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    Plenarprotokoll 13/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Gemeinsame Verantwortung für mehr Beschäftigung in Deutschland 13947 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: Debatte zur Arbeitsmarktsituation und zum Wirtschaftswachstum 13947 A Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 13947 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 13956 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 13963 A Joachim Poß SPD 13968 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13968 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 13974 D Dr. Gregor Gysi PDS 13977 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 13980 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 13983 B Rudolf Scharping SPD 13986 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 13989 B Michael Glos CDU/CSU 13991 C Paul K. Friedhoff F.D.P 13994 C Rudolf Dreßler SPD 13996 D Michael Glos CDU/CSU 13997 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU 13998 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 13999 D Anke Fuchs SPD 14003 A Petra Bläss PDS 14005 D Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (ArbeitsförderungsReformgesetz) (Drucksachen 13/5676, 13/5730, 13/6845, 13/6846) 14007 A Heinz Schemken CDU/CSU 14007 B Adolf Ostertag SPD 14008 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14010 D Dr. Gisela Babel F.D.P 14012 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 14013 A Ulrike Mascher SPD 14014 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 14014 B Namentliche Abstimmung 14015 A Ergebnis 14015 B Nächste Sitzung 14017 C Berichtigungen 14017 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14018* A Anlage 2 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank und weiterer Abgeordneter zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . 14018* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach SPD 14020*A Manfred Grund CDU/CSU 14022* B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 14023* B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 14024* B 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigungen 154. Sitzung, Seite 13864 D: In der 14. Zeile von unten sind die Worte „Diese ermöglicht eine Prognose" durch die Worte „Diese erfordert eine Prognose" zu ersetzen. Auf Seite 13865 D sind die letzten vier Absätze durch folgende Fassung zu ersetzen: Die Prognosen im Verkehrsbereich sind in der Praxis oft weit übertroffen worden. Die SNCF- Stammstrecke Paris-Lyon hatte 6 Millionen Passagiere. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme des TGV 1982 waren es schon 8 Millionen. (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!) Heute sind es bereits 23 Millionen. Eurotunnel, erstes Betriebsjahr, 1995: 8 Millionen Passagiere. Im letzten Jahr waren es 13 Millionen. Der Flughafen München-Riem hatte 6 Millionen Passagiere. Der neue Flughafen hat für das Jahr 2000 eine Prognose von 12 Millionen. Auf Seite 13866 A ist im siebten Absatz in der dritten Zeile das Wort „Laatzen" durch das Wort „Lathen" zu ersetzen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 31. 1. 97 * Antretter, Robert Behrendt, Wolfgang Brähmig, Klaus SPD 31. 1. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus Büttner (Schönebeck), Hartmut SPD 31. 1. 97 * Buntenbach, Annelie CDU/CSU 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni Gansel, Norbert CDU/CSU 31. 1. 97 * Gysi, Andrea Hartenbach, Allred Dr. Hartenstein, Liesel Horn, Erwin SPD 31. 1. 97 Hornung, Siegfried Dr. Jacob, Willibald Dr. Klaußner, Bernd Kolbow, Walter PDS 31. 1. 97 Lange, Brigitte Leidinger, Robert Lenzer, Christian Marten, Günter Metzger, Oswald SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * PDS 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 ** SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Probst, Albert Purps, Rudolf Reschke, Otto Reuter, Bernd CDU/CSU 31. 1. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen SPD 31. 1. 97 Saibold, Halo SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Scheer, Hermann Schild, Horst CDU/CSU 31. 1. 97 von Schmude, Michael Dr. Schnell, Emil Steindor, Marina SPD 31. 1. 97 * Sterzing, Christian SPD 31. 1. 97 CDU/CDU 31. 1. 97 * SPD 31. 1.97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Tröscher, Adelheid Türk, Jürgen SPD 31. 1. 97 Vosen, Josef F.D.P. 31. 1. 97 Wagner, Hans Georg Zierer, Benno SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Auf Grund eines technischen Versehens bei der Wiedergabe der im Stenographischen Bericht über die 154. Sitzung, Seite 13941 (A), als Anlage 3 abgedruckten Erklärung erfolgt ein Neuabdruck in folgender Fassung: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauer, Dr. Gerhard Friedrich, Michaela Geiger, Norbert Geis, Wolfgang Gröbl, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Helmut Jawurek, Bartholomäus Kalb, Peter Keller, Hartmut Koschyk, Rudolf Kraus, Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Elmar Müller (Kirchberg), Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Otto Regenspurger, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Horst Seehofer, Marion Seib, Carl-Dieter Spranger, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Dr. Jürgen Warnke, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Heinz Schemken, Georg Janovsky, Bärbel Sothmann, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Erich G. Fritz, Roland Richter, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Heinz-Georg Seiffert, Sigrun Löwisch, Friedrich Merz, Dietmar Schlee, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Erstens. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind unser zentrales Anliegen. In den vergangenen sieben Jahren ist die deutsch-tschechische Verständigung entscheidend vorangekommen und vollzieht sich auf allen Ebenen. In vielfachen menschlichen Begegnungen sind gerade von den Sudetendeutschen Brücken in die Zukunft gebaut worden. Wir erwarten, daß die Sudetendeutschen und ihre offiziellen Vertreter jetzt auch von seiten des tschechischen Staates und seiner Regierung in den Versöhnungsprozeß und den Dialog miteinbezogen werden. Die DeutschTschechische Erklärung bedeutet weder Schlußstrich noch Abschluß im deutsch-tschechischen Verhältnis. Sie ist eine politische Absichtserklärung der Regierungen, die die Gültigkeit von Verträgen und individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließende Regelung enthält. Zweitens. Die Darstellung der historischen Abläufe in der Erklärung ist nicht vollständig. Die Geschichte hat nicht erst 1938 begonnen. In der Erklärung wird die Vertreibung klar beim Namen genannt. Im deutschen Text wird das Wort „Vertreibung" benutzt. In der tschechischen Version hat man zu einem ungebräuchlicheren Begriff Zuflucht genommen, der übersetzt allerdings auch „Vertreibung" bedeutet. Drittens. Das Recht auf die Heimat ist durch die Erklärung nicht verwirklicht. Wir anerkennen allerdings, daß durch die Erklärung und den dazugehörigen Briefwechsel Wege zu einem Daueraufenthaltsrecht in der Tschechischen Republik eröffnet werden, wodurch auch Eigentumserwerb möglich wird. Wir erwarten, daß in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU weitere konkrete Möglichkeiten zur Verwirklichung des Heimatrechts folgen. Viertens. Die Erklärung kann in die Zukunft weisen, wenn sie im Sinne der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der historischen Wahrheit ausgelegt wird. Die Erklärung spricht klar aus, daß durch die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde. Vertreibung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war völkerrechtswidriges Unrecht. Die Erklärung bezeichnet auch die Folgen der Vertreibung, Enteignung und Ausbürgerung, als Quelle von Leid und Unrecht unschuldiger Menschen. Wir begrüßen dies als Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten. Erstmals bedauert die tschechische Seite explizit den kollektiven Charakter der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen. Mit Genugtuung sehen wir, daß sich die Tschechische Republik vom sogenannten Amnestiegesetz von 1946 distanziert und dessen rechtsstaatswidrigen Kern bloßlegt, der im Klima des Hasses und der Revanche der Nachkriegszeit wurzelt. Die Erklärung bedeutet keine Billigung der nach dem Krieg erlassenen tschechoslowakischen Gesetze, die sich auf die Vertreibung der Sudetendeutschen beziehen, oder die Anerkennung der auf deren Grundlage ergangenen Rechtsprechung. Fünftens. Wir begrüßen die Schaffung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, aus dem Projekte gemeinsamen Interesses finanziert werden sollen, insbesondere die Jugendbegegnung und ein deutsch-tschechisches Gesprächsforum. Der Ausgestaltung dieser Zukunftsprojekte kommt für das deutsch-tschechische Verhältnis entscheidende Bedeutung zu. Die Sudetendeutschen müssen darin einen nach Geschichte und Tradition angemessenen Platz finden. Die Mittel des Zukunftsfonds müssen auch den Anliegen der Sudetendeutschen zugute kommen. Aus den Mitteln des Zukunftsfonds sollten auch Projekte finanziert werden, die Sudetendeutschen zugute kommen, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. Wir begrüßen die im Verlauf der Verhandlungen erreichten substantiellen Verbesserungen der Erklärung und werden den weiteren Prozeß der Versöhnung konstruktiv begleiten. Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für die berechtigten Anliegen unserer sudetendeutschen Landsleute eintreten. Die Annäherung der Tschechischen Republik an EU und NATO muß genutzt werden, Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, für die noch offenen Fragen im deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erreichen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Maßstab sind. In der Absicht zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa beizutragen, stimmen wir der DeutschTschechischen Erklärung trotz ihrer Schwächen zu. Dr. Theodor Waigel Michael Glos Dr. Alfred Dregger Dr. Wolfgang Bötsch Maria Eichhorn Herbert Frankenhauer Dr. Gerhard Friedrich Michaela Geiger Norbert Geis Wolfgang Gröbl Gerda Hasselfeldt Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Ernst Hinsken Helmut Jawurek Bartholomäus Kalb Peter Keller Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Eduard Lintner Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Hans Michelbach Elmar Müller (Kirchberg) Eduard Oswald Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Otto Regenspurger Dr. Klaus Rose Dr. Christian Ruck Gerhard Scheu Christian Schmidt (Fürth) Horst Seehofer Marion Seib Carl-Dieter Spranger Max Straubinger Matthäus Strebl Dr. Jürgen Warnke Dagmar Wöhrl Alois Graf von Waldburg-Zeil Heinz Schemken Bärbel Sothmann Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Erich G. Fritz Roland Richter Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Heinz-Georg Seiffert Sigrun Löwisch Friedrich Merz Dietmar Schlee Der Interpretation und Bewertung der DeutschTschechischen Erklärung schließen wir uns an und unterstützen die darin ausgedrückten Erwartungen an die künftigen deutsch-tschechischen Beziehungen. In Abwägung des Leides und Unrechts, das durch Vertreibung den Sudetendeutschen geschehen ist, können wir wegen der Schwächen der DeutschTschechischen Erklärung nicht zustimmen. Renate Blank Josef Hollerith Dr. Gerd Müller Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Georg Janovsky Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach (SPD): Wer die bisherige Debatte heute morgen zum Thema Arbeitsmarktpolitik verfolgt hat und ebenso die Äußerungen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, der weiß eines ganz gewiß: Das einzige Ziel, das hier verfolgt wird, ist: Die desolate Arbeitsmarktsituation soll gesundgebetet werden. Dabei setzen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, schamlos darauf, daß sich die Gesellschaft an die anhaltende Massenarbeitslosigkeit gewöhnt hat. Dies ist zynisch, dies ist Ignoranz gegenüber den Betroffenen, und dies - das prophezeie ich Ihnen - wird diesmal nicht aufgehen. Meine Damen und Herren, das von der Regierung vorgelegte AFRG will genau das Gegenteil von dem, was in einer solchen Situation notwendig wäre: Statt einer Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik soll das schon als unzulänglich geltende Vorhandene nun auch noch zusammengestrichen werden. Und wie das für diese Regierung typisch ist, werden Expertenmeinungen nicht zur Kenntnis genommen und mit miesen Verfahrenstricks auf Teufel komm raus die unsinnigsten Sachen durchgepaukt. Vor knapp zwei Wochen ist in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum AFRG klipp und klar deutlich geworden, daß dieses Gesetzesvorhaben die ohnehin schon katastrophale Arbeitsmarktsituation noch weiter verschlechtern wird. Dies ist der Bundesregierung jedoch gleichgültig, da das AFRG im wesentlichen zu Kosteneinsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beitragen soll. Die betroffenen Menschen spielen dabei keine Rolle. Auch der Bundesrat hat der Bundesregierung ebenso klar gesagt, daß mit dem AFRG ein falscher Weg noch weiter fortgesetzt wird. Der Bundesrat hat seine Entscheidung aus sachlichen Gründen getroffen und gut begründet. Ich möchte hier nur einige Punkte herausgreifen, die darstellen, daß das AFRG zum einen zum Teil gegen geltendes Recht verstößt und zum anderen die Arbeitslosigkeit nicht um ein Stück weit verringert, sondern enorm vergrößert. Nach bisherigem Recht gelten untertariflich bezahlte Tätigkeiten als Bruch unseres vorhandenen Rechts, zu dem auch das Tarifrecht gehört. Nunmehr sollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit bis zu 18 % unter dem geltenden Tariflohn entlohnt werden. Demnach werden nach dem AFRG zukünftig Lohnkostenzuschüsse auch bei untertariflicher Entlohnung gewährt. Diese Vorgaben des Gesetzgebers bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind eine Aufforderung zum Umgehen von Tarifverträgen und somit ein Eingriff in die Tarifautonomie. Einen besonders radikalen Einschnitt stellt auch die Verschlechterung der Zumutbarkeitsregelung dar, wonach die Zumutbarkeit von Beschäftigungen nur noch an der Höhe des zu erzielenden Einkommens festgemacht wird. Damit wird aber der bisherige Berufs- und Qualifikationsschutz vollends aufgegeben. Die Folge ist: Die Höherqualifizierten drängen in Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, und von dort werden die Menschen in die Dauerarbeitslosigkeit abgeschoben - ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Schwachen in unserem Land. Die drastischen Änderungen des AFRG treffen zudem wieder einmal die Frauen besonders hart. So werden künftig die Zeiten des Bezuges von Mutterschafts- oder Erziehungsgeld nicht mehr als versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten angerechnet. Sie begründen somit keinen Folgeanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Auch die Erhöhung der zumutbaren Pendelzeit bei Halbtagsstellen auf 2,5 Stunden täglich trifft Frauen besonders hart, und dies, wo unsere Regierung besonders die Frauen und Familien unterstützen will. Ich weise hier auch auf das entsprechende Bundesverfassungsgerichtsurteil zum § 218 hin. Die Unglaubwürdigkeit der Regierung ergibt sich auch insoweit von allein. Der Entwurf des AFRG bietet auch einige positive Ansätze, die schon seit geraumer Zeit von der SPD gefordert werden. So sind die direkten Lohnkostenzuschüsse nunmehr in gewerblichen Betrieben und für Existenzgründer vorgesehen. Allerdings gilt diese Fördermöglichkeit nur für die neuen Bundesländer und schafft somit unsinnige Mauern in der Förderpolitik. Im Gesamtpaket betrachtet, stellt das geplante AFRG einen weiteren Schritt zum beschleunigten Sozialabbau dar, da es mit keiner der geplanten Änderungen die Arbeit fördert, sondern nur die Arbeitslosigkeit. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1995 einen Gesetzentwurf für ein ASFG eingebracht, der im Grundsatz nach wie vor aktuell ist, aber mit dem AFRG schon vom Ansatz her nicht vereinbar ist. Uns geht es in erster Linie darum, den Vorrang der aktiven Arbeitsmarktpolitik rechtsverbindlich zu verankern. Die Lehre, die jedoch die Bundesregierung daraus zieht, ist nicht etwa, daß man vielleicht die zahlreichen Alternativvorschläge der Opposition berücksichtigt. Nein, die Bundesregierung verfällt wieder in verfahrenstaktische Spielchen und nimmt die zustimmungspflichtigen Teile aus dem Gesetzentwurf heraus, ohne daß sich in der Substanz der alte Entwurf maßgeblich geändert hätte. Meine Damen und Herren, das AFRG ist trotz der in Hülle und Fülle nachgeschobenen Änderungsanträge der Regierungskoalition ein Rückschrittsgesetz. Als solches Rückschrittsgesetz bekämpft das AFRG natürlich nicht die Ursachen für die desolate Lage des Landes, also die Arbeitslosigkeit, sondern wieder einmal die arbeitslosen Menschen. Das AFRG fördert nicht die Arbeit, da das Vollbeschäftigungsziel schon seit geraumer Zeit von der Bundesregierung aufgegeben wurde. Vielmehr bietet es die Grundlage, die Arbeitslosigkeit und die Armut hierzulande zu vergrößern. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden die zentralen Kritikpunkte des AFRG erneut von Experten und Verbänden bestätigt. Zum einen sollen durch das sogenannte Reformgesetz aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung fast gänzlich gekappt werden. Zum anderen sollen die Rechtsansprüche auf Leistungen und Maßnahmen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Damit werden durch das „neue" AFRG zusätzlich 300 000 Menschen in die Arbeitslosigkeit oder auch Hoffnungslosigkeit getrieben. Meine Damen und Herren, betrachtet man nun noch die finanziellen Auswirkungen des sogenannten Reformgesetzes auf die Länder und Kommunen, ist festzustellen, daß wieder einmal diese die Hauptlast zu tragen haben. Bereits heute sind 800 000 Bezieher von Arbeitslosenunterstützung sozialhilfebedürftig. Dabei werden die vorgesehenen Maßnahmen des AFRG diese Zahl noch wesentlich erhöhen. In diesem Zusammenhang möchte ich lediglich auf die Nichtverlängerung der ABM-Sonderkonditionen für Ostdeutschland in Höhe von 450 Millionen DM hinweisen. Die Folgekosten der Kommunen und Länder gerade in Ostdeutschland sind für diese untragbar. So werden die Kosten der Arbeitslosigkeit durch das AFRG vom Bund auf die Länder und Kommunen abgewälzt, die sowieso schon bis zur Bewegungsunfähigkeit geknebelt werden. Der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung wird besonders drastische Einschnitte in den neuen Bundesländern bringen. Im Osten Deutschlands sind alleine bei Arbeitsförderungsmaßnahmen und Fortbildung und Umschulung große Einsparungen vorgesehen. Diese sollen allein 1997 1,7 Milliarden DM betragen und sich jedes Jahr erheblich erhöhen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den neuen Bundesländern noch nicht von einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung gesprochen werden kann. Gerade aus diesem Grund sind nach wie vor hohe arbeitsmarktpolitische Transferleistungen erforderlich. Betrachtet man, daß in den neuen Bundesländern auf 100 Arbeitslose 43 Personen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und in den alten Bundesländern gerade einmal 13 Personen kommen, läßt es sich unschwer erkennen, wie dringend notwendig eine besondere Unterstützung der neuen Bundesländer ist. Und wie wichtig es wäre, in der gesamten Republik eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu haben. In manchen Regionen sind die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die einzige Möglichkeit für eine Beschäftigung. Dabei ist es auch unerheblich, daß in Ostdeutschland in den Gebieten mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosenquote anstatt wie bisher 100 % nunmehr 30 % der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weiterhin unterstützt werden sollen. Dies ist lediglich der sogenannte Tropfen auf den heißen Stein. An dem Leitsatz der Bundesregierung ändert dies hingegen gar nichts; der lautet: Das AFRG fördert nicht die Arbeit, sondern die Arbeitslosigkeit und Armut der Menschen. Aber durch all diese Fakten läßt sich die Bundesregierung keineswegs beirren. Sie baut weiterhin mit dem sogenannten Reformgesetz und mit weiteren Kürzungen im sozialen Bereich die sozialen Sicherungssysteme ab und soziale Gegensätze auf. Ihre Politik dient vorrangig der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach meiner Auffassung ist jedoch die Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen allemal arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch besser, als Arbeitslose zu alimentieren. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an einigen Punkten zeigen, was es beispielsweise für das Land Berlin bedeuten würde, wenn dieses Gesetz in Kraft treten sollte. Die nur annähernde Angleichung der Fördermaßnahmen des Ostniveaus nach unten auf das Westniveau bedeutet allein für das Land Berlin eine Reduzierung des Fördervolumens der Bundesanstalt für Arbeit um zirka 600 Millionen DM pro Jahr. Zusätzlich würde ein Auslaufen der ABM-Sonderkonditionen zum Jahresende 1997 den Berliner Haushalt auf der Basis der bislang realisierten Förderzahlen um 160 Millionen pro Jahr stärker belasten. Durch diese Entwicklung der Berliner Arbeitsmarktpolitik ist der soziale Friede in der Region immer mehr bedroht. Von 1990 bis 1995 haben sich die Ausgaben für die Berliner Arbeitsmarktpolitik verfünffacht. So konnten 1995 noch 101 000 Menschen gefördert werden, hingegen wurden 1996 auf Grund der notwendigen Einsparungen im Landeshaushalt nur noch 93 000 Förderungen von Arbeitslosen registriert. Konkret werden von 6 700 Projekten in Berlin 2 900 mit Arbeitsmarktmitteln unterstützt. Dies zeigt, wie die Arbeitsmarktpolitik einen grundlegend wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur Berlins leistet. Dies spiegelt sich auch deutlich in den Arbeitsmarktzahlen für Berlin wider. Im vergangenen Monat betrug die Arbeitslosenquote für Gesamtberlin 15,7 %. Dabei waren es im Westteil 16,4 % und im Ostteil 14,4 %. Diese Zahlen sind der eindeutige Beweis einerseits für die Wirksamkeit von aktiver Arbeitsmarktpolitik, wie sie das alte AFG-Ost durchaus aufweist. Andererseits zeigen sie aber auch die schwache Position des alten AFG West, das wenig Spielraum läßt für kreative Arbeitsmarktpolitik. Dies soll nun gänzlich zerstört werden durch ein sogenanntes Reformgesetz. Wie nötig wäre hier ein Reinpowern statt koalitionstechnische Sparerei. An diesem Beispiel wird weiterhin auch deutlich, daß die Arbeitslosigkeit nicht nur eine individuelle Belastung darstellt, sondern zugleich auch eine gewollte Abwälzung der finanziellen Lasten von Bund auf die Länder, die gerade Berlin besonders trifft. So ist unsere Hauptstadt Berlin zum einen die größte Baustelle Europas und hat trotzdem die höchste Arbeitslosenquote beim Bau. Das ist pervers, meine Damen und Herren. Und dennoch wurde in dem neuen Gesetzesvorschlag die alte Regelung zum Schlechtwettergeld seitens der Bundesregierung nicht wieder auf genommen. Zwar wollte die Bundesregierung mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes zwischen 700 und 900 Millionen DM einsparen. Tatsächlich war die Abschaffung des Schlechtwettergeldes ein großer Flop. Denn selbst der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit bestätigte, daß die finanziellen Auswirkungen der Winterarbeitslosigkeit im Baubereich seit der Einführung des Überbrückungsgeldes spürbar höher sind, als beim bewährten Schlechtwettergeld. Selbst Herr Eppelmann, der Arbeiterführer der CDU, forderte bereits einen Tag nach Abschaffung des Schlechtwettergeldes die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Am Donnerstag mit seiner Hilfe abgeschafft, am Freitag die Wiedereinführung gefordert! Und er wußte genau, warum! Und wo ist seine Forderung heute? Kolleginnen und Kollegen, wenn man im zusammenfassenden Vergleich betrachtet, was die SPD mit ihrem ASFG und nun die Regierung mit dem AFRG vorgelegt haben, wird klar: Der SPD geht es darum, mit wirksamen Instrumenten aktiver Arbeitsmarktpolitik die Massenarbeitslosigkeit zu senken oder zumindest angesichts der desolaten Wirtschaftspolitik dieser Regierung einen noch weiteren Anstieg zu verhindern. Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, geht es dagegen nur darum, die von Ihnen durch Ihre falsche Politik aufgerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, sei es bei der Bundesanstalt für Arbeit oder im Bundeshaushalt durch sinnloses Streichen und durch Lastenverschiebung auf die Länder und Kommunen. Und dabei interessierte es Sie auch nicht, daß Ihre Rechnung „Stärkung der Wirtschaft gleich Senkung der Arbeitslosigkeit" nicht aufgeht - was wir Ihnen übrigens schon immer gesagt haben. Sie setzen bei der jahrelangen Massenarbeitslosigkeit schamlos auf einen Gewöhnungseffekt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Aber dies wird nicht aufgehen. Ich hoffe sehr, Sie werden spätestens 1998 die Quittung für diese, Ihre Politik bekommen. Manfred Grund (CDU/CSU): Nachdem wir gehört haben, was mit einem wie auch immer veränderten Arbeitsförderungsgesetz geleistet werden müßte, ist es notwendig, auf die Möglichkeiten und auf die Grenzen von Arbeitsmarktpolitik zu verweisen: Arbeitsmarktpolitik hat gerade in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Aufgabe im Transformationsprozeß. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann und muß den Arbeitsmarkt entlasten und muß Arbeitslosen einen Neubeginn ermöglichen. Aber: Auf sich alleine gestellt ist Arbeitsmarktpolitik angesichts des millionenfachen Wegbruchs von Arbeitsplätzen nach der Wende, angesichts der Dimensionen des wirtschaftlichen Umbruchs nicht in der Lage, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsmarktpolitik wirkt mit am Strukturwandel und hat sich selbst diesem Wandel zu stellen. Arbeitsmarktpolitik kann am Entstehen dauerhafter Arbeitsverhältnisse mitwirken, sie kann aber regionale Strukturpolitik nicht ersetzen. So hat die Arbeitsförderung, die wir heute beraten, mehrere Funktionen: Gegenwartsbezogen geht es um den Entlastungseffekt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, zukunftsbezogen geht es um die „Brückenfunktion" mit dem Ziel, die volkswirtschaftlichen Angebotsbedingungen zu verbessern und neue Beschäftigungsfelder aufzubauen. In den neuen Bundesländern ist die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch; die Quote aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit liegt über 25 Prozent. Mit dem bisher geltenden Arbeitsförderungsgesetz wurde seit 1990 der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern entlastet und gleichzeitig der Strukturwandel befördert und begleitet. Dazu bedurfte es schon bisher besonderer Instrumentarien, und notwendigerweise brauchte man viel Geld. Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz bleiben all die wichtigen Instrumentarien wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, Einstellungszuschüsse erhalten und werden weiterentwickelt. Über die notwendige Finanzausstattung, um diese Instrumentarien auch einsetzen zu können, werden wir uns bei der Aufstellung jedes neuen Bundeshaushaltes zu befassen haben. Dies wird in der Sache liegend manchmal strittig ausgehen. Denn bei allen notwendigen Sparzwängen: Weniger Bundeszuschuß darf nicht zu größerer Arbeitslosigkeit führen. Also gilt es, die Instrumentarien intelligent weiterzuentwickeln. Intelligentes Sparen ist notwendig und möglich! Dazu folgendes Beispiel aus dem heute zu beschließenden Arbeitsförderungs-Reformgesetz: Wer die bisherigen Instrumentarien aktiver Arbeitsmarktpolitik auf ihre Effizienz hinterfragt, stellt schnell fest, daß der Anteil der nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen arbeitslos Verbliebenen zunimmt. Dies ist begründet im Fehlen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze, aber auch gerade in der unzureichenden Verzahnung von zweitem und erstem Arbeitsmarkt. Denn wer in einer kommunalen ABM beschäftigt ist, hat keinen Zugang zu einem Unternehmen. I Dies wollen wir mit dem AFRG ändern Wirtschaftsun- ternehmen des gewerblichen Bereiches erhalten einen neuartigen Lohnkostenzuschuß: für jede zusätzliche Personaleinstellung einen Zuschuß in Höhe von 1 923,- DM je Monat - und das für ein Jahr. Also: Ein Handwerker mit acht Beschäftigten kann bei einer auf ein Jahr befristeten Einstellung von zwei Arbeitslosen 1 923,- DM je Arbeitslosen pro Monat erhalten. Und das für ein Jahr ohne anschließende Beschwernisse oder Auflagen. Allerdings werden wir einen Drehtüreffekt verhindern. Mit dem produktiven Lohnkostenzuschuß betreten wir in der Arbeitsmarktpolitik der neuen Bundesländer wirkliches Neuland. Klarer als bisher wird Arbeit gefördert statt Arbeitslosigkeit finanziert. Es ist allerdings eine Lohnsubventionierung, die immer problematisch, aber angesichts der Entwicklung am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern dennoch gerechtfertigt ist. Der Lohnkostenzuschuß erfolgt in Höhe des pauschalierten Arbeitslosengeldes und ist im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu den Ansätzen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unbegrenzt deckungsfähig. Ohne zusätzliches Geld zu benötigen wird mit diesem Instrumentarium die Zahl der Arbeitslosen verringert und eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt gebildet. Denn der hiermit geförderte Arbeitslose hat erstmals die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür eines Unternehmens zu stellen, mit hoffentlich guten Übernahmechancen. Dieser produktive Lohnkostenzuschuß wird von Arbeitsämtern, Arbeitgebern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern begrüßt. Besonders zu begrüßen ist die Verbesserung bei der Zuschußobergrenze bei ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen. Hier wird für die nächsten Jahre eine 100-Prozent-Förderung möglich bleiben. Das entlastet die freien Träger der Sozialarbeit und die ABS-Gesellschaften. Nur bis zur Opposition hat es sich nicht herumgesprochen, daß mit den hergebrachten Instrumentarien kein Blumentopf zu gewinnen sein wird. Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz ist eine neue Chance für die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern, die wir dringend benötigen. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Heute erleben wir wieder einmal, wie ernst es die SPD mit ihrem Bekenntnis nimmt, die Arbeitslosenquote drücken zu wollen. Einerseits beklagt sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits widersetzt sie sich hartnäckig sämtlichen dringend notwendigen Reformvorhaben. Und letztlich scheut sie sich nicht, dieses Haus für endlose Debatten zu mißbrauchen, Debatten, die allein dazu dienen sollen, die Bevölkerung zu verunsichern. Ich sage Ihnen, wie die Bevölkerung denkt: Es ist genug geredet und höchste Zeit, daß wir das anpacken, was uns allen unter den Nägeln brennt, nämlich die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Es wird aber kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie laufend Reformmaßnahmen torpedieren. Es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie allein zur eigenen Profilierung die Bevölkerung gegen die Regierungskoalition aufhetzen. Und es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn wir uns hier immer wieder zum gleichen Thema die Köpfe einschlagen und das Problem der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleibt. Sie scheuen sich auch nicht, bis an die Grenze des Zumutbaren zu gehen: Sie haben allein aus formalen Gründen auf einer zweiten Anhörung bestanden, obwohl Sie wußten, daß alle Argumente bereits in der ersten Anhörung ausgetauscht waren; Sie wollten nur eine Schau inszenieren - eine eklatante Mißachtung des Parlaments. Inhaltlich haben Sie nicht viel zu bieten: Teure Beschäftigungsprogramme könnten allenfalls ein Strohfeuer entfachen; am Ende würden Finanzlöcher übrigbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, wir haben ein neues Arbeitsförderungsrecht auf den Weg gebracht, das neue Beschäftigungsimpulse bringen wird. Durch Ihre Ablehnung im Bundesrat haben Sie sich gegen das heute zur Abstimmung stehende Bündel von neuen Instrumenten ausgesprochen: gegen Hilfen bei Existenzgründungen durch Arbeitslose, gegen Eingliederungsverträge für Langzeitarbeitslose, gegen frühzeitigere Beratungs- und Vermittlungsbemühungen und gegen die besondere Förderung von Ungelernten durch Weiterbildungsmaßnahmen, um nur einige neue Maßnahmen herauszugreifen. Ein besonderes Anliegen war mir die Organisationsreform der Bundesanstalt für Arbeit. Diese wäre jedoch ohne die Zustimmung im Bundesrat nicht möglich gewesen. Sie hätte das Gesetz zustimmungsbedürftig gemacht und mußte deshalb herausgenommen werden. Sie und Ihre Freunde im Bundesrat, meine Damen und Herren von der SPD, haben damit verhindert, daß der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf ein arbeitsfähiges Gremium zurückgeführt wird. Sie haben die Ausweitung der Verantwortungsbereiche bei den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter verhindert und damit die Stärkung der Tarifparteien in den Verwaltungsausschüssen nicht zugelassen - ein offenes Mißtrauensbekenntnis gegenüber den Gewerkschaften, die in den Verwaltungsausschüssen mehr Einfluß gehabt hätten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben Ihre Zustimmung verweigert, also blieb uns nichts anderes übrig, als ein zustimmungsfreies Gesetz weiter voranzubringen. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein zustimmungsfreies Gesetz auf den Weg gebracht, um die Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und die Hilfen für Arbeitslose schnellstmöglich zu verwirklichen. Wir haben die Fehler der SPD so gut wie möglich ausgebügelt. Wir können auch jetzt ein Gesetz vorlegen, das den Namen Reform verdient. Ich trete ein für eine Politik mit mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Deshalb stehe ich auch zu den verbesserten Zumutbarkeitsregelungen oder auch zu der sozial verträglich ausgestalteten Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld: Maßnahmen, die dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern und Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wenn es uns Ernst ist mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verrechnen sich, wenn Sie meinen, Sie könnten durch Ihre Blokkadepolitik die Koalition in den Sumpf ziehen. Der Bevölkerung wird immer deutlicher, daß Ihre Strategie in der Verzögerung, Verhinderung und Verunsicherung liegt. Verzögern, verhindern und verunsichern: das sind die Schlagworte, die die SPD-Politik kennzeichnen. Die SPD: eine Verzögerungs-, Verhinderungs- und Verunsicherungspartei. Es wird sich aber nicht lohnen, wenn Ihnen die bloße Hoffnung auf mehr Wählerstimmen mehr bedeutet als die ehrliche Absicht, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben sich bis heute als ernstzunehmender Vertragspartner disqualifiziert. Sicherlich ist es sinnvoll, zunächst einen breiten Konsens in diesem Hause herzustellen. Wir haben das versucht. Wir werden jedoch nicht die erforderliche Konsequenz verantwortungsvoller Politik auf Kosten irgendeines Konsenses gefährden. Es geht nämlich nicht um die Abkehr vom Sozialstaat, wie von der SPD hartnäckig, aber haltlos behauptet wird. Es geht um die Rückkehr zu einer freiheitlichen Sozialpolitik mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung im Sinne der Politik von Ludwig Erhard. In dieser Zeit ist jeder Monat ohne Reformschritte ein verlorener Monat. Deshalb gilt es, heute mit einem neuen Arbeitsförderungsrecht eine Weiche für mehr Beschäftigung zu stellen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Antrag „Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus in den osteuropäischen Staaten" - Drucksache 13/6737 - sowie ihren Entschließungsantrag „zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1997" - Drucksache 13/6313 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 95. Interparlamentarische Konferenz vom 15. bis 20. April 1996 in Istanbul - Drucksachen 13/4954, 13/5550 Nr. 1.3 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1995 (Subsidiaritätsbericht 1995) - Drucksachen 13/5180, 13/5550 Nr. 1.6 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 1.17 Finanzausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 2.10 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3668 Nr. 2.35 Drucksache 13/4678 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.34 Drucksache 13/6129 Nr. 1.19 Drucksache 13/6129 Nr. 1.20 Drucksache 13/6152 Nr. 1.4 Drucksache 13/6152 Nr. 2.2 Drucksache 13/6152 Nr. 2.5 Drucksache 13/6152 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.11 Drucksache 13/6152 Nr. 2.13 Drucksache 13/6152 Nr. 2.14 Drucksache 13/6152 Nr. 2.15 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4921 Nr. 2.11 Drucksache 13/6129 Nr. 1.31 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.10 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4636 Nr. 2.5 Drucksache 13/5295 Nr. 3.1 Drucksache 13/6152 Nr. 1.7 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/5687 Nr. 2.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein. - Die Reform der notwendigen Systeme ist nicht ein Ausdruck derer, die Menschen ans Leder wollen, sondern derer, die wissen, daß die Sicherungssysteme, die wir uns geschaffen haben, heute Barrieren gegen Arbeitsplätze darstellen und deshalb reformiert werden müssen, um wieder Chancen für Arbeitsplätze zu haben. Deshalb ist die Politik der Übernahme der Risiken durch den Staat und die Politik des Glaubens, der Staat könne alles lösen, beendet.
    Die Parteien, Herr Ministerpräsident Lafontaine, stehen auch vor dieser Herausforderung. Ich sage Ihnen mit Blick auf den hessischen Kommunalwahlkampf: Alte Wahlkämpfe nach dem Motto: Wer bietet mehr? gehören der Vergangenheit an.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wer sie noch führt, sagt den Menschen nicht die Wahrheit. Wer in Hessen einen solchen Wahlkampf mit dem Hinweis führt, wir seien brutal und Sie seien die Retter der Systeme, der sagt der nachfolgenden jungen Generation nicht die Wahrheit. Denn wenn wir Systeme nicht ändern, wird diese Generation keine Zukunftschancen haben, und wenn wir Sicherungssysteme in den Beiträgen nicht reduzieren und explosive Kostenentwicklungen nicht herausnehmen, werden Arbeitsplätze teurer. Dann werden die nächsten Tarifverhandlungen wieder mit dem Argument geführt, daß man mehr brauche, dann werden sie nochmals teurer, dann entsteht Arbeitslosigkeit, und dann sagt Frau Engelen-Kefer wieder: Jetzt brauchen wir ein großes Beschäftigungsprogramm. - Diese deutsche Todesspirale der Uninformiertheit muß beendet werden, wenn wir in Deutschland wieder Beschäftigung haben wollen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Lachen bei der SPD)

