Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Brauch - man könnte fast sagen, von alters her -, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Rahmen der dritten Lesung nicht nur zu Wort kommt, sondern auch einige Aussagen über die Finanzen, die Arbeit und anderes mehr trifft. Ich hätte diesen Part gern auch in diesem Jahr unserem geschätzten Kollegen Helmut Wieczorek überlassen, aber wir wissen alle, daß es sein Gesundheitszustand im Moment noch nicht erlaubt. Er wird aber - davon gehe ich aus und freue mich darauf - Anfang des nächsten Jahres wieder unter uns sein.
Er hat mich gebeten, Sie alle sehr herzlich von ihm zu grüßen. Ich will das hiermit tun und tue das mit der gleichen großen Herzlichkeit von uns allen auch ihm gegenüber, der diese Debatte sicherlich verfolgen wird.
Ich hatte in den vergangenen Monaten die Ehre, seinen Platz einzunehmen und seine Aufgaben als Vorsitzender des Haushaltsausschusses wahrzunehmen, also den Ablauf der Sitzungen nicht nur zu leiten, sondern ein wenig auch als Bindeglied zwischen Koalition und Opposition zu dienen, um eine möglichst sachliche Debatte über die sicherlich nicht einfachen Positionen im Bundeshaushalt zu sichern.
Ich glaube, daß die Beratungen des Bundeshaushalts 1997 innerhalb der letzten Wochen und Monate an alle Mitglieder dieses Ausschusses eine hohe Anforderung gestellt haben; denn die Sitzungen im Haushaltsausschuß sind, wie Sie alle wissen, sehr arbeitsintensiv und bedürfen sehr intensiver Vorbereitungen. Höhepunkt war - wenn man es so sagen will - die Bereinigungssitzung, die in diesem Jahr bis in die frühen Morgenstunden des 15. November andauerte.
Frau Kollegin Hermenau hat gemeint - ich weiß nicht, woher sie das hat -, die Wege zwischen der CSU und der F.D.P. seien weit. Nein, sie sind überhaupt nicht weit. Ein Meter ist je dazwischen. Aber ich vermute, verehrte Frau Kollegin Hermenau, daß die Wege innerhalb Ihrer Fraktion ein ganzes Stück weiter sind. Denn Sie hätten bei Ihrem Obmann, dem geschätzten Kollegen Oswald Metzger, nachfragen können. Er hätte Ihnen bestätigt, daß wir darüber, ob wir eine ein- oder zweitägige Bereinigungssitzung durchführen, kollegial im Obleutegespräch entschieden haben.
Die Mehrheit - es war an sich aber einstimmig - hat sich für einen Tag entschieden. Da zumindest der amtierende Vorsitzende ein folgsamer Mensch ist, hat er den Obleuten diesen Respekt gezollt.
- Herr Kollege Weng, immer folgsam, wie man es gelernt hat.
Ich kann als amtierender Vorsitzender feststellen, daß alle Berichterstatter ihre Aufgabe mit großem Einsatz geleistet haben und dabei auch das große Ziel der Haushaltskonsolidierung im Auge behalten haben. Mein Dank gilt deshalb in besonderer Weise meinen beiden Stellvertretern, Hans Georg Wagner und Dieter Pützhofen. Mein Dank gilt auch den Obleuten, den Kollegen Adolf Roth, Karl Diller, Dr. Wolfgang Weng, Bartholomäus Kalb, Oswald Metzger und Frau Professor Dr. Christa Luft.
Natürlich schließe ich in meinen Dank auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haushaltssekretariats ein.
Eine Abordnung von ihnen hat sich zu dieser Debatte gesellt.
Die anderen sind bei der Arbeit. So sind die Haushälter nun einmal.
Ich schließe aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fraktionen ein. Von den Abgeordneten verlangt man die Arbeit schlicht und einfach. Aber für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muß ich sagen: Sie haben uns nicht nur hervorragend zu-
Kurt J. Rossmanith
gearbeitet, sondern sind oftmals bis an die Grenze der psychischen und physischen Belastung für uns hier gewesen. Das gilt nicht nur für die sogenannte Marathonbereinigungssitzung, sondern wirklich für jede Sitzung und für die Vorbereitungen.
