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    Plenarprotokoll 13/154 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. Januar 1997 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Erika Reinhardt, Regina Schmidt-Zadel und Dr. Willibald Jacob . 13809 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 13809 B Absetzung des Punktes 11 von der Tagesordnung 13809 C Rücknahme einer Ausschußüberweisung 13809 D Nachträgliche Ausschußüberweisung . . 13809 D Begrüßung des Vorsitzenden des Parlaments von Georgien, Herrn Surab Schwanija, und seiner Delegation . . . 13833 D Tagesordnungspunkt 2: a) Erklärung der Bundesregierung: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung . . . . 13810A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Drucksache 13/6787) 13810 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Verbesserung des Jugendaustausches zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik . . . 13810 A - zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Gysi, Heinrich Graf von Einsiedel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Förderung des deutsch-tschechischen Jugendaustausches (Drucksachen 13/5542, 13/5579, 13/ 6595) 13810A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Drucksache 13/6848) 13810B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 13810 B Rudolf Scharping SPD 13812 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 13815 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13818D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 13821 B Dr. Gregor Gysi PDS 13823 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 13825 C Günter Verheugen SPD 13828 D Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 13831 C Markus Meckel SPD 13834 A Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 13835 C Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 13837 D Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Drucksache 13/6849) 13839 A Ergebnis 13839 B Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. (Drucksache 13/6848) 13841 C Ergebnis 13842 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) (Drucksachen 13/ 3994, 13/5057, 13/5663, 13/5679, 13/ 6825) 13844 C Erwin Marschewski CDU/CSU (Erklärung) 13844 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des ErblastentilgungsfondsGesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost (Drucksachen 13/6088, 13/6336, 13/ 6667, 13/6826) 13844 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS (Erklärung nach § 31 G0) 13845 A Tagesordnungspunkt 12: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-MittelmeerAbkommen vom 20. November 1995 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (Drucksache 13/6616) 13846 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Drucksache 13/6618) 13846 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Energieeinsparung bei Haushaltsgeräten (Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz) (Drucksache 13/6723) 13846 B d) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Nachweises der Eigentümerstellung und der Kontrolle von Luftfahrtunternehmen für die Aufrechterhaltung der Luftverkehrsbetriebsgenehmigung und der Luftverkehrsrechte (Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz) (Drucksache 13/6820) . 13846 B e) Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vorzeitige Realisierung und Finanzierung der Eisenbahnstrecke „Mitte-Deutschland-Linie" (Drucksache 13/4040) . . 13846 C f) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Lüth, Dr. Heidi Knake-Werner, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Neuordnung der Ausbildung in den Altenpflegeberufen in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 13/6529) 13846 C g) Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Berücksichtigung sozialer und ökologischer Mindeststandards in der EU- Bananenverordnung (Drucksache 13/ 6625) 13846 D h) Antrag des Bundesministeriums für Wirtschaft: Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" für das Wirtschaftsjahr 1995 (Drucksache 13/6700) . . . 13846 D Tagesordnungspunkt 13: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Revision des Übereinkommens vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung (Drucksachen 13/5718, 13/6631) 13847 A b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea über den Luftverkehr (Drucksachen 13/4797, 13/6694) 13847 B c) Zweite Beratung und Schlußabstimmunung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. August 1994 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über den Luftverkehr (Drucksachen 13/6167, 13/6745) . . . 13847 B d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. November 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Usbekistan über den Luftverkehr (Drucksachen 13/6168, 13/6746) 13847 C e) Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß § 93a Abs. 4 der Geschäftsordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - Prüfung der rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen sowie der Beziehungen der Beobachtungsstelle zum Europarat - (Drucksachen 13/ 6129 Nr. 2.1, 13/6638) 13847 D f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission „Initiative für den Ostseeraum" (Drucksachen 13/5555 Nr. 2.22, 13/ 6509) 13848A g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Angelika Graf (Rosenheim) sowie weiterer Abgeordneter: Information der Bundesregierung für Urlauberinnen und Urlauber - Überarbeitung der „Ferienfahrt"-Broschüre (Drucksachen 13/4728, 13/6510) . . . 13848A h) bis m) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses Sammelübersichten 135, 136, 162, 172, 173, 174 zu Petitionen (Drucksachen 13/5136, 13/5137, 13/6328, 13/6740, 13/6741, 13/6742) 13848B Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Michaele Hustedt, Dr. Jürgen Rochlitz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) (Drucksache 13/2684) 13848 D b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) (Drucksache 13/5357 [neu]) 13849A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13849 B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 13849 C Claus Möller, Minister (Schleswig-Holstein) 13851D, 13862 C Paul K. Friedhoff F.D.P 13853 A Rolf Köhne PDS 13854 A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 13854 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13855D, 13859 A Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD . . . . 13856 C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . 13858 A Dr. Hermann Scheer SPD 13859 C Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . 13860D, 13862 C Eckart Kuhlwein SPD 13862 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 13863 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Risiken der Transrapid-Finanzierung 13863 C Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13863 C Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . 13864 C Elke Ferner SPD 13866 B Horst Friedrich F.D.P. 13867 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 13868 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 13869 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13871 C Hans Georg Wagner SPD 13873 A Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 13874 A Eckart Kuhlwein SPD 13875 C Dr. Berndt Seite, Ministerpräsident (Mecklenburg-Vorpommern) 13876 B Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 13877 D Klaus Hasenfratz SPD 13879 A Werner Kuhn CDU/CSU 13880 B Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Otto Schily, Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus in den osteuropäischen Staaten (Drucksache 13/6844) 13881 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Bernd Reuter, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht'' (Drucksache 13/6824) 13881 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13882 A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 13883 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13884A, 13894 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13884D, 13888D, 13890D Siegfried Vergin SPD 13885 C Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 13887 A Dr. Wilfried Penner SPD 13887 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 13887 D Ulla Jelpke PDS 13889 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 13890 C Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . 13891 A Uta Titze-Stecher SPD 13891 C Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin BMF 13893 C Tagesordnungspunkt 5: a) Große Anfrage der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Effizienz des Hauptstadtumzugs - Teil I Bauplanung (Drucksachen 13/4123, 13/6594) 13895 A b) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Franziska EichstädtBohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Effizienz des Hauptstadtumzugs - Teil II: Verwaltungsreform, Personalkonzept, Wohnungsfürsorge (Drucksachen 13/4731, 13/6627) 13895 A c) Antrag der Abgeordneten Oswald Metzger, Franziska Eichstädt-Bohlig, Dr. Antje Vollmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einsetzung eines Sonderausschusses BerlinUmzug (Drucksache 13/3989) . . . . 