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    Plenarprotokoll 13/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Gemeinsame Verantwortung für mehr Beschäftigung in Deutschland 13947 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: Debatte zur Arbeitsmarktsituation und zum Wirtschaftswachstum 13947 A Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 13947 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 13956 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 13963 A Joachim Poß SPD 13968 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13968 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 13974 D Dr. Gregor Gysi PDS 13977 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 13980 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 13983 B Rudolf Scharping SPD 13986 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 13989 B Michael Glos CDU/CSU 13991 C Paul K. Friedhoff F.D.P 13994 C Rudolf Dreßler SPD 13996 D Michael Glos CDU/CSU 13997 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU 13998 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 13999 D Anke Fuchs SPD 14003 A Petra Bläss PDS 14005 D Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (ArbeitsförderungsReformgesetz) (Drucksachen 13/5676, 13/5730, 13/6845, 13/6846) 14007 A Heinz Schemken CDU/CSU 14007 B Adolf Ostertag SPD 14008 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14010 D Dr. Gisela Babel F.D.P 14012 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 14013 A Ulrike Mascher SPD 14014 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 14014 B Namentliche Abstimmung 14015 A Ergebnis 14015 B Nächste Sitzung 14017 C Berichtigungen 14017 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14018* A Anlage 2 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank und weiterer Abgeordneter zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . 14018* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach SPD 14020*A Manfred Grund CDU/CSU 14022* B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 14023* B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 14024* B 155. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. Januar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigungen 154. Sitzung, Seite 13864 D: In der 14. Zeile von unten sind die Worte „Diese ermöglicht eine Prognose" durch die Worte „Diese erfordert eine Prognose" zu ersetzen. Auf Seite 13865 D sind die letzten vier Absätze durch folgende Fassung zu ersetzen: Die Prognosen im Verkehrsbereich sind in der Praxis oft weit übertroffen worden. Die SNCF- Stammstrecke Paris-Lyon hatte 6 Millionen Passagiere. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme des TGV 1982 waren es schon 8 Millionen. (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!) Heute sind es bereits 23 Millionen. Eurotunnel, erstes Betriebsjahr, 1995: 8 Millionen Passagiere. Im letzten Jahr waren es 13 Millionen. Der Flughafen München-Riem hatte 6 Millionen Passagiere. Der neue Flughafen hat für das Jahr 2000 eine Prognose von 12 Millionen. Auf Seite 13866 A ist im siebten Absatz in der dritten Zeile das Wort „Laatzen" durch das Wort „Lathen" zu ersetzen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 31. 1. 97 * Antretter, Robert Behrendt, Wolfgang Brähmig, Klaus SPD 31. 1. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus Büttner (Schönebeck), Hartmut SPD 31. 1. 97 * Buntenbach, Annelie CDU/CSU 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni Gansel, Norbert CDU/CSU 31. 1. 97 * Gysi, Andrea Hartenbach, Allred Dr. Hartenstein, Liesel Horn, Erwin SPD 31. 1. 97 Hornung, Siegfried Dr. Jacob, Willibald Dr. Klaußner, Bernd Kolbow, Walter PDS 31. 1. 97 Lange, Brigitte Leidinger, Robert Lenzer, Christian Marten, Günter Metzger, Oswald SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * PDS 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 ** SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * CDU/CSU 31. 1. 97 * BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Probst, Albert Purps, Rudolf Reschke, Otto Reuter, Bernd CDU/CSU 31. 1. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen SPD 31. 1. 97 Saibold, Halo SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Schäuble, Wolfgang Dr. Scheer, Hermann Schild, Horst CDU/CSU 31. 1. 97 von Schmude, Michael Dr. Schnell, Emil Steindor, Marina SPD 31. 1. 97 * Sterzing, Christian SPD 31. 1. 97 CDU/CDU 31. 1. 97 * SPD 31. 1.97 BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 31. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Tröscher, Adelheid Türk, Jürgen SPD 31. 1. 97 Vosen, Josef F.D.P. 31. 1. 97 Wagner, Hans Georg Zierer, Benno SPD 31. 1. 97 SPD 31. 1. 97 CDU/CSU 31. 1. 97 * *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Auf Grund eines technischen Versehens bei der Wiedergabe der im Stenographischen Bericht über die 154. Sitzung, Seite 13941 (A), als Anlage 3 abgedruckten Erklärung erfolgt ein Neuabdruck in folgender Fassung: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Theodor Waigel, Michael Glos, Dr. Alfred Dregger, Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauer, Dr. Gerhard Friedrich, Michaela Geiger, Norbert Geis, Wolfgang Gröbl, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Helmut Jawurek, Bartholomäus Kalb, Peter Keller, Hartmut Koschyk, Rudolf Kraus, Eduard Lintner, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller, Elmar Müller (Kirchberg), Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Otto Regenspurger, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Horst Seehofer, Marion Seib, Carl-Dieter Spranger, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Dr. Jürgen Warnke, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Heinz Schemken, Georg Janovsky, Bärbel Sothmann, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Erich G. Fritz, Roland Richter, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Heinz-Georg Seiffert, Sigrun Löwisch, Friedrich Merz, Dietmar Schlee, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. zur „Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Erstens. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind unser zentrales Anliegen. In den vergangenen sieben Jahren ist die deutsch-tschechische Verständigung entscheidend vorangekommen und vollzieht sich auf allen Ebenen. In vielfachen menschlichen Begegnungen sind gerade von den Sudetendeutschen Brücken in die Zukunft gebaut worden. Wir erwarten, daß die Sudetendeutschen und ihre offiziellen Vertreter jetzt auch von seiten des tschechischen Staates und seiner Regierung in den Versöhnungsprozeß und den Dialog miteinbezogen werden. Die DeutschTschechische Erklärung bedeutet weder Schlußstrich noch Abschluß im deutsch-tschechischen Verhältnis. Sie ist eine politische Absichtserklärung der Regierungen, die die Gültigkeit von Verträgen und individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließende Regelung enthält. Zweitens. Die Darstellung der historischen Abläufe in der Erklärung ist nicht vollständig. Die Geschichte hat nicht erst 1938 begonnen. In der Erklärung wird die Vertreibung klar beim Namen genannt. Im deutschen Text wird das Wort „Vertreibung" benutzt. In der tschechischen Version hat man zu einem ungebräuchlicheren Begriff Zuflucht genommen, der übersetzt allerdings auch „Vertreibung" bedeutet. Drittens. Das Recht auf die Heimat ist durch die Erklärung nicht verwirklicht. Wir anerkennen allerdings, daß durch die Erklärung und den dazugehörigen Briefwechsel Wege zu einem Daueraufenthaltsrecht in der Tschechischen Republik eröffnet werden, wodurch auch Eigentumserwerb möglich wird. Wir erwarten, daß in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU weitere konkrete Möglichkeiten zur Verwirklichung des Heimatrechts folgen. Viertens. Die Erklärung kann in die Zukunft weisen, wenn sie im Sinne der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der historischen Wahrheit ausgelegt wird. Die Erklärung spricht klar aus, daß durch die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde. Vertreibung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war völkerrechtswidriges Unrecht. Die Erklärung bezeichnet auch die Folgen der Vertreibung, Enteignung und Ausbürgerung, als Quelle von Leid und Unrecht unschuldiger Menschen. Wir begrüßen dies als Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten. Erstmals bedauert die tschechische Seite explizit den kollektiven Charakter der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen. Mit Genugtuung sehen wir, daß sich die Tschechische Republik vom sogenannten Amnestiegesetz von 1946 distanziert und dessen rechtsstaatswidrigen Kern bloßlegt, der im Klima des Hasses und der Revanche der Nachkriegszeit wurzelt. Die Erklärung bedeutet keine Billigung der nach dem Krieg erlassenen tschechoslowakischen Gesetze, die sich auf die Vertreibung der Sudetendeutschen beziehen, oder die Anerkennung der auf deren Grundlage ergangenen Rechtsprechung. Fünftens. Wir begrüßen die Schaffung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, aus dem Projekte gemeinsamen Interesses finanziert werden sollen, insbesondere die Jugendbegegnung und ein deutsch-tschechisches Gesprächsforum. Der Ausgestaltung dieser Zukunftsprojekte kommt für das deutsch-tschechische Verhältnis entscheidende Bedeutung zu. Die Sudetendeutschen müssen darin einen nach Geschichte und Tradition angemessenen Platz finden. Die Mittel des Zukunftsfonds müssen auch den Anliegen der Sudetendeutschen zugute kommen. Aus den Mitteln des Zukunftsfonds sollten auch Projekte finanziert werden, die Sudetendeutschen zugute kommen, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. Wir begrüßen die im Verlauf der Verhandlungen erreichten substantiellen Verbesserungen der Erklärung und werden den weiteren Prozeß der Versöhnung konstruktiv begleiten. Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für die berechtigten Anliegen unserer sudetendeutschen Landsleute eintreten. Die Annäherung der Tschechischen Republik an EU und NATO muß genutzt werden, Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, für die noch offenen Fragen im deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erreichen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Maßstab sind. In der Absicht zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa beizutragen, stimmen wir der DeutschTschechischen Erklärung trotz ihrer Schwächen zu. Dr. Theodor Waigel Michael Glos Dr. Alfred Dregger Dr. Wolfgang Bötsch Maria Eichhorn Herbert Frankenhauer Dr. Gerhard Friedrich Michaela Geiger Norbert Geis Wolfgang Gröbl Gerda Hasselfeldt Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Ernst Hinsken Helmut Jawurek Bartholomäus Kalb Peter Keller Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Eduard Lintner Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Hans Michelbach Elmar Müller (Kirchberg) Eduard Oswald Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Otto Regenspurger Dr. Klaus Rose Dr. Christian Ruck Gerhard Scheu Christian Schmidt (Fürth) Horst Seehofer Marion Seib Carl-Dieter Spranger Max Straubinger Matthäus Strebl Dr. Jürgen Warnke Dagmar Wöhrl Alois Graf von Waldburg-Zeil Heinz Schemken Bärbel Sothmann Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Erich G. Fritz Roland Richter Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Heinz-Georg Seiffert Sigrun Löwisch Friedrich Merz Dietmar Schlee Der Interpretation und Bewertung der DeutschTschechischen Erklärung schließen wir uns an und unterstützen die darin ausgedrückten Erwartungen an die künftigen deutsch-tschechischen Beziehungen. In Abwägung des Leides und Unrechts, das durch Vertreibung den Sudetendeutschen geschehen ist, können wir wegen der Schwächen der DeutschTschechischen Erklärung nicht zustimmen. Renate Blank Josef Hollerith Dr. Gerd Müller Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Georg Janovsky Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) Renate Rennebach (SPD): Wer die bisherige Debatte heute morgen zum Thema Arbeitsmarktpolitik verfolgt hat und ebenso die Äußerungen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, der weiß eines ganz gewiß: Das einzige Ziel, das hier verfolgt wird, ist: Die desolate Arbeitsmarktsituation soll gesundgebetet werden. Dabei setzen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, schamlos darauf, daß sich die Gesellschaft an die anhaltende Massenarbeitslosigkeit gewöhnt hat. Dies ist zynisch, dies ist Ignoranz gegenüber den Betroffenen, und dies - das prophezeie ich Ihnen - wird diesmal nicht aufgehen. Meine Damen und Herren, das von der Regierung vorgelegte AFRG will genau das Gegenteil von dem, was in einer solchen Situation notwendig wäre: Statt einer Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik soll das schon als unzulänglich geltende Vorhandene nun auch noch zusammengestrichen werden. Und wie das für diese Regierung typisch ist, werden Expertenmeinungen nicht zur Kenntnis genommen und mit miesen Verfahrenstricks auf Teufel komm raus die unsinnigsten Sachen durchgepaukt. Vor knapp zwei Wochen ist in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum AFRG klipp und klar deutlich geworden, daß dieses Gesetzesvorhaben die ohnehin schon katastrophale Arbeitsmarktsituation noch weiter verschlechtern wird. Dies ist der Bundesregierung jedoch gleichgültig, da das AFRG im wesentlichen zu Kosteneinsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beitragen soll. Die betroffenen Menschen spielen dabei keine Rolle. Auch der Bundesrat hat der Bundesregierung ebenso klar gesagt, daß mit dem AFRG ein falscher Weg noch weiter fortgesetzt wird. Der Bundesrat hat seine Entscheidung aus sachlichen Gründen getroffen und gut begründet. Ich möchte hier nur einige Punkte herausgreifen, die darstellen, daß das AFRG zum einen zum Teil gegen geltendes Recht verstößt und zum anderen die Arbeitslosigkeit nicht um ein Stück weit verringert, sondern enorm vergrößert. Nach bisherigem Recht gelten untertariflich bezahlte Tätigkeiten als Bruch unseres vorhandenen Rechts, zu dem auch das Tarifrecht gehört. Nunmehr sollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit bis zu 18 % unter dem geltenden Tariflohn entlohnt werden. Demnach werden nach dem AFRG zukünftig Lohnkostenzuschüsse auch bei untertariflicher Entlohnung gewährt. Diese Vorgaben des Gesetzgebers bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind eine Aufforderung zum Umgehen von Tarifverträgen und somit ein Eingriff in die Tarifautonomie. Einen besonders radikalen Einschnitt stellt auch die Verschlechterung der Zumutbarkeitsregelung dar, wonach die Zumutbarkeit von Beschäftigungen nur noch an der Höhe des zu erzielenden Einkommens festgemacht wird. Damit wird aber der bisherige Berufs- und Qualifikationsschutz vollends aufgegeben. Die Folge ist: Die Höherqualifizierten drängen in Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, und von dort werden die Menschen in die Dauerarbeitslosigkeit abgeschoben - ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Schwachen in unserem Land. Die drastischen Änderungen des AFRG treffen zudem wieder einmal die Frauen besonders hart. So werden künftig die Zeiten des Bezuges von Mutterschafts- oder Erziehungsgeld nicht mehr als versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten angerechnet. Sie begründen somit keinen Folgeanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Auch die Erhöhung der zumutbaren Pendelzeit bei Halbtagsstellen auf 2,5 Stunden täglich trifft Frauen besonders hart, und dies, wo unsere Regierung besonders die Frauen und Familien unterstützen will. Ich weise hier auch auf das entsprechende Bundesverfassungsgerichtsurteil zum § 218 hin. Die Unglaubwürdigkeit der Regierung ergibt sich auch insoweit von allein. Der Entwurf des AFRG bietet auch einige positive Ansätze, die schon seit geraumer Zeit von der SPD gefordert werden. So sind die direkten Lohnkostenzuschüsse nunmehr in gewerblichen Betrieben und für Existenzgründer vorgesehen. Allerdings gilt diese Fördermöglichkeit nur für die neuen Bundesländer und schafft somit unsinnige Mauern in der Förderpolitik. Im Gesamtpaket betrachtet, stellt das geplante AFRG einen weiteren Schritt zum beschleunigten Sozialabbau dar, da es mit keiner der geplanten Änderungen die Arbeit fördert, sondern nur die Arbeitslosigkeit. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1995 einen Gesetzentwurf für ein ASFG eingebracht, der im Grundsatz nach wie vor aktuell ist, aber mit dem AFRG schon vom Ansatz her nicht vereinbar ist. Uns geht es in erster Linie darum, den Vorrang der aktiven Arbeitsmarktpolitik rechtsverbindlich zu verankern. Die Lehre, die jedoch die Bundesregierung daraus zieht, ist nicht etwa, daß man vielleicht die zahlreichen Alternativvorschläge der Opposition berücksichtigt. Nein, die Bundesregierung verfällt wieder in verfahrenstaktische Spielchen und nimmt die zustimmungspflichtigen Teile aus dem Gesetzentwurf heraus, ohne daß sich in der Substanz der alte Entwurf maßgeblich geändert hätte. Meine Damen und Herren, das AFRG ist trotz der in Hülle und Fülle nachgeschobenen Änderungsanträge der Regierungskoalition ein Rückschrittsgesetz. Als solches Rückschrittsgesetz bekämpft das AFRG natürlich nicht die Ursachen für die desolate Lage des Landes, also die Arbeitslosigkeit, sondern wieder einmal die arbeitslosen Menschen. Das AFRG fördert nicht die Arbeit, da das Vollbeschäftigungsziel schon seit geraumer Zeit von der Bundesregierung aufgegeben wurde. Vielmehr bietet es die Grundlage, die Arbeitslosigkeit und die Armut hierzulande zu vergrößern. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden die zentralen Kritikpunkte des AFRG erneut von Experten und Verbänden bestätigt. Zum einen sollen durch das sogenannte Reformgesetz aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung fast gänzlich gekappt werden. Zum anderen sollen die Rechtsansprüche auf Leistungen und Maßnahmen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Damit werden durch das „neue" AFRG zusätzlich 300 000 Menschen in die Arbeitslosigkeit oder auch Hoffnungslosigkeit getrieben. Meine Damen und Herren, betrachtet man nun noch die finanziellen Auswirkungen des sogenannten Reformgesetzes auf die Länder und Kommunen, ist festzustellen, daß wieder einmal diese die Hauptlast zu tragen haben. Bereits heute sind 800 000 Bezieher von Arbeitslosenunterstützung sozialhilfebedürftig. Dabei werden die vorgesehenen Maßnahmen des AFRG diese Zahl noch wesentlich erhöhen. In diesem Zusammenhang möchte ich lediglich auf die Nichtverlängerung der ABM-Sonderkonditionen für Ostdeutschland in Höhe von 450 Millionen DM hinweisen. Die Folgekosten der Kommunen und Länder gerade in Ostdeutschland sind für diese untragbar. So werden die Kosten der Arbeitslosigkeit durch das AFRG vom Bund auf die Länder und Kommunen abgewälzt, die sowieso schon bis zur Bewegungsunfähigkeit geknebelt werden. Der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung wird besonders drastische Einschnitte in den neuen Bundesländern bringen. Im Osten Deutschlands sind alleine bei Arbeitsförderungsmaßnahmen und Fortbildung und Umschulung große Einsparungen vorgesehen. Diese sollen allein 1997 1,7 Milliarden DM betragen und sich jedes Jahr erheblich erhöhen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den neuen Bundesländern noch nicht von einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung gesprochen werden kann. Gerade aus diesem Grund sind nach wie vor hohe arbeitsmarktpolitische Transferleistungen erforderlich. Betrachtet man, daß in den neuen Bundesländern auf 100 Arbeitslose 43 Personen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und in den alten Bundesländern gerade einmal 13 Personen kommen, läßt es sich unschwer erkennen, wie dringend notwendig eine besondere Unterstützung der neuen Bundesländer ist. Und wie wichtig es wäre, in der gesamten Republik eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu haben. In manchen Regionen sind die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die einzige Möglichkeit für eine Beschäftigung. Dabei ist es auch unerheblich, daß in Ostdeutschland in den Gebieten mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosenquote anstatt wie bisher 100 % nunmehr 30 % der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weiterhin unterstützt werden sollen. Dies ist lediglich der sogenannte Tropfen auf den heißen Stein. An dem Leitsatz der Bundesregierung ändert dies hingegen gar nichts; der lautet: Das AFRG fördert nicht die Arbeit, sondern die Arbeitslosigkeit und Armut der Menschen. Aber durch all diese Fakten läßt sich die Bundesregierung keineswegs beirren. Sie baut weiterhin mit dem sogenannten Reformgesetz und mit weiteren Kürzungen im sozialen Bereich die sozialen Sicherungssysteme ab und soziale Gegensätze auf. Ihre Politik dient vorrangig der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach meiner Auffassung ist jedoch die Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen allemal arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch besser, als Arbeitslose zu alimentieren. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an einigen Punkten zeigen, was es beispielsweise für das Land Berlin bedeuten würde, wenn dieses Gesetz in Kraft treten sollte. Die nur annähernde Angleichung der Fördermaßnahmen des Ostniveaus nach unten auf das Westniveau bedeutet allein für das Land Berlin eine Reduzierung des Fördervolumens der Bundesanstalt für Arbeit um zirka 600 Millionen DM pro Jahr. Zusätzlich würde ein Auslaufen der ABM-Sonderkonditionen zum Jahresende 1997 den Berliner Haushalt auf der Basis der bislang realisierten Förderzahlen um 160 Millionen pro Jahr stärker belasten. Durch diese Entwicklung der Berliner Arbeitsmarktpolitik ist der soziale Friede in der Region immer mehr bedroht. Von 1990 bis 1995 haben sich die Ausgaben für die Berliner Arbeitsmarktpolitik verfünffacht. So konnten 1995 noch 101 000 Menschen gefördert werden, hingegen wurden 1996 auf Grund der notwendigen Einsparungen im Landeshaushalt nur noch 93 000 Förderungen von Arbeitslosen registriert. Konkret werden von 6 700 Projekten in Berlin 2 900 mit Arbeitsmarktmitteln unterstützt. Dies zeigt, wie die Arbeitsmarktpolitik einen grundlegend wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur Berlins leistet. Dies spiegelt sich auch deutlich in den Arbeitsmarktzahlen für Berlin wider. Im vergangenen Monat betrug die Arbeitslosenquote für Gesamtberlin 15,7 %. Dabei waren es im Westteil 16,4 % und im Ostteil 14,4 %. Diese Zahlen sind der eindeutige Beweis einerseits für die Wirksamkeit von aktiver Arbeitsmarktpolitik, wie sie das alte AFG-Ost durchaus aufweist. Andererseits zeigen sie aber auch die schwache Position des alten AFG West, das wenig Spielraum läßt für kreative Arbeitsmarktpolitik. Dies soll nun gänzlich zerstört werden durch ein sogenanntes Reformgesetz. Wie nötig wäre hier ein Reinpowern statt koalitionstechnische Sparerei. An diesem Beispiel wird weiterhin auch deutlich, daß die Arbeitslosigkeit nicht nur eine individuelle Belastung darstellt, sondern zugleich auch eine gewollte Abwälzung der finanziellen Lasten von Bund auf die Länder, die gerade Berlin besonders trifft. So ist unsere Hauptstadt Berlin zum einen die größte Baustelle Europas und hat trotzdem die höchste Arbeitslosenquote beim Bau. Das ist pervers, meine Damen und Herren. Und dennoch wurde in dem neuen Gesetzesvorschlag die alte Regelung zum Schlechtwettergeld seitens der Bundesregierung nicht wieder auf genommen. Zwar wollte die Bundesregierung mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes zwischen 700 und 900 Millionen DM einsparen. Tatsächlich war die Abschaffung des Schlechtwettergeldes ein großer Flop. Denn selbst der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit bestätigte, daß die finanziellen Auswirkungen der Winterarbeitslosigkeit im Baubereich seit der Einführung des Überbrückungsgeldes spürbar höher sind, als beim bewährten Schlechtwettergeld. Selbst Herr Eppelmann, der Arbeiterführer der CDU, forderte bereits einen Tag nach Abschaffung des Schlechtwettergeldes die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Am Donnerstag mit seiner Hilfe abgeschafft, am Freitag die Wiedereinführung gefordert! Und er wußte genau, warum! Und wo ist seine Forderung heute? Kolleginnen und Kollegen, wenn man im zusammenfassenden Vergleich betrachtet, was die SPD mit ihrem ASFG und nun die Regierung mit dem AFRG vorgelegt haben, wird klar: Der SPD geht es darum, mit wirksamen Instrumenten aktiver Arbeitsmarktpolitik die Massenarbeitslosigkeit zu senken oder zumindest angesichts der desolaten Wirtschaftspolitik dieser Regierung einen noch weiteren Anstieg zu verhindern. Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, geht es dagegen nur darum, die von Ihnen durch Ihre falsche Politik aufgerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, sei es bei der Bundesanstalt für Arbeit oder im Bundeshaushalt durch sinnloses Streichen und durch Lastenverschiebung auf die Länder und Kommunen. Und dabei interessierte es Sie auch nicht, daß Ihre Rechnung „Stärkung der Wirtschaft gleich Senkung der Arbeitslosigkeit" nicht aufgeht - was wir Ihnen übrigens schon immer gesagt haben. Sie setzen bei der jahrelangen Massenarbeitslosigkeit schamlos auf einen Gewöhnungseffekt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Aber dies wird nicht aufgehen. Ich hoffe sehr, Sie werden spätestens 1998 die Quittung für diese, Ihre Politik bekommen. Manfred Grund (CDU/CSU): Nachdem wir gehört haben, was mit einem wie auch immer veränderten Arbeitsförderungsgesetz geleistet werden müßte, ist es notwendig, auf die Möglichkeiten und auf die Grenzen von Arbeitsmarktpolitik zu verweisen: Arbeitsmarktpolitik hat gerade in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Aufgabe im Transformationsprozeß. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann und muß den Arbeitsmarkt entlasten und muß Arbeitslosen einen Neubeginn ermöglichen. Aber: Auf sich alleine gestellt ist Arbeitsmarktpolitik angesichts des millionenfachen Wegbruchs von Arbeitsplätzen nach der Wende, angesichts der Dimensionen des wirtschaftlichen Umbruchs nicht in der Lage, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsmarktpolitik wirkt mit am Strukturwandel und hat sich selbst diesem Wandel zu stellen. Arbeitsmarktpolitik kann am Entstehen dauerhafter Arbeitsverhältnisse mitwirken, sie kann aber regionale Strukturpolitik nicht ersetzen. So hat die Arbeitsförderung, die wir heute beraten, mehrere Funktionen: Gegenwartsbezogen geht es um den Entlastungseffekt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, zukunftsbezogen geht es um die „Brückenfunktion" mit dem Ziel, die volkswirtschaftlichen Angebotsbedingungen zu verbessern und neue Beschäftigungsfelder aufzubauen. In den neuen Bundesländern ist die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch; die Quote aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit liegt über 25 Prozent. Mit dem bisher geltenden Arbeitsförderungsgesetz wurde seit 1990 der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern entlastet und gleichzeitig der Strukturwandel befördert und begleitet. Dazu bedurfte es schon bisher besonderer Instrumentarien, und notwendigerweise brauchte man viel Geld. Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz bleiben all die wichtigen Instrumentarien wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse, Einstellungszuschüsse erhalten und werden weiterentwickelt. Über die notwendige Finanzausstattung, um diese Instrumentarien auch einsetzen zu können, werden wir uns bei der Aufstellung jedes neuen Bundeshaushaltes zu befassen haben. Dies wird in der Sache liegend manchmal strittig ausgehen. Denn bei allen notwendigen Sparzwängen: Weniger Bundeszuschuß darf nicht zu größerer Arbeitslosigkeit führen. Also gilt es, die Instrumentarien intelligent weiterzuentwickeln. Intelligentes Sparen ist notwendig und möglich! Dazu folgendes Beispiel aus dem heute zu beschließenden Arbeitsförderungs-Reformgesetz: Wer die bisherigen Instrumentarien aktiver Arbeitsmarktpolitik auf ihre Effizienz hinterfragt, stellt schnell fest, daß der Anteil der nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen arbeitslos Verbliebenen zunimmt. Dies ist begründet im Fehlen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze, aber auch gerade in der unzureichenden Verzahnung von zweitem und erstem Arbeitsmarkt. Denn wer in einer kommunalen ABM beschäftigt ist, hat keinen Zugang zu einem Unternehmen. I Dies wollen wir mit dem AFRG ändern Wirtschaftsun- ternehmen des gewerblichen Bereiches erhalten einen neuartigen Lohnkostenzuschuß: für jede zusätzliche Personaleinstellung einen Zuschuß in Höhe von 1 923,- DM je Monat - und das für ein Jahr. Also: Ein Handwerker mit acht Beschäftigten kann bei einer auf ein Jahr befristeten Einstellung von zwei Arbeitslosen 1 923,- DM je Arbeitslosen pro Monat erhalten. Und das für ein Jahr ohne anschließende Beschwernisse oder Auflagen. Allerdings werden wir einen Drehtüreffekt verhindern. Mit dem produktiven Lohnkostenzuschuß betreten wir in der Arbeitsmarktpolitik der neuen Bundesländer wirkliches Neuland. Klarer als bisher wird Arbeit gefördert statt Arbeitslosigkeit finanziert. Es ist allerdings eine Lohnsubventionierung, die immer problematisch, aber angesichts der Entwicklung am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern dennoch gerechtfertigt ist. Der Lohnkostenzuschuß erfolgt in Höhe des pauschalierten Arbeitslosengeldes und ist im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu den Ansätzen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unbegrenzt deckungsfähig. Ohne zusätzliches Geld zu benötigen wird mit diesem Instrumentarium die Zahl der Arbeitslosen verringert und eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt gebildet. Denn der hiermit geförderte Arbeitslose hat erstmals die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür eines Unternehmens zu stellen, mit hoffentlich guten Übernahmechancen. Dieser produktive Lohnkostenzuschuß wird von Arbeitsämtern, Arbeitgebern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern begrüßt. Besonders zu begrüßen ist die Verbesserung bei der Zuschußobergrenze bei ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen. Hier wird für die nächsten Jahre eine 100-Prozent-Förderung möglich bleiben. Das entlastet die freien Träger der Sozialarbeit und die ABS-Gesellschaften. Nur bis zur Opposition hat es sich nicht herumgesprochen, daß mit den hergebrachten Instrumentarien kein Blumentopf zu gewinnen sein wird. Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz ist eine neue Chance für die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern, die wir dringend benötigen. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Heute erleben wir wieder einmal, wie ernst es die SPD mit ihrem Bekenntnis nimmt, die Arbeitslosenquote drücken zu wollen. Einerseits beklagt sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits widersetzt sie sich hartnäckig sämtlichen dringend notwendigen Reformvorhaben. Und letztlich scheut sie sich nicht, dieses Haus für endlose Debatten zu mißbrauchen, Debatten, die allein dazu dienen sollen, die Bevölkerung zu verunsichern. Ich sage Ihnen, wie die Bevölkerung denkt: Es ist genug geredet und höchste Zeit, daß wir das anpacken, was uns allen unter den Nägeln brennt, nämlich die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Es wird aber kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie laufend Reformmaßnahmen torpedieren. Es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn Sie allein zur eigenen Profilierung die Bevölkerung gegen die Regierungskoalition aufhetzen. Und es wird kein Arbeitsplatz geschaffen, wenn wir uns hier immer wieder zum gleichen Thema die Köpfe einschlagen und das Problem der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleibt. Sie scheuen sich auch nicht, bis an die Grenze des Zumutbaren zu gehen: Sie haben allein aus formalen Gründen auf einer zweiten Anhörung bestanden, obwohl Sie wußten, daß alle Argumente bereits in der ersten Anhörung ausgetauscht waren; Sie wollten nur eine Schau inszenieren - eine eklatante Mißachtung des Parlaments. Inhaltlich haben Sie nicht viel zu bieten: Teure Beschäftigungsprogramme könnten allenfalls ein Strohfeuer entfachen; am Ende würden Finanzlöcher übrigbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, wir haben ein neues Arbeitsförderungsrecht auf den Weg gebracht, das neue Beschäftigungsimpulse bringen wird. Durch Ihre Ablehnung im Bundesrat haben Sie sich gegen das heute zur Abstimmung stehende Bündel von neuen Instrumenten ausgesprochen: gegen Hilfen bei Existenzgründungen durch Arbeitslose, gegen Eingliederungsverträge für Langzeitarbeitslose, gegen frühzeitigere Beratungs- und Vermittlungsbemühungen und gegen die besondere Förderung von Ungelernten durch Weiterbildungsmaßnahmen, um nur einige neue Maßnahmen herauszugreifen. Ein besonderes Anliegen war mir die Organisationsreform der Bundesanstalt für Arbeit. Diese wäre jedoch ohne die Zustimmung im Bundesrat nicht möglich gewesen. Sie hätte das Gesetz zustimmungsbedürftig gemacht und mußte deshalb herausgenommen werden. Sie und Ihre Freunde im Bundesrat, meine Damen und Herren von der SPD, haben damit verhindert, daß der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf ein arbeitsfähiges Gremium zurückgeführt wird. Sie haben die Ausweitung der Verantwortungsbereiche bei den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter verhindert und damit die Stärkung der Tarifparteien in den Verwaltungsausschüssen nicht zugelassen - ein offenes Mißtrauensbekenntnis gegenüber den Gewerkschaften, die in den Verwaltungsausschüssen mehr Einfluß gehabt hätten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben Ihre Zustimmung verweigert, also blieb uns nichts anderes übrig, als ein zustimmungsfreies Gesetz weiter voranzubringen. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein zustimmungsfreies Gesetz auf den Weg gebracht, um die Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und die Hilfen für Arbeitslose schnellstmöglich zu verwirklichen. Wir haben die Fehler der SPD so gut wie möglich ausgebügelt. Wir können auch jetzt ein Gesetz vorlegen, das den Namen Reform verdient. Ich trete ein für eine Politik mit mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Deshalb stehe ich auch zu den verbesserten Zumutbarkeitsregelungen oder auch zu der sozial verträglich ausgestalteten Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld: Maßnahmen, die dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern und Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wenn es uns Ernst ist mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verrechnen sich, wenn Sie meinen, Sie könnten durch Ihre Blokkadepolitik die Koalition in den Sumpf ziehen. Der Bevölkerung wird immer deutlicher, daß Ihre Strategie in der Verzögerung, Verhinderung und Verunsicherung liegt. Verzögern, verhindern und verunsichern: das sind die Schlagworte, die die SPD-Politik kennzeichnen. Die SPD: eine Verzögerungs-, Verhinderungs- und Verunsicherungspartei. Es wird sich aber nicht lohnen, wenn Ihnen die bloße Hoffnung auf mehr Wählerstimmen mehr bedeutet als die ehrliche Absicht, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben sich bis heute als ernstzunehmender Vertragspartner disqualifiziert. Sicherlich ist es sinnvoll, zunächst einen breiten Konsens in diesem Hause herzustellen. Wir haben das versucht. Wir werden jedoch nicht die erforderliche Konsequenz verantwortungsvoller Politik auf Kosten irgendeines Konsenses gefährden. Es geht nämlich nicht um die Abkehr vom Sozialstaat, wie von der SPD hartnäckig, aber haltlos behauptet wird. Es geht um die Rückkehr zu einer freiheitlichen Sozialpolitik mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung im Sinne der Politik von Ludwig Erhard. In dieser Zeit ist jeder Monat ohne Reformschritte ein verlorener Monat. Deshalb gilt es, heute mit einem neuen Arbeitsförderungsrecht eine Weiche für mehr Beschäftigung zu stellen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Antrag „Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus in den osteuropäischen Staaten" - Drucksache 13/6737 - sowie ihren Entschließungsantrag „zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1997" - Drucksache 13/6313 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 95. Interparlamentarische Konferenz vom 15. bis 20. April 1996 in Istanbul - Drucksachen 13/4954, 13/5550 Nr. 1.3 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1995 (Subsidiaritätsbericht 1995) - Drucksachen 13/5180, 13/5550 Nr. 1.6 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 1.17 Finanzausschuß Drucksache 13/5555 Nr. 2.10 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3668 Nr. 2.35 Drucksache 13/4678 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.34 Drucksache 13/6129 Nr. 1.19 Drucksache 13/6129 Nr. 1.20 Drucksache 13/6152 Nr. 1.4 Drucksache 13/6152 Nr. 2.2 Drucksache 13/6152 Nr. 2.5 Drucksache 13/6152 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.11 Drucksache 13/6152 Nr. 2.13 Drucksache 13/6152 Nr. 2.14 Drucksache 13/6152 Nr. 2.15 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4921 Nr. 2.11 Drucksache 13/6129 Nr. 1.31 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.10 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4636 Nr. 2.5 Drucksache 13/5295 Nr. 3.1 Drucksache 13/6152 Nr. 1.7 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/5687 Nr. 2.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Lafontaine, außer Polemik haben Sie hier nicht einen weiterführenden Gedanken geboten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ausgerechnet Sie machen uns hier Vorwürfe, wo Sie ganz persönlich dafür verantwortlich sind, daß die Mehrheit der SPD im Bundesrat für eine gemeinwohlwidrige Blockadepolitik mißbraucht worden ist, die notwendige Entscheidungen gehemmt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie nehmen sich die Argumente, wie Sie sie gebrauchen können. Zunächst haben Sie, was die Steuerreform anbelangt, gefordert, in erster Linie die unteren Einkommensschichten zu berücksichtigen. Dann haben Sie nicht erwartet, daß wir einen Tarif vorschlagen, dessen Eingangsteuersatz 15 Prozent beträgt, und damit ein ganz wichtiges Argument für die Arbeitsaufnahme statt des Empfangs von Sozialhilfe oder für die Senkung der Lohnersatzleistungen geschaffen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Kaum haben Sie bemerkt, daß jetzt gar keine Polemik mehr möglich ist, da haben Sie die Belastung oder die unzureichende Entlastung der Leistungsträger beklagt. Ursprünglich hatten Sie uns dann noch unterstellt, wir brächten bei Wirtschaft und Unternehmen im Bereich der Gegenfinanzierung nicht das Notwendige auf den Weg. Nun haben wir mehr auf den Weg gebracht, und Sie sind plötzlich ganz ruhig geworden.
    Eines geht ganz sicher nicht: Wenn Sie jetzt wieder über die Frage des Höchststeuersatzes polemisieren wollen, dann frage ich Sie: Wie stehen Sie eigentlich dazu, daß der Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Finanzministerium, Dr. Sarrazin, den damals, wenn ich mich recht erinnere, Herr Ministerpräsident Scharping zu sich nach Rheinland-Pfalz geholt hatte, in einem beachtlichen Beitrag für „flat taxes", für niedrigere Steuersätze und besonders niedrige Höchststeuersätze plädiert, weil er der Meinung ist: Niedrigere Höchststeuersätze führen - das ist richtig - zu einem höheren Einkommensteueraufkommen als hohe Steuersätze, von denen Sie und Herr Voscherau behaupten, daß die Millionäre von Hamburg sie nicht bezahlen. Das ist doch eine schlimme, widersprüchliche, in sich verlogene Polemik, die Sie hier betreiben!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie als Ministerpräsident eines Landes vom Stamme Nimm