    Es kann deshalb auch bei der Steuerreform kein In-sich-Geschäft geben. Die Steuerreform wird nicht gemacht, um noch einmal Umverteilungsarien alter Art zu singen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sondern?)

    Die Steuerreform wird gemacht, um einen Anschub für Beschäftigung zu geben.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt wird die Mehrwertsteuer erhöht!)

    - Deshalb, Herr Fischer, ist die Frage, ob man sie mit gutem Willen und in vielen Gesprächen über die Grenzen von Parteien hinweg vielleicht auch 1998 beginnen lassen könnte, nicht entscheidend. Bisher hat Herr Lafontaine nur gesagt, was er nicht will, aber das mit aller Kraft 1998. Er muß sagen, was er will. Eine Steuerreform der alten Umverteilung ist zu Beginn 1998 mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Über eine Steuerreform, die die Chance für Beschäftigung bietet und die Tarife absenkt, kann man für 1998 reden. Aber dann kann man die Öffentlichkeit nicht glauben machen, man könne diese Diskussion ohne Korrektur der eigenen politischen Position bestreiten.
    Der Spitzensteuersatz ist nur noch einige Zeit einer ideologischen Diskussion zugänglich. Wenn man sich im Kern vergewissert, daß 90 Prozent aller deutschen Betriebe in Form der Personengesellschaft geführt werden, bei der der Inhaber das persönliche Risiko bis in sein privates Vermögen hinein eingeht, dann ist die Senkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkommen keine Besserstellung der Reichen, sondern der Ausdruck der Chance für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Darum geht es.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Im übrigen könnten wir auch etwas unvoreingenommener über versicherungsfremde Leistungen diskutieren. Ich erkläre das für die Freien Demokraten. Natürlich muß man bereit sein, in Systemen über versicherungsfremde Leistungen zu diskutieren. Aber man muß sie klar definieren. Nur Verschiebebahnhöfe - zu meinen, man nähme versicherungsfremde Leistungen heraus und hätte dann den entscheidenden Impuls für Beschäftigung gegeben - reichen nicht. Die Systeme selbst müssen verändert und reformiert werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Im übrigen gilt das nicht nur bei der gesetzlichen Altersversorgung. Versicherungsfremde Leistungen finden wir in allen Systemen bis hin zum Gesundheitswesen. Da werden Sie von der Opposition sich wundern, welche gesellschaftlichen Rechnungen über versicherungsfremde Leistungen Ihnen andere Gruppen aufmachen. Ich kann deshalb nur appellieren, hinsichtlich der versicherungsfremden Leistungen nicht im Schlagabtausch zu verharren, sondern sie gemeinsam zu definieren.
    Und dann sage ich der Opposition:

