Rede von
Andrea
Lederer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einig sind wir uns ganz sicherlich in der Zurückweisung der Versuche des iranischen Regimes, in welcher Form auch immer Einfluß auf die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Einig sind wir uns, glaube ich, weiterhin in der Frage, daß niemand in diesem Hause fordert, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abzubrechen. Man braucht auch diplomatische Kontakte, um Einfluß nehmen zu können.
Aber dann beginnen die großen Unterschiede. Von CDU/CSU und F.D.P. ist hier geäußert worden, daß die Beziehungen der Bundesregierung zu der iranischen Regierung weder besonders intensiv gewesen wären noch seien. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Bundesaußenminister: Als die Mehrheit dieses Hauses gefordert hat, den iranischen Außenminister auszuladen, haben Sie lieber die ganze Konferenz abgesagt, als zu diesem Schritt bereit zu sein, obwohl das damals ein wichtiger diplomatischer Akt gewesen wäre,
übrigens auch deshalb, damit die iranischen Behörden nicht glauben, sie könnten hier schalten und walten, wie sie wollen. Sie hatten nämlich den Eindruck, der Protest in Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern immer besonders niedrig, und das hat sie zum Teil ermutigt.
Wir kommen auch um die Tatsache nicht herum, daß es in den Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran keineswegs nur um Fragen der diplomatischen Beziehungen geht. Es geht auch um sehr viel Geld. Es geht um sehr viel wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das ist es, was die Bundesregierung anscheinend lähmt.
Da kommt dann das instrumentelle Verhältnis zu den Menschenrechten zum Ausdruck. Bei Ländern, bei denen es keine wirtschaftlichen Interessen gibt, werden die Menschenrechte besonders großgeschrieben. Bei Ländern, bei denen die wirtschaftlichen Interessen besonders groß sind, werden sie immer hintangestellt. Dieses Verhältnis der Bundesregierung zu den Menschenrechten muß endlich überwunden werden.
Im übrigen ist es doch so: Im Iran wird versucht, in Fragen der Religion, in Fragen der Behandlung von Frauen und in anderen Fragen mittelalterliche Strukturen durchzusetzen; nur geschieht dies mit äußerst modernen technischen und anderen Ausrüstungen und mit einem - im negativen Sinn gemeint - modern organisierten Geheimdienst. Das macht die Sache besonders gefährlich und brutal. Es geht nicht nur um Massenvernichtungswaffen, sondern auch um die Art und Weise, wie der Iran international wirkt und verfolgt. Ich habe erlebt, daß Mitglieder der Tudeh-Partei noch 1990 in der DDR versteckt werden mußten. Die Sicherheit war auf Grund der Art und Weise, wie der iranische Geheimdienst in solchen Fällen vorgeht, kaum zu gewährleisten.
Ich will sagen, weshalb wir dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen können. Sehen Sie, der letzte Punkt ist mir wirklich viel zu schwach. Sie schreiben:
Für weitere Beziehungen zum Geheimdienst des Iran ist die Aufklärung des Verdachts seiner Verwicklung in die Ermordung von Exil-Iranern Voraussetzung.
Können Sie mir einmal erklären, wieso ein demokratischer Rechtsstaat überhaupt Beziehungen zum Geheimdienst eines solchen mittelalterlichen Regimes aufrechterhalten muß und wieso wir das erst noch aufklären müssen?
Es wird höchste Zeit, die Beziehungen zum iranischen Geheimdienst abzubrechen. Er hat noch nichts Positives in dieser Welt geleistet, sondern nur Negatives.
Das gilt übrigens auch und gerade für den Friedensprozeß im Nahen Osten. Dieser Geheimdienst hat immer daran gearbeitet, diesen Friedensprozeß zu verhindern, Israel zu diskreditieren und alle Schritte, die den Friedensprozeß erleichtert hätten, zu erschweren. Das wird mir hier einfach nicht deutlich genug. Deshalb kann man dem so nicht zustimmen.
Ich sage deshalb noch einmal: Das Verhalten der iranischen Regierung und überhaupt des iranischen Regimes ist stark zu kritisieren. Wenn der Präsident und andere im Iran erklären, daß vielleicht gar nicht Deutschland schuld ist, sondern Israel und die USA schuld sind an einem aus ihrer Sicht falschen Plädoyer der Staatsanwaltschaft im Mykonos-Prozeß, frage ich: Wieso begrüßen Sie denn in Ihrem Entschließungsantrag das Verhalten des Iran? Diese Aussage des Iran ist doch eine genauso große Unverschämtheit. Israel und auch die USA haben überhaupt nichts damit zu tun.
Diese Regierung könnte man erst dann begrüßen, wenn sie sich zu ihrer eigenen Verantwortung be-
Dr. Gregor Gysi
kennt. Davon ist sie meilenweit entfernt. Deshalb können wir Ihrem Antrag in gar keinem Falle zustimmen.