13895 B d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Ökologische Konzepte für die Parlaments- und Regierungsbauten in Berlin (Drucksachen 13/3042, 13/5156) 13895 B e) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zum Stand der Maßnahmen der Bundesregierung zum Umzug nach Berlin und zum Ausgleich für die Region Bonn (Ducksache 13/5371) . . 13895 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Hanns-Peter Hartmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Arbeitsaufnahme des Deutschen Bundestages ab 1. Mai 1999 in Berlin (Drucksache 13/6821) . . . . 13895 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13895D, 13905 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 13896 B Peter Conradi SPD 13896 D Brigitte Baumeister CDU/CSU . . . 13897 B Dr. -Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 13898D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . 13899A, 13903C, 13904 B, 13911 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 13900 A Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 13901 A Ulrich Heinrich F D P. 13903 B Klaus-Jürgen Warnick PDS 13905 B Brigitte Baumeister CDU/CSU 13906 C Peter Conradi SPD 13908 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 13910 A Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Klaus Lennartz, Dr. Marliese Dobberthien, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Minimierung hormonell wirkender Chemikalien, die ins Wasser gelangen (Drucksache 13/4786) . . . . 13913 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Rochlitz, Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen eine Umweltgefährdung durch hormonell wirksame Chemikalien (Drucksache 13/6146) 13913 A Klaus Lennartz SPD 13913 B Dr. Harald Kahl CDU/CSU 13915 A Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13916B Günther Bredehorn F.D.P. 13917 B Eva Bulling-Schröter PDS 13918 A Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 13918 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (Drucksache 13/6346) 13919 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13919D Peter Letzgus CDU/CSU 13921 A Monika Ganseforth SPD 13922 B Horst Friedrich F.D.P. 13924 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS 13925 A Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 13925 D Tagesordnungspunkt 8: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Dr. UweJens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten Schutz der Nutzerinnen und Nutzer von Grundstücken in den neuen Bundesländern (Nutzerschutzgesetz) (Drucksachen 13/2822, 13/6819) . . 13926D Horst Eylmann CDU/CSU 13927 A Hans-Joachim Hacker SPD 13927 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13929 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 13930A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 13930 D Dr. Michael Luther CDU/CSU 13932 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Amateurfunk (Amateurfunkgesetz) (Drucksache 13/ 6439) 13933 B Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMPT 13933 C Gerhard Rübenkönig SPD 13934 B Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 13935 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13936 C Dr. Max Stadler F.D.P. 13937 C Nächste Sitzung 13938 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 13939* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jürgen Augustinowitz, Wilhelm Dietzel, Manfred Grund und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . . 13939* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Dr. Alfred Dregger und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) 13941* A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Albert Deß, Dr. Wolfgang Götzer, Susanne Jaffke und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . . 13942* A Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwickung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) CDU/ CSU 13943 D Dr. Michael Meister CDU/CSU 13944* A Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 13944* B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Ludwig Elm, Wolfgang Bierstedt, Petra Bläss und weiterer Abgeordneter der Gruppe der PDS zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) 13944* C 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. Januar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 30. 1. 97 * Antretter, Robert SPD 30. 1. 97 * Behrendt, Wolfgang SPD 30. 1. 97 * Bindig, Rudolf SPD 30. 1. 97 * Blunck, Lilo SPD 30. 1. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30. 1. 97 * Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 30. 1. 97 Harmut Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 30. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 30. 1. 97 * Hartenbach, Alfred SPD 30. 1. 97 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 30. 1. 97 Horn, Erwin SPD 30. 1. 97 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 30. 1. 97 * Dr. Jacob, Willibald PDS 30. 1. 97 Kolbow, Walter SPD 30. 1. 97 ** Leidinger, Robert SPD 30. 1. 97 Lenzer, Christian CDU/CSU 30. 1. 97 * Marten, Günter CDU/CSU 30. 1. 97 * Dr. Probst, Albert CDU/CSU 30. 1. 97 * Purps, Rudolf SPD 30. 1. 97 Reuter, Bernd SPD 30. 1. 97 Saibold, Halo BÜNDNIS 30. 1. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Scheer, Hermann SPD 30. 1. 97 * Schild, Horst SPD 30. 1. 97 Schloten, Dieter SPD 30. 1. 97 * von Schmude, Michael CDU/CSU 30. 1. 97 * Dr. Schnell, Emil SPD 30. 1. 97 Siebert, Bernd CDU/CSU 30. 1. 97 * Terborg, Margitta SPD 30. 1. 97 * Tröscher, Adelheid SPD 30. 1. 97 Türk, Jürgen F.D.P. 30. 1.97 Vosen, Josef SPD 30. 1. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 30. 1. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jürgen Augustinowitz, Wilhelm Dietzel, Manfred Grund, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Dr. Gerhard Päselt, Dr. Peter Paziorek, Wolfgang Steiger (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Gutnachbarliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind engagiertes Anliegen deutscher Politik und auch der aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen, damit vergangenes Leiden zukünftigen Generationen nicht widerfahren möge. Das tschechische und das deutsche Volk haben über Jahrhunderte hinweg friedlich und freundschaftlich miteinander und nicht nur nebeneinander gelebt. Durch tragische politische Ereignisse und Unrecht von beiden Seiten verkehrte sich in diesem Jahrhundert dieses Miteinander ins Gegenteil, was zu einer verhängnisvollen Entwicklung in der Zeit nach 1918 bis zum Jahre 1938, zwischen 1938 und 1945 und nach 1945 führte. Als Deutsche, die wissen, daß die Vertreibung gesamtdeutsches Schicksal war und ist, fühlen wir uns dem Werk der Verständigung zwischen den Völkern Europas in besonderer Weise verpflichtet, insbesondere auch dem deutsch-tschechischen Miteinander. Die Sudetendeutschen haben in der Vergangenheit engagiert dazu beigetragen, den Teufelskreis von Haß und Gewalt in Europa zu durchbrechen, und den Menschen, die sie vertrieben, die Hand zur Versöhnung schon früh gereicht. Die vielfachen Kontakte bei den jährlich Hunderttausenden von Besuchsreisen Sudetendeutscher in ihre Heimat und die Millionen DM an Spenden, die vertriebene Sudetendeutsche für die Restaurierung und den Wiederaufbau von Kirchen oder anderen Kulturdenkmälern in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien aufgebracht haben, beweisen, daß Aussöhnung und Verständigung zwischen den Menschen gelebte Praxis ist. Auf dieser Basis sind seit dem Fall des Eisernen Vorhanges viele persönliche Bindungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen entstanden und auch ein oft freundschaftliches Miteinander. Wir sind der festen Auffassung, daß unabhängig von diesem positiven Prozeß Aussöhnung und Verständigung über die offizielle Ebene nur zu erreichen sein wer- den, wenn beiderseits der geschichtlichen Wahrheit Raum gegeben wird. Wir stellen fest, daß die gemeinsame Erklärung eine politische Absichtserklärung der Regierungen ist, die die Gültigkeit von Verträgen und von individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließenden Regelungen enthält. Wir teilen die Auffassung von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, daß es zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik noch eine Menge Probleme gibt, die mit dem Text der gemeinsamen Erklärung nicht angesprochen und auch nicht erledigt sind. Wir bedauern jedoch, daß in dieser Erklärung - die tschechische Seite die Vertreibung der Sudetendeutschen als Ganzes nicht eindeutig und klar als Verbrechen verurteilt, sondern nur deren Folgen bedauert, - die tschechische Seite nicht in der Lage ist, in der tschechischen Fassung den Begriff „Vertreibung" mit derselben Vokabel („vyhnáni") zu bezeichnen, die im deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 verwendet wurde, sondern einen abschwächenden Begriff bei der Übersetzung des Begriffes „Vertreibung" benutzt, - das den Sudetendeutschen zustehende Menschenrecht auf die Heimat keinen Eingang in die gemeinsame Erklärung gefunden hat, - die Erklärung den deutsch-tschechischen Geschichtsverlauf nicht korrekt und vollständig wiedergibt; für die Entwicklung mitursächliche historische Vorgänge aus der Zeit nach 1918 sind unterschlagen und Ereignisse des Jahres 1938 nicht