Rede von
Irmgard
Karwatzki
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits vor gut zwei Wochen haben wir über das Thema Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen und den Entwurf des Altschuldenregelungsgesetzes hier im Bundestag diskutiert. Um eine einvernehmliche Lösung mit den Ländern zu erreichen, hat der Bund in den vergangenen Tagen nochmals eine Reihe von Zugeständnissen gemacht, die in dem heute zu beschließenden Entwurf berücksichtigt sind.
Ich habe die Erwartung und Überzeugung, daß die Länder im Bundesrat dem Entwurf, wie er jetzt vorliegt, zustimmen können und werden; denn, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, „Altschulden und kein Ende" könnte formuliert werden. Ich bin der
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Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
Meinung, wir sollten den Knoten endlich durchschlagen.
Nach den Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden am 2. Oktober haben in der anschließenden Pressekonferenz alle Teilnehmer, insbesondere die Ländervertreter, von einem Durchbruch gesprochen. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, daß die dann noch erforderlichen Abstimmungen so langwierig und mühsam sein würden. Ich habe Verständnis für die schwierige Lage der Länder. Angesichts der sehr unterschiedlichen Interessenlagen zwischen den einzelnen Ländern und der unterschiedlichen Zusammensetzungen der Länderparlamente werden die verschiedenen Aspekte der Altschuldenproblematik unterschiedlich gewichtet. Es ist verständlich, wenn die Suche nach einem fairen, ausgewogenen und für alle Beteiligten vertretbaren Kompromiß durch diese Konstellation nicht gerade leichter wird. Nachdrücklich möchte ich aber den Vorwurf zurückweisen, der Bund zwinge den Ländern etwas auf. Wer von einer Zwangsverpflichtung der Länder durch den Bund spricht, macht es sich angesichts der komplizierten Interessenlage zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu einfach.
Wichtiges Ziel einer gesetzlichen Regelung der Altschuldenfrage ist es, langwierige Rechtsstreitigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften zu vermeiden.
In der Diskussion um die Altschuldenfrage wurde bis zuletzt gefordert, die Schulden einfach zu streichen. Leider kann kein Zweifel bestehen, daß es sich um echte Kredite und nicht nur um fiktive Buchungsposten handelt, die durch einen Federstrich gelöscht werden könnten. Wenn es so einfach wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen, müßten wir uns keine Gedanken über die Finanzierung der jährlich anfallenden Zinsen und Tilgungsleistungen machen.
Es liegt heute auch ein Antrag zur Abstimmung vor, die Altschulden in den Erblastentilgungsfonds zu übertragen und ihre Bedienung ausschließlich dem Bund anzulasten. Dieser Antrag ist nicht zielführend, da damit alte Maximalforderungen wiederholt und die inzwischen erreichten Verhandlungsergebnisse völlig ignoriert werden.
Natürlich mag man es bedauern, wenn zur Lösung des Altschuldenproblems Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost eingesetzt werden. Der Aufbau einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur in den neuen Ländern ist eine wichtige Voraussetzung für einen selbsttragenden Wachstumsprozeß in den neuen Ländern. Die Verwendung der Mittel für diesen Zweck entspricht jedoch dem ausdrücklichen Vorschlag der Ländermehrheit. Von zwei Ländern wird der Einsatz von Mitteln aus dem Investitionsförderungsgesetz nicht mitgetragen. Im Rahmen des finanzverfassungsrechtlich Zulässigen bietet die jetzige Gesetzesformulierung diesen Ländern aber die Wahlmöglichkeit, ihren Beitrag zur Annuität unmittelbar an den Bund zu leisten.
Ich vermag auch die Bedenken nicht zu teilen, die gegen den Einsatz des Parteivermögens in diesem Zusammenhang vorgebracht werden. Nach meiner Kenntnis ist dies der Wunsch aller neuen Länder. Dem wollte sich der Bund nicht verschließen.
Es war ein langer Weg von den ersten Gesprächen mit Länder- und Gemeindevertretern über die Altschuldenfrage bis zu der heutigen abschließenden Beratung einer gesetzlichen Lösung hier im Bundestag. Ich bin davon überzeugt, daß wir eine faire, aber auch sachgerechte Regelung gefunden haben.
Die Gesamtlast der Altschulden, zu der nach Auffassung aller Beteiligten auch die Zinseszinsen und die Refinanzierungskosten gehören, wird im Erblastentilgungsfonds innerhalb einer Generation getilgt. Mit der Übernahme der Hälfte der jährlichen Zins- und Tilgungsaufwendungen leistet der Bund seinen Beitrag zu einer fairen Lastenteilung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend an alle Länder appellieren, auch ihrerseits Solidarität untereinander zu üben. Wenn das Altschuldenregelungsgesetz endgültig in Kraft getreten ist, kann man sicher davon sprechen, daß damit ein besonders schwieriges Kapitel im Zusammenhang mit der deutschen Einheit abgeschlossen und einer guten Lösung zugeführt ist.