Rede:
ID1315506100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. die: 1
    6. Kollegin: 1
    7. Anke: 1
    8. Fuchs.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Gemeinsame Verantwortung für mehr Beschäftigung in Deutschland 13947 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: Debatte zur Arbeitsmarktsituation und zum Wirtschaftswachstum 13947 A Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 13947 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 13956 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 13963 A Joachim Poß SPD 13968 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13968 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 13974 D Dr. Gregor Gysi PDS 13977 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 13980 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 13983 B Rudolf Scharping SPD 13986 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 13989 B Michael Glos CDU/CSU 13991 C Paul K. Friedhoff F.D.P 13994 C Rudolf Dreßler SPD 13996 D Michael Glos CDU/CSU 13997 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU 13998 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 13999 D Anke Fuchs SPD 14003 A Petra Bläss PDS 14005 D Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (ArbeitsförderungsReformgesetz) (Drucksachen 13/5676, 13/5730, 13/6845, 13/6846) 14007 A Heinz Schemken CDU/CSU 14007 B Adolf Ostertag SPD 14008 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14010 D Dr. Gisela Babel F.D.P 14012 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 14013 A Ulrike Mascher SPD 14014 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 14014 B Namentliche Abstimmung 14015 A Ergebnis 14015 B Nächste Sitzung 14017 C Berichtigungen 14017 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14018* A Anlage 2 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank und weiterer Abgeordneter zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . 14018* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach SPD 14020*A Manfred Grund CDU/CSU 14022* B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 14023* B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 14024* B 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigungen 154. Sitzung, Seite 13864 D: In der 14. Zeile von unten sind die Worte „Diese ermöglicht eine Prognose" durch die Worte „Diese erfordert eine Prognose" zu ersetzen. Auf Seite 13865 D sind die letzten vier Absätze durch folgende Fassung zu ersetzen: Die Prognosen im Verkehrsbereich sind in der Praxis oft weit übertroffen worden. Die SNCF- Stammstrecke Paris-Lyon hatte 6 Millionen Passagiere. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme des TGV 1982 waren es schon 8 Millionen. (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!) Heute sind es bereits 23 Millionen. Eurotunnel, erstes Betriebsjahr, 1995: 8 Millionen Passagiere. Im letzten Jahr waren es 13 Millionen. Der Flughafen München-Riem hatte 6 Millionen Passagiere. Der neue Flughafen hat für das Jahr 2000 eine Prognose von 12 Millionen. Auf Seite 13866 A ist im siebten Absatz in der dritten Zeile das Wort „Laatzen" durch das Wort „Lathen" zu ersetzen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 31. 1. 97 * Antretter, Robert Behrendt, Wolfgang Brähmig, Klaus SPD 31. 1. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus Büttner (Schönebeck), Hartmut SPD 31. 1. 97 * Buntenbach, Annelie CDU/CSU 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni Gansel, Norbert CDU/CSU 31. 1. 97 * Gysi, Andrea Hartenbach, Allred Dr. Hartenstein, Liesel Horn, Erwin SPD 31. 1. 97 Hornung, Siegfried Dr. Jacob, Willibald Dr. Klaußner, Bernd Kolbow, Walter PDS 31. 1. 97 Lange, Brigitte Leidinger, Robert Lenzer, Christian Marten, Günter Metzger, Oswald SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * PDS 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 ** SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Probst, Albert Purps, Rudolf Reschke, Otto Reuter, Bernd CDU/CSU 31. 1. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen SPD 31. 1. 97 Saibold, Halo SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Scheer, Hermann Schild, Horst CDU/CSU 31. 1. 97 von Schmude, Michael Dr. Schnell, Emil Steindor, Marina SPD 31. 1. 97 * Sterzing, Christian SPD 31. 1. 97 CDU/CDU 31. 1. 97 * SPD 31. 1.97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Tröscher, Adelheid Türk, Jürgen SPD 31. 1. 97 Vosen, Josef F.D.P. 31. 1. 97 Wagner, Hans Georg Zierer, Benno SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Auf Grund eines technischen Versehens bei der Wiedergabe der im Stenographischen Bericht über die 154. Sitzung, Seite 13941 (A), als Anlage 3 abgedruckten Erklärung erfolgt ein Neuabdruck in folgender Fassung: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauer, Dr. Gerhard Friedrich, Michaela Geiger, Norbert Geis, Wolfgang Gröbl, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Helmut Jawurek, Bartholomäus Kalb, Peter Keller, Hartmut Koschyk, Rudolf Kraus, Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Elmar Müller (Kirchberg), Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Otto Regenspurger, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Horst Seehofer, Marion Seib, Carl-Dieter Spranger, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Dr. Jürgen Warnke, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Heinz Schemken, Georg Janovsky, Bärbel Sothmann, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Erich G. Fritz, Roland Richter, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Heinz-Georg Seiffert, Sigrun Löwisch, Friedrich Merz, Dietmar Schlee, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Erstens. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind unser zentrales Anliegen. In den vergangenen sieben Jahren ist die deutsch-tschechische Verständigung entscheidend vorangekommen und vollzieht sich auf allen Ebenen. In vielfachen menschlichen Begegnungen sind gerade von den Sudetendeutschen Brücken in die Zukunft gebaut worden. Wir erwarten, daß die Sudetendeutschen und ihre offiziellen Vertreter jetzt auch von seiten des tschechischen Staates und seiner Regierung in den Versöhnungsprozeß und den Dialog miteinbezogen werden. Die DeutschTschechische Erklärung bedeutet weder Schlußstrich noch Abschluß im deutsch-tschechischen Verhältnis. Sie ist eine politische Absichtserklärung der Regierungen, die die Gültigkeit von Verträgen und individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließende Regelung enthält. Zweitens. Die Darstellung der historischen Abläufe in der Erklärung ist nicht vollständig. Die Geschichte hat nicht erst 1938 begonnen. In der Erklärung wird die Vertreibung klar beim Namen genannt. Im deutschen Text wird das Wort „Vertreibung" benutzt. In der tschechischen Version hat man zu einem ungebräuchlicheren Begriff Zuflucht genommen, der übersetzt allerdings auch „Vertreibung" bedeutet. Drittens. Das Recht auf die Heimat ist durch die Erklärung nicht verwirklicht. Wir anerkennen allerdings, daß durch die Erklärung und den dazugehörigen Briefwechsel Wege zu einem Daueraufenthaltsrecht in der Tschechischen Republik eröffnet werden, wodurch auch Eigentumserwerb möglich wird. Wir erwarten, daß in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU weitere konkrete Möglichkeiten zur Verwirklichung des Heimatrechts folgen. Viertens. Die Erklärung kann in die Zukunft weisen, wenn sie im Sinne der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der historischen Wahrheit ausgelegt wird. Die Erklärung spricht klar aus, daß durch die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde. Vertreibung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war völkerrechtswidriges Unrecht. Die Erklärung bezeichnet auch die Folgen der Vertreibung, Enteignung und Ausbürgerung, als Quelle von Leid und Unrecht unschuldiger Menschen. Wir begrüßen dies als Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten. Erstmals bedauert die tschechische Seite explizit den kollektiven Charakter der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen. Mit Genugtuung sehen wir, daß sich die Tschechische Republik vom sogenannten Amnestiegesetz von 1946 distanziert und dessen rechtsstaatswidrigen Kern bloßlegt, der im Klima des Hasses und der Revanche der Nachkriegszeit wurzelt. Die Erklärung bedeutet keine Billigung der nach dem Krieg erlassenen tschechoslowakischen Gesetze, die sich auf die Vertreibung der Sudetendeutschen beziehen, oder die Anerkennung der auf deren Grundlage ergangenen Rechtsprechung. Fünftens. Wir begrüßen die Schaffung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, aus dem Projekte gemeinsamen Interesses finanziert werden sollen, insbesondere die Jugendbegegnung und ein deutsch-tschechisches Gesprächsforum. Der Ausgestaltung dieser Zukunftsprojekte kommt für das deutsch-tschechische Verhältnis entscheidende Bedeutung zu. Die Sudetendeutschen müssen darin einen nach Geschichte und Tradition angemessenen Platz finden. Die Mittel des Zukunftsfonds müssen auch den Anliegen der Sudetendeutschen zugute kommen. Aus den Mitteln des Zukunftsfonds sollten auch Projekte finanziert werden, die Sudetendeutschen zugute kommen, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. Wir begrüßen die im Verlauf der Verhandlungen erreichten substantiellen Verbesserungen der Erklärung und werden den weiteren Prozeß der Versöhnung konstruktiv begleiten. Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für die berechtigten Anliegen unserer sudetendeutschen Landsleute eintreten. Die Annäherung der Tschechischen Republik an EU und NATO muß genutzt werden, Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, für die noch offenen Fragen im deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erreichen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Maßstab sind. In der Absicht zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa beizutragen, stimmen wir der DeutschTschechischen Erklärung trotz ihrer Schwächen zu. Dr. Theodor Waigel Michael Glos Dr. Alfred Dregger Dr. Wolfgang Bötsch Maria Eichhorn Herbert Frankenhauer Dr. Gerhard Friedrich Michaela Geiger Norbert Geis Wolfgang Gröbl Gerda Hasselfeldt Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Ernst Hinsken Helmut Jawurek Bartholomäus Kalb Peter Keller Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Eduard Lintner Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Hans Michelbach Elmar Müller (Kirchberg) Eduard Oswald Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Otto Regenspurger Dr. Klaus Rose Dr. Christian Ruck Gerhard Scheu Christian Schmidt (Fürth) Horst Seehofer Marion Seib Carl-Dieter Spranger Max Straubinger Matthäus Strebl Dr. Jürgen Warnke Dagmar Wöhrl Alois Graf von Waldburg-Zeil Heinz Schemken Bärbel Sothmann Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Erich G. Fritz Roland Richter Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Heinz-Georg Seiffert Sigrun Löwisch Friedrich Merz Dietmar Schlee Der Interpretation und Bewertung der DeutschTschechischen Erklärung schließen wir uns an und unterstützen die darin ausgedrückten Erwartungen an die künftigen deutsch-tschechischen Beziehungen. In Abwägung des Leides und Unrechts, das durch Vertreibung den Sudetendeutschen geschehen ist, können wir wegen der Schwächen der DeutschTschechischen Erklärung nicht zustimmen. Renate Blank Josef Hollerith Dr. Gerd Müller Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Georg Janovsky Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach (SPD): Wer die bisherige Debatte heute morgen zum Thema Arbeitsmarktpolitik verfolgt hat und ebenso die Äußerungen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, der weiß eines ganz gewiß: Das einzige Ziel, das hier verfolgt wird, ist: Die desolate Arbeitsmarktsituation soll gesundgebetet werden. Dabei setzen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, schamlos darauf, daß sich die Gesellschaft an die anhaltende Massenarbeitslosigkeit gewöhnt hat. Dies ist zynisch, dies ist Ignoranz gegenüber den Betroffenen, und dies - das prophezeie ich Ihnen - wird diesmal nicht aufgehen. Meine Damen und Herren, das von der Regierung vorgelegte AFRG will genau das Gegenteil von dem, was in einer solchen Situation notwendig wäre: Statt einer Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik soll das schon als unzulänglich geltende Vorhandene nun auch noch zusammengestrichen werden. Und wie das für diese Regierung typisch ist, werden Expertenmeinungen nicht zur Kenntnis genommen und mit miesen Verfahrenstricks auf Teufel komm raus die unsinnigsten Sachen durchgepaukt. Vor knapp zwei Wochen ist in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum AFRG klipp und klar deutlich geworden, daß dieses Gesetzesvorhaben die ohnehin schon katastrophale Arbeitsmarktsituation noch weiter verschlechtern wird. Dies ist der Bundesregierung jedoch gleichgültig, da das AFRG im wesentlichen zu Kosteneinsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beitragen soll. Die betroffenen Menschen spielen dabei keine Rolle. Auch der Bundesrat hat der Bundesregierung ebenso klar gesagt, daß mit dem AFRG ein falscher Weg noch weiter fortgesetzt wird. Der Bundesrat hat seine Entscheidung aus sachlichen Gründen getroffen und gut begründet. Ich möchte hier nur einige Punkte herausgreifen, die darstellen, daß das AFRG zum einen zum Teil gegen geltendes Recht verstößt und zum anderen die Arbeitslosigkeit nicht um ein Stück weit verringert, sondern enorm vergrößert. Nach bisherigem Recht gelten untertariflich bezahlte Tätigkeiten als Bruch unseres vorhandenen Rechts, zu dem auch das Tarifrecht gehört. Nunmehr sollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit bis zu 18 % unter dem geltenden Tariflohn entlohnt werden. Demnach werden nach dem AFRG zukünftig Lohnkostenzuschüsse auch bei untertariflicher Entlohnung gewährt. Diese Vorgaben des Gesetzgebers bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind eine Aufforderung zum Umgehen von Tarifverträgen und somit ein Eingriff in die Tarifautonomie. Einen besonders radikalen Einschnitt stellt auch die Verschlechterung der Zumutbarkeitsregelung dar, wonach die Zumutbarkeit von Beschäftigungen nur noch an der Höhe des zu erzielenden Einkommens festgemacht wird. Damit wird aber der bisherige Berufs- und Qualifikationsschutz vollends aufgegeben. Die Folge ist: Die Höherqualifizierten drängen in Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, und von dort werden die Menschen in die Dauerarbeitslosigkeit abgeschoben - ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Schwachen in unserem Land. Die drastischen Änderungen des AFRG treffen zudem wieder einmal die Frauen besonders hart. So werden künftig die Zeiten des Bezuges von Mutterschafts- oder Erziehungsgeld nicht mehr als versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten angerechnet. Sie begründen somit keinen Folgeanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Auch die Erhöhung der zumutbaren Pendelzeit bei Halbtagsstellen auf 2,5 Stunden täglich trifft Frauen besonders hart, und dies, wo unsere Regierung besonders die Frauen und Familien unterstützen will. Ich weise hier auch auf das entsprechende Bundesverfassungsgerichtsurteil zum § 218 hin. Die Unglaubwürdigkeit der Regierung ergibt sich auch insoweit von allein. Der Entwurf des AFRG bietet auch einige positive Ansätze, die schon seit geraumer Zeit von der SPD gefordert werden. So sind die direkten Lohnkostenzuschüsse nunmehr in gewerblichen Betrieben und für Existenzgründer vorgesehen. Allerdings gilt diese Fördermöglichkeit nur für die neuen Bundesländer und schafft somit unsinnige Mauern in der Förderpolitik. Im Gesamtpaket betrachtet, stellt das geplante AFRG einen weiteren Schritt zum beschleunigten Sozialabbau dar, da es mit keiner der geplanten Änderungen die Arbeit fördert, sondern nur die Arbeitslosigkeit. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1995 einen Gesetzentwurf für ein ASFG eingebracht, der im Grundsatz nach wie vor aktuell ist, aber mit dem AFRG schon vom Ansatz her nicht vereinbar ist. Uns geht es in erster Linie darum, den Vorrang der aktiven Arbeitsmarktpolitik rechtsverbindlich zu verankern. Die Lehre, die jedoch die Bundesregierung daraus zieht, ist nicht etwa, daß man vielleicht die zahlreichen Alternativvorschläge der Opposition berücksichtigt. Nein, die Bundesregierung verfällt wieder in verfahrenstaktische Spielchen und nimmt die zustimmungspflichtigen Teile aus dem Gesetzentwurf heraus, ohne daß sich in der Substanz der alte Entwurf maßgeblich geändert hätte. Meine Damen und Herren, das AFRG ist trotz der in Hülle und Fülle nachgeschobenen Änderungsanträge der Regierungskoalition ein Rückschrittsgesetz. Als solches Rückschrittsgesetz bekämpft das AFRG natürlich nicht die Ursachen für die desolate Lage des Landes, also die Arbeitslosigkeit, sondern wieder einmal die arbeitslosen Menschen. Das AFRG fördert nicht die Arbeit, da das Vollbeschäftigungsziel schon seit geraumer Zeit von der Bundesregierung aufgegeben wurde. Vielmehr bietet es die Grundlage, die Arbeitslosigkeit und die Armut hierzulande zu vergrößern. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden die zentralen Kritikpunkte des AFRG erneut von Experten und Verbänden bestätigt. Zum einen sollen durch das sogenannte Reformgesetz aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung fast gänzlich gekappt werden. Zum anderen sollen die Rechtsansprüche auf Leistungen und Maßnahmen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Damit werden durch das „neue" AFRG zusätzlich 300 000 Menschen in die Arbeitslosigkeit oder auch Hoffnungslosigkeit getrieben. Meine Damen und Herren, betrachtet man nun noch die finanziellen Auswirkungen des sogenannten Reformgesetzes auf die Länder und Kommunen, ist festzustellen, daß wieder einmal diese die Hauptlast zu tragen haben. Bereits heute sind 800 000 Bezieher von Arbeitslosenunterstützung sozialhilfebedürftig. Dabei werden die vorgesehenen Maßnahmen des AFRG diese Zahl noch wesentlich erhöhen. In diesem Zusammenhang möchte ich lediglich auf die Nichtverlängerung der ABM-Sonderkonditionen für Ostdeutschland in Höhe von 450 Millionen DM hinweisen. Die Folgekosten der Kommunen und Länder gerade in Ostdeutschland sind für diese untragbar. So werden die Kosten der Arbeitslosigkeit durch das AFRG vom Bund auf die Länder und Kommunen abgewälzt, die sowieso schon bis zur Bewegungsunfähigkeit geknebelt werden. Der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung wird besonders drastische Einschnitte in den neuen Bundesländern bringen. Im Osten Deutschlands sind alleine bei Arbeitsförderungsmaßnahmen und Fortbildung und Umschulung große Einsparungen vorgesehen. Diese sollen allein 1997 1,7 Milliarden DM betragen und sich jedes Jahr erheblich