den Tatsachen entsprechend wiedergegeben worden, - die tschechische Seite zu keiner ausreichenden Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten mit ihren Enteignungs- und Entrechnungsmaßnahmen gegenüber den Sudetendeutschen bereit war und das Totalamnestiegesetz vom 8. Mai 1946 mit seiner Ex-tunc-Straffreistellung begangener und bereits abgeurteilter Verbrechen an Deutschen nicht aufgehoben hat, obwohl dieses mit den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten unvereinbar ist, - eine Möglichkeit zur Lösung individueller Eigentums- und Vermögensansprüche nicht einmal in Form einer symbolischen Geste von tschechischer Seite in Aussicht gestellt wird. Wir verkennen darüber hinaus nicht, daß die Beratungen im Vorfeld der Deutsch-Tschechischen Erklärung einen Prozeß des Nachdenkens und auch des Erkennens in der Tschechischen Republik ausgelöst haben, der positiv für die Zukunft sein kann, und sehen als Fortschritte in der vorliegenden gemeinsamen Erklärung an: - Die tschechische Seite bedauert erstmals das Leid und das Unrecht, das durch die Vertreibung der Sudetendeutschen, deren Enteignung und die kollektive Schuldzuweisung entstanden ist. Erstmals rückt die tschechische Seite in einer politischen Erklärung von dem sogenannten Amnestiegesetz ab, das Verbrechen an Sudetendeutschen für straffrei erklärt. - Die gemeinsame Erklärung, insbesondere Ziffer VI, und der begleitende Briefwechsel können einen ersten Schritt bedeuten, vertriebenen Sudetendeutschen eine Möglichkeit zu eröffnen, unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in ihrer angestammten Heimat zu leben. - Mit dem deutsch-tschechischen Gesprächsforum werden vielfältige Gelegenheiten zur Begegnung und zum partnerschaftlichen Dialog geschaffen, wobei insbesondere die Sudetendeutschen einbezogen werden müssen. - Der deutsch-tschechische Jugendaustausch ist im Vorfeld der gemeinsamen Erklärung auf eine neue Grundlage gestellt worden und soll weiter intensiviert werden. Dies greift u. a. auch die Forderung der Sudetendeutschen Jugend auf, deren Einbeziehung hier besondere Bedeutung zukommt. Wir, die wir der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung wegen ihrer Mängel nicht zuzustimmen vermögen und uns somit der Stimme enthalten, erwarten für die Zukunft folgendes: - Einen Prozeß der offenen und ehrlichen Aufarbeitung gemeinsamer Geschichte. - Die Sudetendeutschen und ihre Vertreter müssen in den offiziellen Dialog zwischen Deutschen und Tschechen auf den verschiedensten Ebenen eingebunden werden. - Bei Maßnahmen, die aus den Mitteln des Zukunftsfonds finanziert werden, müssen auch sudetendeutsche Projekte und insbesondere solche Sudetendeutsche berücksichtigt werden, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. - Die in ihrer angestammten Heimat verbliebenen Sudetendeutschen müssen ihre kulturelle und sprachliche Identität bewahren und ihre Volksgruppen- und Bürgerrechte einschließlich ihrer Eigentumsrechte ohne Einschränkung wahrnehmen können. - Für das unveräußerliche Heimatrecht der Sudetendeutschen müssen in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld einer Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU konkrete Möglichkeiten der Verwirklichung geschaffen werden. Vor dem Hintergrund, daß die Sudetendeutschen bereits im Jahr 1949, wenige Jahre nach ihrer Vertreibung, in der sogenannten „Eichstätter AdventsDeklaration" erklärt haben, „nicht Vergeltung, sondern Gerechtigkeit" anzustreben, sich also zu einem christlich-humanistischen Europa, zu Menschenrechten und zum Weltfrieden bekannt haben, und angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, die noch ungelösten Fragen zum deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise im Wollen einer gemeinsamen Zukunft beider Völker in einer gesamteuropäischen Union zu für alle Seiten befriedigenden Lösungen zu gelangen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit keine Einbahnstraßen sind. In Abwägung all dieser Gesichtspunkte ist uns wegen der Schwächen der Deutsch-Tschechischen Erklärung einerseits und unseres Eintretens für Versöhnung und Zusammenarbeit andererseits weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung dieser Erklärung möglich. Somit haben wir uns der Stimme enthalten. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Blank, Dr. Wolfgang Bötsch, Dr. Alfred Dregger, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauer, Dr. Gerhard Friedrich, Erich G. Fritz, Michaela Geiger, Norbert Geis, Michael Glos, Dr. Wolfgang Götzer, Wolfgang Gröbl, Gerda Hasselfeldt, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Georg Janovsky, Helmut Jawurek, Bartholomäus Kalb, Peter Keller, Hartmut Koschyk, Rudolf Kraus, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Eduard Lintner, Sigrun Löwisch, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Friedrich Merz, Hans Michelbach, Elmar Müller (Kirchberg), Dr. Gerd Müller, Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Hans Raidel, Dr. Peter Ramsauer, Otto Regenspurger, Roland Richter, Dr. Klaus Rose, Dr. Christian Ruck, Heinz Schemken, Gerhard Scheu, Dietmar Schlee, Christian Schmidt (Fürth), Horst Seehofer, Marion Seib, Heinz-Georg Seiffert, Carl-Dieter Spranger, Bärbel Sothmann, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Theodor Waigel, Dr. Jürgen Warnke, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Erstens. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sind unser zentrales Anliegen. In den vergangenen sieben Jahren ist die deutsch-tschechische Verständigung entscheidend vorangekommen und vollzieht sich auf allen Ebenen. In vielfachen menschlichen Begegnungen sind gerade von den Sudetendeutschen Brücken in die Zukunft gebaut worden. Wir erwarten, daß die Sudetendeutschen und ihre offiziellen Vertreter jetzt auch von seiten des tschechischen Staates und seiner Regierung in den Versöhnungsprozeß und den Dialog miteinbezogen werden. Die Deutsch-Tschechische Erklärung bedeutet weder Schlußstrich noch Abschluß im deutsch-tschechischen Verhältnis. Sie ist eine politische Absichtserklärung der Regierungen, die die Gültigkeit von Verträgen und individuellen Rechtsansprüchen nicht berührt und zu den offenen Fragen des deutsch-tschechischen Verhältnisses keine abschließende Regelung enthält. Zweitens. Die Darstellung der historischen Abläufe in der Erklärung ist nicht vollständig. Die Geschichte hat nicht erst 1938 begonnen. In der Erklärung wird die Vertreibung klar beim Namen genannt. Im deutschen Text wird das Wort „Vertreibung" benutzt. In der tschechischen Version hat man zu einem ungebräuchlicheren Begriff Zuflucht genommen, der übersetzt allerdings auch „Vertreibung" bedeutet. Drittens. Das Recht auf die Heimat ist durch die Erklärung nicht verwirklicht. Wir anerkennen allerdings, daß durch die Erklärung und den dazugehörigen Briefwechsel Wege zu einem Daueraufenthaltsrecht in der Tschechischen Republik eröffnet werden, wodurch auch Eigentumserwerb möglich wird. Wir erwarten, daß in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU weitere konkrete Möglichkeiten zur Verwirklichung des Heimatrechts folgen. Viertens. Die Erklärung kann in die Zukunft weisen, wenn sie im Sinne der Versöhnung, der Gerechtigkeit und der historischen Wahrheit ausgelegt wird. Die Erklärung spricht klar aus, daß durch die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde. Vertreibung läßt sich durch nichts rechtfertigen. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war völkerrechtswidriges Unrecht. Die Erklärung bezeichnet auch die Folgen der Vertreibung, Enteignung und Ausbürgerung, als Quelle von Leid und Unrecht unschuldiger Menschen. Wir begrüßen dies als Distanzierung von den sogenannten Beneš-Dekreten. Erstmals bedauert die tschechische Seite explizit den kollektiven Charakter der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen. Mit Genugtuung sehen wir, daß sich die Tschechische Republik vom sogenannten Amnestiegesetz von 1946 distanziert und dessen rechtsstaatswidrigen Kern bloßlegt, der im Klima des Hasses und der Revanche der Nachkriegszeit wurzelt. Die Erklärung bedeutet keine Billigung der nach dem Krieg erlassenen tschechoslowakischen Gesetze, die sich auf die Vertreibung der Sudetendeutschen beziehen, oder die Anerkennung der auf deren Grundlage ergangenen Rechtsprechung. Fünftens. Wir begrüßen die Schaffung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, aus dem Projekte gemeinsamen Interesses finanziert werden sollen, insbesondere die Jugendbegegnung und ein deutsch-tschechisches Gesprächsforum. Der Ausgestaltung dieser Zukunftsprojekte kommt für das deutsch-tschechische Verhältnis entscheidende Bedeutung zu. Die Sudetendeutschen müssen darin einen nach Geschichte und Tradition angemessenen Platz finden. Die Mittel des Zukunftsfonds müssen auch den Anliegen der Sudetendeutschen zugute kommen. Aus den Mitteln des Zukunftsfonds sollten auch Projekte finanziert werden, die Sudetendeutschen zugute kommen, die von der Vertreibung besonders schwer und nachhaltig betroffen wurden. Wir begrüßen die im Verlauf der Verhandlungen erreichten substantiellen Verbesserungen der Erklärung und werden den weiteren Prozeß der Versöhnung konstruktiv begleiten. Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für die berechtigten Anliegen unserer sudetendeutschen Landsleute eintreten. Die Annäherung der Tschechischen Republik an EU und NATO muß genutzt werden, Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Angesichts der vielfältigen individuellen Verständigungsarbeit der Betroffenen hoffen wir, daß rund 50 Jahre nach der Vertreibung und rund acht Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft die Zeit dafür reif ist, für die noch offenen Fragen im deutsch-tschechischen Verhältnis schrittweise für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erreichen. Das aber wird nur gelingen, wenn Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Maßstab sind. In der Absicht zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa beizutragen, stimmen wir der deutsch-tschechischen Erklärung trotz ihrer Schwächen zu. Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Herbert Frankenhauer Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Michaela Geiger Norbert Geis Michael Glos Wolfgang Gröbl Gerda Hasselfeldt Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Ernst Hinsken Helmut Jawurek Bartholomäus Kalb Peter Keller Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Eduard Lintner Sigrun Löwisch Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Friedrich Merz Hans Michelbach Elmar Müller (Kirchberg) Eduard Oswald Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Otto Regenspurger Roland Richter Dr. Klaus Rose Dr. Christian Ruck Heinz Schemken Gerhard Scheu Dietmar Schlee Christian Schmidt (Fürth) Horst Seehofer Marion Seib Heinz-Georg Seiffert Carl-Dieter Spranger Bärbel Sothmann Max Straubinger Matthäus Strebl Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Theodor Waigel Dr. Jürgen Warnke Dagmar Wöhrl Der Interpretation und Bewertung der DeutschTschechischen Erklärung schließen wir uns an und unterstützen die darin ausgedrückten Erwartungen an die künftigen deutsch-tschechischen Beziehungen. In Abwägung des Leides und Unrechts, das durch Vertreibung den Sudetendeutschen geschehen ist, können wir wegen der Schwächen der DeutschTschechischen Erklärung nicht zustimmen. Renate Blank Dr. Wolfgang Götzer Josef Hollerith Dr. Gerd Müller Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Georg Janovsky Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Albert Deß, Dr. Wolfgang Götzer, Susanne Jaffke, Dr. Egon Jüttner, Heinrich Lummer, Rudolf Meinl, Angelika Pfeiffer, Erika Reinhardt, Dr. Erich Riedl (München), Kurt J. Rossmanith, Johannes Singhammer, Erika Steinbach, Dr. Fritz Wittmann (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Zu der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitige Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997 stellen wir fest: Das deutsche und das tschechische Volk haben über Jahrzehnte hinweg friedlich und freundschaftlich miteinander gelebt. Durch tragische politische Ereignisse zerbrach dieses Miteinander nach 1918. Seit dem Fall des Eisernen Vorhanges sind Aussöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen mehr und mehr gelebte Praxis in vielfachen menschlichen Begegnungen. Insbesondere die Sudetendeutschen haben sich in herausragender Weise für Hilfen und den Wiederaufbau ihrer alten Heimat in Böhmen, Mähren oder Sudetenschlesien engagiert. Die Deutsch-Tschechische Erklärung ist dieser Entwicklung nicht hilfreich und enttäuscht insbesondere die Hoffnungen der Sudetendeutschen auf Gerechtigkeit. Dauerhafter Rechtsfrieden erfordert von beiden Seiten die Bereitschaft zum Geben und Nemen. Die Erklärung enthält diesbezüglich gravierende Defizite, die durch eine wirkliche Beteiligung der Sudetendeutschen hätten vermieden werden können: - Entgegen der von beiden Seiten bekundeten Überzeugung, daß „Unrecht nicht ungeschehen gemacht, sondern allenfalls gemildert werden kann" (Einleitung), fehlt jeder Ansatz zu einer Aufarbeitung des Unrechts der Vertreibung als solcher von über 3 Millionen Sudetendeutschen und ihrer fortwirkenden Folgen. Physische und psychische Spätfolgen systematischer Mißhandlungen, teilweise jahrelanger Internierung und Zwangsarbeit unter unwürdigen Bedingungen werden übergangen. Die entschädigungslosen Vermögensentziehungen werden in ihrer Völkerrechtswidrigkeit ignoriert. - Das Bekenntnis der deutschen Seite „zur Verantwortung Deutschlands für seine Rolle in einer historischen Entwicklung, die zum Münchener Abkommen von 1938, der Flucht und Vertreibung von Menschen aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet sowie zur Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakei geführt hat" (II), verschweigt die inneren Entwicklungen der CSR von 1918 bis 1938 mit der systematischen Diskriminierung und Majorisierung der Deutschen, Slowaken und Madjaren. - Die Aussage, daß „jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat" (IV), wirkt erschütternd auf das Rechtsbewußtsein vieler Menschen, weil dadurch der Anschein erweckt wird, die völkerrechtswidrige Vertreibung und die Enteignungen der Sudetendeutschen sowie die Feststellung, daß die Straftaten gegen Deutsche, Ungarn u. a. „nicht rechtswidrig" seien, würden hingenommen. - Die Erklärung läßt in allen Teilen jeden Respekt vermissen gegenüber tschechischen Vertretern nonkonformer Anschauungen, zu deren nobelsten Vertretern die Repräsentanten des demokratischen tschechischen Exils, die schon 1950 mit den vertriebenen Sudetendeutschen das in die Zukunft weisende Wiesbadener Abkommen unterzeichneten, gehören und zu denen auch lange Zeit Václav Havel zu zählen war. - Die gemeinsame Erklärung, daß Deutschland und die Tschechische Republik „ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden" (IV), klammert reale Probleme und fortwirkendes Unrecht aus. Es ist ein nicht auflösbarer Widerspruch, wie die parlamentarische Billigung der Erklärung zu vereinbaren sein soll mit der einstimmig angenommenen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1994 (BT-Drucksache 12/3369) mit dem dort enthaltenen Auftrag an die Bundesregierung, ,,... sich für die bessere Durchsetzung der bestehenden völkerrechtlichen Schutzmechanismen vor Vertreibung einzusetzen; ... über die Durchsetzung des Rückkehrrechts in die Heimat hinaus Möglichkeiten zu prüfen, wie Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverpflichtungen der Vertreiber geregelt werden können ... " Der Prozeß der Aussöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen hat in den vergangenen Jahren im Wege der „Volksdiplomatie" auch durch viele praktische Initiativen Sudetendeutscher in ihrer Heimat entscheidende Fortschritte gemacht. Dies zu ermutigen sollte als politische Aufgabe verstanden werden. Hierzu mögen die von Deutschland und der Tschechischen Republik beabsichtigte Schaffung eines gemeinsamen Fonds, über dessen konkrete Ausgestaltung die Bundesregierung mit den Sudetendeutschen sprechen sollte, sowie die Bildung eines ständigen Gesprächsforums für alle interessierten, zu ehrlichem Dialog bereiten Gruppen Beiträge leisten. Dazu gehören die Sudetendeutschen. Der Auf- und Ausbau des deutsch-tschechischen Jugendaustausches ist zu begrüßen und wurde schon seit Jahren von der Sudetendeutschen Jugend gefordert. Insgesamt überwiegen die schweren Bedenken gegen den Gesamtwortlaut der Erklärung, die wir daher ablehnen. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) (CDU/CSU): Der Deutsch-Tschechischen gemeinsamen Erklärung stimme ich zu. Für die Zukunft der Beziehungen beider Staaten sind aus meiner Sicht folgende Ziele anzustreben: erstens die Fortsetzung einer umfassen- den, offenen und ehrlichen Aufarbeitung gemeinsamer Geschichte; zweitens die kontinuierliche Einbeziehung der Sudetendeutschen und ihrer Vertreter in den offiziellen Dialog zwischen Deutschen und Tschechen auf den verschiedensten Ebenen. Drittens. Bei Maßnahmen, die aus Mitteln des Zukunftsfonds finanziert werden, sind sudetendeutsche Projekte schwerpunktmäßig zu berücksichtigen, insbesondere solcher Sudetendeutscher, die von der Vertreibung schwer und nachhaltig betroffen wurden. Viertens. Die in ihrer angestammten Heimat verbliebenen Sudetendeutschen sollen dahingehend unterstützt werden, ihre kulturelle und sprachliche Identität zu bewahren und ihre Volksgruppen- und Bürgerrechte einschließlich ihrer Eigentumsrechte ohne Einschränkung wahrnehmen zu können. Fünftens. Für das Heimatrecht der Sudetendeutschen sind in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen, vor allem im Zuge einer Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU, konkrete Möglichkeiten der Verwirklichung bald zu schaffen. Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, daß die Aussöhnung zwischen ehemals befeindeten Nationen mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung nicht abgeschlossen werden kann. Deshalb verstehe ich diese Erklärung als Basis, auf der sich nun der weitere Aussöhnungsprozeß vollziehen kann. Der Text dieser Deutsch-Tschechischen Erklärung läßt für viele Bürgerinnen und Bürger wichtige Fragen offen. Zentrale Ereignisse unserer gemeinsamen Vergangenheit können wohl erst im Rahmen des weiteren Aussöhnungsprozesses , insbesondere zwischen den Menschen unserer beiden Staaten, einer gemeinsamen Position zugeführt werden. Die Deutsch-Tschechische Erklärung findet in der vorgelegten Form deshalb vor allem aus grundsätzlichen und staatspolitischen Erwägungen meine Zustimmung. Die Tatsache, daß dem Parlament der Inhalt der Erklärung erst zu einem Zeitpunkt bekannt wurde, als Änderungen nicht mehr möglich waren, hat meine Entscheidung für ein positives Votum nicht erleichtert. Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Ich vermag der Deutsch-Tschechischen Erklärung meine Zustimmung nicht zu geben, weil sie die Geschichte durch Weglassungen zugunsten einer Seite beschönigt und andauernde Rechtsverletzungen - namentlich die eigentumsrechtliche Diskriminierung auch solcher Sudetendeutscher, die seit Jahrzehnten die tschechische Staatsangehörigkeit besitzen - nicht anspricht. Wenn ich gleichwohl auch nicht gegen die Erklärung stimme, will ich damit zum Ausdruck bringen, daß mir die Hoffnung auf ein nachbarschaftliches, gleichberechtigtes Miteinander in einem gemeinsamen zukünftigen Europa letztlich wichtiger ist als alle Vergangenheitsbewältigung. Ich werde mich daher der Stimme enthalten. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Ludwig Elm, Wolfgang Bierstedt, Petra Bläss, Eva Bulling-Schröter, Maritta Böttcher, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Uwe-Jens Heuer, Gerhard Jüttemann, Dr. Christa Luft, Dr. Günther Maleuda, Christina Schenk, Dr. Winfried Wolf, Gerhard Zwerenz (alle PDS) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung - Drucksache 13/6848 - (Zusatztagesordnungspunkt 1) Wir enthalten uns der Stimme. Die Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen und Gespräche. Diese wurden und werden von Auseinandersetzungen begleitet, die die nachwirkenden Konflikte und Probleme der Vergangenheit ebenso wie andauernde Unterschiede der Interessen, der Sichtweisen und der politischen Bestrebungen in und zwischen beiden Ländern widerspiegeln. Beiderseitige Bemühungen sowohl um das schließliche Zustandekommen der Erklärung als auch um ihre hauptsächlichen Leitsätze für eine friedliche und gehjenseitig fruchtbare Gestaltung der Zusammenarbeit sprechen für das Dokument. Zu würdigen sind insbesondere die Geduld und das weitreichende Entgegenkommen der tschechischen Partner. Andererseits verbieten uns wesentliche Einschränkungen und kritikwürdige Momente eine Zustimmung. Sie gehen vor allem von deutscher Seite aus und entspringen einem zwiespältigen Umgang mit den Ereignissen und Erfahrungen der Geschichte beider Länder und Europas überhaupt im 20. Jahrhundert. Dazu gehören insbesondere: die fehlende Bereitschaft der Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland, endlich ebenso wie die Signatarstaaten England und Frankreich das Münchner Abkommen von 1938 als von Anfang an null und nichtig zu erklären und das Potsdamer Abkommen der vier Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition von 1945 als eine legitime und wesentliche Ausgangsposition und Grundlegung für das Europa der Nachkriegszeit, der Gegenwart und der Zukunft anzuerkennen; die unzureichend eindeutige historische, politische und moralische Charakteristik der entscheidenden Rolle und Verantwortung Nazideutschlands bei der Vorbereitung und Durchführung der verbrecherischen Aggression gegen die damalige Tschechoslowakei und zahlreiche weitere europäische Länder. Die damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschheit wie jahrelange Besatzung und Terror, Diskriminierung, Deportation, Zwangsarbeit und massenhafter Mord werden insgesamt und insbeson- dere im Verhältnis zur Beschreibung von späteren Rechtsverletzungen und Vergehen von tschechischer Seite nicht hinreichend benannt. Es ist unumgänglich, die auch in der DDR fälschlicherweise jahrzehntelang tabuisierten Ausschreitungen der bei der Durchführung der von den alliierten Siegermächten beschlossenen Aus- und Umsiedlung von Deutschen aus der damaligen Tschechoslowakei aufzuarbeiten und kritisch zu beurteilen. Die darüber hinausgehende Kritik an innen- und rechtspolitischen Entscheidungen dieses Landes nach 1945 erscheint als unangemessen, wenn nicht gleichzeitig jahrelang schwerwiegende Versäumnisse der BRD bei der Aufklärung und Sühne von Nazi- und Kriegsverbrechen - nicht zuletzt in den zwischen 1938 und 1945 besetzten Ländern - benannt werden. Schließlich und vor allem ist das Ausbleiben einer überfälligen Regelung der individuellen Entschädigungs- und Wiedergutmachungsansprüche tschechischer NS-Opfer und die in der Erklärung ebenfalls fehlende, für dauerhaft gutnachbarliche Beziehungen jedoch unverzichtbare Anerkennung der Tatsache zu nennen, daß die nach 1945 in der Tschechischen Republik entstandenen Eigentumsverhältnisse nicht mehr rückgängig zu machen sind. Wesentliche Erwartungen und nach mehr als einem halben Jahrhundert überfällige Regelungen werden mit der vorliegenden Erklärung nicht erfüllt. Die dafür vorhandenen Chancen wurden nicht genutzt. Die an den oben genannten Defiziten geübte Kritik begründet und verdeutlicht, warum uns eine Zustimmung zu dem erreichten Kompromiß nicht möglich ist. Das schließt durchaus den Respekt gegenüber jenen Politikern, politischen Gruppierungen und Bürgern der Tschechischen Republik ein, die im Interesse der Orientierung auf eine friedvolle und kooperative Zukunft beider Länder eigene begründete Bedenken und Vorbehalte zurückgestellt haben, aber auch gegenüber jenen, die aus ähnlichen Beweggründen die Erklärung ablehnen. Dem übergeordneten Ziel friedlicher und gutnachbarlicher Beziehungen ist auch unser hiermit begründetes Abstimmungsverhalten verpflichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute morgen hier zusammengekommen, um über ein wichtiges Kapitel deutscher und europäischer
    Geschichte, deutscher und europäischer Nachbarschaft miteinander zu sprechen. Es war das große Ziel deutscher Politik nach Gründung unserer Bundesrepublik, Verständigung und Versöhnung zwischen dem deutschen Volk und allen seinen Nachbarn zu erreichen. Alle deutschen Bundesregierungen, alle deutschen Bundeskanzler - Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt, Helmut Schmidt und auch ich selbst - haben mit ganzer Kraft für dieses Ziel gearbeitet.
    Im Verhältnis zu unseren westlichen Nachbarn waren große Schritte zur Verständigung und Versöhnung schon bald nach dem Krieg erfolgreich. Zwischen uns und unseren östlichen Nachbarn standen dagegen bis vor wenigen Jahren nicht nur die Vergangenheit und die Erfahrung des Krieges, sondern auch die Gegenwart des Eisernen Vorhangs. Dennoch gab es wegweisende Initiativen - ich erwähne hier vor allem Willy Brandt -, um ein neues Kapitel in unseren Beziehungen zu Polen und zur damaligen Tschechoslowakei zu beginnen. Doch erst mit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes hatten wir dazu eine wirkliche Chance, die wir dann genutzt haben. In der letzten Zeit haben wir vieles in diesem Sinne bewegen können.
    In der letzten Woche haben wir - die Bundesregierung gemeinsam mit der Regierung der Tschechischen Republik - die Deutsch-Tschechische Erklärung unterzeichnet. Der Weg zu dieser Erklärung war lang. Es geht nicht darum, einen Schlußstrich zu ziehen. Es ging und geht darum, auch im Verhältnis zu unseren tschechischen Nachbarn jene Themen offen anzusprechen und zu besprechen, die unseren Weg in eine gemeinsame Zukunft erschweren könnten.
    Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden. Gewalt und Unrecht haben auf beiden Seiten tiefe Wunden geschlagen und Bitterkeit hinterlassen. Dies alles kann nicht mit einer Erklärung aus der Welt geschafft werden. Es geht darum, als Nachbarn in Europa ehrlich miteinander umzugehen. Tschechen und Deutsche bekennen sich in der Erklärung zu ihrer geschichtlichen Verantwortung.
    Wir Deutschen wissen um das schwere Unrecht, das das nationalsozialistische Deutschland den Tschechen zugefügt hat. Das tschechische Volk - das wollen wir nie vergessen - hat damals länger als andere unter deutscher Okkupation, unter Unrecht und Krieg gelitten. Der Rassenwahn der Nationalsozialisten hat nicht zuletzt den Juden in der damaligen Tschechoslowakei Furchtbares angetan. Wir haben in diesem Haus am Montag dieser Woche auch der Opfer von Theresienstadt gedacht.
    Es entspricht christlich-jüdischer und humanistischer Tradition, auf den einzelnen Menschen zu schauen. Das millionenfache Leiden darf uns nicht den Blick auf das einzelne Opfer verstellen. Ich denke, es ist unsere menschliche Pflicht, das Leid der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nicht zu vergessen. Trauer ist kein Akt kleinlicher Aufrechnung. Weder wird deutsche Schuld durch das Unrecht der Vertreibung auch nur um ein Jota gemindert, noch hebt deutsche Schuld das Unrecht der Vertreibung auf.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Die Sudetendeutschen haben einen Anspruch darauf, daß wir vor der Tragik ihres Schicksals nicht die Augen verschließen, sondern das an ihnen verübte Unrecht beim Namen nennen. Unter uns leben noch viele, die durch persönliche Erinnerung an Flucht und Vertreibung unmittelbar und nachhaltig betroffen und geprägt sind.