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das sagen Sie auch einmal der CDU! Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sagen Sie das der CDU!)

    Sie wird nicht darum herumkommen, eine der größten Haushaltsbelastungen plus Versicherungsbezuschussungen in Deutschland auch in den Kohlerevieren zu diskutieren. 13,8 Milliarden DM für die Knappschaft plus 10 Milliarden DM für die Steinkohle betreffen nicht nur das Thema versicherungsfremde Leistungen, sondern sind eine Vergeudung der Zukunft auf Kosten der Vergangenheit. Diese Frage muß beantwortet werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Ministerpräsident Lafontaine, Sie können nicht aus dem Saarland anreisen und dauernd die Frage stellen, warum das die Bundesregierung erst heute macht. Sie kommen aus einem Revierland, in dem Sie seit einem Jahrzehnt den Menschen die Wahrheit über ein Produkt verschweigen, das bei Ih-

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    nen Beschäftigung garantiert, das aber von allen in Deutschland hoch subventioniert wird. Wer den Mut im eigenen Land nicht hat und eher angereiste Bundespolitiker aus der Koalition vor den Bergleuten beschimpft und angreift, der hat nicht den Glauben für sich gepachtet, der kann hier nicht so auftreten, wie Sie das getan haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist ja interessant! Ich möchte gern mal hören, was die CDU Nordrhein-Westfalen dazu sagt!)

    Wer Subventionen für den Bergbau nicht reduziert, wer alte Subventionen sichert, wer dazu den Bund zur Kasse bittet, wer für das Saarland Ergänzungszuweisungen benötigt, wer seinen eigenen Haushalt nicht in Ordnung hält und Reformpolitik nicht im entferntesten benennt, der kann hier nicht als Retter der Nation auftreten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Unerträglich!)

    Eine Auseinandersetzung über Ihre Position, daß auf der einen Seite - bei der Opposition - diejenigen sitzen, die den sozialen Frieden gepachtet haben, und hier auf der anderen Seite diejenigen sitzen, die ihn nicht wollen, findet nicht statt. Sozialer Friede ist nur dann ein Standortfaktor, wenn er sich auch für diejenigen lohnt, die Beschäftigung suchen. Sozialer Friede nur für diejenigen, die Beschäftigung haben, reicht nicht aus. Deshalb ist sozialer Friede kein Monopol dieser Opposition.
    Solidarität und Gerechtigkeit mit denjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, und Tarifverhandlungen für diejenigen, auf die sich diese Tarife beziehen, zu begrüßen ist das Einfachste der Welt. Den Menschen aber zu sagen, daß sie sich verändern müssen, daß wir Flächentarifverträge für eine Flexibilisierung öffnen müssen und daß die sozialen Sicherungssysteme angesichts von 4 Millionen Menschen, die Beschäftigung suchen, reformiert werden müssen, das kostet mehr Mut, mehr Courage. Diese muß die Koalition haben. Das sage ich auch angesichts der Diskussion der letzten Tage. Diese Koalition wird in den Augen der Öffentlichkeit nur Respekt gewinnen und Anerkennung finden, wenn sie schwierige Fragen löst, wobei sie, wenn die Fragen entschieden worden sind, aber auch durchhalten muß.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Diese Steuerreform ist kein beliebiges Vorhaben. Sie ist kein Vorhaben wie jedes andere Gesetz. Diese Steuerreform entscheidet darüber, ob die Koalition in den Augen der Öffentlichkeit die Fähigkeit besitzt, dieses Land mit den richtigen Zielen in das nächste Jahrtausend zu führen, oder ob sie sie nicht hat.
    Deshalb ist bei allen kritischen Bemerkungen zu dem einen oder anderen Punkt der Zusammenhalt von CDU/CSU und F.D.P. hinsichtlich der Ziele dieser Reform notwendig. Die Richtung stimmt. Wir haben die richtigen Grundentscheidungen getroffen. Wir wußten, daß es nicht nur seitens der Opposition Widerstand geben wird. Wer geglaubt hat, das werde ein einfacher Weg, der hat sich getäuscht. Nicht die
    einfachen Wege, die alten Bequemlichkeiten, die Nichtveränderung und die Modernisierungsverweigerung werden dieses Land weiterbringen, sondern etwas Courage, Mut und auch etwas Kampfgeist. Die Richtung stimmt. Im Interesse der Beschäftigung in Deutschland sollten wir unsere Vorstellungen jetzt auch durchsetzen.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Gregor Gysi das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat heute eine Rede gehalten, die weniger selbstgerecht war als üblich. Sie haben sich wesentlich häufiger versprochen als sonst. Ich hatte den Eindruck, daß Sie insgesamt ziemlich unsicher wirkten. Ich glaube, das liegt letztlich daran, daß Ihnen die Probleme einfach über den Kopf wachsen.

    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb natürlich auch die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen. Folgendes stellt sich heraus: Die CDU liebt selbstverständlich ihren Vorsitzenden, aber sie liebt noch mehr die Macht. Wenn beides miteinander in Widerspruch gerät, dann würde sie sich letztlich immer für die Macht entscheiden. Das ist die Situation, in der wir uns heute befinden.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie, Herr Bundeskanzler, haben versucht, die strukturellen Probleme der Arbeitslosigkeit zu analysieren, und haben dabei zwei Dinge genannt: Sie haben zum einen die Ausländerinnen und Ausländer erwähnt. Sie haben sie als Zuwanderer bezeichnet. Zum anderen haben Sie auf die Überstunden hingewiesen. Bei dem ersten Punkt, den Sie angeführt haben, spielen Sie mit dem Feuer. ,Man sollte in Deutschland nicht versuchen, soziale Probleme auf Kosten von Ausländerinnen und Ausländern zu lösen.

