Rede von
Wolfgang
Gröbl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich brauche die Zahlen aus der Statistik hier nicht wiederholen. Sie sind heute mehrfach angesprochen worden.
Kein Mensch behauptet, Herr Bahr, daß der Wald in unserem Land gesund ist. Aber können wir uns denn nicht miteinander darüber freuen, daß die langfristige Statistik ausweist, daß die Schäden geringer geworden sind? Oder trauern Sie darum?
- Ich weiß schon, Sie beißen lieber ins Mikrophon, als daß Sie lachen.
Wir sollten aber froh und dankbar sein, wenn wir ein positives Ergebnis einer Statistik zur Kenntnis nehmen können.
Bei Ihnen, Frau Lemke, hat man ein bißchen den Eindruck, daß Sie traurig darüber sind, daß die Voraussagen Ihrer geistigen Väter, Mütter und Großmütter, der Wald werde innerhalb kürzester Zeit in Deutschland vom Erdboden verschwinden, nicht eingetroffen sind.
Nein, wir haben eine vernünftige Politik gemacht.
Es muß Ihnen doch, wenn Sie Ihre Vorwürfe formulieren, zu denken geben, daß wir seit 1983 - das Datum muß Ihnen doch etwas sagen - das Programm „Rettet den Wald", seit 1984 die statistische Erfassung und seit 1991, Herr Bahr, in den neuen Bundesländern eine auch statistisch deutlich meßbare Verbesserung der Luftsituation haben.
- Das hängt doch nicht damit zusammen, daß Industrie plattgemacht wurde. Das hängt damit zusammen, daß Dreckschleudern abgeschaltet wurden, diese miserablen Kraftwerke mit einem schlechten Wirkungsgrad, mit veralteter Technik und ohne jede Filteranlage. Darin liegen doch die Gründe. Daß all das möglich war, geht auf diese Bundesregierung zurück.
Freuen Sie sich also ein bißchen mit uns. Bevor wir neue statistische Größen einführen, Herr Bahr, gehen wir doch einmal miteinander in den Wald.
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
- Gehen wir doch einmal miteinander dorthin, damit Sie auch darüber noch Informationen bekommen, worüber hier geredet wird.
Ich halte es auch für wichtig festzuhalten, daß trotz aller Verbesserungen in der Schadstoffsituation der Wald als ein bekannt träges Ökosystem nicht sofort auf jede Veränderung der Luftschadstoffe reagiert, sondern eine Entwicklung über Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte zu berücksichtigen ist. Erst vor diesem Hintergrund kann - wie ich meine: zu Recht - von einem Gesundungsprozeß gesprochen werden.
Der Kollege Klinkert wird über die Veränderung der Luftbelastung sprechen und über die Maßnahmen, die zur Verringerung eingeleitet worden sind.
Nur ist auch das ja nicht vom Himmel gefallen. Das geht auf eine Leistung der Politik, eine gewaltige und milliardenschwere Anstrengung unserer Wirtschaft und auf das Mittun und die Aktivität der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zurück. Auch das sollten wir einmal dankbar und positiv zur Kenntnis nehmen.
Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, Herr Bahr -
- Herr Heinrich hat gesagt, die Richtung stimme, und er hat recht -, aber sie wachsen schneller. Wir haben dadurch eine höhere Holzproduktion als in früheren Jahrzehnten. Das ist vom Europäischen Forstinstitut festgestellt, das ist bei einer Holzaufkommensprognose dargelegt worden. Das ist ebenfalls erfreulich.
Trotzdem möchte ich auch ganz klar sagen: Das Problem der neuartigen Waldschäden kann trotz dieser Erscheinung nicht ad acta gelegt werden. Darüber sind wir uns im klaren. Vermehrter Zuwachs läßt nicht den Rückschluß auf eine angeblich wiedererlangte Vitalität der Wälder zu. Wachstum ist nicht identisch mit Stabilität. Eine Entwarnung im Bereich der neuartigen Waldschäden ist nicht angebracht.
Zur weiteren Stabilisierung unserer Wälder, aber auch aus anderen Umweltschutzgründen muß die konsequente Luftreinhaltepolitik in Deutschland fortgeführt werden.
Hier gibt es in Europa und im internationalen Bereich viel Handlungsbedarf. Neben der Luftreinhaltung sind die flankierenden forstlichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wälder wichtig; natürlich auch die Bodenschutzkalkung, Frau Lemke, auch die Stabilisierung vor- und unterbaugeschädigter Wälder und die Wiederaufforstung. Dies alles wird von uns, von Bund und Ländern, mit Förderprogrammen begleitet.