    Vielen - Deutschen und Tschechen -, die selbst gelitten haben, fällt es nach wie vor schwer, das Leid der anderen vorbehaltlos anzuerkennen. Gerade sie bitte ich, gemeinsam mit uns - vor allem mit der jungen Generation beider Völker - in die Zukunft zu gehen. Dies sage ich mit großem Respekt auch zu jenen Kolleginnen und Kollegen hier im Deutschen Bundestag und im tschechischen Parlament, denen es nach der Erfahrung des eigenen Lebens nicht leicht fällt, der Deutsch-Tschechischen Erklärung zuzustimmen.
    Die Erklärung kann die noch fortbestehenden Wunden aus der Vergangenheit bei den Betroffenen nicht aus der Welt schaffen; sie kann die Geschichte auch nicht in allen ihren Einzelheiten erfassen und bewerten. Die Erklärung soll jedoch - bei allem Respekt für die verletzten Gefühle - einen Beitrag zur Aussöhnung leisten. Sie soll uns helfen, gemeinsam den Teufelskreis gegenseitiger Aufrechnung und Schuldzuweisung zu durchbrechen.
    Meine Damen und Herren, es gibt keinen Anspruch auf Vergebung. Versöhnung läßt sich nicht verordnen. Um so bewegender ist es, wenn Menschen sie wagen und ihre Herzen auch gegenüber jenen öffnen, die ihnen Unrecht zugefügt haben. Ich hoffe, die Bereitschaft zur Versöhnung wird auch bei denen wachsen, die mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung nicht einverstanden sind.
    Die große Mehrheit der Menschen in unseren Ländern will den Weg der Zusammenarbeit, ja der Freundschaft. Wir können dabei an die vielen guten Kapitel unserer langen und gemeinsamen Geschichte anknüpfen. Deutsche und Tschechen haben über Jahrhunderte hinweg Haus an Haus gelebt. Die Epochen friedlichen und geistig befruchtenden Zusammenlebens sind dabei weitaus länger und schöpferischer gewesen als die Zeiten bitterer Konfrontation.
    Der Text der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung geht klar und auch mutig auf strittige Abschnitte unserer gemeinsamen Geschichte ein. Dies - und das will ich betonen - hat es zwischen unseren Völkern in dieser Form noch nicht gegeben. Es ist nach meiner Überzeugung ein guter Text, der den festen Willen auf beiden Seiten zum Ausdruck bringt, gemeinsam in eine bessere, in eine europäische Zukunft zu gehen.
    Mein besonderer Dank gilt all jenen, die ihren Beitrag zum Zustandekommen dieser Erklärung geleistet haben. Ich danke vor allem den beiden Außenministern Josef Zieleniec und Klaus Kinkel sowie den beiden Unterhändlern Vizeminister Vondra und Staatssekretär Hartmann. Die Ausgangsvorstellungen bei diesen Gesprächen lagen ziemlich weit auseinander. Aber es ist gelungen, aufeinander zuzugehen. Als Ergebnis haben wir ein Dokument, das Zugeständnisse von beiden Seiten enthält.
    Der Wert dieses Textes, meine Damen und Herren, liegt nicht zuletzt darin, daß er in einigen wichtigen Fragen weiterführt als etwa der Nachbarschaftsvertrag von 1992. Für mich ist vor allem die erhebliche Annäherung - Annäherung! - bei der gemeinsamen Geschichtsbetrachtung bemerkenswert. Die tschechische Seite bezeichnet erstmals Vertreibung, Enteignungen und Ausbürgerung als Unrecht. Der „kollektive Charakter" der Schuldzuweisung an die Sudetendeutschen wird ebenso bedauert wie das Gesetz Nr. 115 vom 8. Mai 1946, das bei uns in Deutschland als „Amnestiegesetz" bekannt ist.
    Für die priviligierte Gewährung von Aufenthaltserlaubnissen für Sudetendeutsche wurden klare Zusicherungen erreicht. In der Vermögensfrage bleibt jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet und respektiert, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Dem entspricht, daß wir bei der Gestaltung unserer Beziehungen „weiterhin der Verständigung und dem gegenseitigen Einvernehmen Vorrang einräumen", wie es in der Erklärung heißt.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Deutsch-Tschechische Erklärung eröffnet ein weites Feld neuer Aufgaben, denen wir uns gemeinsam stellen wollen. Ich verbinde besondere Hoffnungen mit dem geplanten deutsch-tschechischen Gesprächsforum. Neben der bereits bestehenden Historikerkommission brauchen wir ein solches Forum, um die weitere Verständigung zwischen unseren Völkern auf einer möglichst breiten Grundlage und unter Beteiligung aller am deutsch-tschechischen Verhältnis interessierten Kreise zu fördern.
    Dazu zählen selbstverständlich auch die Sudetendeutschen. Niemand darf ausgegrenzt werden. Aber das andere gilt auch: Niemand sollte sich selbst ausschließen. Die Sudetendeutschen haben gezeigt, daß sie sich trotz des verständlichen Schmerzes über den Verlust der Heimat vom Geist des Friedens und der Verständigung leiten lassen. Hunderttausende von ihnen - und das wollen wir nicht vergessen - sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten in ihre alte Heimat gefahren und haben dort die Stätten der Jugend und auch das Grab der Eltern besucht. Sie haben in der Vergangenheit mit ihrem Beitrag zum Aufbau unserer Bundesrepublik Deutschland und mit ihrer klaren Absage an Haß und Vergeltung ein Beispiel gegeben. Was dies bedeutet, kann wohl keiner ermessen, der den Verlust der Heimat nicht selbst oder in seiner eigenen Familie erlebt hat.
    Heute sind die Sudetendeutschen aufgerufen, ein neues Beispiel zu geben. Sie können Brücken in die Zukunft, Brücken zwischen dem deutschen und dem tschechischen Volk bauen. Wahr ist auch: Viele unter ihnen tun dies bereits seit vielen Jahren.
    Das tschechische Volk habe ich in meiner Rede in Prag gebeten, den guten Willen der Sudetendeutschen zu sehen und auch anzunehmen. Das ist die beste Voraussetzung für ein gutnachbarschaftliches Verhältnis zwischen unseren beiden Völkern.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen unseren Ländern haben sich in den vergangenen Jahren bereits sehr gut entwickelt. Vor allem freue ich mich über die Zunahme des Jugendaustausches. Ich hoffe sehr, daß die jungen Menschen in besonderer Weise von dem gemeinsam errichteten Zukunftsfonds profitieren werden. Gleiches wünsche ich mir für Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit - wie zum Beispiel im Rahmen der EUREGIO - und für die Förderung der deutschen Minderheit in Tschechien.
    Ein entscheidendes Ziel deutscher Politik bleibt der Bau des Hauses Europa. Wir wissen, die europäische Einheit ist die sicherste Gewähr für Frieden und Freiheit im 21. Jahrhundert. Tschechien hat in den europäischen Einigungsprozeß, in den Bau des Hauses Europa, ein großes geistig-kulturelles Erbe einzubringen. Mein Aufenthalt in der vergangenen Woche in Prag, dieser alten und glanzvollen europäischen Metropole, hat mir dies erneut bestätigt. Wir, die Deutschen, wollen, daß die Tschechische Republik so bald wie möglich Mitglied der Europäischen Union und der NATO wird. Dies entspricht auch unserem ureigenen Interesse. Stabilität, Sicherheit und Wohlstand bei allen unseren östlichen Nachbarn nutzen auch uns.
    Unsere gemeinsame Erklärung dient deshalb nicht nur dem bilateralen Verhältnis. Sie ebnet zugleich den Weg für unsere gemeinsame europäische Zukunft. Ein vereintes Europa wird es nur geben, wenn dieses Europa von den Menschen getragen wird. Nationale Institutionen - Regierungen und Parlamente - und zwischenstaatliche Einrichtungen können ihren Beitrag leisten, um den Frieden zu sichern. Wirtschaftliche Zusammenarbeit kann dazu beitragen, Interessengegensätze zu überwinden. Aber ohne den Beitrag von Millionen einzelner Menschen würde es uns nicht gelingen, das Friedenswerk der Einheit Europas zu vollenden.