    (Beifall bei der PDS)

    Wer diese Art von Neid schürt, befürwortet und fördert damit Rechtsextremismus. Das ist das eigentlich Gefährliche daran.
    Wenn Sie sich dabei auf Herrn Zwickel berufen, sage ich Ihnen, daß mir die Äußerung von Herrn Zwickel auch nicht gefallen hat. Immerhin hat er von Ihnen in diesem Zusammenhang ein Einwanderungsgesetz verlangt. Gegen ein solches Gesetz wehren Sie sich nun seit Jahren, weil Sie abstreiten, daß Deutschland ein Einwanderungsland ist.

    (Beifall bei der PDS)

    Die zweite Frage, die Sie genannt haben, ist die der Überstunden. Nun verlangen Sie von der PDS und von anderen immer Ehrlichkeit in der Aufarbeitung von Geschichte. Ich hätte von Ihnen einmal erwartet, daß Sie sagen: Wir haben seit Jahren einen Fehler begangen. Denn wir haben uns gegen den

    Dr. Gregor Gysi
    Ratschlag der Opposition - übrigens auch der PDS -, die immer wieder gesagt hat, wir müßten Überstunden begrenzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, verwahrt. Heute sehen wir ein, daß das ein großer Fehler war, und wollen unsere Politik korrigieren. - Ehrlicherweise hätten Sie wenigstens das zugeben müssen, wenn Sie dieses Thema ansprechen.

    (Beifall bei der PDS)

    Damit sind wir bei der entscheidenden Frage - Strukturprobleme haben Sie nicht angesprochen -: Produktivitätszuwachs und Schwächung der Binnennachfrage. In immer weniger Zeit wird von immer weniger Menschen immer mehr hergestellt. Das ist eine Tatsache, der man sich überhaupt nicht verschließen kann. Gleichzeitig läßt die Binnennachfrage nach. Das ist die eigentliche Ursache der Massenarbeitslosigkeit.
    Wenn Sie dagegen etwas tun wollen, müssen Sie ganz ernsthaft über Arbeitszeitverkürzung nachdenken, und zwar strukturell: durch Begrenzung von Überstunden, aber auch durch darüber hinausgehende Maßnahmen. Wir haben vorgeschlagen, langfristig die Arbeitszeit um 20 Prozent zu reduzieren, ohne einen Kaufkraftverlust eintreten zu lassen, was nicht heißt, daß in jedem Fall ein voller Lohnausgleich erfolgen kann.

    (Beifall bei der PDS)

    Auf solche Konzepte müssen wir uns miteinander verständigen, wenn wir die Arbeitslosigkeit ernsthaft bekämpfen wollen.
    In einer solchen Zeit brauchen wir einen öffentlichen Beschäftigungssektor. Auch dagegen wehren Sie sich. Aber wenn der Staat in diesem Punkt - daraus könnten langfristig Unternehmen und Arbeitsplätze entstehen - nicht hilft, dann wird die Arbeitslosigkeit nicht abzubauen sein. Sie hätten heute wenigstens zugeben müssen, daß Sie Ihr Versprechen, die Arbeitslosenzahlen bis zum Jahre 2000 zu halbieren, nicht halten können.
    Zur „Philosophie", die Sie hier vertreten und die auch von Herrn Gerhardt vertreten worden ist: Herr Gerhardt, es ist schon eine Zumutung, wie Sie die ganze Zeit von den Arbeitslosen sprechen, als ob das wirklich Ihr Herzblut treffen würde. Ihre einzige Sorge in dieser Gesellschaft sind die Besserverdienenden. Reden Sie sich bei Ihrer Politik nicht auf die Arbeitslosen hinaus! Für die haben Sie in den vergangenen Jahren noch nie etwas getan.

    (Beifall bei der PDS - Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: So eine Oberflächlichkeit!)

    - Passen Sie auf: Sie haben erklärt, Herr Gerhardt, daß zum Beispiel die Abschaffung der Vermögensteuer Arbeitsplätze schaffen würde. Nun haben Sie die Vermögensteuer abgeschafft und prognostizieren selber, daß es in diesem Jahr mehr Arbeitslose geben wird. Sie glauben doch gar nicht an Ihre eigenen Theorien, sonst müßten Sie doch sagen: Das wird einen ungeheuren Schub bei der Schaffung von Arbeitsplätzen geben.

    (Beifall bei der PDS)

    Aber Sie wissen natürlich, daß das nicht so ist.
    Im übrigen hat auch der Bundeskanzler noch einmal einen billigen Trick versucht, als er gesagt hat, daß Sie zwar die Vermögensteuer abgeschafft, dafür aber die Erbschaftsteuer erhöht hätten. Darf ich in dieser Runde noch einmal fragen, für wie dumm Sie die Bevölkerung eigentlich halten? Die weiß auch, daß man Vermögensteuer jährlich bezahlen muß, Erbschaftsteuer aber nur einmal im Leben, nämlich wenn man stirbt. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Steuerarten.

    (Beifall bei der PDS Widerspruch des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])

    Die Entsolidarisierung, die Sie, Herr Gerhardt, betreiben, finde ich wirklich übel. Die ganze Bevölkerung gegen die Kohlekumpel aufzuhetzen, das ist unfair. Wir brauchen Kohle. Deshalb ist es richtig, daß sie subventioniert wird, wobei man sich über Summen und Entwicklungen natürlich verständigen kann. Aber es geht nicht, die Kohlekumpel zu denen zu machen, die auf Kosten der gesamten Gesellschaft leben würden! Es würde sich gehören, zunächst einmal an die Abgeordneten zu erinnern, die in diesem Staat wahrscheinlich stärker auf Kosten der Gesellschaft leben als die Kohlekumpel.

    (Beifall bei der PDS Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Gysi, gehen Sie nach Hause!)

    - Sie müssen einmal den „Stern" lesen. Was glauben Sie, was es für Auswirkungen hat, wenn der „Stern" ausrechnet, wieviel Steuerersparnisse Herr Waigel durch seine eigenen Vorschläge hat und wieviel Steuerersparnisse ein Facharbeiter hat! Dabei kommt ein Unterschied von mehreren tausend Mark heraus. Das ist doch das, was in der Bevölkerung das Ansehen der Politikerinnen und Politiker beschädigt.

    (Beifall bei der PDS Ina Albowitz [F.D.P.]: Sind Sie inzwischen aus Ihrer Wohnung ausgezogen?)

    - Ja, zweifellos; ich bin gar nicht erst eingezogen.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wer im Glashaus sitzt -!)

    - Ach, Frau Kollegin, wissen Sie, Sie können mir ja vieles vorwerfen, aber wenn das in dieser Hinsicht gerade ein Mitglied der F.D.P. tut, ist das mehr als merkwürdig. Wenn Sie doch endlich mal Ihre Politik aufgeben würden: Ihren reinen Lobbyismus, Ihre Klientelpolitik! Das ist das Verheerende! Sie machen hier keine Politik für das Volk, sondern für 5 Prozent des Volkes, und das ist nicht Ihre Aufgabe in diesem Deutschen Bundestag!

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Nun kommen wir mal zur vorgeschlagenen Steuerreform, an der das Kleingedruckte das Interessante ist. Der niedrige Eingangssteuersatz für untere Einkommen ist zweifellos zu begrüßen. Aber die so entstehende Entlastung wird fast vollständig durch andere Steuern, die Sie einführen, die Sie nur nicht so propagieren, wieder aufgezehrt: Krankengeld wurde bisher nicht besteuert, es soll künftig zur Hälfte be-

    Dr. Gregor Gysi
    steuert werden. Arbeitslosengeld wurde faktisch bisher kaum besteuert - es soll künftig zur Hälfte besteuert werden. Arbeitslosenhilfe wurde bisher nicht besteuert - sie soll künftig zur Hälfte besteuert werden. Bei den gesamten Lohnersatzleistungen, die bisher im wesentlichen nicht besteuert worden sind, soll künftig also eine Besteuerung stattfinden. Die Renten wollen Sie ebenfalls besteuern, auch die, die bisher nicht besteuert worden sind, auch die Sozialversicherungsrenten.
    Und Sie wollen die Kapitallebensversicherungserträge besteuern. Auf der einen Seite sagen Sie den Leuten täglich, ihr müßt selber Vorsorge treffen, wir können euch die Renten später nicht mehr zahlen, und im gleichen Atemzug erklären Sie: Aber wenn ihr das macht, werden wir eure Gewinne entsprechend besteuern, damit wir der Nutznießer eurer privaten Vorsorge sind. - Das ist Ihre Politik!

