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    Plenarprotokoll 13/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Gemeinsame Verantwortung für mehr Beschäftigung in Deutschland 13947 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: Debatte zur Arbeitsmarktsituation und zum Wirtschaftswachstum 13947 A Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 13947 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 13956 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 13963 A Joachim Poß SPD 13968 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13968 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 13974 D Dr. Gregor Gysi PDS 13977 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 13980 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 13983 B Rudolf Scharping SPD 13986 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 13989 B Michael Glos CDU/CSU 13991 C Paul K. Friedhoff F.D.P 13994 C Rudolf Dreßler SPD 13996 D Michael Glos CDU/CSU 13997 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU 13998 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 13999 D Anke Fuchs SPD 14003 A Petra Bläss PDS 14005 D Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (ArbeitsförderungsReformgesetz) (Drucksachen 13/5676, 13/5730, 13/6845, 13/6846) 14007 A Heinz Schemken CDU/CSU 14007 B Adolf Ostertag SPD 14008 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14010 D Dr. Gisela Babel F.D.P 14012 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 14013 A Ulrike Mascher SPD 14014 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 14014 B Namentliche Abstimmung 14015 A Ergebnis 14015 B Nächste Sitzung 14017 C Berichtigungen 14017 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14018* A Anlage 2 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank und weiterer Abgeordneter zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . 14018* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach SPD 14020*A Manfred Grund CDU/CSU 14022* B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 14023* B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 14024* B 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigungen 154. Sitzung, Seite 13864 D: In der 14. Zeile von unten sind die Worte „Diese ermöglicht eine Prognose" durch die Worte „Diese erfordert eine Prognose" zu ersetzen. Auf Seite 13865 D sind die letzten vier Absätze durch folgende Fassung zu ersetzen: Die Prognosen im Verkehrsbereich sind in der Praxis oft weit übertroffen worden. Die SNCF- Stammstrecke Paris-Lyon hatte 6 Millionen Passagiere. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme des TGV 1982 waren es schon 8 Millionen. (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!) Heute sind es bereits 23 Millionen. Eurotunnel, erstes Betriebsjahr, 1995: 8 Millionen Passagiere. Im letzten Jahr waren es 13 Millionen. Der Flughafen München-Riem hatte 6 Millionen Passagiere. Der neue Flughafen hat für das Jahr 2000 eine Prognose von 12 Millionen. Auf Seite 13866 A ist im siebten Absatz in der dritten Zeile das Wort „Laatzen" durch das Wort „Lathen" zu ersetzen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 31. 1. 97 * Antretter, Robert Behrendt, Wolfgang Brähmig, Klaus SPD 31. 1. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus Büttner (Schönebeck), Hartmut SPD 31. 1. 97 * Buntenbach, Annelie CDU/CSU 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni Gansel, Norbert CDU/CSU 31. 1. 97 * Gysi, Andrea Hartenbach, Allred Dr. Hartenstein, Liesel Horn, Erwin SPD 31. 1. 97 Hornung, Siegfried Dr. Jacob, Willibald Dr. Klaußner, Bernd Kolbow, Walter PDS 31. 1. 97 Lange, Brigitte Leidinger, Robert Lenzer, Christian Marten, Günter Metzger, Oswald SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * PDS 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 ** SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Probst, Albert Purps, Rudolf Reschke, Otto Reuter, Bernd CDU/CSU 31. 1. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen SPD 31. 1. 97 Saibold, Halo SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Scheer, Hermann Schild, Horst CDU/CSU 31. 1. 97 von Schmude, Michael Dr. Schnell, Emil Steindor, Marina SPD 31. 1. 97 * Sterzing, Christian SPD 31. 1. 97 CDU/CDU 31. 1. 97 * SPD 31. 1.97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Tröscher, Adelheid Türk, Jürgen SPD 31. 1. 97 Vosen, Josef F.D.P. 31. 1. 97 Wagner, Hans Georg Zierer, Benno SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Auf Grund eines technischen Versehens bei der Wiedergabe der im Stenographischen Bericht über die 154. Sitzung, Seite 13941 (A), als Anlage 3 abgedruckten Erklärung erfolgt ein Neuabdruck in folgender Fassung: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauer, Dr. Gerhard Friedrich, Michaela Geiger, Norbert Geis, Wolfgang Gröbl, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Helmut Jawurek, Bartholomäus Kalb, Peter Keller, Hartmut Koschyk, Rudolf Kraus, Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Elmar Müller (Kirchberg), Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Otto Regenspurger, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Horst Seehofer, Marion Seib, Carl-Dieter Spranger, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Dr. Jürgen Warnke, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Heinz Schemken, Georg Janovsky, Bärbel Sothmann, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Erich G. Fritz, Roland Richter, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Heinz-Georg Seiffert, Sigrun Löwisch, Friedrich Merz, Dietmar Schlee, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Erstens. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind unser zentrales Anliegen. In den vergangenen sieben Jahren ist die deutsch-tschechische Verständigung entscheidend vorangekommen und vollzieht sich auf allen Ebenen. In vielfachen menschlichen Begegnungen sind gerade von den Sudetendeutschen Brücken in die Zukunft gebaut worden. Wir erwarten, daß die Sudetendeutschen und ihre offiziellen Vertreter jetzt auch von seiten des tschechischen Staates und seiner Regierung in den Versöhnungsprozeß und den Dialog miteinbezogen werden. Die DeutschTschechische Erklärung bedeutet weder Schlußstrich noch Abschluß im deutsch-tschechischen Verhältnis. Sie ist eine politische Absichtserklärung der Regierungen, die die Gültigkeit von Verträgen und individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließende Regelung enthält. Zweitens. Die Darstellung der historischen Abläufe in der Erklärung ist nicht vollständig. Die Geschichte hat nicht erst 1938 begonnen. In der Erklärung wird die Vertreibung klar beim Namen genannt. Im deutschen Text wird das Wort „Vertreibung" benutzt. In der tschechischen Version hat man zu einem ungebräuchlicheren Begriff Zuflucht genommen, der übersetzt allerdings auch „Vertreibung" bedeutet. Drittens. Das Recht auf die Heimat ist durch die Erklärung nicht verwirklicht. Wir anerkennen allerdings, daß durch die Erklärung und den dazugehörigen Briefwechsel Wege zu einem Daueraufenthaltsrecht in der Tschechischen Republik eröffnet werden, wodurch auch Eigentumserwerb möglich wird. Wir erwarten, daß in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU weitere konkrete Möglichkeiten zur Verwirklichung des Heimatrechts folgen. Viertens. Die Erklärung kann in die Zukunft weisen, wenn sie im Sinne der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der historischen Wahrheit ausgelegt wird. Die Erklärung spricht klar aus, daß durch die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde. Vertreibung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war völkerrechtswidriges Unrecht. Die Erklärung bezeichnet auch die Folgen der Vertreibung, Enteignung und Ausbürgerung, als Quelle von Leid und Unrecht unschuldiger Menschen. Wir begrüßen dies als Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten. Erstmals bedauert die tschechische Seite explizit den kollektiven Charakter der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen. Mit Genugtuung sehen wir, daß sich die Tschechische Republik vom sogenannten Amnestiegesetz von 1946 distanziert und dessen rechtsstaatswidrigen Kern bloßlegt, der im Klima des Hasses und der Revanche der Nachkriegszeit wurzelt. Die Erklärung bedeutet keine Billigung der nach dem Krieg erlassenen tschechoslowakischen Gesetze, die sich auf die Vertreibung der Sudetendeutschen beziehen, oder die Anerkennung der auf deren Grundlage ergangenen Rechtsprechung. Fünftens. Wir begrüßen die Schaffung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, aus dem Projekte gemeinsamen Interesses finanziert werden sollen, insbesondere die Jugendbegegnung und ein deutsch-tschechisches Gesprächsforum. Der Ausgestaltung dieser Zukunftsprojekte kommt für das deutsch-tschechische Verhältnis entscheidende Bedeutung zu. Die Sudetendeutschen müssen darin einen nach Geschichte und Tradition angemessenen Platz finden. Die Mittel des Zukunftsfonds müssen auch den Anliegen der Sudetendeutschen zugute kommen. Aus den Mitteln des Zukunftsfonds sollten auch Projekte finanziert werden, die Sudetendeutschen zugute kommen, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. Wir begrüßen die im Verlauf der Verhandlungen erreichten substantiellen Verbesserungen der Erklärung und werden den weiteren Prozeß der Versöhnung konstruktiv begleiten. Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für die berechtigten Anliegen unserer sudetendeutschen Landsleute eintreten. Die Annäherung der Tschechischen Republik an EU und NATO muß genutzt werden, Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, für die noch offenen Fragen im deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erreichen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Maßstab sind. In der Absicht zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa beizutragen, stimmen wir der DeutschTschechischen Erklärung trotz ihrer Schwächen zu. Dr. Theodor Waigel Michael Glos Dr. Alfred Dregger Dr. Wolfgang Bötsch Maria Eichhorn Herbert Frankenhauer Dr. Gerhard Friedrich Michaela Geiger Norbert Geis Wolfgang Gröbl Gerda Hasselfeldt Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Ernst Hinsken Helmut Jawurek Bartholomäus Kalb Peter Keller Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Eduard Lintner Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Hans Michelbach Elmar Müller (Kirchberg) Eduard Oswald Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Otto Regenspurger Dr. Klaus Rose Dr. Christian Ruck Gerhard Scheu Christian Schmidt (Fürth) Horst Seehofer Marion Seib Carl-Dieter Spranger Max Straubinger Matthäus Strebl Dr. Jürgen Warnke Dagmar Wöhrl Alois Graf von Waldburg-Zeil Heinz Schemken Bärbel Sothmann Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Erich G. Fritz Roland Richter Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Heinz-Georg Seiffert Sigrun Löwisch Friedrich Merz Dietmar Schlee Der Interpretation und Bewertung der DeutschTschechischen Erklärung schließen wir uns an und unterstützen die darin ausgedrückten Erwartungen an die künftigen deutsch-tschechischen Beziehungen. In Abwägung des Leides und Unrechts, das durch Vertreibung den Sudetendeutschen geschehen ist, können wir wegen der Schwächen der DeutschTschechischen Erklärung nicht zustimmen. Renate Blank Josef Hollerith Dr. Gerd Müller Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Georg Janovsky Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach (SPD): Wer die bisherige Debatte heute morgen zum Thema Arbeitsmarktpolitik verfolgt hat und ebenso die Äußerungen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, der weiß eines ganz gewiß: Das einzige Ziel, das hier verfolgt wird, ist: Die desolate Arbeitsmarktsituation soll gesundgebetet werden. Dabei setzen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, schamlos darauf, daß sich die Gesellschaft an die anhaltende Massenarbeitslosigkeit gewöhnt hat. Dies ist zynisch, dies ist Ignoranz gegenüber den Betroffenen, und dies - das prophezeie ich Ihnen - wird diesmal nicht aufgehen. Meine Damen und Herren, das von der Regierung vorgelegte AFRG will genau das Gegenteil von dem, was in einer solchen Situation notwendig wäre: Statt einer Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik soll das schon als unzulänglich geltende Vorhandene nun auch noch zusammengestrichen werden. Und wie das für diese Regierung typisch ist, werden Expertenmeinungen nicht zur Kenntnis genommen und mit miesen Verfahrenstricks auf Teufel komm raus die unsinnigsten Sachen durchgepaukt. Vor knapp zwei Wochen ist in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum AFRG klipp und klar deutlich geworden, daß dieses Gesetzesvorhaben die ohnehin schon katastrophale Arbeitsmarktsituation noch weiter verschlechtern wird. Dies ist der Bundesregierung jedoch gleichgültig, da das AFRG im wesentlichen zu Kosteneinsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beitragen soll. Die betroffenen Menschen spielen dabei keine Rolle. Auch der Bundesrat hat der Bundesregierung ebenso klar gesagt, daß mit dem AFRG ein falscher Weg noch weiter fortgesetzt wird. Der Bundesrat hat seine Entscheidung aus sachlichen Gründen getroffen und gut begründet. Ich möchte hier nur einige Punkte herausgreifen, die darstellen, daß das AFRG zum einen zum Teil gegen geltendes Recht verstößt und zum anderen die Arbeitslosigkeit nicht um ein Stück weit verringert, sondern enorm vergrößert. Nach bisherigem Recht gelten untertariflich bezahlte Tätigkeiten als Bruch unseres vorhandenen Rechts, zu dem auch das Tarifrecht gehört. Nunmehr sollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit bis zu 18 % unter dem geltenden Tariflohn entlohnt werden. Demnach werden nach dem AFRG zukünftig Lohnkostenzuschüsse auch bei untertariflicher Entlohnung gewährt. Diese Vorgaben des Gesetzgebers bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind eine Aufforderung zum Umgehen von Tarifverträgen und somit ein Eingriff in die Tarifautonomie. Einen besonders radikalen Einschnitt stellt auch die Verschlechterung der Zumutbarkeitsregelung dar, wonach die Zumutbarkeit von Beschäftigungen nur noch an der Höhe des zu erzielenden Einkommens festgemacht wird. Damit wird aber der bisherige Berufs- und Qualifikationsschutz vollends aufgegeben. Die Folge ist: Die Höherqualifizierten drängen in Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, und von dort werden die Menschen in die Dauerarbeitslosigkeit abgeschoben - ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Schwachen in unserem Land. Die drastischen Änderungen des AFRG treffen zudem wieder einmal die Frauen besonders hart. So werden künftig die Zeiten des Bezuges von Mutterschafts- oder Erziehungsgeld nicht mehr als versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten angerechnet. Sie begründen somit keinen Folgeanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Auch die Erhöhung der zumutbaren Pendelzeit bei Halbtagsstellen auf 2,5 Stunden täglich trifft Frauen besonders hart, und dies, wo unsere Regierung besonders die Frauen und Familien unterstützen will. Ich weise hier auch auf das entsprechende Bundesverfassungsgerichtsurteil zum § 218 hin. Die Unglaubwürdigkeit der Regierung ergibt sich auch insoweit von allein. Der Entwurf des AFRG bietet auch einige positive Ansätze, die schon seit geraumer Zeit von der SPD gefordert werden. So sind die direkten Lohnkostenzuschüsse nunmehr in gewerblichen Betrieben und für Existenzgründer vorgesehen. Allerdings gilt diese Fördermöglichkeit nur für die neuen Bundesländer und schafft somit unsinnige Mauern in der Förderpolitik. Im Gesamtpaket betrachtet, stellt das geplante AFRG einen weiteren Schritt zum beschleunigten Sozialabbau dar, da es mit keiner der geplanten Änderungen die Arbeit fördert, sondern nur die Arbeitslosigkeit. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1995 einen Gesetzentwurf für ein ASFG eingebracht, der im Grundsatz nach wie vor aktuell ist, aber mit dem AFRG schon vom Ansatz her nicht vereinbar ist. Uns geht es in erster Linie darum, den Vorrang der aktiven Arbeitsmarktpolitik rechtsverbindlich zu verankern. Die Lehre, die jedoch die Bundesregierung daraus zieht, ist nicht etwa, daß man vielleicht die zahlreichen Alternativvorschläge der Opposition berücksichtigt. Nein, die Bundesregierung verfällt wieder in verfahrenstaktische Spielchen und nimmt die zustimmungspflichtigen Teile aus dem Gesetzentwurf heraus, ohne daß sich in der Substanz der alte Entwurf maßgeblich geändert hätte. Meine Damen und Herren, das AFRG ist trotz der in Hülle und Fülle nachgeschobenen Änderungsanträge der Regierungskoalition ein Rückschrittsgesetz. Als solches Rückschrittsgesetz bekämpft das AFRG natürlich nicht die Ursachen für die desolate Lage des Landes, also die Arbeitslosigkeit, sondern wieder einmal die arbeitslosen Menschen. Das AFRG fördert nicht die Arbeit, da das Vollbeschäftigungsziel schon seit geraumer Zeit von der Bundesregierung aufgegeben wurde. Vielmehr bietet es die Grundlage, die Arbeitslosigkeit und die Armut hierzulande zu vergrößern. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden die zentralen Kritikpunkte des AFRG erneut von Experten und Verbänden bestätigt. Zum einen sollen durch das sogenannte Reformgesetz aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung fast gänzlich gekappt werden. Zum anderen sollen die Rechtsansprüche auf Leistungen und Maßnahmen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Damit werden durch das „neue" AFRG zusätzlich 300 000 Menschen in die Arbeitslosigkeit oder auch Hoffnungslosigkeit getrieben. Meine Damen und Herren, betrachtet man nun noch die finanziellen Auswirkungen des sogenannten Reformgesetzes auf die Länder und Kommunen, ist festzustellen, daß wieder einmal diese die Hauptlast zu tragen haben. Bereits heute sind 800 000 Bezieher von Arbeitslosenunterstützung sozialhilfebedürftig. Dabei werden die vorgesehenen Maßnahmen des AFRG diese Zahl noch wesentlich erhöhen. In diesem Zusammenhang möchte ich lediglich auf die Nichtverlängerung der ABM-Sonderkonditionen für Ostdeutschland in Höhe von 450 Millionen DM hinweisen. Die Folgekosten der Kommunen und Länder gerade in Ostdeutschland sind für diese untragbar. So werden die Kosten der Arbeitslosigkeit durch das AFRG vom Bund auf die Länder und Kommunen abgewälzt, die sowieso schon bis zur Bewegungsunfähigkeit geknebelt werden. Der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung wird besonders drastische Einschnitte in den neuen Bundesländern bringen. Im Osten Deutschlands sind alleine bei Arbeitsförderungsmaßnahmen und Fortbildung und Umschulung große Einsparungen vorgesehen. Diese sollen allein 1997 1,7 Milliarden DM betragen und sich jedes Jahr erheblich erhöhen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den neuen Bundesländern noch nicht von einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung gesprochen werden kann. Gerade aus diesem Grund sind nach wie vor hohe arbeitsmarktpolitische Transferleistungen erforderlich. Betrachtet man, daß in den neuen Bundesländern auf 100 Arbeitslose 43 Personen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und in den alten Bundesländern gerade einmal 13 Personen kommen, läßt es sich unschwer erkennen, wie dringend notwendig eine besondere Unterstützung der neuen Bundesländer ist. Und wie wichtig es wäre, in der gesamten Republik eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu haben. In manchen Regionen sind die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die einzige Möglichkeit für eine Beschäftigung. Dabei ist es auch unerheblich, daß in Ostdeutschland in den Gebieten mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosenquote anstatt wie bisher 100 % nunmehr 30 % der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weiterhin unterstützt werden sollen. Dies ist lediglich der sogenannte Tropfen auf den heißen Stein. An dem Leitsatz der Bundesregierung ändert dies hingegen gar nichts; der lautet: Das AFRG fördert nicht die Arbeit, sondern die Arbeitslosigkeit und Armut der Menschen. Aber durch all diese Fakten läßt sich die Bundesregierung keineswegs beirren. Sie baut weiterhin mit dem sogenannten Reformgesetz und mit weiteren Kürzungen im sozialen Bereich die sozialen Sicherungssysteme ab und soziale Gegensätze auf. Ihre Politik dient vorrangig der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach meiner Auffassung ist jedoch die Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen allemal arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch besser, als Arbeitslose zu alimentieren. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an einigen Punkten zeigen, was es beispielsweise für das Land Berlin bedeuten würde, wenn dieses Gesetz in Kraft treten sollte. Die nur annähernde Angleichung der Fördermaßnahmen des Ostniveaus nach unten auf das Westniveau bedeutet allein für das Land Berlin eine Reduzierung des Fördervolumens der Bundesanstalt für Arbeit um zirka 600 Millionen DM pro Jahr. Zusätzlich würde ein Auslaufen der ABM-Sonderkonditionen zum Jahresende 1997 den Berliner Haushalt auf der Basis der bislang realisierten Förderzahlen um 160 Millionen pro Jahr stärker belasten. Durch diese Entwicklung der Berliner Arbeitsmarktpolitik ist der soziale Friede in der Region immer mehr bedroht. Von 1990 bis 1995 haben sich die Ausgaben für die Berliner Arbeitsmarktpolitik verfünffacht. So konnten 1995 noch 101 000 Menschen gefördert werden, hingegen wurden 1996 auf Grund der notwendigen Einsparungen im Landeshaushalt nur noch 93 000 Förderungen von Arbeitslosen registriert. Konkret werden von 6 700 Projekten in Berlin 2 900 mit Arbeitsmarktmitteln unterstützt. Dies zeigt, wie die Arbeitsmarktpolitik einen grundlegend wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur Berlins leistet. Dies spiegelt sich auch deutlich in den Arbeitsmarktzahlen für Berlin wider. Im vergangenen Monat betrug die Arbeitslosenquote für Gesamtberlin 15,7 %. Dabei waren es im Westteil 16,4 % und im Ostteil 14,4 %. Diese Zahlen sind der eindeutige Beweis einerseits für die Wirksamkeit von aktiver Arbeitsmarktpolitik, wie sie das alte AFG-Ost durchaus aufweist. Andererseits zeigen sie aber auch die schwache Position des alten AFG West, das wenig Spielraum läßt für kreative Arbeitsmarktpolitik. Dies soll nun gänzlich zerstört werden durch ein sogenanntes Reformgesetz. Wie nötig wäre hier ein Reinpowern statt koalitionstechnische Sparerei. An diesem Beispiel wird weiterhin auch deutlich, daß die Arbeitslosigkeit nicht nur eine individuelle Belastung darstellt, sondern zugleich auch eine gewollte Abwälzung der finanziellen Lasten von Bund auf die Länder, die gerade Berlin besonders trifft. So ist unsere Hauptstadt Berlin zum einen die größte Baustelle Europas und hat trotzdem die höchste Arbeitslosenquote beim Bau. Das ist pervers, meine Damen und Herren. Und dennoch wurde in dem neuen Gesetzesvorschlag die alte Regelung zum Schlechtwettergeld seitens der Bundesregierung nicht wieder auf genommen. Zwar wollte die Bundesregierung mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes zwischen 700 und 900 Millionen DM einsparen. Tatsächlich war die Abschaffung des Schlechtwettergeldes ein großer Flop. Denn selbst der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit bestätigte, daß die finanziellen Auswirkungen der Winterarbeitslosigkeit im Baubereich seit der Einführung des Überbrückungsgeldes spürbar höher sind, als beim bewährten Schlechtwettergeld. Selbst Herr Eppelmann, der Arbeiterführer der CDU, forderte bereits einen Tag nach Abschaffung des Schlechtwettergeldes die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Am Donnerstag mit seiner Hilfe abgeschafft, am Freitag die Wiedereinführung gefordert! Und er wußte genau, warum! Und wo ist seine Forderung heute? Kolleginnen und Kollegen, wenn man im zusammenfassenden Vergleich betrachtet, was die SPD mit ihrem ASFG und nun die Regierung mit dem AFRG vorgelegt haben, wird klar: Der SPD geht es darum, mit wirksamen Instrumenten aktiver Arbeitsmarktpolitik die Massenarbeitslosigkeit zu senken oder zumindest angesichts der desolaten Wirtschaftspolitik dieser Regierung einen noch weiteren Anstieg zu verhindern. Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, geht es dagegen nur darum, die von Ihnen durch Ihre falsche Politik aufgerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, sei es bei der Bundesanstalt für Arbeit oder im Bundeshaushalt durch sinnloses Streichen und durch Lastenverschiebung auf die Länder und Kommunen. Und dabei interessierte es Sie auch nicht, daß Ihre Rechnung „Stärkung der Wirtschaft gleich Senkung der Arbeitslosigkeit" nicht aufgeht - was wir Ihnen übrigens schon immer gesagt haben. Sie setzen bei der jahrelangen Massenarbeitslosigkeit schamlos auf einen Gewöhnungseffekt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Aber dies wird nicht aufgehen. Ich hoffe sehr, Sie werden spätestens 1998 die Quittung für diese, Ihre Politik bekommen. Manfred Grund (CDU/CSU): Nachdem wir gehört haben, was mit einem wie auch immer veränderten Arbeitsförderungsgesetz geleistet werden müßte, ist es notwendig, auf die Möglichkeiten und auf die Grenzen von Arbeitsmarktpolitik zu verweisen: Arbeitsmarktpolitik hat gerade in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Aufgabe im Transformationsprozeß. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann und muß den Arbeitsmarkt entlasten und muß Arbeitslosen einen Neubeginn ermöglichen. Aber: Auf sich alleine gestellt ist Arbeitsmarktpolitik angesichts des millionenfachen Wegbruchs von Arbeitsplätzen nach der Wende, angesichts der Dimensionen des wirtschaftlichen Umbruchs nicht in der Lage, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsmarktpolitik wirkt mit am Strukturwandel und hat sich selbst diesem Wandel zu stellen. Arbeitsmarktpolitik kann am Entstehen dauerhafter Arbeitsverhältnisse mitwirken, sie kann aber regionale Strukturpolitik nicht ersetzen. So hat die Arbeitsförderung, die wir heute beraten, mehrere Funktionen: Gegenwartsbezogen geht es um den Entlastungseffekt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, zukunftsbezogen geht es um die „Brückenfunktion" mit dem Ziel, die volkswirtschaftlichen Angebotsbedingungen zu verbessern und neue Beschäftigungsfelder aufzubauen. In den neuen Bundesländern ist die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch; die Quote aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit liegt über 25 Prozent. Mit dem bisher geltenden Arbeitsförderungsgesetz wurde seit 1990 der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern entlastet und gleichzeitig der Strukturwandel befördert und begleitet. Dazu bedurfte es schon bisher besonderer Instrumentarien, und notwendigerweise brauchte man viel Geld. Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz bleiben all die wichtigen Instrumentarien wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, Einstellungszuschüsse erhalten und werden weiterentwickelt. Über die notwendige Finanzausstattung, um diese Instrumentarien auch einsetzen zu können, werden wir uns bei der Aufstellung jedes neuen Bundeshaushaltes zu befassen haben. Dies wird in der Sache liegend manchmal strittig ausgehen. Denn bei allen notwendigen Sparzwängen: Weniger Bundeszuschuß darf nicht zu größerer Arbeitslosigkeit führen. Also gilt es, die Instrumentarien intelligent weiterzuentwickeln. Intelligentes Sparen ist notwendig und möglich! Dazu folgendes Beispiel aus dem heute zu beschließenden Arbeitsförderungs-Reformgesetz: Wer die bisherigen Instrumentarien aktiver Arbeitsmarktpolitik auf ihre Effizienz hinterfragt, stellt schnell fest, daß der Anteil der nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen arbeitslos Verbliebenen zunimmt. Dies ist begründet im Fehlen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze, aber auch gerade in der unzureichenden Verzahnung von zweitem und erstem Arbeitsmarkt. Denn wer in einer kommunalen ABM beschäftigt ist, hat keinen Zugang zu einem Unternehmen. I Dies wollen wir mit dem AFRG ändern Wirtschaftsun- ternehmen des gewerblichen Bereiches erhalten einen neuartigen Lohnkostenzuschuß: für jede zusätzliche Personaleinstellung einen Zuschuß in Höhe von 1 923,- DM je Monat - und das für ein Jahr. Also: Ein Handwerker mit acht Beschäftigten kann bei einer auf ein Jahr befristeten Einstellung von zwei Arbeitslosen 1 923,- DM je Arbeitslosen pro Monat erhalten. Und das für ein Jahr ohne anschließende Beschwernisse oder Auflagen. Allerdings werden wir einen Drehtüreffekt verhindern. Mit dem produktiven Lohnkostenzuschuß betreten wir in der Arbeitsmarktpolitik der neuen Bundesländer wirkliches Neuland. Klarer als bisher wird Arbeit gefördert statt Arbeitslosigkeit finanziert. Es ist allerdings eine Lohnsubventionierung, die immer problematisch, aber angesichts der Entwicklung am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern dennoch gerechtfertigt ist. Der Lohnkostenzuschuß erfolgt in Höhe des pauschalierten Arbeitslosengeldes und ist im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu den Ansätzen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unbegrenzt deckungsfähig. Ohne zusätzliches Geld zu benötigen wird mit diesem Instrumentarium die Zahl der Arbeitslosen verringert und eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt gebildet. Denn der hiermit geförderte Arbeitslose hat erstmals die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür eines Unternehmens zu stellen, mit hoffentlich guten Übernahmechancen. Dieser produktive Lohnkostenzuschuß wird von Arbeitsämtern, Arbeitgebern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern begrüßt. Besonders zu begrüßen ist die Verbesserung bei der Zuschußobergrenze bei ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen. Hier wird für die nächsten Jahre eine 100-Prozent-Förderung möglich bleiben. Das entlastet die freien Träger der Sozialarbeit und die ABS-Gesellschaften. Nur bis zur Opposition hat es sich nicht herumgesprochen, daß mit den hergebrachten Instrumentarien kein Blumentopf zu gewinnen sein wird. Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz ist eine neue Chance für die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern, die wir dringend benötigen. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Heute erleben wir wieder einmal, wie ernst es die SPD mit ihrem Bekenntnis nimmt, die Arbeitslosenquote drücken zu wollen. Einerseits beklagt sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits widersetzt sie sich hartnäckig sämtlichen dringend notwendigen Reformvorhaben. Und letztlich scheut sie sich nicht, dieses Haus für endlose Debatten zu mißbrauchen, Debatten, die allein dazu dienen sollen, die Bevölkerung zu verunsichern. Ich sage Ihnen, wie die Bevölkerung denkt: Es ist genug geredet und höchste Zeit, daß wir das anpacken, was uns allen unter den Nägeln brennt, nämlich die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Es wird aber kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie laufend Reformmaßnahmen torpedieren. Es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie allein zur eigenen Profilierung die Bevölkerung gegen die Regierungskoalition aufhetzen. Und es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn wir uns hier immer wieder zum gleichen Thema die Köpfe einschlagen und das Problem der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleibt. Sie scheuen sich auch nicht, bis an die Grenze des Zumutbaren zu gehen: Sie haben allein aus formalen Gründen auf einer zweiten Anhörung bestanden, obwohl Sie wußten, daß alle Argumente bereits in der ersten Anhörung ausgetauscht waren; Sie wollten nur eine Schau inszenieren - eine eklatante Mißachtung des Parlaments. Inhaltlich haben Sie nicht viel zu bieten: Teure Beschäftigungsprogramme könnten allenfalls ein Strohfeuer entfachen; am Ende würden Finanzlöcher übrigbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, wir haben ein neues Arbeitsförderungsrecht auf den Weg gebracht, das neue Beschäftigungsimpulse bringen wird. Durch Ihre Ablehnung im Bundesrat haben Sie sich gegen das heute zur Abstimmung stehende Bündel von neuen Instrumenten ausgesprochen: gegen Hilfen bei Existenzgründungen durch Arbeitslose, gegen Eingliederungsverträge für Langzeitarbeitslose, gegen frühzeitigere Beratungs- und Vermittlungsbemühungen und gegen die besondere Förderung von Ungelernten durch Weiterbildungsmaßnahmen, um nur einige neue Maßnahmen herauszugreifen. Ein besonderes Anliegen war mir die Organisationsreform der Bundesanstalt für Arbeit. Diese wäre jedoch ohne die Zustimmung im Bundesrat nicht möglich gewesen. Sie hätte das Gesetz zustimmungsbedürftig gemacht und mußte deshalb herausgenommen werden. Sie und Ihre Freunde im Bundesrat, meine Damen und Herren von der SPD, haben damit verhindert, daß der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf ein arbeitsfähiges Gremium zurückgeführt wird. Sie haben die Ausweitung der Verantwortungsbereiche bei den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter verhindert und damit die Stärkung der Tarifparteien in den Verwaltungsausschüssen nicht zugelassen - ein offenes Mißtrauensbekenntnis gegenüber den Gewerkschaften, die in den Verwaltungsausschüssen mehr Einfluß gehabt hätten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben Ihre Zustimmung verweigert, also blieb uns nichts anderes übrig, als ein zustimmungsfreies Gesetz weiter voranzubringen. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein zustimmungsfreies Gesetz auf den Weg gebracht, um die Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und die Hilfen für Arbeitslose schnellstmöglich zu verwirklichen. Wir haben die Fehler der SPD so gut wie möglich ausgebügelt. Wir können auch jetzt ein Gesetz vorlegen, das den Namen Reform verdient. Ich trete ein für eine Politik mit mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Deshalb stehe ich auch zu den verbesserten Zumutbarkeitsregelungen oder auch zu der sozial verträglich ausgestalteten Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld: Maßnahmen, die dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern und Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wenn es uns Ernst ist mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verrechnen sich, wenn Sie meinen, Sie könnten durch Ihre Blokkadepolitik die Koalition in den Sumpf ziehen. Der Bevölkerung wird immer deutlicher, daß Ihre Strategie in der Verzögerung, Verhinderung und Verunsicherung liegt. Verzögern, verhindern und verunsichern: das sind die Schlagworte, die die SPD-Politik kennzeichnen. Die SPD: eine Verzögerungs-, Verhinderungs- und Verunsicherungspartei. Es wird sich aber nicht lohnen, wenn Ihnen die bloße Hoffnung auf mehr Wählerstimmen mehr bedeutet als die ehrliche Absicht, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben sich bis heute als ernstzunehmender Vertragspartner disqualifiziert. Sicherlich ist es sinnvoll, zunächst einen breiten Konsens in diesem Hause herzustellen. Wir haben das versucht. Wir werden jedoch nicht die erforderliche Konsequenz verantwortungsvoller Politik auf Kosten irgendeines Konsenses gefährden. Es geht nämlich nicht um die Abkehr vom Sozialstaat, wie von der SPD hartnäckig, aber haltlos behauptet wird. Es geht um die Rückkehr zu einer freiheitlichen Sozialpolitik mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung im Sinne der Politik von Ludwig Erhard. In dieser Zeit ist jeder Monat ohne Reformschritte ein verlorener Monat. Deshalb gilt es, heute mit einem neuen Arbeitsförderungsrecht eine Weiche für mehr Beschäftigung zu stellen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Antrag „Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus in den osteuropäischen Staaten" - Drucksache 13/6737 - sowie ihren Entschließungsantrag „zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1997" - Drucksache 13/6313 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 95. Interparlamentarische Konferenz vom 15. bis 20. April 1996 in Istanbul - Drucksachen 13/4954, 13/5550 Nr. 1.3 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1995 (Subsidiaritätsbericht 1995) - Drucksachen 13/5180, 13/5550 Nr. 1.6 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 1.17 Finanzausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 2.10 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3668 Nr. 2.35 Drucksache 13/4678 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.34 Drucksache 13/6129 Nr. 1.19 Drucksache 13/6129 Nr. 1.20 Drucksache 13/6152 Nr. 1.4 Drucksache 13/6152 Nr. 2.2 Drucksache 13/6152 Nr. 2.5 Drucksache 13/6152 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.11 Drucksache 13/6152 Nr. 2.13 Drucksache 13/6152 Nr. 2.14 Drucksache 13/6152 Nr. 2.15 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4921 Nr. 2.11 Drucksache 13/6129 Nr. 1.31 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.10 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4636 Nr. 2.5 Drucksache 13/5295 Nr. 3.1 Drucksache 13/6152 Nr. 1.7 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/5687 Nr. 2.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Es geht nämlich darum, daß die Länge Ihrer Zwischenfrage und die dadurch erforderliche Länge meiner Antwort nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.
    Im übrigen haben Sie eines übersehen. Ich sprach von den Ankündigungen und der Behauptung dieser Ihrer Koalition - Sie gehören dazu -, die Einführung der privaten Arbeitsvermittlung werde zu einer wesentlichen Belebung des Arbeitsmarktes beitragen. Das hat sich als Lüge herausgestellt, wie sich manches andere in Ihrer Politik, ich sage einmal vorsichtig: als Unwahrheit herausgestellt hat.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Vielen Dank für den Hinweis und die Gelegenheit, daß ich Ihnen das jetzt ohne Anrechnung auf meine Redezeit erklären darf.
    Zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz will ich Ihnen zwei Hinweise geben. Erstens. Sie haben sich angewöhnt, Ihren Gesetzen immer Titel zu geben, von denen jeder weiß, daß sie allenfalls noch mit der Zielsetzung von George Orwell übereinstimmen: Nie sagen, was die Realität ist, immer das Gegenteil dessen behaupten, was man wirklich tut. Sie reformieren die Arbeitsmarktpolitik nicht, Sie ruinieren die Arbeitsmarktpolitik mit diesem Gesetzentwurf.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] nimmt Platz)

