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ID1314300900

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    Plenarprotokoll 13/143 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. November 1996 Inhalt: Tagesordnungspunkt II: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/5200, 13/5836, 13/ 6001 bis 13/6025, 13/6026, 13/6027) . 12949 A Hans Georg Wagner SPD 12949 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 12952 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12957 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 12960 B Dr. Christa Luft PDS 12963 B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 12965 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 12967 C, 12973 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 12969 A Jürgen Koppelin F.D.P 12972 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU 12973 C Wolf-Michael Catenhusen SPD (zur GO) 12976 D Rudolf Seiters CDU/CSU 12977 A Dr. Christoph Zöpel SPD 12977 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12978 D Ulrich Irmer F.D.P 12979 B Dr. Gregor Gysi PDS 12980 A Dr. Christoph Zöpel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 12981 B Namentliche Abstimmung 12982 B Ergebnis 12983 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des ErblastentilgungsfondsGesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost (Drucksachen 13/6088, 13/6336) . . . 12982 C Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin BMF 12982 D Manfred Hampel SPD 12986 A Reiner Krziskewitz CDU/CSU . . . 12986 D Jürgen Türk F.D.P 12987 B Manfred Kolbe CDU/CSU 12987 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 12988 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 12989 A Nächste Sitzung 12989 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12991* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 2 (Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des Erblastentilgungsfonds-Gesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost) Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12991* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 12992* A 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. November 1996 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 29. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Frick, Gisela F.D.P. 29. 11. 96 Gysi, Andrea PDS 29. 11. 96 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 29. 11. 96 Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 29. 11. 96 Krüger, Thomas SPD 29. 11. 96 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 29. 11. 96 Lehn, Waltraud SPD 29. 11. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 29. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 29. 11. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 29. 11. 96 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 29. 11. 96 Schumann, Ilse SPD 29. 11. 96 Tippach, Steffen PDS 29. 11. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 29. 11. 96 Wallow, Hans SPD 29. 11. 96 Wieczorek (Duisburg), SPD 29. 11. 96 Helmut Wittich, Berthold SPD 29. 11. 96 Wohlleben, Verena SPD 29. 11. 96 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 2 (Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des Erblastentilgungsfonds-Gesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost) Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Übernahme der Altschulden in die Rechtsverhältnisse der Bundesrepublik ist von der juristischen Grundlage her überaus fragwürdig. Namhafte Rechtswissenschaftler vertreten die Auffassung, daß die sogenannten DDR-Altschulden willkürlich zustande gekommen sind, daß ihre Übertragung in die Bundesrepublik rechtlich nicht begründbar war und ist und daß daher die Forderungen der Gläubigerbanken substanzlos sind. Zu diesem Ergebnis ist Professor Harms in einem Gutachten für den Deutschen Städtetag gekommen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern sagt in seinem Gutachten hierzu das gleiche. Ich zitiere die Schlußfolgerung: „Hieraus folgt, daß den Kommunen hinsichtlich der Finanzierung der staatlichen bzw. gesellschaftlichen Einrichtungen keine Verbindlichkeiten entstanden sind. " Klarer geht es nicht. Meine Damen und Herren, sie wissen oder Sie könnten zumindest wissen, daß im Gegensatz zu Westdeutschland die ostdeutschen Kommunen zu DDR-Zeiten über keine nennenswerten eigenen Einnahmen verfügten. Die meisten Ausgaben von Städten, Gemeinden und Kreisen wurden aus dem zentralen Staatshaushalt der DDR bestritten. Auch die Entscheidungen über den Bau „gesellschaftlicher Einrichtungen" - das ist ein Sammelbegriff, der Kulturhäuser bis hin zu Luftschutzbunkern erfaßt -, wurden zentral getroffen und durch entsprechende Zuweisungen finanziert. Nur im Zeitraum Anfang der 70er bis Mitte der 80er Jahre erfolgte die Finanzierung dieser Einrichtungen größtenteils über Kredite. Es entstanden damit auf dem Papier Verbindlichkeiten gegenüber der Staatsbank der DDR. Durch die Wirtschafts- und Währungsunion wurden diese Verbindlichkeiten der DDR als Kreditverpflichtungen der Kommunen im Verhältnis 2 : 1 in die bundesrepublikanische Ordnung übertragen. Die Kommunen hatten zu keinem Zeitpunkt die freie Entscheidung über die Investitionen in diese Einrichtungen. Die Verteilung der Altschulden auf die Kommunen in neuen Ländern ist von Zufälligkeiten und Willkürlichkeiten geprägt. Daher ist im Ergebnis die Belastung der Kommunen extrem unterschiedlich. Die Zuordnung von Vermögenswerten zu den Altschulden ist in vielen Fällen äußerst zweifelhaft und ungeklärt, häufig sind die Einrichtungen in einem desolaten Zustand oder gar nicht mehr vorhanden. Die Belastungen mit Altschulden hat zu einer teilweise erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der betroffenen Körperschaften geführt. Die Altschulden haben damit den Aufbau in den neuen Ländern nachhaltig behindert. Sollten die Kommunen genötigt werden, die Altschulden in der einen oder anderen Weise zu bedienen, wird dadurch ihre Investitionsfähigkeit und also ihre Fähigkeit, Anstöße zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu geben, stark eingeschränkt. Der Gesetzentwurf, der heute hier zur Beratung vorliegt, soll einen Rechtsstreit vermeiden helfen. So weit, so gut. In der Sache ist er jedoch nicht gerechtfertigt. Zwar hat der Bund immerhin auf die Hälfte der Forderungen verzichtet, zwar sind die ostdeutschen Kommunen von der direkten Schuldenlast befreit, aber zumindest der Länderanteil wird zu einem wesentlichen Teil auf Kosten anderer Aufbau-OstMittel finanziert. Es geht zu Lasten von Mitteln, die die Länder nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost erhalten, und zu Lasten der Förderung kultureller und gemeinnütziger Aufgaben mit Mitteln des DDR-Parteivermögens. Und schließlich werden die Kommunen indirekt über die Länder letztendlich ebenfalls zur Kasse gebeten für Schulden, die sie nie gemacht haben. Nun könnte man sagen, mit dem nun vorliegenden Gesetz sei vielleicht nicht der große Wurf gelungen, aber immerhin, die Kommunen seien die Schuldenlast los, und der Rechtsfrieden sei wiederhergestellt. So ist es aber offenbar nicht. Noch vor zwei Tagen hat der Haushaltsausschuß mit heißer Nadel Änderungswünsche des thüringischen Ministerpräsidenten eingearbeitet. Doch die teilweise grundsätzlichen und teilweise interessenbedingten Einwände Berlins sind offenbar nicht ausgeräumt und lassen sich auch nicht ohne weiteres vom Tisch wischen. Machen wir uns also darauf gefaßt, daß der leidige Dauerstreit um die kommunalen Altschulden auch mit dem heutigen Tag nicht zu einem einvernehmlichen Abschluß kommt, sondern demnächst im Bundesrat oder vor Gericht seine Fortsetzung findet. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordneten Vera Lengsfeld, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Waltraud Schoppe und Helmut Wilhlem (Amberg) haben ihre Unterschrift zu dem Antrag Kaschmir-Konflikt, Drucksache 13/5273 zurückgezogen. Damit ist das gemäß § 76 Abs. 1 der Geschäftsordnung erforderliche Quorum nicht mehr gegeben. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1995 - Drucksachen 13/3827, 13/4401 Nr. 1 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments - Drucksachen 13/4212, 13/4588 Nr. 1- - Unterrichtung durch die Bundesregierung 56. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 1995) - Drucksachen 13/4176, 13/4401 Nr. 6 -
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    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten drei Tage haben gezeigt, daß der Haushalt 1997 eben mehr ist als die Summe von Einnahmen und Ausgaben. Er ist eine grundsätzliche Weichenstellung für die Finanzpolitik und die Gesellschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und für unsere zukünftigen Generationen. Im Vorfeld der Haushaltsaufstellung hat es ja Auseinandersetzungen gegeben, weil es darum ging, diese grundsätzliche Weichenstellung zu klären.
    Schließlich ging es um die Fragen: Bleibt Deutschland das Land mit den höchsten Steuern und Abgaben, das Land mit den unflexibelsten Tarifen und der kürzesten Arbeitszeit,

