Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, für den traurigen Unterton in Ihrer Rede haben wir Verständnis nach der 0 : 1-Niederlage von Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach.
- Es war ein guter Versprecher. Sie wissen, als Westdeutscher versucht man, dies für sich positiv zu gestalten.
- Als Mitglied des VfL Bochum trete ich für Borussia Dortmund und Schalke 04 ein. Nicht der Bessere soll gewinnen, sondern diese beiden, klar.
- Die Debatte wird breiter geführt.
Meine Damen und Herren, im Sport ist es ähnlich wie heute morgen bei der Absetzung des Tagesordnungspunktes 1. Mit Recht haben viele Abgeordnete gefragt: Wo bleibt die Kompensation bei dem Wegfall
Klaus Lohmann
der Steuern für die Kommunen? Ich denke, der Hintergrund unserer Anfrage zur Sportförderung und Sportsicherung ist ähnlich.
Die Frage: Welches ist die Antwort in bezug auf die Kompensation, die die Kommunen brauchen, besonders diejenigen, die Haushaltssicherungskonzepte fahren? Wir haben den Eindruck, als wenn die Antwort dieser Regierung lautet: Völlige Aufgabe städtischer Einrichtungen wie Sporthallen, Bäder, Parkanlagen und dergleichen mehr. Denn dies sind die Vorgaben, die den Kommunen gegeben werden. Ich glaube, die katastrophalen Folgen kennen wir.
Zunächst aber möchte ich sagen, daß wir mit Spannung verfolgen, wie in dieser Regierung die sportpolitische Kompetenz verteilt ist. Zum zweitenmal in dieser Legislaturperiode haben wir erlebt, daß sich der Sport beim Bundeskanzler über die Behandlung durch das Innenministerium beschwerte. Der Kanzler stellt auch prompt jedesmal seinen Sportminister in den Regen.
Wenn man es mit den Belangen der 25 Millionen Mitglieder in den über 8 000 Sportvereinen nur annähernd ernst meint, dann ist das erlebte Schauspiel nur halb so lustig. Das Eingreifen des Kanzlers ist diesmal begründet durch das engstirnige und unbelehrbare Verhalten des Innenministers in der Frage einer Sicherung der sportbezogenen Interessen auf europäischer Ebene.
In Brüssel werden Positionen vorbereitet, die dem organisierten Sport den Boden unter den Füßen wegschlagen könnten, beifällig bei der Koalition, als der Sportminister im Ausschuß vortrug, daß er es nicht für sinnvoll und richtig hält, den Sport in die Maastrichter Verträge aufzunehmen, wenn auch eventuell nur mit einer Protokollnotiz.
Inzwischen, nachdem die Intervention durch den Deutschen Sportbund von Herrn von Richthofen vorgetragen wurde, hat sich dies geändert. Der Kanzler hat erklärt, daß es hier einen Kurswechsel gibt und der Sport dort aufgenommen werden soll. In einer Situation also, in der die Finanzen des Sports durch politische Entscheidungen auf allen föderalen Ebenen bedroht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, zu wissen, wo diese Bundesregierung steht und wer das Sagen hat.
Wir fragen uns, ob die Antwort auf unsere Große Anfrage zur Sportförderung und Sportsicherung im Kabinett überhaupt gelesen oder ob sie schlichtweg abgelegt wurde. Große Anfragen sollen nach der Geschäftsordnung die Vorlage für Grundsatzdebatten über die politische Orientierung in einzelnen Sachfragen liefern. Ihre Antwort ist teilweise ausgesprochen dürftig ausgefallen.
Zur zentralen Frage, ob der Sport sinnvoll durch eine Staatszielbestimmung in den Länderverfassungen und im Grundgesetz abgesichert werden kann, bringt sie gerade einmal vier Sätze auf das Papier. In
sechs Bundesländern - dies sind nicht nur SPD-geführte - ist der Sport bereits Bestandteil der Staatszielbestimmungen. Das hält diese Bundesregierung für Unsinn.
Hier tut sich ein gewaltiger Unterschied in der Bedeutung der Sportorganisationen auf. Die Bundesregierung setzt sich mit ihrer unbegründeten Position in Widerspruch zu dem, was sich in der Debatte einzelner Länder als Trend abzeichnet - und dies bei einer Thematik, die in Zeiten knapper Kassen mehr denn je das Zusammenstehen der Politik für gemeinsame Ziele notwendig macht.
Wie wichtig ist die Sportförderung für unser Land und für die Menschen und nicht nur für die Mitglieder von Sportvereinen? Dies beweist ein trauriger Artikel aus dem „Spiegel" in dieser Woche, der betitelt war: „Der ganz normale Wahnsinn". In einer großen Stadt hat sich ein junger Mensch vor einen Zug geworfen, weil er das Leben nicht mehr ertragen konnte. Man mag es kaum glauben: Der Redakteur kommt in seiner Motivsuche zu dem Ergebnis - ich zitiere aus dem „Spiegel" Nr. 8 von diesem Montag -:
Unter dem Sparzwang der vergangenen Jahre fielen auch die letzten Refugien. In Mircos Gegend gibt es keinen Basketballkorb, auf dem Rasen darf nicht gekickt werden, und ein kleines Schwimmbad soll geschlossen werden.