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sehr schön!)

    stellen sich hierher und beklagen die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Warum haben wir denn die Grunderwerbsteuer um zwei Punkte erhöht? Um den entsprechenden Ausfall für die Länder in Grenzen zu halten. Wir wären auch mit einem Prozentpunkt Aufstockung zufrieden gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: So war es doch! Sehr richtig!)

    Sagen Sie doch endlich ein Wort dazu, daß diese Vermögensteuer so nicht mehr Bestand haben konnte,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Doch!)

    daß das Bundesverfassungsgericht diese Vermögensteuer als verfassungswidrig bezeichnet hat und daß es sinnlos gewesen wäre, einen Rest von privater Vermögensteuer, der dann nur als Umgehungstatbestand gedient hätte, aufrechtzuerhalten.
    Nein, Sie sind weit weg von der internationalen Diskussion. Lassen Sie sich, wo in Österreich die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer aus Wettbewerbsgründen abgeschafft wurden, wenigstens vom neuen österreichischen Bundeskanzler Klima, der zuvor Finanzminister gewesen ist, etwas sagen, damit Sie im Saarland und in Deutschland etwas dazulernen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Neu war mir, Herr Ministerpräsident, daß Sie der Erfinder des Meister-BAföG sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das scheint ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit zu sein. Dennoch ist mir das ziemlich neu. Wir wollten in der Tat - ich halte den gedanklichen Ansatz von Minister Rüttgers für richtig - einen gewissen Beitrag derer, die im akademischen Studium sind und damit vom Staat ausgestattet werden, damit künftig der, der Geselle ist und Meister werden möchte, genauso unterstützt wird wie der, der das Abitur gemacht hat und auf einen akademischen Beruf zustrebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Wenn Sie einzelne Vorschläge zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage anbringen, gehen wir gerne auf Sie ein. Aus der Liste des von Ihnen geschätzten Bürgermeisters Voscherau nehme ich einmal einiges heraus. Besteuerung von Veräußerungsgewinnen durch Ausdehnung der Spekulationsfrist - Voscherau: sieben Jahre; wir: zehn Jahre. Einschränkung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen - wie in der Steuerreformkommission. Aufhebung der Steuerfreiheit für Abfindungen und Übergangsgelder - wie die Steuerreformkommission. Aufhebung der Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen und verschiedenen anderen Lohnbestandteilen - Sie haben das als hirnrissig bezeichnet. Schämen Sie sich nicht, den Bürgermeister von Hamburg als hirnrissig darzustellen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich weise diesen unglaublichen Umgang mit dem führenden Repräsentanten einer angesehenen Stadt

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    und einem Mann, der in der SPD eine Rolle spielt, zurück. Er hat es als Vertreter einer großen, stolzen Stadt nicht verdient, sich von Ihnen, von einem relativ kleinen Land so beleidigen zu lassen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    So, jetzt habe ich Ihnen erst einmal die Suppe versalzen.

