. Das ist hochaktuell, weil die sogenannten Reformabsichten von Theo Waigel davon ausgehen, daß das Aufkommen, das den Gemeinden aus der Einkommensteuer verbleiben soll, in den nächsten Jahren um 5 bis 6 Milliarden DM zurückgeht. Das ist unverantwortlich in Anbetracht der derzeitigen Lage.
In einer Mischung von Unwilligkeit und Unfähigkeit verweigert sich die Koalition einer umfassenden Reform der Kommunalfinanzierung und lehnt sogar eine gemeinsame Kommission von Bundesrat und Bundestag zur Vorbereitung eines solchen Projektes
) ab, wie es von der PDS initiiert und von der SPD aufgegriffen worden ist.
Drittens brauchen die ostdeutschen Gemeinden, denen aus der Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer seit 1991 2,1 Milliarden DM an Einnahmen vorenthalten worden sind, endlich einen angemessenen Ausgleich dafür. Die Ostkommunen brauchen zur Verbesserung ihrer Infrastruktur aber nicht, wie Herr Waigel es möchte, neue Schulden, neue Kredite. Sie brauchen Bargeld, das sie eigenverantwortlich zur Finanzierung ihrer angeschlagenen Infrastruktur einsetzen können.
Das ist der einhellige Vorschlag aller ostdeutschen kommunalen Verbände.
Am besten geeignet für ein solches Infrastrukturprogramm zum Ausgleich der Verluste ist das von der PDS seit 1994 im Bundestag wiederholt beantragte Verfahren zur Einführung einer kommunalen Investitionspauschale für die ostdeutschen Gemeinden, die vom Bund direkt ohne Bürokratie, ohne Bevormundung an die 6 000 ostdeutschen Städte und Gemeinden weitergeleitet wird.
Wir bitten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie Vernunft vor Ideologie walten, und stimmen auch Sie diesen Projekten zu!