erhöhen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den neuen Bundesländern noch nicht von einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung gesprochen werden kann. Gerade aus diesem Grund sind nach wie vor hohe arbeitsmarktpolitische Transferleistungen erforderlich. Betrachtet man, daß in den neuen Bundesländern auf 100 Arbeitslose 43 Personen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und in den alten Bundesländern gerade einmal 13 Personen kommen, läßt es sich unschwer erkennen, wie dringend notwendig eine besondere Unterstützung der neuen Bundesländer ist. Und wie wichtig es wäre, in der gesamten Republik eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu haben. In manchen Regionen sind die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die einzige Möglichkeit für eine Beschäftigung. Dabei ist es auch unerheblich, daß in Ostdeutschland in den Gebieten mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosenquote anstatt wie bisher 100 % nunmehr 30 % der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weiterhin unterstützt werden sollen. Dies ist lediglich der sogenannte Tropfen auf den heißen Stein. An dem Leitsatz der Bundesregierung ändert dies hingegen gar nichts; der lautet: Das AFRG fördert nicht die Arbeit, sondern die Arbeitslosigkeit und Armut der Menschen. Aber durch all diese Fakten läßt sich die Bundesregierung keineswegs beirren. Sie baut weiterhin mit dem sogenannten Reformgesetz und mit weiteren Kürzungen im sozialen Bereich die sozialen Sicherungssysteme ab und soziale Gegensätze auf. Ihre Politik dient vorrangig der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach meiner Auffassung ist jedoch die Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen allemal arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch besser, als Arbeitslose zu alimentieren. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an einigen Punkten zeigen, was es beispielsweise für das Land Berlin bedeuten würde, wenn dieses Gesetz in Kraft treten sollte. Die nur annähernde Angleichung der Fördermaßnahmen des Ostniveaus nach unten auf das Westniveau bedeutet allein für das Land Berlin eine Reduzierung des Fördervolumens der Bundesanstalt für Arbeit um zirka 600 Millionen DM pro Jahr. Zusätzlich würde ein Auslaufen der ABM-Sonderkonditionen zum Jahresende 1997 den Berliner Haushalt auf der Basis der bislang realisierten Förderzahlen um 160 Millionen pro Jahr stärker belasten. Durch diese Entwicklung der Berliner Arbeitsmarktpolitik ist der soziale Friede in der Region immer mehr bedroht. Von 1990 bis 1995 haben sich die Ausgaben für die Berliner Arbeitsmarktpolitik verfünffacht. So konnten 1995 noch 101 000 Menschen gefördert werden, hingegen wurden 1996 auf Grund der notwendigen Einsparungen im Landeshaushalt nur noch 93 000 Förderungen von Arbeitslosen registriert. Konkret werden von 6 700 Projekten in Berlin 2 900 mit Arbeitsmarktmitteln unterstützt. Dies zeigt, wie die Arbeitsmarktpolitik einen grundlegend wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur Berlins leistet. Dies spiegelt sich auch deutlich in den Arbeitsmarktzahlen für Berlin wider. Im vergangenen Monat betrug die Arbeitslosenquote für Gesamtberlin 15,7 %. Dabei waren es im Westteil 16,4 % und im Ostteil 14,4 %. Diese Zahlen sind der eindeutige Beweis einerseits für die Wirksamkeit von aktiver Arbeitsmarktpolitik, wie sie das alte AFG-Ost durchaus aufweist. Andererseits zeigen sie aber auch die schwache Position des alten AFG West, das wenig Spielraum läßt für kreative Arbeitsmarktpolitik. Dies soll nun gänzlich zerstört werden durch ein sogenanntes Reformgesetz. Wie nötig wäre hier ein Reinpowern statt koalitionstechnische Sparerei. An diesem Beispiel wird weiterhin auch deutlich, daß die Arbeitslosigkeit nicht nur eine individuelle Belastung darstellt, sondern zugleich auch eine gewollte Abwälzung der finanziellen Lasten von Bund auf die Länder, die gerade Berlin besonders trifft. So ist unsere Hauptstadt Berlin zum einen die größte Baustelle Europas und hat trotzdem die höchste Arbeitslosenquote beim Bau. Das ist pervers, meine Damen und Herren. Und dennoch wurde in dem neuen Gesetzesvorschlag die alte Regelung zum Schlechtwettergeld seitens der Bundesregierung nicht wieder auf genommen. Zwar wollte die Bundesregierung mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes zwischen 700 und 900 Millionen DM einsparen. Tatsächlich war die Abschaffung des Schlechtwettergeldes ein großer Flop. Denn selbst der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit bestätigte, daß die finanziellen Auswirkungen der Winterarbeitslosigkeit im Baubereich seit der Einführung des Überbrückungsgeldes spürbar höher sind, als beim bewährten Schlechtwettergeld. Selbst Herr Eppelmann, der Arbeiterführer der CDU, forderte bereits einen Tag nach Abschaffung des Schlechtwettergeldes die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Am Donnerstag mit seiner Hilfe abgeschafft, am Freitag die Wiedereinführung gefordert! Und er wußte genau, warum! Und wo ist seine Forderung heute? Kolleginnen und Kollegen, wenn man im zusammenfassenden Vergleich betrachtet, was die SPD mit ihrem ASFG und nun die Regierung mit dem AFRG vorgelegt haben, wird klar: Der SPD geht es darum, mit wirksamen Instrumenten aktiver Arbeitsmarktpolitik die Massenarbeitslosigkeit zu senken oder zumindest angesichts der desolaten Wirtschaftspolitik dieser Regierung einen noch weiteren Anstieg zu verhindern. Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, geht es dagegen nur darum, die von Ihnen durch Ihre falsche Politik aufgerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, sei es bei der Bundesanstalt für Arbeit oder im Bundeshaushalt durch sinnloses Streichen und durch Lastenverschiebung auf die Länder und Kommunen. Und dabei interessierte es Sie auch nicht, daß Ihre Rechnung „Stärkung der Wirtschaft gleich Senkung der Arbeitslosigkeit" nicht aufgeht - was wir Ihnen übrigens schon immer gesagt haben. Sie setzen bei der jahrelangen Massenarbeitslosigkeit schamlos auf einen Gewöhnungseffekt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Aber dies wird nicht aufgehen. Ich hoffe sehr, Sie werden spätestens 1998 die Quittung für diese, Ihre Politik bekommen. Manfred Grund (CDU/CSU): Nachdem wir gehört haben, was mit einem wie auch immer veränderten Arbeitsförderungsgesetz geleistet werden müßte, ist es notwendig, auf die Möglichkeiten und auf die Grenzen von Arbeitsmarktpolitik zu verweisen: Arbeitsmarktpolitik hat gerade in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Aufgabe im Transformationsprozeß. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann und muß den Arbeitsmarkt entlasten und muß Arbeitslosen einen Neubeginn ermöglichen. Aber: Auf sich alleine gestellt ist Arbeitsmarktpolitik angesichts des millionenfachen Wegbruchs von Arbeitsplätzen nach der Wende, angesichts der Dimensionen des wirtschaftlichen Umbruchs nicht in der Lage, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsmarktpolitik wirkt mit am Strukturwandel und hat sich selbst diesem Wandel zu stellen. Arbeitsmarktpolitik kann am Entstehen dauerhafter Arbeitsverhältnisse mitwirken, sie kann aber regionale Strukturpolitik nicht ersetzen. So hat die Arbeitsförderung, die wir heute beraten, mehrere Funktionen: Gegenwartsbezogen geht es um den Entlastungseffekt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, zukunftsbezogen geht es um die „Brückenfunktion" mit dem Ziel, die volkswirtschaftlichen Angebotsbedingungen zu verbessern und neue Beschäftigungsfelder aufzubauen. In den neuen Bundesländern ist die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch; die Quote aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit liegt über 25 Prozent. Mit dem bisher geltenden Arbeitsförderungsgesetz wurde seit 1990 der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern entlastet und gleichzeitig der Strukturwandel befördert und begleitet. Dazu bedurfte es schon bisher besonderer Instrumentarien, und notwendigerweise brauchte man viel Geld. Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz bleiben all die wichtigen Instrumentarien wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, Einstellungszuschüsse erhalten und werden weiterentwickelt. Über die notwendige Finanzausstattung, um diese Instrumentarien auch einsetzen zu können, werden wir uns bei der Aufstellung jedes neuen Bundeshaushaltes zu befassen haben. Dies wird in der Sache liegend manchmal strittig ausgehen. Denn bei allen notwendigen Sparzwängen: Weniger Bundeszuschuß darf nicht zu größerer Arbeitslosigkeit führen. Also gilt es, die Instrumentarien intelligent weiterzuentwickeln. Intelligentes Sparen ist notwendig und möglich! Dazu folgendes Beispiel aus dem heute zu beschließenden Arbeitsförderungs-Reformgesetz: Wer die bisherigen Instrumentarien aktiver Arbeitsmarktpolitik auf ihre Effizienz hinterfragt, stellt schnell fest, daß der Anteil der nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen arbeitslos Verbliebenen zunimmt. Dies ist begründet im Fehlen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze, aber auch gerade in der unzureichenden Verzahnung von zweitem und erstem Arbeitsmarkt. Denn wer in einer kommunalen ABM beschäftigt ist, hat keinen Zugang zu einem Unternehmen. I Dies wollen wir mit dem AFRG ändern Wirtschaftsun- ternehmen des gewerblichen Bereiches erhalten einen neuartigen Lohnkostenzuschuß: für jede zusätzliche Personaleinstellung einen Zuschuß in Höhe von 1 923,- DM je Monat - und das für ein Jahr. Also: Ein Handwerker mit acht Beschäftigten kann bei einer auf ein Jahr befristeten Einstellung von zwei Arbeitslosen 1 923,- DM je Arbeitslosen pro Monat erhalten. Und das für ein Jahr ohne anschließende Beschwernisse oder Auflagen. Allerdings werden wir einen Drehtüreffekt verhindern. Mit dem produktiven Lohnkostenzuschuß betreten wir in der Arbeitsmarktpolitik der neuen Bundesländer wirkliches Neuland. Klarer als bisher wird Arbeit gefördert statt Arbeitslosigkeit finanziert. Es ist allerdings eine Lohnsubventionierung, die immer problematisch, aber angesichts der Entwicklung am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern dennoch gerechtfertigt ist. Der Lohnkostenzuschuß erfolgt in Höhe des pauschalierten Arbeitslosengeldes und ist im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu den Ansätzen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unbegrenzt deckungsfähig. Ohne zusätzliches Geld zu benötigen wird mit diesem Instrumentarium die Zahl der Arbeitslosen verringert und eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt gebildet. Denn der hiermit geförderte Arbeitslose hat erstmals die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür eines Unternehmens zu stellen, mit hoffentlich guten Übernahmechancen. Dieser produktive Lohnkostenzuschuß wird von Arbeitsämtern, Arbeitgebern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern begrüßt. Besonders zu begrüßen ist die Verbesserung bei der Zuschußobergrenze bei ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen. Hier wird für die nächsten Jahre eine 100-Prozent-Förderung möglich bleiben. Das entlastet die freien Träger der Sozialarbeit und die ABS-Gesellschaften. Nur bis zur Opposition hat es sich nicht herumgesprochen, daß mit den hergebrachten Instrumentarien kein Blumentopf zu gewinnen sein wird. Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz ist eine neue Chance für die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern, die wir dringend benötigen. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Heute erleben wir wieder einmal, wie ernst es die SPD mit ihrem Bekenntnis nimmt, die Arbeitslosenquote drücken zu wollen. Einerseits beklagt sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits widersetzt sie sich hartnäckig sämtlichen dringend notwendigen Reformvorhaben. Und letztlich scheut sie sich nicht, dieses Haus für endlose Debatten zu mißbrauchen, Debatten, die allein dazu dienen sollen, die Bevölkerung zu verunsichern. Ich sage Ihnen, wie die Bevölkerung denkt: Es ist genug geredet und höchste Zeit, daß wir das anpacken, was uns allen unter den Nägeln brennt, nämlich die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Es wird aber kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie laufend Reformmaßnahmen torpedieren. Es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie allein zur eigenen Profilierung die Bevölkerung gegen die Regierungskoalition aufhetzen. Und es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn wir uns hier immer wieder zum gleichen Thema die Köpfe einschlagen und das Problem der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleibt. Sie scheuen sich auch nicht, bis an die Grenze des Zumutbaren zu gehen: Sie haben allein aus formalen Gründen auf einer zweiten Anhörung bestanden, obwohl Sie wußten, daß alle Argumente bereits in der ersten Anhörung ausgetauscht waren; Sie wollten nur eine Schau inszenieren - eine eklatante Mißachtung des Parlaments. Inhaltlich haben Sie nicht viel zu bieten: Teure Beschäftigungsprogramme könnten allenfalls ein Strohfeuer entfachen; am Ende würden Finanzlöcher übrigbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, wir haben ein neues Arbeitsförderungsrecht auf den Weg gebracht, das neue Beschäftigungsimpulse bringen wird. Durch Ihre Ablehnung im Bundesrat haben Sie sich gegen das heute zur Abstimmung stehende Bündel von neuen Instrumenten ausgesprochen: gegen Hilfen bei Existenzgründungen durch Arbeitslose, gegen Eingliederungsverträge für Langzeitarbeitslose, gegen frühzeitigere Beratungs- und Vermittlungsbemühungen und gegen die besondere Förderung von Ungelernten durch Weiterbildungsmaßnahmen, um nur einige neue Maßnahmen herauszugreifen. Ein besonderes Anliegen war mir die Organisationsreform der Bundesanstalt für Arbeit. Diese wäre jedoch ohne die Zustimmung im Bundesrat nicht möglich gewesen. Sie hätte das Gesetz zustimmungsbedürftig gemacht und mußte deshalb herausgenommen werden. Sie und Ihre Freunde im Bundesrat, meine Damen und Herren von der SPD, haben damit verhindert, daß der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf ein arbeitsfähiges Gremium zurückgeführt wird. Sie haben die Ausweitung der Verantwortungsbereiche bei den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter verhindert und damit die Stärkung der Tarifparteien in den Verwaltungsausschüssen nicht zugelassen - ein offenes Mißtrauensbekenntnis gegenüber den Gewerkschaften, die in den Verwaltungsausschüssen mehr Einfluß gehabt hätten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben Ihre Zustimmung verweigert, also blieb uns nichts anderes übrig, als ein zustimmungsfreies Gesetz weiter voranzubringen. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein zustimmungsfreies Gesetz auf den Weg gebracht, um die Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und die Hilfen für Arbeitslose schnellstmöglich zu verwirklichen. Wir haben die Fehler der SPD so gut wie möglich ausgebügelt. Wir können auch jetzt ein Gesetz vorlegen, das den Namen Reform verdient. Ich trete ein für eine Politik mit mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Deshalb stehe ich auch zu den verbesserten Zumutbarkeitsregelungen oder auch zu der sozial verträglich ausgestalteten Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld: Maßnahmen, die dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern und Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wenn es uns Ernst ist mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verrechnen sich, wenn Sie meinen, Sie könnten durch Ihre Blokkadepolitik die Koalition in den Sumpf ziehen. Der Bevölkerung wird immer deutlicher, daß Ihre Strategie in der Verzögerung, Verhinderung und Verunsicherung liegt. Verzögern, verhindern und verunsichern: das sind die Schlagworte, die die SPD-Politik kennzeichnen. Die SPD: eine Verzögerungs-, Verhinderungs- und Verunsicherungspartei. Es wird sich aber nicht lohnen, wenn Ihnen die bloße Hoffnung auf mehr Wählerstimmen mehr bedeutet als die ehrliche Absicht, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben sich bis heute als ernstzunehmender Vertragspartner disqualifiziert. Sicherlich ist es sinnvoll, zunächst einen breiten Konsens in diesem Hause herzustellen. Wir haben das versucht. Wir werden jedoch nicht die erforderliche Konsequenz verantwortungsvoller Politik auf Kosten irgendeines Konsenses gefährden. Es geht nämlich nicht um die Abkehr vom Sozialstaat, wie von der SPD hartnäckig, aber haltlos behauptet wird. Es geht um die Rückkehr zu einer freiheitlichen Sozialpolitik mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung im Sinne der Politik von Ludwig Erhard. In dieser Zeit ist jeder Monat ohne Reformschritte ein verlorener Monat. Deshalb gilt es, heute mit einem neuen Arbeitsförderungsrecht eine Weiche für mehr Beschäftigung zu stellen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Antrag „Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus in den osteuropäischen Staaten" - Drucksache 13/6737 - sowie ihren Entschließungsantrag „zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1997" - Drucksache 13/6313 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 95. Interparlamentarische Konferenz vom 15. bis 20. April 1996 in Istanbul - Drucksachen 13/4954, 13/5550 Nr. 1.3 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1995 (Subsidiaritätsbericht 1995) - Drucksachen 13/5180, 13/5550 Nr. 1.6 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 1.17 Finanzausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 2.10 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3668 Nr. 2.35 Drucksache 13/4678 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.34 Drucksache 13/6129 Nr. 1.19 Drucksache 13/6129 Nr. 1.20 Drucksache 13/6152 Nr. 1.4 Drucksache 13/6152 Nr. 2.2 Drucksache 13/6152 Nr. 2.5 Drucksache 13/6152 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.11 Drucksache 13/6152 Nr. 2.13 Drucksache 13/6152 Nr. 2.14 Drucksache 13/6152 Nr. 2.15 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4921 Nr. 2.11 Drucksache 13/6129 Nr. 1.31 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.10 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4636 Nr. 2.5 Drucksache 13/5295 Nr. 3.1 Drucksache 13/6152 Nr. 1.7 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/5687 Nr. 2.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war eigentlich gar nicht auf einen Schlagabtausch eingestimmt. Aber wenn ich höre, wir würden eine Reform planen, mit der die Rentner in die Nähe der Sozialhilfe kommen, weil im Jahre 2030 das Rentenniveau bei 64 Prozent liegt, dann muß ich sagen: 64 Prozent betrug das Rentenniveau 1972 - da haben Sie regiert!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Da hat niemand gesagt, die Rente sei unsicher.