Mein Dank gilt aber auch dem Bundesminister der Finanzen, der Parlamentarischen Staatssekretärin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Ministerien, die in den vergangenen Monaten insbesondere mit uns Haushältern zu tun hatten.
Dritte Lesung heißt Zusammenfassung und Richtungsbestimmung. Das gilt in der Haushaltsdebatte an sich jedes Jahr. Aber für diesen Haushalt 1997, den wir heute in dritter Lesung beraten, gilt das in besonderer Weise; denn das Jahr 1997 ist das Referenzjahr für Maastricht. Im Hinblick darauf und auf die schwierige arbeitsmarktpolitische Lage hat die Koalition ihre Ziele für das Haushaltsjahr erreicht. Die Beratungsergebnisse, die wir heute abschließend verabschieden werden, erscheinen mir auch als das richtige konjunktur- und arbeitsmarktpolitische Signal.
In den vergangenen Debattentagen wurden die Einzelheiten der Umsetzung dieser Ziele in allen Einzelplänen ausführlich erörtert. Deshalb werde ich die Ergebnisse nicht noch einmal darstellen. Aber dritte Lesung - gestatten Sie mir, daß ich das sage - heißt für mich auch Richtungsbestimmung. Richtungsbestimmung heißt in die Zukunft blicken, die Zukunft im Auge haben. Zukunft wird maßgeblich durch die Finanzpolitik zu gestalten sein. Finanzpolitik umfaßt die Gestaltung der Ausgabenseite durch den Bundeshaushalt und der Einnahmenseite durch unsere Steuerpolitik. Ich nenne hier nur das Stichwort große Steuerreform; denn alle Maßnahmen der Finanzpolitik dienen dem Ziel, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und zu schaffen.
Bei der Gestaltung der Ausgabenseite stellt sich die Grundfrage, wie die Haushaltssituation des Bundes - für die Länder und die Kommunen stellt sich diese Frage in gleicher Weise - verbessert werden kann. Dabei kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, daß die Haushaltsansätze in einem Maß gebunden sind, daß sie im Rahmen der parlamentarischen Beratung nicht mehr wesentlich verändert werden können. Das liegt daran, daß die entsprechenden Ausgabenansätze entweder auf gesetzlicher oder auf vertraglicher Bindung beruhen.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei sicherlich die sozialen Sicherungssysteme. Die Zukunft unseres Sozialstaates, die Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme und die Entwicklung neuer Zielsetzungen müssen heute - davon bin ich felsenfest überzeugt - in einem verantwortlichen Dialog zwischen allen Politikbereichen gestaltet werden. Dabei gilt es, den weltweiten Strukturwandel zu berücksichtigen, den wir nicht negieren können. Es gilt auch den Rückgang der Bevölkerung und den globalen Wettbewerb der Volkswirtschaften zu berücksichtigen.
Allgegenwärtige staatliche Fürsorge schwächt die gesellschaftliche und familiäre Solidarität und verkehrt Verantwortungsbewußtsein in Anspruchsdenken. Deshalb kann ohne strukturelle Veränderungen der Sozialsysteme der Produktions- und Arbeitsplatzstandort Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht bewahren.
Unsere Zukunft wird durch gesellschaftliche Innovationsbereitschaft, durch mehr Mut zu wirtschaftlicher und sozialer Selbständigkeit und natürlich durch eine entsprechende, auf hohem Niveau stehende Bildung entschieden.
Zukunft läßt sich ja nicht nur gestalten, wenn die Gestaltung finanziert werden kann. Finanzierung heißt für uns, keine weiteren neuen Schulden zu machen, auch nicht kurzfristig und zu Lasten von Investitionen. Wir bemühen uns seit 1992 um Haushaltskonsolidierung und Verringerung der Steigerung der Staatsausgaben.