    - Das finde ich jetzt aber wirklich unhöflich. Wenn Sie, Frau Präsidentin, dies im Rahmen meiner Antwort gestatten, muß ich Sie noch darauf hinweisen, Herr Ramsauer: Gerade eben hat der sächsische Ministerpräsident etwas über die Entwicklung des Ar-

    Rudolf Scharping
    beitsmarktes gesagt. Das war eine zutreffende Analyse, der die politischen Schlußfolgerungen gefehlt haben. Eine allerdings hat er gezogen, nämlich daß mit dieser Art von Politik und dieser Gesetzgebung dem ostdeutschen Arbeitsmarkt garantiert nicht auf die Beine zu helfen ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Da hat Herr Biedenkopf recht, wie ich überhaupt, ohne Sie, Herr Biedenkopf, allzusehr in diese Debatte hineinzuziehen, den Eindruck hatte, daß mit Ihrer klaren Kritik an ineffizienter und phantasieloser Politik zugleich ein sehr dezenter, aber für den Fachmann auch sehr spürbarer Tritt in Richtung Koalition verbunden war. Anders läßt sich das kaum beschreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ansonsten fand ich es ganz nett, wie Sie das gemacht haben. Aber die politischen Schlußfolgerungen haben gefehlt, und zu denen will ich jetzt noch etwas sagen.
    Deutschland braucht eine grundlegend neue Politik. Diese muß sichere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und zur Entlastung der Arbeitsplätze mit einer aktiven Rolle des Staates verbinden, damit dieser nicht weiter die Zukunft konsumiert, sondern in diese Zukunft investiert.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU: Ach du lieber Gott!)