    Meine Damen und Herren, wir wollen und wir dürfen den Schmerz und die Tränen dieses Jahrhunderts nicht vergessen. Das schulden wir den Opfern. Nur so kann - wenn überhaupt - die Erfahrung des Leidens in jenen Tagen einen Sinn ergeben und uns eine wirkliche Mahnung sein. Nur durch Wahrhaftigkeit läßt sich nach dem Schrecken unseres Jahrhunderts eine gute Zukunft für die Menschen in unseren beiden Ländern gewinnen und sichern. Wir - Tschechen und Deutsche - wollen einander gute Nachbarn sein.
    Wir haben jetzt, wenige Jahre vor dem Ende dieses Jahrhunderts, die Chance, zum Bau einer Friedensordnung in Europa, die sich auf die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts gründet.
    Kommende Generationen werden uns danach fragen und beurteilen, wie wir in unseren Tagen die moralischen und die praktischen Herausforderungen bewältigen, um Frieden und Freiheit heute und - was noch sehr viel wichtiger ist - für kommende Generationen zu sichern. Wir wünschen uns, daß unsere Kinder und Enkel hineinwachsen in eine Welt, in der nie wieder Menschen unter fremder Besatzung zu leiden haben, eine Welt, in der nie wieder Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Sie sollen hineinwachsen in eine Welt, in der die Völker in Frieden, Freiheit und Wohlstand miteinander leben können.
    Diese Aufgabe geht jeden von uns etwas an. Ich bitte Sie alle, daran mitzuwirken. In diesem Geiste bitte ich Sie auch, der Deutsch-Tschechischen Erklärung zuzustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rudolf Scharping.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute als Parlament der Deutsch-Tschechischen Erklärung zustimmen, dann sollten wir uns der Motive erinnern, die Präsident Havel und die tschechische Seite dazu führten, eine Erklärung vorzuschlagen, eine Erklärung, mit der die Belastungen aus der Vergangenheit so weit ausgeräumt werden könnten, daß sie einer gutnachbarschaftlichen und freundschaftlichen Zukunft nicht im Wege stehen.
    Sich diese Motive noch einmal ins Gedächtnis zu rufen macht auch klar, was es für ein kleines Land bedeutet, mit Deutschland als dem bevölkerungsreichsten, wirtschaftlich stärksten und politisch einflußreichen Staat in Europa Beziehungen zu unterhalten, unter Bedingungen, die tiefen Angsten und Traumata in der tschechischen Bevölkerung aus der deutschen NS-Besatzungszeit, aber auch durch deutsche Besitzansprüche und Rückkehrforderungen Nahrung geben.
    Vertrauen, Zutrauen, freundschaftliche Nachbarschaft können unter solchen Vorzeichen schwer wachsen. Diese Erinnerung mahnt uns Deutsche erneut, zurückhaltend und rücksichtsvoll mit unserem Gewicht und mit unserer Verantwortung umzugehen. Die Angst vor Deutschland ist eine geschichtsmächtige Erfahrung, die nach wie vor in Europa und bei unseren Nachbarn einen Faktor gesellschaftlicher Identität und politischen Handelns darstellt.
    Gerade vor diesem Hintergrund ist die DeutschTschechische Erklärung von Bedeutung. Sie setzt - so hoffen wir - den Endpunkt eines von Willy Brandt begonnenen und konzipierten Prozesses historischer Verständigung mit den Staaten, die ehedem Opfer deutscher Besatzung und Vernichtung während der Nazizeit waren, und sie öffnet - so hoffen wir - den Weg in eine noch stärker von Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigem Austausch geprägte Zukunft.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    In der öffentlichen Debatte über diese Sache ist oft der Begriff des Schlußstrichs verwendet worden. Dies ist unseres Erachtens eine unzutreffende Charakterisierung. Im Gegenteil: Der nun endlich

    Rudolf Scharping
    gefundene Konsens sollte als eine Chance für die neue Dimension in den Beziehungen unserer beiden Völker betrachtet werden. Wir sind nicht frei in der Wahl unserer Geschichte. Aber wir sind frei in der Entscheidung darüber, was wir als Tradition pflegen wollen, und frei in der Entscheidung darüber, wie wir die Zukunft im Interesse unserer Kinder gestalten werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich wende mich also nicht nur an den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder oder die deutsche Öffentlichkeit. Ich wende mich auch in besonderer Weise an unsere Nachbarn in der Tschechischen Republik. Wir sollten uns darüber freuen, daß ihr Botschafter Jiri Grusa heute unter uns ist und daß viele Menschen in der Tschechischen Republik über Fernsehen und Radio dieser Debatte folgen.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Deutsche und Tschechen haben eine lange gemeinsame Geschichte; länger und intensiver, als sie die Deutschen mit fast allen anderen europäischen Völkern hatten. Wir sollten angesichts der schrecklichen, der brutalen, der grausamen Erfahrungen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Erfahrungen aus den vielen anderen Jahrhunderten nicht vergessen: die guten Traditionen und die Tatsache, daß wir in Europa mit fast keinem anderen Volk - wenn überhaupt mit einem - so eng, so dicht, so nah und so freundschaftlich verbunden waren und sind wie mit dem tschechischen Volk. Die unseligste Phase unserer gemeinsamen Geschichte, fortgesetzt auch durch den Eisernen Vorhang und den kalten Krieg, hat uns gezwungen, viele Jahrzehnte aneinander vorbeizuleben.
    Es war der „Prager Frühling" 1968, der das tschechische Nachbarvolk in der alten Bundesrepublik wieder in unser Bewußtsein rückte. Die spontane Sympathie, die später der Charta 77, aber auch Politikern wie Alexander Dubcek, entgegengebracht wurde, war ein äußeres Zeichen der Hoffnung, daß es trotz der kommunistischen Unterdrückung vielleicht Veränderungsmöglichkeiten gäbe. Das tschechische und damals auch das slowakische Volk haben auf diese Weise den Deutschen, gerade auch den Deutschen in der damaligen DDR, Mut gemacht, für Freiheit und Demokratie einzutreten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)

    Wir alle wissen, wie brutal dieser mutige Versuch dann - das will ich ausdrücklich sagen - mit deutscher Hilfe unterdrückt wurde. Dennoch wage ich die Behauptung, daß die im Prager Frühling geborenen Ideen dazu beigetragen haben, die Grundlagen, auch im Osten Deutschlands, zu legen, die dann viele Jahre später zur Wende des Jahres 1989 führten.
    Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Dank sagen, die sich schon Ende der sechziger Jahre in der Tschechoslowakei dem Kommunismus entgegengestellt hatten. Ihnen und den Dissidenten in anderen kommunistischen Diktaturen ist es zu verdanken, daß die gelungene Westintegration, die Versöhnung, die mit der Politik Konrad Adenauers verbunden ist, und der Versuch des „Wandels durch Annäherung" über die Friedens- und Entspannungspolitik, die untrennbar mit dem Namen Willy Brandts verbunden ist, letztlich zum Erfolg führten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

    Im Rahmen dieser Politik ist es erfreulicherweise relativ schnell gelungen, mit den meisten Völkern Mittel- und Osteuropas zu Versöhnungsabkommen und zu vertraglichen Beziehungen zu kommen. Das ist mit der Tschechoslowakei und später .mit der Tschechischen Republik nicht im gleichen Ausmaß gelungen wie zum Beispiel mit Rußland oder Polen. Hier bestand Nachholbedarf, zumal die politische Wende vielen Aspekten im täglichen Zusammenleben unserer beiden Völker in den letzten Jahren ein hohes Maß an Normalität gegeben hat.
    Die Verabschiedung der Erklärung, über die wir heute reden, stellt also die Chance auf den Beginn einer neuen Qualität in unseren Beziehungen dar. Mit dieser gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung schließen wir spät, aber nicht zu spät endlich das letzte Kapitel deutscher Ostpolitik ab. Diese Ostpolitik war von den Elementen der Annäherung und der Versöhnung geprägt. Tschechien ist nun das letzte Land, mit dem dieser zweite und wichtigste Teil der Ostpolitik, die Versöhnung, zu einem positiven Abschluß gebracht wird. Damit wird der Beginn eines neuen Weges markiert.
    Ich will, wie der Herr Bundeskanzler, an dieser Stelle den beiden Verhandlungsführern, Herrn Staatssekretär Vondra auf der tschechischen und Herrn Staatssekretär Hartmann auf der deutschen Seite, namens der SPD-Fraktion unseren Dank für die schwierige Arbeit, die sie geleistet haben, aussprechen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

    Mir ist bewußt, daß es viele gibt, die an Einzelaspekten der Erklärung aus guten Gründen Kritik üben. Was aber bleibt, ist die Gesamtleistung, die großen Respekt verdient.