    Dazu muß ich noch einmal erklären, weil Sie mit Ihrer Parole Unsicherheit schaffen: Das Rentenni-

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    I veau hat überhaupt nichts mit Rentenkürzung zu tun. Es besagt nur, wie die Rente steigt. Kein Mensch, niemand in der Regierung - um das klarzumachen; obwohl Herr Dreßler es immer wieder suggeriert - will den Rentnern irgendwelches Geld wegnehmen. Es geht nur darum, daß der Rentenanstieg sanfter ist.

    (Peter Dreßen [SPD]: Frau Babel will es! Weitere Zurufe von der SPD)

    - Nein, es liegt mir daran, deshalb rege ich mich auf. Wir können nicht von allen Seiten eine Debatte führen, die nur dazu führt, daß die Rentner in Angst und Schrecken versetzt werden.
    Es geht nur darum, die Lasten zwischen Alt und Jung auszubalancieren. Insofern ist das für die Rentenversicherung gar nichts Neues. Sie ist dem Modell einer Familie nachgebildet. Jede Großmutter, jeder Großvater hat Enkel, und jeder Enkel hat Großmutter und Großvater. Insofern sehe ich hier keinen elementaren Gegensatz. Auch die Rentner müssen daran interessiert sein, daß ihre Kinder und Enkel keine Beiträge zahlen, die sie nicht zahlen können und nicht zahlen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Kein Enkel kann daran interessiert sein, daß seine Großmutter und sein Großvater nach einem erfüllten Arbeitsleben Fürsorgeempfänger werden. Das kann kein guter Enkel wollen. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft eine anständige Rentenversicherung. Ich sage: Es bleibt die gute alte Rentenversicherung.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir erfinden ein System nicht zum zweiten Mal. Wir entwickeln die Rentenversicherung weiter, aber wir reißen das Haus nicht ein. Wir bauen es weiter im Sinne der Balance - ich sage es noch einmal - zwischen Jung und Alt. Das beinhaltet freilich auch den Familiengedanken.
    Das sieht doch jeder ein: Wenn wir alle älter werden - Sie wollen es, Herr Dreßler, ich will es, wir alle wollen es -, dann wachsen die Rentenlaufzeiten, dann gibt es länger Rente. Dann muß man das, was an Rentenanspruch erworben ist, auf mehrere Jahre verteilen. Der Rentenanspruch wird nicht kleiner. Das ist doch die Folge eines erfreulichen Ergebnisses. Diese Veränderungen wollen wir ausbalancieren.
    Daß die Familie für die Rentenversicherung eine wichtige Funktion erfüllt, daß die Erziehung von Kindern auch dazu führt, daß morgen überhaupt noch Beitragszahler da sind, das ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit.
    Herr Dreßler, ich bin sehr gespannt. Mir sind vor allem Ihre Vorschläge zu den 100 Milliarden DM in Zusammenhang mit den versicherungsfremden Leistungen zu Ohren gekommen. Sie haben die Diskussion darüber gerade wieder eröffnet.
    Ich will einmal klarstellen: Erstens läßt der Bund die Rentner nicht im Stich: über 60 Milliarden DM Zuschuß an die allgemeine Rentenversicherung und bis zu 20 Milliarden DM an die Knappschaft und Erstattungen. Dennoch teile ich Ihre Meinung, daß man über Umfinanzierung nachdenken muß. Ich würde in der Rentenversicherung nicht so gerne mit dem Begriff „versicherungsfremd" arbeiten.
    Eine Erwerbsunfähigkeitsrente ist nicht eine versicherungsfremde Leistung. Stimmen wir darin überein? Es muß in der Sozialversicherung einen Solidarausgleich geben, sonst könnten wir gleich zur Allianz gehen. Auch einen Regionalausgleich zwischen Süd und Nord gab es immer.

    (Zurufe von der SPD)

    - Ich will das ja nur klarstellen.
    Ich bin für die Doppelstrategie Sparen und Umfinanzieren. Das Sparen ersetzt nicht die Umfinanzierung, aber die Umfinanzierung auch nicht das Sparen. Unser Ziel, unter 40 Prozent zu kommen, erreichen wir nicht nur mit Sparen. Wir müssen der Frage nachgehen - lassen wir einmal alle Dogmatik beiseite -: Was muß von den Beitragszahlern finanziert werden, und was muß von der Allgemeinheit finanziert werden? Nicht alle Bundesbürger sind Beitragszahler, also können die Beitragszahler auch nicht alles zahlen.
    Das hat zwei Gründe. Der erste Grund ist die soziale Gerechtigkeit. Wenn Sie Aufgaben der Allgemeinheit über Beitragszahler finanzieren, nimmt ein Teil der Bevölkerung daran nicht teil und diejenigen, die daran teilnehmen, nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Die guten Menschen, die der Sozialversicherung immer neue Aufgaben übertragen, betreiben also eine Subventionierung der Bezieher höherer Einkommen durch die Bezieher niedriger Einkommen.
    Der zweite Grund ist in dieser Situation mindestens genauso wichtig: Wir müssen von der Belastung der Arbeit weg- und zur Belastung des Verbrauchs hinkommen. Die Belastung der Arbeit verfolgt Produkte rund um die Erde.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das haben wir aber alles gerade gesagt, Herr Blüm! Das ist nichts Neues! Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Dann machen Sie es doch!)

    - Ich lade Sie ja dazu ein, daß wir zusammen etwas tun.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir laden Sie ein!)

    - Machen Sie doch keinen unnötigen Streit. Mir fehlt etwas bei Ihnen: Sagen Sie einmal, wo Sie sparen wollen. Denn ich glaube, daß es nur mit Umfinanzieren und Sparen geht. Bisher höre ich von Ihnen nur „Umfinanzierung" .

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit Sie mich nicht mißverstehen: Ich bin gegen diejenigen, die nur sparen wollen. Ich sage: Es geht nur in der Balance. Aber ich bin auch gegen diejenigen, die nur umfinanzieren wollen. Ich bin in der Lage: Propheten rechts, Propheten links; die einen wollen nur sparen, die anderen wollen nur umfinanzieren. Der richtige Weg ist in der Mitte, und zwar