Dies darf natürlich nicht als Versuch einer Antwort auf die Schuldfrage gedeutet werden, - um das ganz klar zu sagen. Die Verwaltungen, die Einsparungen umgesetzt haben, tragen keine direkte Schuld an dem Tod dieses jungen Menschen. Aber eines zeigt dieser Artikel: Er verdeutlicht die wichtigen Funktionen des Sports.
Dort, wo der Sport fehlt, wird der Freizeitgestaltung ein wertvoller Bestandteil entzogen. Der Schaden, der dann aus dieser Reduzierung von Freizeit entsteht, ist bei weitem teurer als die bisher finanzierte Sportförderung.
Diesen Sachzusammenhang bezeichnen wir als sogenannte Reparaturkosten. Zu reparieren sind nicht nur Sachschäden, sondern auch Haltungsschäden und motorische Störungen sowie ein steigender Konsum von Drogen und, soweit dies überhaupt noch möglich ist, zerstörte Lebensperspektiven.
Wir sind aufgefordert, alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um die Sportförderung auch in Zukunft zu sichern. Von diesem Bemühen scheint die Koalition jedoch weiter entfernt zu sein als je zuvor. Die angekündigten weiteren Kürzungen im Sozialbereich werden schließlich wie in der Vergangenheit doch wieder von den Kommunen aufgefangen werden müssen. Genau das werfen wir der Bundesregierung vor. Sie unternimmt wenig, und wenn sie doch etwas unternimmt, dann ist es oft widersprüchlich.
Klaus Lohmann
Durch die gescheiterte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erleben wir gegenwärtig die größte Massenarbeitslosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt, daß sich die Bundesregierung über die ihr zuwachsende Verantwortung für die sich dramatisch verschlechternde Finanzsituation der Kommunen nicht bewußt ist. Was sie als Antwort formuliert, ist Schlichtweg erbärmlich. Wer den Zusammenhang zwischen Massenarbeitslosigkeit und der finanziellen Situation der Kommunen als abwegig bezeichnet, der dokumentiert gleichzeitig seine Hilflosigkeit.
Lassen Sie mich hier sagen: Insbesondere die Situation der Kommunen in den neuen Bundesländern - hier gab es einen Versuch auch des Deutschen Sportbundes, den wir unterstützt haben, den Goldenen Plan Ost aufzulegen - zeigt, daß gerade in diesem Bereich größte Schwierigkeiten vorhanden sind. Wenn man sich die Situation in Berlin und anderen großen Städten vor Augen führt, dann ist klar erkennbar, welch riesige Reparaturstaus dazu geführt haben, daß viele Sportanlagen nicht zu benutzen sind und damit die jungen Menschen, die schon wegen der Arbeitslosigkeit kaum mehr einen Zukunftsgedanken haben, im Grunde auch in der Freizeit nicht die Möglichkeiten haben, die wir ihnen geben sollten. Von daher müssen Anstrengungen unternommen werden, daß die Sportförderung in den Kommunen im Wettstreit mit den anderen freiwilligen Aufgaben gewinnen kann.
Die Frage ist: Welches Standing hat der Sport? Dem Sport muß klar sein, daß er ein positives Image in den Köpfen der Stadt- und Gemeinderäte braucht. Sportorganisationen, die bei Großveranstaltungen Millionengewinne erzielen, die mitfinanzierenden Städte aber auf den Defiziten sitzen lassen, brauchen sich nicht zu wundern, wenn in diesen Gemeinderäten die Sportförderung ins Zwielicht gerät.
Der Sport braucht einen horizontalen Finanzausgleich. Auch dies war wohl bei der letzten Gesprächsrunde beim Bundeskanzler ein Punkt. Dies ist eine Sache, die von den Leuten des Deutschen Sportbundes seit langem vorgetragen wird. Hier geht es darum - wir haben das schon lange Zeit gefordert -, daß die reichen Sportarten, also die telegenen mit teilweise dreistelligen Millionenumsätzen, sich ihrer Verantwortung für den Breitensport und seiner Förderung bewußt sind. Es wird nicht funktionieren, die kommerziellen Interessen im Sport von den Organisationen mit hohen Gewinnen abdecken zu lassen und gleichzeitig das Allgemeinwohl und dessen finanzielle Sicherung auf die öffentliche Hand abzuschieben. Im System Sport ist viel eigenes Geld vorhanden, welches bislang einseitig verteilt und daher für die Grundsicherung des Sports nicht eingesetzt werden kann.
Eigentlich sollten in diesen Tagen der Sport und die Wirtschaft erneut beim Kanzler zusammentreffen, um verabredungsgemäß Bilanz über die Arbeit seit dem letzten runden Tisch zu ziehen. Dies geschieht nicht; denn die Ergebnisse sind traurig: Es ist nichts dabei herausgekommen.
Herr Riegert, Sie haben gefordert, daß der einzige Sozialdemokrat, der in diesem Bereich tätig ist, Herr Edzard Reuter, zurücktritt.