    Danken möchte ich auch allen tschechischen Politikern - ich nenne hier den Ministerpräsidenten, aber auch den Parlamentspräsidenten -, die mit dazu beigetragen haben, daß die Diskussion über diese Erklärung nicht zur innenpolitischen Profilierung in einem Wahlkampf mißbraucht wurde.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich füge dem die Hoffnung an, daß es auch uns auf deutscher Seite immer gelingen möge, aus dem Leid

    Rudolf Scharping
    I der Vergangenheit nicht den Funken eines parteipolitischen Vorteils schlagen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht zu betonen, daß es eigentlich beschämend ist, daß wir so lange gebraucht haben, mit dem Nachbarland, mit dem wir aufs engste und innigste über viele Jahrhunderte verbunden und verflochten sind, zu dieser versöhnenden Erklärung zu kommen.

    (Gerhard Zwerenz [PDS]: Sehr richtig!)

    Es ist müßig, hierbei nun irgendwelche Schuldzuweisungen vorzunehmen. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt nur zu deutlich, daß die Gründe der schwierigen Versöhnung in der Komplexität der Sache liegen und wohl auch in der menschlichen Natur, nur schwer vergessen zu können.
    Ich möchte hier eines völlig klarstellen: Niemand sollte sich der Illusion hingeben, daß mit der vorliegenden Erklärung das Unrecht und die Schuld, die beide Seiten zu verantworten haben, aus der Welt geschafft werden können. Jegliches Gegeneinanderaufrechnen von Verfehlungen und Verbrechen ist daher fehl am Platz. Niemand verlangt, daß nach der Verabschiedung dieser gemeinsamen Erklärung nun die Vergangenheit zu vergessen sei, ganz im Gegenteil. Was wir aber alle hier in Deutschland und in Tschechien anstreben sollten, das ist die Bereitschaft und die Fähigkeit zu verzeihen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, unter dem Stichwort „Lidice" steht in der neuesten Ausgabe des „Brockhaus" folgendes:
    Ort in Mittelböhmen, etwa 500 Einwohner. Lidice wurde am 10. Juni 1942 von der SS als Repressalie für das Attentat auf R. Heydrich völlig zerstört, weil die Einwohner die Attentäter unterstützt haben sollen. Die männlichen Einwohner über 16 Jahre wurden erschossen (etwa 190), die Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo 52 von 195 umkamen. 98 Kinder wurden zum Zwecke der „Eindeutschung" in SS- Lager deportiert.
    Das ist eine erschreckend nüchterne Beschreibung einer entsetzlichen Barbarei und zeigt, wie schwer es ist, herauszutreten aus dem Schatten einer Zeit, in der wir Deutsche uns als Herrenvolk über die halbe Welt aufgespielt und aufgeschwungen hatten.
    Das ist ja nur die Spitze des Eisbergs der Leiden, die wir Deutsche dem tschechischen Volk zugefügt haben. Nichts davon können wir ungeschehen machen. Aber für meine Kolleginnen und Kollegen möchte ich doch sagen, daß vielleicht aus der Fähigkeit zum Erinnern und mit dem weiten offenen Herzen, das Verzeihung ermöglicht, eine bessere Grundlage für die Zukunft geschaffen werden kann; denn die Einsicht in eigene Schuld ist die Grundlage für jede Bereitschaft zur Versöhnung. Das Unrecht, das man selbst erlitten hat, wird durch eigene Schuld nicht geringer. Der eigene Anspruch auf Vergebung
    aber sollte es jedem auch leichter machen, der anderen Seite zu vergeben.
    Deshalb will ich an dieser Stelle ganz besonders dem Präsidenten der Tschechischen Republik, Václav Havel, danken; denn er hat den Anstoß zu dieser gemeinsamen Erklärung gegeben, und er hat schon vor Jahren den Mut und die Kraft gefunden, auch über den tschechischen Teil der Schuld zu sprechen, ihn einzuräumen und die Deutschen dafür um Vergebung zu bitten.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Für diese historische Leistung mußte der tschechische Präsident Václav Havel im eigenen Land viel Kritik einstecken. Letztlich aber ist seine Einsicht unsere gemeinsame geworden und die Grundlage dafür, daß diese Entschließung heute überhaupt beraten und vom deutschen Parlament beschlossen werden kann. Ich verbinde diesen Dank an Václav Havel mit den guten Wünschen für seine weitere Genesung und mit der Hoffnung, daß er seinem Volk und der tschechisch-deutschen Aussöhnung noch lange dienen kann.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Meine Damen und Herren, die einigende Basis der gemeinsamen Erklärung ist das Eingeständnis der Schuld auf beiden Seiten.
    Ich will einen Aspekt herausgreifen, der von besonderer Tragik ist: Die Vertreibung der Sudetendeutschen ist ebenfalls Unrecht. Sie hat Menschen schreckliches Leid zugefügt. Wer könnte das nicht sehen?
    Wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, können das vielleicht gerade deshalb, weil es von besonderer Tragik ist, an das Schicksal jener deutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu denken, die unter Lebensgefahr gegen die Hitler-Diktatur gekämpft haben, die im Widerstand waren, in die Konzentrationslager gehen mußten oder flohen, die später in ihre Heimat zurückkehrten und nur wegen ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volk vertrieben wurden. Die Vertreibung war ein bitteres Schicksal und eine böse Antwort.
    Dennoch bleibt, daß der Beweis für Versöhnungsfähigkeit gerade von jenen Sozialdemokraten erbracht wurde. Sie haben als erste die Hand zur Versöhnung gegenüber den Tschechen ausgestreckt. Männer wie Wenzel Jaksch oder Volkmar Gabert

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    und viele Angehörige der Seliger-Gemeinde haben auch unter großen Anfeindungen ihrer eigenen Landsmannschaft dafür gekämpft, daß die Aussöhnung zwischen Tschechen und Deutschen möglich wird.
    Meine Damen und Herren, der kritische Blick in die Geschichte, der an solchen Tagen unverzichtbar ist, bedeutet nicht, daß wir in allen Punkten der Bewertung dieser Geschichte mit unseren Nachbarn einen gemeinsamen Nenner finden. Dies wird nicht möglich sein, jedenfalls heute nicht. Das kann auch

    Rudolf Scharping
    nicht das Ziel der gemeinsamen Erklärung sein. Versöhnung braucht die gute Erinnerung, den Zorn überwunden zu haben und mit einem offenen Herzen jene Zeit zu gestalten, die wichtiger ist als die Vergangenheit, über die wir streiten, nämlich die Zukunft.
    Zusammenführende Gemeinsamkeiten gibt es aber auch in der aus der Schuld erwachsenden gemeinsamen Verantwortung und in dem gemeinsamen festen Willen, diese Zukunft besser zu gestalten.
    Lassen Sie mich hinzufügen, daß mit hastigen Besuchen, mit routinierten Gesten und mit dem einen oder anderen zwar formal korrekten, juristischen Hinweis eher neue Risiken heraufbeschworen werden. Es gibt in diesem Prozeß, vorsichtig gesagt, auch mißverständliche Signale. Deshalb ist es so notwendig, daß sich der Deutsche Bundestag diese Erklärung zu eigen macht und sie mit einer möglichst großen Mehrheit - am schönsten wäre Einstimmigkeit - verabschiedet.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gerhard Zwerenz [PDS])

    Ich habe von unserer Geschichte und von unserer Zukunft gesprochen, von der langen Zeit des friedlichen Zusammenlebens und den schrecklichen Erfahrungen in diesem Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund ist der für uns nach vorn gewandte Teil der Deutsch-Tschechischen Erklärung von besonderer Wichtigkeit. In der Erklärung wird ein besonderes Gewicht auf die zukünftige Integration Tschechiens in die europäischen und atlantischen Strukturen gelegt. Diese Vorstellung mit Leben zu erfüllen wird eine der Hauptaufgaben der Zukunft sein. Also rufe ich dazu auf, daß beide Parlamente in diesen wie in allen anderen Fragen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
    Die Erarbeitung der gemeinsamen Erklärung haben sich die Regierungen vorbehalten. Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich es lieber gesehen hätte, wenn die Volksvertretungen beider Länder früher daran beteiligt gewesen wären. Für die vor uns liegenden Aufgaben halte ich es aber für völlig unabdingbar, daß die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft maßgeblich auch von den parlamentarischen Gremien getragen wird. In diesem Sinne gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung, der die SPD-Bundestagsfraktion geschlossen zustimmen wird, ein neues fruchtbares Kapitel in der Geschichte unserer beiden Völker aufgeschlagen wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)