    (Widerspruch bei der SPD)

    das Land mit den dichtesten Regeln, dem langsamsten Amtsschimmel, das Land mit den ältesten Studenten und den jüngsten Rentnern? Wird zur Haushaltsdeckung die Steuerlast erhöht, die Flucht in höhere Schulden gesucht, die hohe Arbeitslosigkeit tatenlos hingenommen, die Beitrittsberechtigung zur Währungsunion aufs Spiel gesetzt? Oder gelingt es, die Haushalte zu konsolidieren, die Chancen auf neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu erhöhen, das Bildungssystem zu reformieren,

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dieser Regierung jedenfalls nicht!)

    das Tarifkartell zu lockern, unsere Chancen im globalen Wettbewerb um Investitionen durch Senkung der Steuer- und Abgabenlast zu steigern? Dies waren die Fragen, um die es ging.
    Wir - die F.D.P., die Koalition insgesamt - wollen gemeinsam den richtigen Weg gehen, den Weg, der den Arbeitslosen wieder Hoffnung gibt und der Bundesrepublik Deutschland die Chance bietet, am Euro teilzunehmen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das ist der einzig gangbare Weg, der Weg nämlich, die Angebotsbedingungen für Investitionen und Arbeit zu verbessern, damit die Arbeitsplätze in Deutschland wettbewerbsfähig werden. Das ist es, worauf die Arbeitslosen warten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es um die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Opposition. Ist die Opposition bereit, diesen einzig richtigen Weg mitzugehen, oder kann sie sich nicht aufraffen, den Mut dazu nicht fassen, ihre alten Tabugrenzen nicht überspringen? Bis jetzt hieß es: Mit uns nicht! Nicht so, das ist ungerecht, das ist unsozial, das kann man so nicht machen.
    Meine Damen und Herren, nur durch die Umverteilung versicherungsfremder Leistungen aus den Versicherungssystemen auf den Haushalt haben Sie nichts gewonnen. Umverteilung nützt nichts.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir brauchen Leistungsstärkung, Abgabensenkung, Entlastung. Darum geht es. Und wir brauchen natürlich auch Senkung der Ausgaben des Staates.
    Sie haben beim Haushalt 1996 7 Milliarden DM durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat nicht zur Absenkung gebracht.

    (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch auf mit dem Gerücht!)

    Im Haushalt 1997 sind es 12 Milliarden DM. Viele Einsparungen wären in dieser Weise nicht nötig gewesen, wenn der vernünftige Weg gangbar gewesen wäre.
    Gewerbekapitalsteuern abschaffen? - Nein! Solizuschlag abschaffen? - Nein! Kohlesubvention abbauen? - Nein! Lohnzusatzkosten verringern? - Nein! Ladenschluß verändern? - Nein! Öffnungsklauseln im Tarifrecht? - Nein! Deregulierung? - Nein!

    (Zurufe von der SPD)

    Ich muß es leider wiederholen: Es gibt keine positive Antwort der Opposition zu diesen Fragen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sind denn die Einsparungsmaßnahmen, die wir getroffen haben, unsozial, meine Damen und Herren? Ist es denn unzumutbar, daß einem Sozialhilfeempfänger, der ein Arbeitsangebot ablehnt, die Sozialhilfe gesenkt wird? Und es geht ja nur um die Absenkung des Regelsatzes des Vaters, ansonsten bleibt die Sozialhilfe für die gesamte Familie erhalten.
    Oder ist es unzumutbar, bei 31 Urlaubstagen einen Urlaubstag für eine Woche Krankheit zu opfern? Haben Sie übrigens die Information von SKW Trostberg,