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    aus beschäftigungspolitischen und aus sozialpolitischen Gründen.
    Hier beweist sich: Es ist gar nicht so, daß Sozialpolitik immer im Gegensatz zur Wirtschaftspolitik steht, daß die Wirtschaftspolitik immer im Gegensatz zur Sozialpolitik steht. Wenn es der Wirtschaft schlechtgeht, kann es der Sozialpolitik nicht gutgehen. Ich meine das nicht nur wegen der Geldquellen. Siehe Arbeitslosigkeit: Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Verlust an Einkommen, sondern auch ein Verlust an Bewährung und Selbstverwirklichung.
    Also, wenn es der Wirtschaft schlechtgeht, kann es der Sozialpolitik nicht gutgehen. Es gilt allerdings nicht: Der Sozialpolitik muß es schlechtgehen, damit es der Wirtschaft gutgeht. Das jedenfalls ist nicht die Philosophie der sozialen Marktwirtschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Mann, den wir in dieser Woche gefeiert haben, war nicht nur der Mann der Kartellgesetzgebung - damit das nicht vergessen wird, Herr Friedhoff, mit Ihnen bewundernd -, sondern er hat die Mitbestimmung, das Betriebsverfassungsgesetz, den Lastenausgleich, die Rentenreform und die Kriegsopferversorgung mitgetragen. Soziale Marktwirtschaft ist eine Balance zwischen Leistung und sozialem Ausgleich, zwischen Wettbewerb und Solidarität. Diese Balance muß immer wieder neu eingependelt werden.
    Ich will keinen Staat, in dem wir wie in einer Legehennenbatterie alle versorgt werden. Ich will allerdings auch keinen Staat, in dem jeder alleingelassen wird. Diese Balance ist die Aufgabe der Reformen, die jetzt vor uns stehen.
    Ich bin ein erprobter Reformer.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    - Das bin ich wirklich; das kann man sagen.
    Ich habe noch nie eine Reform ohne Streit erlebt. Im übrigen: Die Schmalspurreformen, die windschlüpfrigen Reformen, die Reformen ohne Streit sind alle nichts wert. Deshalb, Rudolf Dreßler: Habt doch einmal Mut. Tut mal „Butter bei die Fische"! Nicht nur Umfinanzierung! Wo soll gespart werden, wo ganz konkret, bei den Jungen und bei den Alten?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin sogar dafür: Selbst wenn alles in Ohnmacht fällt, marschieren wir Arm in Arm, aber nur mit dem Konzept „Sparen und Umfinanzieren". Nur das Geld umverteilen, das machen wir nicht. Denn die Beitragszahler sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt tun Sie doch nicht so, als wenn Sie für alle sprechen würden!)

    - Bringen Sie es jetzt nicht auf die etwas primitive
    Tour, als wäre diese Reform ein privates Problem von
    Blüm. Ich brauche keine Almosen; ich brauche keine Zuwendungen. Ich bin schon relativ erwachsen.
    Kohl und Blüm, wir sind alte Fuhrleute. Bei alten Fuhrleuten gibt es auch Streit. So ist das. Ich bekenne mich ausdrücklich zu Streit mit meinem Bundeskanzler. Trotzdem ist er mein Bundeskanzler.

    (Heiterkeit Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist aber auch ein Minimalkonsens!)

    Wir sind selbständige Menschen. Ich bin kein Meßdiener, und der Bundeskanzler ist kein Bischof. Wir sind alte Vertraute.

    (Heiterkeit)

    - Ich möchte daraus gar keinen Spaß machen. Es ist mir ganz ernst mit dem, was ich sage. Es wird um die Sache und um den richtigen Weg gerungen. Es wird nicht geschmust, vielmehr muß gerungen werden. Man muß sich dann irgendwann auch einigen.
    Sie alle können darüber sagen, was Sie wollen: Ich bin stolz darauf, daß eine Kommission, die mit ziemlich hochrangigen Finanzwissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlern, Vertretern der Deutschen Bundesbank - darüber kann man nicht so leicht hinweggehen - besetzt war, nach achtmonatiger Arbeit gegen eine Stimme, nämlich die des Professors Miegel, ein Konzept vorgelegt hat. Diejenigen, die in der Öffentlichkeit Alternativen präsentieren, wie Herr Miegel, wie Herr Biedenkopf, haben bis zum heutigen Tag nur philosophische Betrachtungen, aber kein berechenbares Konzept vorgelegt. Ich kann nur mit solchen Konzepten Rentenpolitik machen, die auf Mark und Pfennig genau berechnet sind. Mit Philosophie und großen Theorien habe ich noch nie Sozialpolitik gemacht. Acht Monate hatte man Zeit, und in diesen acht Monaten hat man kein konkretes Konzept vorgelegt.
    Ich bewundere die diagnostische Kraft meines Freundes Biedenkopf. Ich frage mich nur immer: Was wollte uns der Dichter damit sagen?

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich habe das heute morgen wieder bewundert. Es wurde gesagt, daß man sich auf die Langzeitarbeitslosen konzentrieren müsse. Darauf erwidere ich: Dafür haben wir das Arbeitsförderungs-Reformgesetz, das wir heute nachmittag noch behandeln. Damit konzentrieren wir uns auf diese Frage.
    Herr Dreßler, ich habe gesehen, daß Sie vor Begeisterung glänzende Augen hatten. In rund einer Stunde können Sie die Konsequenzen aus den Biedenkopfschen Thesen ziehen und dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz zustimmen. Dort steht das nämlich alles drin.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dort steht: Konzentration auf Langzeitarbeitslose. Das ist nicht philosophisch, sondern konkret gemeint. Ich erwähne den Eingliederungsvertrag - er ist heute morgen erwähnt worden -, bei dem für die

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    ersten sechs Monate das Risiko der Lohnfortzahlung vom Arbeitsamt übernommen wird. Das sind doch die konkreten Probleme. Ich erwähne weiter die Trainingsmaßnahmen. Wer zwei Jahre oder länger arbeitslos ist, hat es manchmal schwer, in das Arbeitsleben zurückzufinden. Um solche Personen muß sich das Arbeitsamt kümmern.
    Das nächste Stichwort ist: Dezentralisation. Es ist richtig, wenn Herr Biedenkopf sagt: Die Musik spielt vor Ort. Ich stimme dem zu: Richtig. Um die konkreten Probleme vor Ort können wir uns mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz besser kümmern. Gegen Ihren Widerstand haben wir den Grundsatz der Dezentralisation in das Gesetz hineingeschrieben, so daß die Arbeitsämter vor Ort mehr zu sagen haben und mehr Entscheidungen treffen können und die Zentrale in Nürnberg weniger. Das ist ganz konkret.
    Ich habe etwas gegen eine Diagnose, die ohne Folgen bleibt. Sie können nicht Thesen beklatschen und Konsequenzen bekriegen. Das ist Ausdruck einer politischen Bewußtseinsspaltung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei allem Streit sollte unser Ehrgeiz nicht darin liegen, jetzt einen Rentengipfel zu machen. Wenn sich Sozialpolitiker auf die Höhen eines Gipfels begeben, dann ist das aus meiner Sicht ein Spektakel.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sehr gut!)

    Die Koalition soll ihre Position beziehen, und auch die Opposition soll ihre Position beziehen. Hört doch einmal mit dem Begriff „Prestige" auf. Ich sage eines: In einem Rentenwahlkampf verlieren alle Parteien. Wenn jemand meint, daß er mit einem Rentenwahlkampf Erfolg haben könnte,

    (Zuruf von der SPD: Die F.D.P.!)

    dann halte ich ihm entgegen: Da gibt es nur Verlierer.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Da hat er recht!)

    Die größten Verlierer sind die Rentner, die in Angst und Schrecken versetzt werden.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer macht das denn? Sie doch!)

    - Tragen Sie doch etwas dazu bei, indem Sie auf dramatische Szenarien verzichten. Sie tun doch so, als würde morgen früh die Rente nicht mehr ausgezahlt werden können. Ich frage: Ist denn eine Rente nicht ausgezahlt worden? Sind denn die Renten gekürzt worden? - Das ist doch alles nicht geschehen.
    Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie doch auf, mit solchen Spektakeln zu arbeiten. Laßt uns doch zusammensetzen und über konkrete Vorschläge beraten. Sie veranstalten ein Spektakel, als würde die Rentenversicherung kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Sie gibt es schon 100 Jahre; sie hat zwei Weltkriege und die Währungsreform überstanden; sie würde selbst die SPD überstehen; da bin ich mir ganz sicher. Hört doch mit solchen Sachen auf!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht um Weiterentwicklung.