    (Beifall bei der PDS)

    Wenn man das zusammennimmt und sich dann noch überlegt, daß die sogenannte Arbeitnehmerpauschale von 2 000 DM auf 1 300 DM gekürzt werden soll, daß das Entgelt für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit künftig besteuert werden soll, dann reduzieren sich die Vorteile für die unteren Einkommensgruppen ganz enorm.
    Und die mittleren Einkommensgruppen sind die, die das Ganze dann zu bezahlen haben. Diesmal gehen Sie auch an die sozial Schwachen, aber vornehmlich gehen Sie an die Facharbeiterinnen und Facharbeiter, also an die, die auch von Herrn Lafontaine hier genannt worden sind. Diesmal gehen Sie bei der Finanzierung Ihrer Pläne vorrangig an die Lohnabhängigen der mittleren Einkommensgruppen.
    Und vor diesem Hintergrund wollen Sie dann den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 39 Prozent senken und kommen wieder ernsthaft mit der Mär, daß dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden würden - Herr Gerhardt hat es lang und breit ausgeführt -, weil die so Entlasteten dann massiv investieren würden.
    Tatsache aber ist: Seit 14 Jahren bekommt diese Personengruppe von Ihnen Steuergeschenke, seit 14 Jahren nehmen übrigens auch die Gewinne der Unternehmen zu - im letzten Jahr ganz enorm -, aber die Zahl der Arbeitslosen hat gleichermaßen zugenommen. Das heißt, Ihre Politik ist gescheitert. Durch die Geschenke an Vermögende und Reiche und durch immer höher steigende, undifferenzierte Unternehmensgewinne erreichen Sie keinen Arbeitsplatzschub. Das ist durch das Leben widerlegt. Deshalb brauchen wir nicht nur einen Wechsel der Regierung, sondern auch einen Wechsel der Politik. Das ist das Entscheidende!

    (Beifall bei der PDS)

    Jetzt haben wir mal gerechnet; ich werde Ihnen sagen, was dabei herausgekommen ist. Man macht sich ja auch Mühe. - Also, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mir das natürlich ausgerechnet, aber ich kann mich immer auf sie verlassen. -
    Wir haben mal ausgerechnet, wie sich Ihre Steuerreform bei einer Bürokauffrau auswirkt, die 40 000 DM zu versteuerndes Jahreseinkommen hat, verheiratet ist und zwei Kinder hat. Wissen Sie, was die im Jahr an Steuern spart, wenn Ihre Reform so durchgeht? Sie spart 76 DM. Und dann haben wir uns ausgerechnet, was ein Einkommensmillionär einspart, der also 1 Million DM zu versteuerndes Einkommen hat, ledig ist und keine Kinder hat. Der spart 127 164 DM ein. Und jetzt bitte ich Sie, der Bevölkerung zu erklären, daß die Bürokauffrau - verheiratet, zwei Kinder - nach Ihrer Steuerreform 76 DM im Jahr spart, während der ledige, kinderlose Einkommensmillionär 127 164 DM spart. Das müssen Sie erklären!
    Und im übrigen: Das Entscheidende erreichen Sie damit nicht, nämlich mehr Nachfrage. Der Einkommensmillionär ist schon gesättigt, der kann einfach nicht mehr essen und trinken. Der hat schon sein Haus und seine drei Autos. Da gibt es keinen Kaufkraftschub. Das einzige, was er tut, ist: Er legt sein Geld bei Banken an, weltweit, er spielt damit an der Börse, schafft aber keinen einzigen Arbeitsplatz: Und die Gewinne, die er daraus erzielt, besteuern Sie nicht, weil Sie an die Spekulation nicht rangehen. Das ist die Realität! -

    (Beifall bei der PDS)

    Ich gebe zu, die Bürokauffrau wird die 76 DM, die sie
    zusätzlich hat, auch ausgeben. Aber diese 76 DM
    bringen nicht den Kaufkraftschub, den wir brauchen.
    Ihre ganzen Reden von Existenzgründerinnen und Existenzgründern, vom Mittelstand und von kleinen Unternehmen können Sie sich schenken. Solange nicht die Kaufkraft erhöht und die Binnennachfrage gestärkt wird, wird es auch keine erfolgreichen neuen Existenzgründungen geben. Wo sollen die denn etwas verkaufen, wenn Sie täglich die Kaufkraft reduzieren, indem Sie den sozial Schwachen und den Lohnabhängigen das Geld aus der Tasche ziehen?

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das ist doch das Problem und nicht, daß die keine Ideen hätten. Aber die müssen sich auch verkaufen lassen. Davon sind wir wirklich meilenweit entfernt. Deshalb sage ich Ihnen: Mit dieser Steuerreform werden wir keinen Schritt weiterkommen. Wir werden die Probleme nur vergrößern, und die Arbeitslosenzahl wird weiter wachsen.
    Lassen Sie mich auch etwas zu Ihrer Rentenreform sagen: Sie haben das Wort „Solidarprinzip" aus der Rentenphilosophie gestrichen. Sie haben es nicht einmal mehr erwähnt. Sie haben nur noch vom „Versicherungsprinzip " gesprochen. Ich finde es ungeheuerlich, daß hier Politik zu Lasten der Alten gemacht wird, die wirklich alles aufgebaut haben. Lassen Sie mich hinzufügen: Genau die Reste des Solidarsystems, die Sie bewahren wollen - das billige ich Ihnen ja zu -, stoßen in Ihren eigenen Reihen auf Widerspruch. Da sollten Sie tatsächlich einmal über Konsequenzen nachdenken.

    Dr. Gregor Gysi
    Lassen Sie mich noch einen Satz zum Osten sagen: Der Bundeskanzler hat in seiner langen Regierungserklärung nur noch einen Satz für den Osten übrig gehabt, der beinhaltete, daß die Hilfen im Osten weitergehen. Unverbindlicher kann man es nicht formulieren. Sie haben die Chancen der Einheit nie zu Veränderungen in der Bundesrepublik genutzt, die angestanden hätten. Sie haben den Osten in vollständige Abhängigkeit gebracht. Jetzt kann dort von wirtschaftlichem Aufschwung überhaupt keine Rede mehr sein. Ein Land wie Sachsen zum Beispiel wäre bei entsprechenden Hilfen - leichter als Mecklenburg-Vorpommern; daß es da Unterschiede gibt, will ich schon zugeben - in der Lage, sich selbst zu tragen. Aber davon sind wir meilenweit entfernt. Wenn Sie so weitermachen, wird das auch nicht passieren.
    Sparvorschläge gibt es genug. Natürlich müssen wir die Ausgaben des Staates reduzieren; natürlich müssen wir Bürokratie abbauen; natürlich können wir uns ein solches Projekt wie den Transrapid nicht mehr leisten, das ist einfach verschwendetes Geld. Prunkbauten für die Regierung in Berlin brauchen wir auch nicht; das will ich auch ganz deutlich formulieren. Statt dessen sollten wir auch im Osten in Strukturpolitik, in regionale Strukturen, aber auch in einen öffentlichen Beschäftigungssektor investieren. Das wäre sinnvoll; aber davon sind wir meilenweit entfernt.

    (Beifall bei der PDS)