    Dr. Hermann Otto Solms
    einem großen Chemiebetrieb, gelesen? Dort hat man die gesetzliche Neuregelung zur Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt, und innerhalb von vier Wochen ist der durchschnittliche Krankenstand von 5 auf 3 Prozent gefallen. Sie sehen, daß dies wirkt, ohne daß die Arbeitnehmer Einkommensverluste hinnehmen mußten, denn sie konnten das durch Urlaub ausgleichen.
    Ist es denn unzumutbar, bei Kuren 25 DM pro Tag als Eigenbeitrag zu leisten, wo man nicht zu Hause ist und sich auch zu Hause nicht ernähren muß?
    Meine Damen und Herren, ist es denn unzumutbar, die Kuren von vier Wochen abzusenken und auf drei Wochen zu begrenzen?
    Das Interessante ist ja, daß die Sozialdemokratische Partei, übrigens auch die Grünen, da, wo sie in der Regierung stehen, zwar Bonn kritisieren, aber dort das gleiche tun, nur - leider - meistens an der falschen Stelle.
    Ich will einige Beispiele aufzählen. In SchleswigHolstein kürzte Heide Simonis bei besonderen sozialen Maßnahmen für Kinder, Mütter, Problemfamilien und ältere Bürger die Mittel um 1,2 Millionen DM. Drastische Einschnitte gibt es in Schleswig-Holstein bei der Wohnungsfürsorge, bei den Schwangerenberatungsstellen ebenso wie beim Landesblindengeld.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Aber hier plärren!)

    In Niedersachsen kürzt Gerhard Schröder die Gelder für die Suchtbekämpfung und streicht das Programm zur Förderung jugendlicher Arbeitsloser.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Hört! Hört!)

    In Nordrhein-Westfalen reduziert Johannes Rau die Posten Gesundheitshilfe und Suchtbekämpfung um 6,7 Millionen.
    Im Saarland kürzt Oskar Lafontaine den Sozialetat um ganze 13,6 Prozent und streicht 2,9 Milliarden DM.
    In Hessen will Hans Eichel 15 Millionen DM für studentische Essenszuschüsse im Staatssäckel behalten, und in Brandenburg schließlich kürzt Manfred Stolpe den Sozialetat um ein Drittel und kappt die Zuschüsse für Kindertagesstätten um 38 Millionen DM.
    Meine Damen und Herren, etwas weniger Doppelzüngigkeit und etwas mehr Ehrlichkeit wären in einer solchen Debatte schon angezeigt;

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    denn wir haben alle die gleiche Verantwortung, und da, wo Sie in der Verantwortung stehen, haben Sie die gleichen Probleme und müssen sie lösen. Allerdings gehört dazu auch ein wenig Sachverstand.
    Ich habe den Eindruck, daß bei der SPD seit Karl Schiller und Helmut Schmidt der ökonomische Sachverstand völlig verlorengegangen ist.

    (Lachen und Widerspruch bei der SPD)

    Das will ich am Beispiel der steuerlichen Behandlung der Ersparnisbildung deutlich machen. Im ersten Semester Volkswirtschaftslehre lernt man, daß die Investitionen volkswirtschaftlich gleich der Ersparnisbildung sind. Das heißt, je mehr Ersparnis gebildet wird, desto mehr Kapital steht für Investitionen zur Verfügung.
    In der Bundesrepublik Deutschland leisten wir uns den Luxus, daß wir die Ersparnisbildung gleich fünfmal besteuern: erstens bei der Einkommenserzielung durch eine besonders hohe Lohn- und Einkommensteuer - höher als in irgendeinem anderen Land -, zweitens bei den Kapitalerträgen der Ersparnisse, bei der Zinsbesteuerung. Auch hier haben wir international die höchste Besteuerung. Was ist die Folge? Das Kapital flieht ins Ausland, und die Arbeit wird exportiert. Wir brauchen deshalb eine Lohn- und Einkommensteuerreform, um wieder wettbewerbsneutrale Verhältnisse zu schaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das Ergebnis der Vermögensbildung, nämlich das Sparvermögen, wird doppelt besteuert: Zum einen - drittens - wird es beim Unternehmen besteuert; das ist die betriebliche Vermögensteuer. Zum anderen - viertens - muß der Anteilseigner seine Anteile am Betrieb versteuern. Fünftens schließlich wird das Sparvermögen bei der Erbschaftsteuer versteuert.
    Es gibt also eine dreimalige Besteuerung des Vermögens und eine zweifache Besteuerung der Erträge des Vermögens. Das ist nun wirklich zuviel. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, die Steuerreform durchzuführen - darüber werden wir ja noch ins Gespräch kommen - und die Vermögensteuer fallenzulassen.
    Das Interessante ist, Frau Matthäus-Maier, daß Ihr Parteivorsitzender, Lafontaine, am Mittwoch erklärt hat, auch er habe nun verstanden, daß das mit der Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer so einfach nicht sei. Warum? Wenn Sie die betriebliche Vermögensteuer abschaffen, schaffen Sie einen Vorteil für Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften. Die Mehrzahl der Gesellschaften in Deutschland sind nun einmal Personengesellschaften. Deshalb dürfen wir das auf keinen Fall machen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Personengesellschaften haben keine Doppelbesteuerung!)