Es ist darauf hingewiesen worden: Der Lebensnerv der Forstwirtschaft ist der Holzabsatz. Dabei bin ich auch für Ihre Unterstützung dankbar. Aber wer hat denn damals kontraproduktiv gearbeitet? Das waren doch Ihre geistigen Ahnen.
- Wenn auch ahnungslos, so doch mit geistigen Ahnen versehen.
„Baum ab - nein danke" war einmal ein Wahlspruch. Vielleicht sind auch Sie mit solchen Transparenten bei irgendwelchen Demonstrationen dabeigewesen.
Das ist ein völlig kontraproduktiver Satz,
was die Erhaltung und die Bewirtschaftung unserer Wälder angeht.
Richtig ist, daß wir aus unseren Wäldern viel mehr Holz entnehmen könnten, als wir es im Augenblick tun.
Statt 40 Millionen Festmeter könnten wir in deutschen Wäldern leicht 55, 56 oder 57 Millionen Festmeter jährlich einschlagen. Unser Problem ist, daß wir noch zuwenig Möglichkeiten der Holzverwendung und des Holzabsatzes haben. Hier haben wir eine gemeinsame Verantwortung in den Kommunen, in den Ländern und beim Bund; denn die öffentliche Hand sollte sich ihrer Vorbildfunktion sehr wohl bewußt sein.
Ein anderes Thema ist natürlich auch wichtig, das zur Zeit national und international heiß diskutiert wird: die Kennzeichnung und Zertifizierung der Betriebe. Wir können mit Fug und Recht sagen, in Deutschland betreiben wir seit etwa 200 Jahren nachhaltige Forstwirtschaft. Deshalb erheben wir den Anspruch, daß forstliche Betriebe, die sich an die deutschen Waldgesetze halten und von der Forstbehörde kontrolliert werden, nicht eigene aufwendige Verfahren durchlaufen müssen, um ein Kennzeichen oder ein Zertifikat zu erhalten. Vielmehr ist es recht und billig, diesen Betrieben den Begriff „nachhaltige Forstwirtschaft" von Amts wegen zuzubilligen. Das sind wir den Betrieben schuldig, die sich seit Jahrzehnten - in diesem Fall sogar seit Jahrhunderten - an die Regeln halten.
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
Nun noch ein Wort zu der Statistik, meine Damen und Herren. DPr Wert einer Statistik hängt auch damit zusammen, ob die einzelnen Erfassungen vergleichbar sind. Wenn wir ständig neue Parameter einführen - vor und zurück -, dann leidet natürlich die Vergleichbarkeit der Statistik. Wir ergänzen die jetzige Statistik durch eine Bodenzustandserhebung. Sie wird demnächst vorgelegt.
- Entschuldigung, das ist eine zusätzliche und eigenständige Erhebung. Diese Bodenzustandserhebung kann gar nicht in dem Rhythmus der jährlichen Waldzustandsstatistik erfolgen. Erstens ist es sehr aufwendig. Wir haben für diese erste Waldbodenzustandserhebung etwa vier Jahre benötigt. Zum zweiten ist die Veränderung im Boden sehr langsam und damit statistisch erst wieder im Abstand von mehreren Jahren erkennbar. Deshalb macht es Sinn, wenn wir diese Waldbodenstatistik oder -erfassung im Zeitraum von mehreren Jahren wiederholen; also mindestens fünf Jahre, besser wohl zehn Jahre Abstand sollten schon sein. Dann wird das Ganze aussagekräftig.
Wir sehen, es gibt überhaupt keinen Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil: Wir sollten auch diese Statistik und die heutige Diskussion zum Anlaß nehmen, unsere Bemühungen zur Förderung des deutschen Waldes, zur Förderung der Forstwirtschaft zu verstärken. Auch sollten wir sie zum Anlaß nehmen, nicht in parteipolitisches Gezänk zu verfallen, sondern miteinander - vielleicht nach einer Waldbesichtigung oder einem Waldspaziergang - über weitere Möglichkeiten nachzudenken. Dazu möchte ich alle die, die interessiert sind, auffordern, so daß es dem deutschen Wald und damit der deutschen Bevölkerung weiterhin so gut geht wie jetzt.