    (Lachen bei der SPD und der PDS)

    Jetzt zum Standort Deutschland. Die Rückkehr unserer Wirtschaft zu einem Wachstumskurs zeigt: Wir gehen den richtigen Weg. Aber auf dem Weg zu neuen Arbeitsplätzen, zu genügend neuen Arbeitsplätzen bleibt noch einiges zu tun.
    Am 4. Februar - darauf hat der Bundeskanzler verwiesen - wird Ludwig Erhard 100 Jahre alt. Seine Maßnahmen im Juni 1948 waren radikal und zunächst bei vielen unpopulär. Sie waren dennoch richtig und haben eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen ermöglicht. Er hat mit einem Befreiungsschlag die Dynamik der Marktwirtschaft in Gang gesetzt. Seit damals gilt, die Vorbedingung für dauerhafte Arbeitsplätze ist ein florierender produktiver Sektor unserer Volkswirtschaft. Dauerhaftes, nachhaltiges Wachstum, das ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Und dafür muß sich der Staat zurücknehmen, sparen, damit die Wirtschaft investiert. Das ist das Motto, mit dem neue Arbeitsplätze entstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damals ist Ludwig Erhard - manchmal auch in den eigenen Reihen - für seine Forderung nach Maßhalten verspottet worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von der SPD!)

    Aber Sparen ist die bittere Medizin, um gesund zu werden.
    Die neuen Wettbewerbsbedingungen in der Weltwirtschaft, die Folgen der Globalisierung decken Fehlentwicklungen sofort auf. Was sich früher nach Jahren als falsch und verhängnisvoll erwiesen hat, wird heute innerhalb von Tagen auf den Finanzmärkten, bei den Zinsen und bei den Wechselkursen gnadenlos bestraft.
    Darum müssen wir einen Befreiungsschlag wagen, die Globalisierung offensiv angehen, aus der Dynamik der Globalisierung Kraft schöpfen und Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.
    Andere Länder sind uns auf diesem Weg schon erfolgreich vorangegangen. Untersuchungen der G 7, des Internationalen Währungsfonds oder der OECD - -

    (Zuruf von der SPD: England!)

    - Ja, England.

    (Zuruf von der SPD: Die haben noch mehr Arbeitslose!)

    - Das ist doch nicht wahr, Sie haben ja keine Ahnung. In England und auch in den Vereinigten Staaten ist durch Lohnverzicht über viele Jahre eine Situation entstanden, daß die Beschäftigung heuer höher ist als vor zehn Jahren. Sie kennen ja nicht einmal die Statistik!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    Zu der von uns aufgezeigten Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt es keine Alternative.

    (Lachen bei der SPD)

    Das gilt für das Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung, das gilt für den Sparhaushalt 1997, der um 2,5 Prozent gegenüber dem Haushalt zuvor zurückgeht, das gilt für die Finanzplanung bis 2000 mit einer jahresdurchschnittlichen Ausgabensteigerung von unter einem Prozent, das gilt für das Jahressteuergesetz 1997, den richtigen Wegfall der Vermögensteuer und für den dringend notwendigen Wegfall der Gewerbekapitalsteuer.
    Und hier haben Sie, Herr Lafontaine, auf die Frage des Bundeskanzlers keine Antwort gegeben. Sind Sie jetzt endlich bereit, in ganz Deutschland dafür zu sorgen, daß diese für die Konjunktur und für Arbeitsplätze schädliche Steuer wegfällt, in Ostdeutschland nicht erhoben werden muß, oder wollen Sie Ihren gefährlichen Blockadekurs im Bundesrat weiter fortsetzen? Hier sind Sie gefragt!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Hier sind Sie ausgewichen, und hier werden Sie in den nächsten Wochen im Bundesrat Ihren ostdeutschen Kollegen sagen müssen, ob Sie wirklich für die Betriebe in Ostdeutschland eine weitere Belastung von 400 bis 500 Millionen hinnehmen oder gar einführen wollen, was die Betriebe dort schlichtweg nicht überstehen würden.
    Meine Damen und Herren, auf dem Petersberg gab es in der Nachkriegszeit Beschlüsse des Alliierten Kontrollrates. Damals wurde der Spitzensteuer-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    satz auf konfiskatorische 90 Prozent festgesetzt. Das scheint mir in etwa die geistige Linie zu sein, in der sich Herr Ministerpräsident Lafontaine bewegt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? So ein Blödsinn!)

    Wer bei der internationalen Diskussion, bei der Gegenfinanzierung im Unternehmensbereich, bei den Vorschlägen aus den eigenen Reihen, bei einem Spitzensteuersatz von 39 Prozent behauptet, daß dies der sozialen Symmetrie nicht genügt, der hat von Steuerpolitik und von sozialer Symmetrie keine Ahnung, der ist in der Steuerpolitik schlichtweg dumm geblieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Petersberger Beschlüsse sind ein Durchbruch zu den niedrigsten Einkommen- und Körperschaftsteuersätzen der letzten 50 Jahre.

    (Joachim Poß [SPD]: Er müßte vorsichtiger sein!)

    Natürlich gibt es bei einer so umfassenden Reform viele kritische Einzelfragen.

    (Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD])

    - Ja, Sie haben es jetzt fünfmal gesagt, Herr Poß, ich habe es gehört, ich nehme es zur Kenntnis.

    (Joachim Poß [SPD]: Wenn Sie aber weiter so sprechen!)

    - Es ist gut. Ich weiß, Sie brauchen es für Ihr eigenes Gedächtnis. Sagen Sie es noch zweimal, und dann seien Sie wirklich beglückt ruhig!
    Wenn man in die Leserbriefspalten der Presse sieht und Telefonaktionen mitmacht, weiß man natürlich, was die Menschen bedrückt und was sie wissen wollen.

    (Zurufe von der SPD)

    Haben Sie nicht mitbekommen, daß der Ministerpräsident viele Ansätze dieses Konzepts als wichtig, brauchbar und aufnahmefähig einschätzt? Sie sollten also bei jedem Zwischenruf vorsichtig sein, ob Sie damit nicht vielleicht die Intention Ihres Vorsitzenden treffen.

    (Joachim Poß [SPD]: Damit habe ich keine Probleme!)

    Jedenfalls kommt es jetzt darauf an - und das werden wir tun -, dieses Gesamtkonzept den Bürgern zu vermitteln und es durch eine klare, objektive Aufklärung jedem zu ermöglichen, sich selbst Klarheit über sich, seine Steuern, seine Sozialabgaben und seinen Steuersatz zu verschaffen.

    (Zuruf von der SPD: Viel Vergnügen!)