    Es geht um eine Politik, die Anreize für Investitionen und unternehmerisches Engagement mit einer strikten Modernisierung staatlicher Tätigkeit verbindet. Was haben wir um die kleinen Fortschritte ringen müssen, die jetzt in der Beamtenbesoldung oder beim Abbau von Bürokratie erreicht worden sind!

    (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sehen sie doch einmal nach Nordrhein-Westfalen!)

    Wenn der Bundesrechnungshof über den unmittelbarsten Verantwortungsbereich der Regierung sagt: Ihr nutzt ja den Umzug gar nicht, um Geld zu sparen, Verwaltung zu modernisieren und Mitarbeiterstellen zu reformieren, sondern ihr nutzt ihn zur Aufblähung, dann ist das nicht nur eine einzelne Kritik, sondern ein Symbol für Ihre Politik: Sich selber immer fetter machen und den anderen immer mehr zumuten. Das kommt am Ende dabei heraus.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Schließlich muß der Sozialstaat ganz konsequent modernisiert und folglich auch von Aufgaben und Lasten befreit werden, die in diesem Bereich überhaupt nichts zu suchen haben. Herr Bundeskanzler, wir haben Ihnen mehrfach Vorschläge unterbreitet, und Sie werden merken, daß wir das auch tun, wenn es in die Erörterung der Steuerpolitik, in die Erörterung der Rentenpolitik geht. Ich füge eines hinzu: Legen Sie einmal auf den Tisch, was Sie wirklich wollen! Verabschieden Sie Gesetzentwürfe, über die man reden kann! Denn den Berichten Ihrer Kommissionen kann man nicht wirklich entnehmen, was im einzelnen entschieden werden soll. Aber wenn es darum geht, dann werden wir Ihnen sagen: Die erste Voraussetzung ist, daß die Arbeitslosen- und die Rentenversicherung - übrigens auch die Krankenversicherung - von fremden Aufgaben befreit werden. Diese Diskussion können wir, ja, wir müssen sie sogar aufnehmen, Herr Kollege Biedenkopf. Sie muß dann aber seriös und gründlich sowie mit einem klaren und für die Zukunft verläßlichen Ergebnis geführt werden. Damit das finanzierbar wird, appelliere ich an Sie: Folgen Sie diesem Weg nicht! Sonst wird es - dies kündige ich Ihnen an - eine wirklich große Auseinandersetzung um die Zukunft des sozialen Friedens in Deutschland geben. Denn darüber sprechen wir im Kern.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden dann neben den vielen Dingen, die hier angeführt worden sind und die ich jetzt nicht wiederholen und dadurch weder unterstreichen noch abschwächen will, dafür sorgen, daß der verhängnisvolle Weg, die Arbeitsplätze immer mehr zu belasten und den Anteil der Vermögen am gemeinsamen Fortschritt immer mehr zu reduzieren, wirklich beendet wird.
    Ich weiß sehr wohl: Betriebe brauchen Erträge und Gewinne, folglich brauchen sie auch Vermögenssubstanz. All das ist klar. Ich füge aber eines hinzu: Es kann nicht so bleiben, daß Deutschland unter den großen Industriestaaten der Erde Spitzenreiter in der Belastung der Arbeitsplätze, der Arbeitnehmer sowie der Arbeitseinkommen ist und Tabellenletzter in der Heranziehung der großen Privatvermögen bei der Finanzierung des allgemeinen Fortschritts. So kann es nicht bleiben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ein weiterer Punkt: Eine Politik ist notwendig, die Innovationen, Investitionen und unternehmerisches Risiko mit einer Bildungsoffensive und einem wirksamen Schutz der Lebensgrundlagen verbindet. Ich will Ihnen diese großen Felder nennen, weil vor jedem Erörtern von Einzelheiten klar sein muß, was erreicht werden soll: nicht mehr dieses Schwanken zwischen Beschönigung und Appell, angeblicher Veränderung und Ruin der sozialen Sicherheit sowie zwischen Kooperation und Konflikt, sondern eine intelligente, kluge und zukunftsträchtige Verknüpfung folgender vier Bereiche. Wir brauchen eine Verbindung der Sicherheit der Rahmenbedingungen für unternehmerisches Wirtschaften mit einer aktiven Rolle der Allgemeinheit, des Gemeinwesens, zur Sicherung der Voraussetzungen der Infrastruktur, der Bildung - an Hochschulen und an vielen anderen Stellen -, eine Verbindung von Förderung der Investitionen und der aktiven Tätigkeit der Unternehmen mit einer strikten Modernisierung des zu sehr bürokratisierten Staates, eine Verbindung der modernen, zukunftsgerichteten Gestaltung des Sozialstaates mit dem unabweisbaren und sehr berechtigten Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit und eine Verbindung zukunftsgewandter investierender

    Rudolf Scharping
    Politik mit Bildung, Risikobereitschaft, aber auch mit dem Schutz der Lebensgrundlagen. Das läßt sich an vielen Beispielen darstellen: bei den Lohnnebenkosten, der Steuerpolitik, der Rente und in vielen anderen Bereichen.
    Herr Bundeskanzler, das, was Sie uns hier aber geboten haben, war zu gut zwei Dritteln eine untaugliche Rechtfertigung der Vergangenheit. Es war zu fast einem Drittel Appell an andere: an die Unternehmen, die Tarifpartner und die Opposition. Es war zu null Prozent neue Politik, zu null Prozent selbstkritische Einschätzung der Ergebnisse eigener Arbeit, zu null Prozent wirkliche Perspektive, zu null Prozent Mobilisierung von Verantwortungsbereitschaft und gegenseitiger Kooperation.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Clemens Schwalbe [CDU/ CSU]: Zahlen waren noch nie seine Stärke!)

    Ich hoffe, das wird anders. Damit es anders werden kann, appelliere ich seitens der SPD und unserer Bundestagsfraktion an Sie: Hören Sie auf, immer die Menschen dafür verantwortlich zu machen, daß Sie Probleme mit Ihrer Politik haben! Hören Sie auf, die Lohnnebenkosten heraufzutreiben! Sie müssen heruntergesetzt werden. Hören Sie auf, ein Steuerrecht vorzuschlagen, das die größten Entlastungen bei den größten Einkommen organisiert, anstatt die wirklichen Leistungsträger unserer Gesellschaft zu entlasten!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Hören Sie auf, eine Politik zu machen, deren Ergebnisse leider auf dem Tisch liegen!
    Herr Bundeskanzler, wie lange Ihre Koalition auch noch halten wird - vermutlich bis zum Wahltermin 1998 und deshalb zu lang -,

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das sagt ein Versager!)

    wie immer das im einzelnen verläuft, eines ist dem deutschen Volk mittlerweile ganz klar: Die Politik, die Sie betrieben haben, hat Deutschland in die schwierigste wirtschaftliche, soziale und finanzielle Situation seit 1949 geführt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie haben die Kraft dieses Landes und das Vertrauen der Menschen stark beschädigt. Sie haben die Chance einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung 1990, 1996 und in den Jahren dazwischen vertan. Ihre Regierungserklärung bietet keine Perspektive für eine gute Zukunft. Sie war der Lage des Landes unangemessen. Ihre Politik muß abgelöst werden durch eine neue, hoffnungsvolle, kompetente und zukunftsträchtige Politik.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Glos.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege Scharping, was Sie eben geboten haben, war zu 50 Prozent Klassenkampf und zu 50 Prozent Polemik.