    (Zuruf von der SPD)

    - Es gibt solche, die eine Reform außerhalb des jetzigen Systems machen wollen. Ich gehöre zu denjenigen, die im jetzigen System bleiben und es weiterentwickeln wollen, weil ich glaube, daß wir in der Sozialpolitik gar nicht die Chance haben, bei einem Nullpunkt anzusetzen. Das ist eine utopische Vorstellung. Es geht um Erwartungen, Lebensplanungen und Versprechungen, die man nicht einfach ausradieren kann. Dann würde jedes Vertrauen in den Staat schwinden. Es gibt aus meiner Sicht nur die Chance einer Evolution.
    Revolutionäre haben geglaubt, sie könnten die Welt mit einem Federstrich neu erfinden. Trümmer haben Sie zurückgelassen. Jede Revolution hinterläßt nur Trümmer. Es gibt nur den sachten Weg einer Weiterentwicklung mit Augenmaß, und zwar auch gegenüber den Jungen. Natürlich können die nicht Beiträge zahlen, wonach für sie nichts mehr übrigbleibt.
    Wenn es darum geht, die Generationenleistung zu bewerten, dann appelliere ich an Sie: Die jetzigen Rentner sind diejenigen, die mit ihren Beiträgen die Kriegsfolgelasten bezahlt haben. Das waren keine versicherungsfremden Leistungen, sondern Solidarleistungen. Sie haben die Renten für die Frauen gezahlt, deren Männer nicht aus dem Krieg zurückgekehrt sind. Sie haben die Beschädigtenrenten gezahlt.
    Deshalb: Diese Generation hat viel zur Solidarität beigetragen, und den Wohlstand, den Gott sei Dank auch die Jungen in unserem Land genießen, verdanken wir der Solidarität der Generation, die jetzt Rente bezieht. Deshalb hat sie es nicht verdient, in einen Rentenstreit geschickt zu werden - für Kleingeld von politischem Hickhack.
    Es muß gestritten werden, wenn es geht, nicht zu lange. Es muß auch entschieden werden, was der Beitragszahler zahlen muß und was Sache der Allgemeinheit ist.
    Wenn wir uns auf dieser Ebene wiederfinden, haben wir nicht nur sozialpolitisch etwas geleistet, sondern auch etwas für unseren Sozialstaat. Der ist nämlich kein Ballast.

    (Zuruf von der SPD)

    - Ja, ich sage es doch ausdrücklich. Man kann doch auch einmal etwas Übereinstimmendes sagen. Nicht jedes Wort ist feindlich gestimmt.
    Das ist eine Einladung, das Fundament des Konsenses bei allem Streit nicht zu verlassen. Die Rentenversicherung verdient die Anstrengung zu einem großen rentenpolitischen Konsens. Dazu lade ich ausdrücklich alle ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Anke Fuchs.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Blüm, ich glaube, Sie verkennen, welche Angst, Unsicherheit und Unruhe in der Bevölkerung über das Chaos der Regierung in Rentensachen herrschen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie können nicht ermessen, wie verunsichert die Leute sind.
    Herr Glos sagte heute, wir sollten mit Betriebsräten reden. Ich war gestern in einer größeren Veranstaltung. Dort wurde mir gesagt: Wir glauben dieser Regierung überhaupt nichts mehr; diese Regierung wird das Land und auch die Rentenversicherung an die Wand fahren.
    Ich hätte heute von Ihnen erwartet, daß Sie bekennen: Ich, Norbert Blüm, bin dagegen, daß die Renten besteuert werden. Das wäre ein Satz gewesen, den wir hätten zur Kenntnis nehmen können.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ich, Norbert Blüm, bin dafür, daß wir die Zahl der Beitragszahler erhöhen und daß wir dafür sorgen, daß die 610-DM-Grenze wegfällt, damit sich auch Frauen Sozialversicherungsleistungen aufbauen können. Solche Sätze hätte ich heute von Ihnen erwartet.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ich hätte von Ihnen erwartet, daß Sie sich klar von dem abgrenzen, was die F.D.P. Ihnen zumutet. Ich gebe zu, es ist eine Zumutung. Es ist unerträglich, schäbig und unanständig, was heute in den Reden der F.D.P. zu hören war. Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., kündigen den sozialen Konsens in dieser Gesellschaft auf.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Differenzieren wir noch einmal, vielleicht auch an die Adresse derjenigen, die von Rentenpolitik nicht soviel verstehen: Bis zum Jahre 2015 haben wir eigentlich keine Probleme, wenn wir die versicherungsfremden Leistungen in dem Rahmen, wie wir es vorschlagen, aus Bundesmitteln finanzieren
    Im Augenblick ist das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern sehr gut, weil - leider - die Jahrgänge, die jetzt Rente beziehen, wegen der Weltkriege nicht so stark sind wie zukünftige Rentnergenerationen.
    Wenn also diese Koalition nicht mit Hektik und Angstmache an das Rentenproblem heranginge, dann würde sie mit uns zusammen über die Frage nachdenken, was geschehen muß, um nach dem Jahre 2015 das demographische Risiko mit einzubeziehen.
    Deswegen ist es völlig idiotisch, jetzt Sparaktionen zu machen. Statt dessen brauchen wir Sicherheit in der Rentenfinanzierung, wir brauchen Zukunftsperspektiven.
    Für die Sozialdemokratische Partei sage ich: Es kann nicht so sein, daß wir das demographische Risiko individualisieren. Auch das muß in der Zukunft gemeinschaftlich solidarisch gestaltet werden. Denn sonst haben wir Armut im Alter, wenn unsere Kinder soweit sind. Das ist für uns nicht zu ertragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Spannend finde ich, wenn man an die Rentendebatte und an die Schritte zum Sozialstaatsabbruch denkt, die Sie immer wieder gehen wollen, daß über die eine Ursache heute ganz wenig geredet wurde, nämlich über die Zahl der Beitragszahler. Die Rentenversicherung hätte keine Probleme, wenn wir keine Arbeitslosigkeit hätten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dann wären nämlich 4 Millionen Menschen Sozialversicherungsbeitragszahler und Steuerzahler, und wir könnten über sehr viele andere Dinge nachdenken.
    Auch wenn Herr Ministerpräsident Biedenkopf ganz interessant die Arbeitslosenzahlen differenziert dargestellt hat, bleibt es doch dabei: 4 Millionen Arbeitslose belasten unsere Gesamtfinanzen mit 160 Milliarden DM. Abgesehen von der mangelnden Zukunftsperspektive, abgesehen von der mangelnden Chance, die die Menschen haben, ist das Kernproblem, daß Massenarbeitslosigkeit für ein System zu teuer ist, weil die Menschen keine Steuern und keine Beiträge zahlen, sondern Leistungen in Anspruch nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen ist das A und O: Wie bekommen wir es hin, diese Massenarbeitslosigkeit abzubauen? Da sage ich ganz klar: Das hat etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun. Es kann doch gar nicht angehen, daß der Wirtschaftsminister sich hier hinstellt und nur seinen Jahreswirtschaftsbericht vorliest. - Wenn ihr mal etwas Langweiliges lesen wollt, dann lest den Jahreswirtschaftsbericht. Darin steht, was die alles gemacht haben. Es wird aber nicht evaluiert, ob es irgend etwas gebracht hätte. Vielmehr wird es beschrieben und dann gesagt: Auf den Arbeitsmarkt hat das alles gar keine Auswirkungen.
    Herr Minister Rexrodt, vor einem Jahr haben Sie mit glühenden Worten erzählt, wieviel Arbeitsmarktimpulse davon ausgingen, wenn all Ihre Abbruchsgesetze durchkämen. Nichts ist geschehen; keine Erfolge haben sie gezeitigt. Jetzt dümpelt alles so, wie Sie es gerne hätten, weiter vor sich hin. Deswegen ist dieser ganze Jahreswirtschaftsbericht ein Dokument des Hindümpelns.

    (Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])

    Er offenbart klare Fehler. Die binnenwirtschaftliche Entwicklung lahmt; deswegen ist es richtig, wenn wir sagen: Im Rahmen von Steuerreformen muß die Massenkaufkraft wiederhergestellt werden. - Ich nehme Ihre Bemerkung auf, Herr Kollege. Bei dem Ladenschluß war doch nicht das Thema, daß die Leute keine Zeit zum Einkaufen haben, sondern daß

    Anke Fuchs (Köln)

    die Leute keine Kaufkraft haben, kein Geld zum Einkaufen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen ist es an der Zeit, daß wir Strangulierung der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen durch Abgaben und Steuern zurückführen. Dieser Punkt muß bei der Steuerreform beachtet werden.
    Herr Minister Rexrodt, zugleich steht in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht: Die Binnenkaufkraft dümpelt vor sich hin, und es mangelt an Investitionen, es mangelt an Investitionsneigung. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Woher soll eigentlich diese Investitionsneigung kommen? Denn eigentlich haben Sie doch alles getan, was aus Ihrer Sicht nötig ist, um dafür zu sorgen, daß die unternehmerische Wirtschaft investiert.
    Da sage ich Ihnen: Das ist Ihnen schon psychologisch mißlungen. Dieses Chaos dieser Bundesregierung wird die Menschen doch davon abhalten, jetzt zu investieren. Sie warten erst einmal ab, weil auch die unternehmerische Wirtschaft gar nicht weiß, was bei diesem Chaos noch herauskommt. Der Attentismus ist ein wichtiges Investitionshemmnis. Ich sage es einmal ein bißchen platt: Diese Bundesregierung ist das eigentliche Investitionshemmnis für die Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Aber darauf will ich mich nicht beschränken. Vielmehr will ich aus unserer Sicht sagen: Sie werden diese Investitionstätigkeit, die Dynamik, das Umbrechen in zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik nicht allein durch noch so gut gestrickte steuerliche Vorteile erreichen. Wir brauchen staatliche Instrumente, um jene Dynamik auszulösen, die die Innovations- schwäche überwindet. Wir reden doch davon, daß wir in der Spitzentechnologie nicht mehr die Nummer eins sind. Deswegen muß hier etwas geschehen, und es muß heute geschehen. Wir können damit nicht so lange warten.
    Wir reden doch davon, daß wir Hochschulen ausweiten wollen und daß wir im Zuge einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung auch die Fragen beantworten müssen: Welche Innovationsimpulse der Zukunft gehen von der Erneuerung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus? Wie können wir die berufliche Bildung modernisieren? Wie kommen wir in der Forschung wieder an die Spitze? Wie können wir mit einem ökologischen Zukunftsinvestitionsprogramm nachhaltiges Wachstum stärken und Massenarbeitslosigkeit abbauen? Wie können wir Städtebauförderung nachhaltig betreiben, so daß Menschen beschäftigt sind, die Städte besser werden und der Attentismus der Wirtschaftstätigkeit in den Städten aufhört?
    Letzter Punkt. Wie können wir vernünftigerweise mit einer ökologischen Steuerreform, die heute auch schon angesprochen worden ist, die Energie verteuern, die Arbeit entlasten und Spielraum für eine innovative Politik in Richtung ökologische Erneuerung schaffen? Dazu bedarf es Initiativen, meine Damen und Herren, und wir werden diese vorlegen.