    Unsere Prinzipien waren: Steuervereinfachung, Steuergerechtigkeit und Leistungsfähigkeit. Dieser Zukunftstarif '99 steht für eine umfassende und gerechte Erfassung der Einkünfte, für ein transparentes Steuerrecht, für die Entlastung fast aller Steuerzahler und für die Verwirklichung niedriger Steuersätze bei breiter und gerechter Bemessungsgrundlage. Diese Steuerbeschlüsse sind die Voraussetzung für mehr
    Investitionen, Wachstum und Beschäftigung und für den Abbau von Bürokratie. Wenn wir das den Bürgern sachlich und konkret vermitteln, wird - da bin ich sicher - die Zustimmung, die das Konzept schon jetzt bei Fachleuten und vielen sachkundigen Journalisten findet, weiter zunehmen.
    Professor Bareis, in diesem Hohen Haus schon oft zitiert, spricht von einem richtigen Reformkonzept und fordert eine große Koalition der Vernunft. Wenn wir das schaffen, wird sich die wachsende Zuversicht der Bürger und der Wirtschaft in Investitionen und Arbeitsplätzen auszahlen. Der Petersberger Zukunftstarif ist keine bloße steuerpolitische Anpassung. Er ist der Durchbruch zu einem neuen Steuersystem, das die Voraussetzungen für das nächste Jahrhundert schafft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joachim Poß [SPD]: Das ist kein Zukunftstarif ! )

    Der Begriff vom Hochsteuerland Deutschland wird damit der Vergangenheit angehören, und die Qualität des Investitionsstandortes wird entscheidend verbessert.
    Sie, Herr Ministerpräsident Lafontaine, haben nur vom Export gesprochen. Sie sollten auch einmal darüber reden, wo und wie im Moment die Kapitalflüsse vonstatten gehen. Da muß es doch auch Sie nachdenklich stimmen, daß im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten heute mehr Kapital von Deutschland nach draußen fließt, als daß es sich umgekehrt bei uns ansiedelt. Das ändert sich nur, wenn sich die Steuersätze ändern. Das ist der Ansatzpunkt für unseren Zukunftstarif.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir schließen damit an die erfolgreiche und wachstumsstärkende Steuerreform Gerhard Stoltenbergs an. Wir haben von 1986 bis 1996 unabhängig von der jetzt vorgeschlagenen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage um 50 Milliarden DM erweitert und in der gleichen Zeit Steuersubventionen um 50 Milliarden DM abgebaut. Aber trotz der Steuerreformen 1986, 1988 und 1990, trotz Steueränderungsgesetz 1992, Standortsicherungsgesetz 1994 und dem Wegfall der Vermögensteuer liegt Deutschland unter den Industriestaaten bei den psychologisch wichtigen Spitzensteuersätzen auf keinem guten Platz. Das ist falsch, das müssen wir ändern. Unsere Steuersätze werden künftig gegenüber allen großen Industrieländern wieder wettbewerbsfähig sein. Das schafft mehr Investitionen im Inland und zieht Investoren aus dem Ausland an. Der bedrohliche Rückgang ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland kann so gestoppt und umgekehrt werden. Die Standortvorteile Deutschlands können ihre volle Wirkung entfalten. Wenn Sie nicht bereit sind, vor allem bei den gewerblichen Einkünften und beim Körperschaftsteuersatz, sowohl was den thesaurierten Satz als auch was den Ausschüttungssatz anbelangt, nach unten zu gehen, dann werden Sie das nicht ändern. Sie können, Herr Lafontaine, auf Dauer nicht eine Spreizung um zehn oder noch mehr Punkte aufrechterhalten. Dies wird

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    aus Verfassungsgründen nicht möglich sein, wobei ich im Interesse der Investitionen für ein Jahr und danach sehr wohl eine gewisse Spreizung in Kauf nehme.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: 13 Punkte!)

    - Für ein Jahr, Frau Kollegin, halte ich das für unproblematisch.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, eben!)

    Für ein Jahr halte ich das für vertretbar. Für einen längeren Zeitraum würde ich es nicht für vertretbar halten.
    Nicht erst seit der Forderung von Oskar Lafontaine, schon zum 1. Januar 1998 zu beginnen, haben wir darüber nachgedacht, was wir zum 1. Januar 1998 tun können. Wir wollen zum 1. Januar 1998 den Solidaritätszuschlag, den Steuersatz für gewerbliche Einkünfte und den Körperschaftsteuersatz für einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne senken. Die Entlastung bei den Unternehmensteuern wird aufkommensneutral im Unternehmensbereich gegenfinanziert. Nicht uninteressant ist übrigens, daß die falschen Zahlen und Behauptungen, die in den letzten Tagen eine Rolle gespielt haben, nämlich die Wirtschaft bezahle überproportional die Gegenfinanzierung, heute vom BDI korrigiert worden sind. Diesbezüglich sind leider falsche Zahlen und Eindrücke in die Öffentlichkeit gekommen.
    Wir finanzieren ab 1999 eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM plus 7,5 Milliarden DM Nettoentlastung für den Solidaritätszuschlag 1998.

    (Joseph Fischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wird das finanziert?)

    Das führt zu mehr Nachfrage, mehr privatem Investitionskapital und somit zu dauerhaftem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen.
    30 Milliarden DM Nettoentlastung werden Anforderungen an die Konsolidierungskraft von Bund, Ländern und Gemeinden stellen. Nur, eines ist ganz sicher: Wenn wir uns gerade in der Steuerpolitik nicht zu einem Befreiungsschlag durchringen, dann kann und wird auch die Haushaltssituation nicht besser werden. Ich bin davon überzeugt, daß ein solches Konzept zu einem höheren Wachstum von real etwa 0,5 Prozent führen kann, die Investitionen um 1,5 Prozent erhöht und 1997 und 1998 ein Vorzieheffekt denkbar ist; denn dann sind noch die besseren Abschreibungssätze gegeben, und danach haben wir eine bessere Gewinnerwartung. Damit schaffen wir 1997, 1998 und danach Arbeitsplätze. Darum ist auch die Zeitplanung richtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nicht so laut schreien!)

    - Gerade Sie müssen von lautem Schreien sprechen,
    Herr Fischer! Der Oberkrakeeler des Parlaments bezichtigt andere, laut zu schreien. Das ist schon ein starkes Stück!

    (Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser Oberkrakeeler als Unterkrakeeler!)

    Dort, wo solche Reformen in der Vergangenheit angegangen wurden, hat sich dies auch im Einkommensteuerbereich positiv bemerkbar gemacht.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    1994 hatte Deutschland bei einem Tarif mit den Eckpunkten 19 Prozent und 53 Prozent ein durchschnittliches Einkommensteueraufkommen von 9,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Die Vereinigten Staaten hatten bei einer Belastung von 20,8 Prozent bis 46,7 Prozent ein Aufkommen von 10,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Großbritannien hatte bei drei Tarifstufen - 20 Prozent, 25 Prozent und 40 Prozent; der Höchstsatz wird ab 59 000 DM fällig - ein Aufkommen von 9,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das belegt, daß die amerikanische und die englische Einkommensteuer auch nach den starken Tarifsenkungen in den 80er Jahren ebenso ergiebig wie das deutsche System sind.
    Arbeitnehmer mit kleinen Einkommen und Familien werden durch den Zukunftstarif 1999 besonders entlastet. Die Durchschnittsbelastung liegt bei einem verheirateten Arbeitnehmer ohne Kinder mit einem Einkommen bis zu 42 000 DM ab 1999 nur noch bei 10 Prozent. Bei 40 000 DM Bruttojahreslohn beträgt die Entlastung, einschließlich des Abbaus des Solidaritätszuschlags, bei einem Alleinstehenden 20,4 Prozent, bei einem Verheirateten sogar 51,1 Prozent. Bei einem überdurchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen, Bruttojahresverdienst 85 000 DM, ergibt sich eine Gesamtentlastung für einen Alleinstehenden von 12,1 Prozent, bei einem Verheirateten von 20,3 Prozent.
    Schon diese Entlastung wird von der SPD kritisiert. Dabei vergißt sie: Gerade Bezieher von höheren Einkommen haben im besonderen Maße Sonderabschreibungen und Schlupflöcher genutzt. Mit dem Wegfall dieser Möglichkeiten schrumpft diese Entlastung. Jetzt müssen Sie schon sagen, meine Damen und Herren von der SPD, was Sie wollen: Sollen die von Ihnen apostrophierten Einkommensmillionäre weniger Steuern bezahlen, oder sollen die Schlupflöcher bleiben? Nach unserem Vorschlag werden die Schlupflöcher beseitigt. Sie müssen doch zugeben: Es ist gut, wenn die Steuerzahler einen geringeren Höchststeuersatz zahlen, diesen aber nicht durch Steuervermeidungsmodelle herabsetzen können, wie es heute der Fall ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage geht es nicht um eine buchhalterische Gegenfinanzierung der Tarifentlastung, sondern um eine Bereinigung, die dem Einkommensteuerrecht eine neue Qualität verleiht.
    Wie oft bin ich hier nach den Vorschlägen von Professor Bareis und seiner Kommission gefragt worden.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Wir haben sie nun aufgegriffen. Herr Lafontaine, Sie sollten jetzt Punkt für Punkt sagen, ob Sie den Vorschlägen zustimmen oder nicht. Aber immer, wenn es brenzlig wird, sind Sie weit weg, um sich auf Ihre populistische Tour durch Deutschland zu begeben. Das ist doch Ihre Doppelstrategie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer zu Fuß, mit dem Bus, mit dem Fahrrad, mit dem eigenen Auto oder in einer Fahrgemeinschaft zum Arbeitsplatz gelangt, kann er ab dem sechzehnten Kilometer 40 Pfennig als Entfernungspauschale absetzen, und zwar zusätzlich zur Werbungskostenpauschale. Damit wird der Anreiz gestärkt, das billigste und oft auch das umweltfreundlichste Verkehrsmittel zu nutzen.
    Ich komme nun zu den Zuschlägen. Zuschläge für Nachtschicht oder Sonntags- und Feiertagsarbeit sind sauer verdientes Geld. Aber es ist die Sache der Tarifparteien, einen fairen Lohn für diese Arbeiten auszuhandeln.