    (Lachen bei der SPD)

    Es war zu 100 Prozent netto an der Sache vorbeigeredet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Manchmal habe ich den Eindruck, Sie werden das Trauma des Mannheimer Parteitages nie los.

    (Lachen bei der SPD)

    Immer wenn Herr Lafontaine in der Nähe ist, halten Sie eine Rede, die Ihnen, wenn Sie sie damals in Mannheim gehalten hätten, den Parteivorsitz erhalten hätte, Sie aber gleichzeitig vor der deutschen Öffentlichkeit untauglich für die Probleme dieses Landes macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer sich scheinheilig Sorgen um die Arbeitslosen und die Wirtschaft macht und keinerlei Lösungsalternativen anzubieten hat, der versündigt sich an der Zukunft unseres Landes. Sie tragen als Oppositionspartei Mitverantwortung; Sie tragen vor allen Dingen Mitverantwortung dafür, daß viele Gesetze im Bundesrat blockiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Herr Bundeskanzler, ich möchte mich im Namen der CDU/CSU-Fraktion für Ihre Regierungserklärung bedanken.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das hat er heute nötig!)

    Ich möchte mich dafür bedanken, daß sich die Bundesregierung in schwieriger Zeit aufmacht, die Probleme unseres Landes zu lösen. Die Reformen, die wir auf den Weg gebracht haben, werden uns nach vorne führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es gibt keinerlei Anlaß zur Resignation. Wir haben Anlaß zur Sorge, aber nicht Anlaß zu resignieren. Wir müssen die Chance zu einer echten Reform nutzen, so wie es Theo Waigel bei der Steuerreform tut.
    Ich möchte einmal Maier-Mannhart von der „Süddeutschen Zeitung" zitieren. Er schreibt:
    Wo im politischen Geschäft aber lassen sich schon Maximalpositionen durchsetzen, zumal in einem Land, in dem sich Gruppeninteressen derart zu einem Machtfaktor entwickelt haben? Unter dieser Voraussetzung wird man wohl einräumen müssen, daß die von Wissenschaftlern und Politikern gemeinsam erarbeiteten „Petersberger Beschlüsse" nicht weit hinter den realistischen Erwartungen zurückgeblieben sind. Dies gilt auf jeden Fall für die künftige Höhe der Steuersätze. Mit einem Eingangssatz von 15 Prozent und ei-

    Michael Glos
    nem Spitzensteuersatz von 39 Prozent für private Einkünfte und 35 Prozent für gewerbliche Einkommen ist ein Niveau erreicht worden, das einem internationalen Vergleich der Steuersätze standhält. Treten sie so auch wirklich in Kraft, dann hat sich das Argument vom Hochsteuersatz erledigt, das die Industrie stets als einen der gravierendsten Standortnachteile ins Feld führt. Dies ist ein wichtiges Signal für Investoren, vor allen Dingen im Ausland, die bisher einen großen Bogen um Deutschland gemacht haben.
    - Die müssen wir hierherholen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Kollege Scharping, Arbeit entsteht nicht durch Reden von Politikern. Arbeit entsteht erst recht nicht durch Klassenkampfparolen, sondern Arbeit entsteht dann, wenn sich die Unternehmer aufmachen, konkurrenzfähige Arbeitsplätze zu schaffen, wenn man Mut hat zum Investieren, und wenn man weiß, die Investitionen lohnen sich auch.
    Wir haben heute einen Kampf um anlagesuchendes Kapital. Die Welt konkurriert in einem Maß miteinander, wie wir es nie zuvor erlebt haben. Wenn wir uns nicht verändern, dann werden wir verändert zum Negativen hin. Das ist der Grund, warum wir diese Reformen auf den Weg bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich weiß, daß Wachstum allein unsere Probleme am Arbeitsmarkt nicht lösen kann. Aber ohne Wachstum geht es nicht. Die Konjunktur gewinnt Gott sei Dank wieder an Fahrt. Wir haben eine realistische Wachstumsvoraussetzung von zweieinhalb Prozent. Die Preise sind stabil wie nie. Die Zinsen sind niedrig wie nie. Die Auftragseingänge in der Industrie aus dem Ausland machen Mut.
    Das Hauptproblem, das ist zu Recht angesprochen worden, sind die zu niedrigen Investitionen, und die können wir letztlich nur durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen wieder in die Höhe bringen. Nur in einem System, wie es der Herr Gysi sehr gut kennt, kann dies der Staat alles lösen. Wohin diese Lösung durch den Staat letztlich geführt hat, haben wir gemerkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen werden wir dafür sorgen, daß die Reformverhinderer aus parteitaktischen Gründen, die sich an den Arbeitslosen im Lande versündigen, keinen weiteren Einfluß auf die deutsche Politik bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die SPD handelt enttäuschend und verantwortungslos. Noch vor einem halben Jahr forderte der SPD-Finanzminister von NRW, Herr Schleußer, Eingangssteuersätze von 20 Prozent und einen Spitzensteuersatz von 40 Prozent. Jetzt, bei einem Eingangssatz von 15 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 39 Prozent, also bei einem Punkt Abweichung oben im Vergleich zu den SPD-Vorschlägen, nach unten
    hin bei einer weit stärkeren Senkung, spricht die SPD von Steuergeschenken an die Reichen.

    (Zuruf von der SPD)

    - Ich verbitte mir die Kritik an Herrn Schleußer, die aus Ihrem Zwischenruf hervorgeht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben diese Reform auf den Weg gebracht - ich sage es noch einmal -, um Arbeit in Deutschland zu schaffen, um Arbeit in Deutschland lohnend zu machen und vor allen Dingen auch, um mit unserem Steuersystem international wettbewerbsfähig zu sein.
    Ein anderer Widerspruch. Vor einem halben Jahr fordert die Steuerreformkommission des SPD-Präsidiums Aufhebung der Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist die Unwahrheit!)

    und verschiedenen anderen Lohnbestandteilen nach § 3 Einkommensteuergesetz. Heute laufen SPD-Propagandisten durchs Land und schreien laut: soziale Ungerechtigkeit!

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: So ist es auch!)

    Herr Lafontaine hat heute angeboten, in der Steuerpolitik stärker zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu prüfen, ob wir nicht eine Steuerreform noch für 1998 hinbringen. Ich kann nur sagen: Herr Lafontaine, dann holen Sie Ihre Kettenhunde wieder zurück, die draußen im Lande gegen unsere Vorschläge polemisieren!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben in der Steuerreformkommission die verschiedenen Vorschläge sehr sorgfältig erwogen, und wir haben ganz stark beachtet, was auch von Ihrer Partei gekommen ist. Wenn man jetzt alle Vorschläge verteufelt, wie das getan wird, dann ist das in höchstem Maße fragwürdig. Das zeigt, daß Sie an Blockaden interessiert sind, aber nicht an Problemlösungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Für Blockade in diesem Land steht der Name Lafontaine. Seit er Vorsitzender der SPD ist, wird Fundamentalopposition betrieben. Es wird blockiert um des Blockierens willen. Das wirkt sich, Herr Lafontaine, vielleicht einmal positiv auf den Beifall der Genossen hier aus, es wirkt sich aber negativ für unser Land und auch für Ihre eigene Partei aus.
    Da möchte ich einmal Uli Maurer zitieren, der es nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg auf den Punkt gebracht hat. Er hat gesagt, die Partei habe kein Programm gehabt, das den fundamentalen Veränderungen nach der deutschen Einheit gerecht geworden wäre. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat seine Partei am Dienstag bei einer Ver-

    Michael Glos
    anstaltung hier in Bonn noch einmal gemahnt, endlich ein realistisches eigenes Konzept aufzustellen.