Nur glaube ich, Finanzpolitik ist nicht nur - unter diese Betrachtungsweise will ich es heute einmal stellen - nach außen, sondern auch nach innen gerichtet. Wir sollten deshalb, auch wenn wir als gewählte Abgeordnete verschiedene Regionen vertreten, dem ganzen deutschen Volk, so sagt es das Grundgesetz, verpflichtet sein.
Deshalb sollten wir diese Aufgabe und diese Verantwortung, die wir hier übernommen haben, in entsprechender Weise ernst nehmen.
Wir sollten jetzt - der Haushalt ist ja das klassische Beispiel der Kontrolle einer Regierung - diese Kontrollaufgabe wahrnehmen und der Regierung nicht unbedingt Blankoschecks geben, sondern gelegentlich auch einmal nachfragen, was denn im kommenden Jahr mit diesen und jenen bewilligten Mitteln getan wird.
Vielleicht können wir dies auch in Zukunft noch in stärkerem Maße, als uns dies in den vergangenen drei Tagen und insbesondere am gestrigen Tag gelungen ist, gestalten.
Verantwortung für die Zukunft heißt aber auch Stärkung der Kräfte, die die Soziale Marktwirtschaft finanzierbar halten. Das sind Privatinitiativen aktiver Menschen in der Wirtschaft, Erfindungsreichtum und
Kurt J. Rossmanith
Innovationen in vielen Bereichen. Dies hilft der Volkswirtschaft weit mehr als eine funktionärsgelenkte staatliche Wirtschaft.
Der Beweis ist in der Geschichte immer wieder erbracht worden; denn nur ein wirtschaftlich starker Staat ist auch ein sozial starker Staat.
Verantwortung für die Zukunft heißt aber auch, daß wir entsprechende Sparmaßnahmen bei den Staatsaufgaben vornehmen. Dabei sehe ich Sparen nicht nur einfach als Kürzung staatlicher Aufgaben, sondern es beinhaltet auch, strukturelle Reformen anzugehen und die Staatsausgaben mit dem Ziel der Rückführung der Staatsquote und Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbinden, um so die sozialen Sicherungssysteme für die Zukunft zu sichern.
Sparen - das muß eben auch gesagt werden -, Ansprüche zurückschrauben, aber in die Zukunft investieren, gilt für alle öffentlichen Haushalte auf nahezu allen Gebieten.
Es wird deshalb in Zukunft eine nationale Aufgabe sein, bei der Gestaltung der Staatsausgaben eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu institutionalisieren, um die Erreichung der großen finanzpolitischen Ziele sicherstellen zu können. Es darf nicht so sein, daß aus parteitaktischen Überlegungen der Bundesrat dazu instrumentalisiert wird, die zukunftsgerichtete Politik für Bund, Länder und Gemeinden vor allem zum Nachteil der Gemeinden - lassen Sie sich das auch gesagt sein, lieber Herr Kollege Scharping - ständig zu blokkieren.
Lassen Sie mich damit zum Schluß kommen. Ich glaube, jedem von uns ist klar, daß all diese Aufgaben zu lösen der Staat allein nicht in der Lage ist, daß der Staat nicht das Allheilmittel sein kann und nicht sämtliche Problemsituationen aus dem Wege räumen kann.
Aufgabe des Staates ist es vielmehr, allen am Wirtschaftsleben Beteiligten den erforderlichen Handlungsspielraum einzuräumen, sprich die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Die aktuelle Haushaltsknappheit zwingt aber zu Eingriffen und Einschnitten, die in der Öffentlichkeit um so mehr Akzeptanz finden - wie ich und sicherlich wir alle immer wieder erleben- , je stärker sie sich dämpfend auf Kosten, Steuern und Abgaben auswirken.
Wir alle sollten dazu unseren Beitrag leisten und deshalb heute diesem Haushaltsentwurf 1997 auch in dritter Lesung zustimmen.