    (Widerspruch der Abg. Anke Fuchs [Köln])

    Es kann nicht gerecht sein, wenn die große Masse der Steuerzahler, die ebenfalls für ihren Lohn hart arbeitet, dafür zahlen soll. Der Vorschlag ist außerdem im Voscherau-Papier zu finden. Sie müssen sich einmal mit den Vorschlägen aus Ihren eigenen Reihen auseinandersetzen!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)

    Trotz dieser Einschränkungen wird beispielsweise eine Krankenschwester mit einem Einkommen von rund 45 000 DM im Jahr noch um etwa 500 DM entlastet. Ein Feinmechaniker, verheiratet, mit einem Jahresbruttogehalt von 63 000 DM und 50 Kilometern Anfahrt zur Arbeitsstelle, geht mit 1 164 DM mehr pro Jahr nach Hause.
    Lohnersatzleistungen werden künftig zur Hälfte in die Besteuerung einbezogen, da die hälftigen Arbeitgeberbeiträge steuerfrei sind. Dafür entfällt der Progressionsvorbehalt. Diese Neuregelung ist für die Empfänger in der Regel eine Entlastung. Ein Arbeitnehmer mit einem Bruttojahreseinkommen von 60 000 DM, der sechs Monate arbeitslos war, wird um 753 DM entlastet. Nur wenn weitere, beträchtliche Einkünfte - beispielsweise des Ehepartners - hinzukommen, kann es zu einer Mehrbelastung kommen.
    Schon heute sind Renten steuerpflichtig; im Standardfall mit 27 Prozent auf ihren Ertragsanteil. Damit sind derzeit Renten von Alleinstehenden bis 65 000 DM steuerfrei. Ein Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen zahlt heute etwa 14 800 DM Steuern im Jahr. Zukünftig sollen die Renten zu 50 Prozent besteuert werden, da auch in diesem Fall die Arbeitgeberbeiträge steuerfrei entrichtet wurden. Dieser alleinstehende Rentner zahlt dann nach dem neuen Tarif 3 100 DM Steuern im Jahr. Das ist zumutbar und in Relation zum vergleichbaren Arbeitnehmer, der nach neuem Recht immer noch 12 800 DM bezahlt, gerecht. Dies ist auch eine Frage der horizontalen Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Rentenansprüche, die nur auf eigenen Beiträgen beruhen, beispielsweise aus Lebensversicherungen, werden wegen der geringeren Steuerfreistellung nur mit einem Anteil von 30 Prozent der Besteuerung unterworfen. Damit bleibt die Rente eines Alleinstehenden in der Regel bis 31 511 DM, das sind 2 600 DM im Monat, steuerfrei. Verheiratete bleiben bis zu einer Jahresrente von 62 549 DM bzw. 5 200 DM monatlich steuerfrei. Angesichts dieser objektiven Situation halte ich das, was wir erarbeitet haben, für sozialverträglich und im Interesse der Gerechtigkeit unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Kapitallebensversicherungen bleiben begünstigt durch den Sonderausgabenabzug der Beiträge, den niedrigen Abgeltungssatz und die Befreiung von der Versicherungsteuer.
    Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage im Unternehmensbereich, im wesentlichen durch Änderungen bei den Gewinnermittlungsvorschriften, ändert nichts an einer deutlichen Entlastung. Ein kleiner Familienbetrieb mit einem Gewinn von 150 000 DM wird dennoch um etwa 2 700 DM entlastet. Ein mittelständisches Einzelunternehmen mit einem Gewinn von 450 000 DM wird auch bei einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage um 50 000 DM noch um etwa 19 000 DM entlastet. Die Steuerentlastung durch den Zukunftstarif 1999 verbessert die Ertragserwartungen der Unternehmen, und gute Ertragserwartungen führen zu Investitionen und zu neuen Arbeitsplätzen.
    Ich habe es vorhin schon gesagt: Vorzieheffekte sind wahrscheinlich. Heute kann man die günstigen Abschreibungen nutzen und ab 1999 von der günstigeren Besteuerung der Gewinne profitieren.
    Dieser Vorzieheffekt würde durch den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer zusätzlich unterstützt. Ich habe jetzt einen fairen Kompromißvorschlag zur Beteiligung der Kommunen vorgelegt. Die Kommunen verlangen 2,3 Prozent Umsatzsteuer. Wir hatten auf Grund unserer Berechnungen 1,9 Prozent vorgesehen, und wir haben 2,1 Prozent angeboten. Ich hoffe, wir kommen bald zu einem Abschluß.
    Steuerpolitik, meine Damen und Herren, hört für uns nicht an den Grenzen auf. Der Wettbewerb der Steuersysteme ist erforderlich. Unfairen Praktiken muß Einhalt geboten werden. Eine besondere Expertengruppe wird Kriterien für unfaire Praktiken und einen Verhaltenskodex erarbeiten. Über den Fortgang wird schon auf der nächsten Sitzung des Ecofin berichtet. Wir werden Vorschläge machen. Es gab dazu auf der Ecofin-Tagung am vergangenen Montag unter dem neuen niederländischen Vorsitz ganz neue, sehr beachtliche Töne.
    Unser Konzept faßt die Probleme an der Wurzel. Es ist offensiv, wachstums- und zukunftsorientiert. Die

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Verteilung des Mangels zur Behebung der Arbeitslosigkeit reicht nicht aus. Das war der Grundgedanke von Ludwig Erhard: Wachstum und mehr Beschäftigung zu schaffen und nicht den Mangel zu verwalten. Sie, Herr Lafontaine, sind nichts anderes als ein Umverteilungspolitiker ohne neue Wachstumsimpulse.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber, Herr Ministerpräsident, wir nehmen Ihr Gesprächsangebot gerne an.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Wir sind bereit, die Steuerreform schon zum 1. Januar 1998 umzusetzen.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Jawohl! Sehr gut!)


Rede von Oskar Lafontaine
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Dazu müssen Sie unsere Vorschläge aufgreifen, bereit sein, auf unseren Referenten- und Regierungsentwurf einzugehen,

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr richtig! Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aha!)

dann produktiv im Bundesrat und im Finanzausschuß des Bundestages mitzuarbeiten

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es!) und auf ein Vermittlungsverfahren zu verzichten,


(Lachen bei der SPD)

damit wir dann spätestens im August das Gesetzgebungsverfahren abschließen können. Denn wir benötigen ein halbes Jahr - die Bürger, die Steuerverwaltung, die Steuerberater, wir alle zusammen - für eine entsprechende Vorbereitung. Wer dazu nicht bereit ist, der macht einen billigen Jakob, der macht ein billiges Angebot, ohne wirklich an die Realisierung zu glauben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Nehmen Sie, Herr Ministerpräsident und die SPD, von Ihrer Blockadehaltung und von der Verweigerung Abschied! Seien Sie endlich bereit, mit uns konstruktiv an den Dingen zu arbeiten! Dann wird die Zukunft Deutschlands, was die Beschäftigung der Menschen anbelangt, entscheidend verbessert werden können.
Ich danke Ihnen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P. Zurufe von der CDU/ CSU: Bravo!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Abgeordneten Joachim Poß das Wort.