    (Zuruf des Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine [Saarland])

    - Herr Lafontaine, ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden. Ich glaube, daß sich Schmidt weniger, wie Sie sagen, um die CSU gesorgt hat. Zu mir hat er nämlich einmal unter Zeugen gesagt, die CSU sei die einzige Partei in Deutschland, die voll agil ist und um die er sich keine Sorgen macht. Große Sorgen macht er sich allerdings um seine eigene Partei. Ganz schwere Sorgen hat er sich gemacht, als er am Autotelefon gehört hat, daß Sie zum Parteivorsitzenden gewählt worden sind.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Da hat er nämlich glatt auf der Autobahn kehrtgemacht und ist nicht zum Parteitag nach Mannheim gefahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU Horst Kubatschka [SPD]: Mit solchen blöden Sprüchen bekämpft man die Arbeitslosigkeit? Etwas mehr Nivau! Das ist ja Maulwurfniveau!)

    Der Herr Bundeskanzler hat heute zu Recht gesagt: Wir brauchen einen Umbau des Sozialstaates zur Zukunftssicherung. Wir brauchen grundlegende Reformen unserer Sozialsysteme. Wer tatenlos zusieht, gefährdet den Bestand der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Wir haben sehr viele Reformen durchgesetzt. Diese Reformen haben positive Auswirkungen. Aber alle Reformen mußten wir gegen den erbitterten Widerstand der SPD in die Tat umsetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Immer wieder wird die Arie vom sozialpolitischen Kahlschlag gesungen. Die Bürgerinnen und Bürger glauben Ihnen das längst nicht mehr. Wir haben in unserem Land Sozialleistungen in Höhe von mehr als 1 112 Milliarden DM, das ist mehr als 1 Billion DM, eine unvorstellbar hohe Summe. Wer dann der Koalition sozialen Kahlschlag vorwirft, der belügt die Leute.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie versuchen auch, die Folgen Ihrer Blockadepolitik ständig zu verschweigen. Ich darf nur einmal an die Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erinnern, das immer noch im Bundesrat liegt und von Ihnen blockiert wird. Wir hätten seitdem Milliarden bei den öffentlichen Haushalten, insbesondere bei den Haushalten der Kommunen, einsparen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    Wir müssen aber auch den Weg zur Flexibilisierung unserer gesamten Arbeitswelt konsequent weitergehen. Der Chefvolkswirt von Siemens hat heute aus der Sicht eines großen deutschen Unternehmens noch einmal auf die Notwendigkeit von Reformen in allen Bereichen hingewiesen und dabei die geplante Steuerreform ausdrücklich begrüßt.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Ja, 2 Milliarden DM Gewinn und dafür Arbeitsplätze abbauen!)

    - Sie sollten sich einmal häufiger mit Leuten aus den Betrieben unterhalten. Sie haben ja früher einmal in einem Betrieb gearbeitet. Gehen Sie zum Beispiel einmal zu Vertretern der Automobilindustrie und fragen: Was spielt bei einer Investitionsentscheidung eine Rolle?

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Daß sie was verkaufen können!)

    Mir hat unlängst der Finanzchef einer großen Automobilfirma in Deutschland erklärt, warum ein Motorenwerk in Ungarn und ein anderes in Großbritannien gebaut wird.
    Interessanterweise sind es nicht alleine oder nur zu einem geringen Teil die höheren Arbeitskosten bei uns, die eine Investition verhindern. Ein Grund ist der Marktzugang in einem anderen Land.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: So ist es!)

    Vor allen Dingen ist es aber die zu hohe Steuerbelastung; denn ein Motorenwerk hat heute noch einen Arbeitskostenanteil von unter 10 Prozent. Eine viel größere Rolle spielt, wie lange man braucht, bis das Kapital wieder zurückkommt, und wie sich das Kapital verzinst. Aus solchen Gründen ist es wichtig, daß wir unser Steuersystem wettbewerbsfähig machen. Das zu verhindern, indem man mit Neidargumenten arbeitet, finde ich schäbig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wo sind die SPD-Vorschläge zur Rentenreform? Ich habe von Ihnen nur Polemiken und Klagen gehört, aber keine Vorschläge.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Gar nichts da!)

    Wir wollen, daß der Generationenvertrag stabilisiert wird. Wir wollen, daß auch die 20jährigen, die 40jährigen und die jetzt 60jährigen wissen, wieviel Rente sie einmal bekommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie wollen das demographische Risiko privatisieren!)

    Deswegen arbeiten wir an einer Rentenreform. Die Arbeit ist auf gutem Weg; das muß natürlich sorgfältig diskutiert werden.

    (Zuruf von der SPD: Ein Irrweg!)

    - Das ist kein Irrweg, sondern der richtige Weg. Mit Realitätsverlust, mit frommen Wünschen alleine können wir die notwendigen Reformen nicht durchführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte noch ein Weiteres sagen, getreu nach dem Motto von Karl Valentin, der einmal formuliert

    Michael Glos
    haben soll: Es ist zwar schon alles gesagt worden, aber nicht von allen.

    (Ludwig Stiegler [SPD]: Aber es ist schon besser gesagt worden!)

    Ich appelliere von dieser Stelle aus auch an die Unternehmer - sowohl von großen als auch von kleinen Unternehmen -, wieder mehr Menschen einzustellen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich glaube, manchmal hat man draußen noch nicht kapiert, was wir an Reformen auf den Weg gebracht haben.

    (Lachen bei der SPD)

    Es wird immer noch gejammert und gesagt, man könne deswegen nicht einstellen, weil man die Kosten in konjunkturell schwierigen Zeiten dann nicht schnell genug nach unten fahren könnte. Es gibt jetzt die befristeten Arbeitsverträge. Ich kann nur an die Unternehmer appellieren, stärker davon Gebrauch zu machen.
    Wir haben den Kündigungsschutz in den Kleinbetrieben

    (Zuruf von der SPD: Zerschlagen!)

    nicht deswegen verändert, weil wir die Arbeitnehmer ärgern wollen, sondern weil wir die Betriebsinhaber ermutigen wollen, mehr einzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    Was mich ärgert, ist die Tatsache, daß heute diejenigen als Vorzeigeunternehmer gelten, die am allermeisten Leute entlassen und damit ihren Börsenkurs steigern. Ich finde das pervers.

    (Zuruf von der SPD: Liberal!)

    Die Börsenkurse von Unternehmen müßten nach Zukunftsaussichten und nicht nach momentanen Quartalsgewinnzahlen beurteilt werden. Eine solche Betrachtungsweise, die in immer stärkerem Maße von Amerika zu uns kommt, halte ich zutiefst für schädlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD)

    Um in dieser Hinsicht vorwärtszukommen, brauchen wir keine Unternehmerschelte, keine Unternehmerbeschimpfungen und vor allem keinen Klassenkampf. Weiter kommen wir auch nicht, wenn versucht wird, Stimmung gegen die sogenannten Reichen zu machen, wie es heute wieder ausgiebig getan worden ist, und zwar nicht nur von Herrn Gysi - von dem habe ich das erwartet -, sondern auch von denen, die offensichtlich ideologisch nicht allzuweit von Herrn Gysi entfernt sind.

    (Zuruf von der SPD: Franz Josef Strauß würde im Grabe rotieren, wenn er das hören würde! Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir brauchen ein Stück Gemeinsamkeit, und es müssen die Ärmel hochgekrempelt werden. Wir brauchen vor allem

    (Ludwig Stiegler [SPD]: Eine andere Regierung!)

    eine SPD, die sich ihrer Verantwortung gerade für die arbeitenden Menschen wieder bewußt wird. Tun Sie das, indem Sie aufhören, unsere Reformen zu blockieren!
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)