    Da man die betriebliche Vermögensteuer bei Personengesellschaften schlecht von der privaten trennen kann - das ist dann immer manipulierbar -, ist die Abschaffung der Vermögensteuer erforderlich. Das wissen Sie.
    Daß dadurch nun die besonders Reichen begünstigt würden, ist ebenfalls nur ein Fehlargument, weil die Erbschaftsteuer, die natürlich dieselben Vermögen trifft, entsprechend erhöht wird.
    Die Gewerbekapitalsteuer muß ebenso wegfallen. Sonst muß sie in den neuen Bundesländern eingeführt werden. Stolpe und Höppner sind persönlich verantwortlich dafür, wenn das geschieht. Sie kön-

    Dr. Hermann Otto Solms
    nen dazu beitragen, daß die Gewerbekapitalsteuer ebenfalls abgeschafft wird.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das werden wir in der Öffentlichkeit immer wieder anmahnen: Die Substanzsteuern müssen weg, damit in Deutschland mehr investiert wird. Investitionen sind nun einmal die Voraussetzung für Arbeitsplätze.
    Meine Damen und Herren, was man von den Grünen zur Steuerpolitik hört, ist nun wirklich abenteuerlich. Da geht es durcheinander wie Kraut und Rüben. Oswald Metzger, der haushaltspolitische Sprecher, darf in der Haushaltsdebatte Solotänze aufführen. Aber das, was er sagt, hat mit der Programmatierung und den Vorstellungen der Grünen so gut wie nichts zu tun. Er sagt: „Höhere Steuern auf keinen Fall! " Seine Kollegin Scheel sagt sogar, Steuersenkungen seien notwendig. Mutig, mutig! Nur sitzt sie in der falschen Fraktion.
    Was sagt Joschka Fischer? Er plädiert für steuerliche Umverteilung. Damit aber ist noch niemand entlastet.
    Jürgen Trittin: Es besteht kein Anlaß, Unternehmensteuern zurückzunehmen. Ganz im Gegenteil, er will die Steuern auf breiter Front erhöhen.
    Ludgar Volmer wörtlich: „In Konkurrenz zum Sparpaket sagen wir: Statt Sparen mehr Geld ranschaffen! "
    Kerstin Müller darf natürlich nicht fehlen: Sie will die Erbschaftsteuer verdreifachen, die Vermögensteuer erhöhen und zusätzlich eine Ökosteuer einführen.
    Das sind die Aussagen der Grünen. Da kann ich mit Graf Lambsdorff nur sagen: Eintracht in Vielfalt ist das nicht; Zwietracht in Einfalt könnte man da schon eher sagen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie haben jetzt Ihren Parteitag, deswegen dürfen wir heute früher Schluß machen. Klären Sie Ihre Positionen auf dem Parteitag, damit davon wenigstens eine klare Botschaft an die Wähler ausgeht! Dieses Durcheinander hilft nicht weiter.
    Herr Scharping hat am Mittwoch die Kühnheit besessen, auf die Verfilzung von Partei- und Staatsämtern hinzuweisen. Ich glaube, das war der falsche Augenblick, weil wir gerade in der Zeitung lesen, was sich das Parteimitglied Henrichs in Hessen als oberster hessischer Richter geleistet hat. Aber was noch toller ist: Er hat eine ganze Reihe von Nebenjobs gehabt. Er war zum Schluß auch im Solde der IG Metall, ein Zeichen der Unabhängigkeit. 1,3 Millionen DM, die er dafür bekommen hat, sind nun auch nicht gerade ein Pappenstiel. Interessant ist auch, daß der Verteidiger von Recht und Ordnung, der Justizminister von Plottnitz, das alles auch noch genehmigt hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Da sieht man, wo es mit den Grünen und ihren Ansätzen hingekommen ist. In dem Moment, in dem Sie
    mit der Macht verquickt waren, haben Sie die Moral fallenlassen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist schon erschütternd. Wir in Gießen - ich komme aus Mittelhessen -, haben leider die zusätzliche Last zu tragen, einen grünen Regierungspräsidenten zu haben, der nun alles tut, daß die Arbeitsplätze auch dort noch vertrieben werden.
    Interessant ist, einmal die unterschiedlichen Positionen in den Nachbarländern Rheinland-Pfalz und Hessen zu beachten. Es sind, wie Sie wissen, unterschiedliche Koalitionen.
    Rheinland-Pfalz steht für Senkung der Abgabenlast. Hier bekennt sich auch Ministerpräsident Beck ausdrücklich zum Verzicht auf die Gewerbekapitalsteuer - hört, hört, Herr Scharping, Ihr Nachfolger - -