    (Beifall bei der SPD)

    - Ich sagte eben: Wir werden diese vorlegen. Nein, wir haben das alles schon vorgelegt.
    Den Schnack, Sie wüßten nicht, was wir wollen, finde ich immer sehr wichtig. Wir haben zu all den Themen, die ich hier vorgetragen habe, Anträge eingebracht. Ich finde es beachtlich, daß der Wirtschaftsminister die Frage mangelnder Innovationsfähigkeit der unternehmerischen Wirtschaft nicht zum zentralen Thema gemacht, sondern sich herausgeredet hat mit einem „Weiter so! ": Ich dümple, du dümpelst, wir dümpeln, und das würde dann die Arbeitsplätze schaffen. Es wird nicht funktionieren, meine Damen und Herren. Wir brauchen Innovation, wir brauchen kreative neue Ansätze, vielleicht auch in allen unseren Köpfen, aber zunächst einmal in den Köpfen dieser Koalition, damit die Dümpelei endlich aufhört.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann beschreiben Sie - ich kenne ja Herrn Hinsken und weiß, daß er es gerne möchte - eine Mittelstands- und Existenzgründungsoffensive. Der Bundeskanzler hat ja recht, daß Leute kein Chancengeld bekommen, kein Risikokapital, daß sie Sorge haben, wie sie mit den Risiken bei Gründungen umgehen sollen. Aber das funktioniert doch nur, wenn Sie endlich mit uns unsere Anträge behandeln und dazu beitragen, daß ein Instrument für die Bereitstellung von Risikokapital geschaffen wird. Bisher haben Sie unsere Anträge immer abgelehnt. Deswegen, Herr Kollege Hinsken, nehme ich Ihnen auch nicht ab, daß Sie mit uns zusammen nun endlich ein Programm starten, das mittelstandsfreundlich ist, das eine Existenzgründungsoffensive startet und mit dem wir dann sagen können: Wir schaffen bessere Bedingungen, übrigens gerade in Ostdeutschland, damit die wirtschaftliche Entwicklung dort wieder auf die Beine kommt.
    Als letztes will ich noch einmal darum werben, daß wir uns alle mit Nachdruck um diese Innovationsoffensive bemühen und daß wir auch nicht meinen, mit dieser Steuerentlastung allein würde die wirtschaftliche Dynamik organisiert werden. Das wird ein längerfristiger Prozeß sein. Denn wenn man, wie ich gesagt habe, 15 Jahre lang vor sich hingedümpelt hat, dann ist ja auch vieles eingeschlafen, was für die Zukunft kreativ organisiert und verändert werden könnte.
    Deswegen wissen auch wir, daß man die Massenarbeitslosigkeit nicht so schnell zurückführen kann. Diese Innovationsoffensive für neue Arbeitsplätze braucht richtigerweise einen langen Atem; denn wir wollen strukturelle Veränderungen, die sich langfristig auswirken. Darauf, meine Damen und Herren, kommt es uns an.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen - ich sehe ja, daß der Herr Bundeskanzler vielleicht mit einem Achtel Ohr zuhört - muß für die Zeit, bis sich dieser Umbruch so auswirkt, daß

    Anke Fuchs (Köln)

    neue Arbeitsplätze entstehen, die Frage beantwortet werden: Was machen wir so lange mit den Menschen, die arbeitslos sind? Das sind welche, die Arbeit suchen. Ich denke, es ist an der Zeit, daß sich auch diese Regierung dazu bekennt, daß wir auf Dauer, solange wir alle miteinander Politik machen, Arbeitsmarktpolitik brauchen. Der öffentlich geförderte Arbeitsmarkt muß verstetigt und in verläßliche Bahnen gebracht werden. Statt mehr zu tun auf diesem Sektor, der ja nachweislich Menschen in Arbeit bringt, wollen Sie doch heute nachmittag mit Ihrem Gesetz die gesetzlichen Instrumente einschränken.
    Meine Damen und Herren, Sie gehen den falschen Weg. Deswegen werden wir Ihrem Arbeitsförderungsgesetz auch nicht zustimmen können. Damit bekämpfen Sie gerade wieder die Arbeitslosen, statt Arbeit für Arbeitsuchende zu finanzieren. Das ist mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie sagen, Herr Bundeskanzler, - das ist völlig richtig - wir brauchen Arbeitsplätze für Menschen, die eine einfache Arbeit wollen. Da muß man überlegen, wie man das bezahlbar macht. Da muß man überlegen: Zu welchen Bedingungen mache ich das? Da muß man die Frage beantworten: Wie schaffe ich Saisonarbeitsverhältnisse, die ganzjährige Perspektiven eröffnen? Darum müssen wir miteinander ringen. Aber das heißt doch, daß ich überlegen muß, welche Organisations- und welche Finanzierungsformen ich dafür habe und wo ich ein solches Programm ansiedele. Darüber können Sie mit uns nicht reden, wenn Sie zur gleichen Zeit die Instrumente, die wir haben, nämlich die Arbeitsförderungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, so zusammenstreichen, daß daraus keine verläßliche Perspektive entstehen kann.
    Ich kann mir vorstellen, daß man Lohnkostenzuschüsse zahlt. Ich kann mir vorstellen, daß man Organisationsformen findet, durch die einfache Arbeitsplätze geschaffen werden, daß man also brachliegende Arbeit in bezahlbare Arbeitsplätze umwandelt. Dann müssen wir aber ein bißchen mehr tun, als nur darauf zu hoffen, daß wir ein „working-poor-Instrument" wie in den Vereinigten Staaten in die Hand bekommen. Das ist mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Deswegen sage ich: Innovative Wirtschaftspolitik, die von einer Arbeitsmarktpolitik, die Beschäftigung fördert, begleitet werden muß, muß verstetigt und verbessert werden. Sie machen das Gegenteil - ich will noch einmal daran erinnern -: Der Bundeskanzler sagt jetzt: Überstunden herunter. Vor Jahren hat er ein Arbeitszeitgesetz verabschieden lassen, das die wöchentliche Arbeitszeit auf 60 Stunden heraufgesetzt hat. Sie haben doch dazu beigetragen, daß es wieder üblich geworden ist, Überstunden zu machen, anstatt solidarisch darauf zu verzichten und die Arbeit anders zu verteilen.
    Auch das Vorhaben bezüglich der Teilzeitarbeit finde ich witzig. Teilzeitarbeit ist ja eigentlich Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Sonst würden ja alle Vollbeschäftigung erhalten. Teilzeitarbeit erhalten die Frauen nach dem Motto: Der Mann die Vollzeitarbeit, die Frau die Teilzeitarbeit. Wer eine Kampagne für mehr Teilzeitarbeit anstoßen möchte, muß sagen: Wir brauchen Arbeitszeitverkürzung in mehreren Variationen und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wenn die Möglichkeit der Teilzeitarbeit besteht, dann aber bitte sozialversicherungspflichtig. Sonst bleiben die Frauen auf diesem Gebiet ausgebeutet. Das ist mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich fasse zusammen: Die Stimmung in unserem Land ist besorgniserregend. Die Menschen machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft. Mit ängstlichen Menschen werden wir jenen innovativen Prozeß nicht erreichen, den wir um der Menschen sowie der Demokratie willen und auch deswegen benötigen, um Arbeitsplätze zu schaffen und eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen.
    Danke.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)