    (Rudolf Scharping [SPD]: Entschuldigung, ich habe Ihnen doch ein Angebot gemacht! Was wollen Sie eigentlich noch? Beifall bei der SPD)

    - Moment! Sie haben ein Angebot gemacht, das man nicht annehmen kann. Das kennen Sie aus dem Film „Der Pate".

    (Rudolf Scharping [SPD]: Ist doch lachhaft!)

    Wir müssen die Vermögen- und die Gewerbekapitalsteuer abschaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Beck steht für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und für die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer.
    In Hessen dagegen - darauf wollte ich kommen, Herr Scharping - wird jegliche steuerliche Entlastung der Unternehmen über den Bundesrat blokkiert und die Steuerreform zu einer Neiddiskussion genutzt.
    In Rheinland-Pfalz wurde die Zustimmung im Bundesrat zur Erweiterung der Ladenöffnungszeiten fest vereinbart, in Hessen dagegen wurde jede noch so kleine Flexibilisierung über den Bundesrat blockiert.
    In Rheinland-Pfalz steht man für Abbau von Bürokratie, Kosten, Modernisierung der Verwaltung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Abschaffung der Bezirksregierungen ist vereinbart. Hessen steht dagegen dafür, die Verwaltung zu intensivieren, die Bearbeitungszeiten zu verlängern und die Genehmigungszeiten nach hinten zu schieben.
    Ich will nur ein kleines praktisches Beispiel - ich habe mittlerweile eine ganze Sammlung solcher Beispiele; sie könnte man stundenlang vorlesen - vortragen. So verlangt zum Beispiel die Umweltbehörde, daß ein kleiner Betrieb den Schornstein erhöht. Die Untere Naturschutzbehörde verlangt Unterlassung dieser Erhöhung wegen Beeinträchtigung des Vogelflugs. Die Untere Denkmalschutzbehörde will eine Veränderungssperre, weil das Ganze einem Industriedenkmal ähnlich sei.

    Dr. Hermann Otto Solms
    Das Unternehmen - es ist bei Kassel angesiedelt - geht mit seiner Dependance nach Westthüringen; Gott sei Dank nach Westthüringen und nicht einige hundert Kilometer weiter.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dies zeigt beispielhaft, wie die unterschiedlichen Positionen sind.
    Allein in diesem Jahr unter anderem im Bundesrat: Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz - Rheinland-Pfalz dafür, Hessen dagegen. Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung emissionsrechtlicher Genehmigungsverfahren - Rheinland-Pfalz will Verzicht auf den Vermittlungsausschuß, Hessen ist dagegen. Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - Rheinland-Pfalz dafür, Hessen dagegen. Da kann man nur fragen: Quo vadis, SPD? Sie haben die Alternativen. Ich habe sie nur aufgezeigt. Sie müssen entscheiden, nicht wir.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich will abschließend sagen: Der Haushalt ist solide.

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Der Haushalt führt zu Ausgabensenkungen von 2,5 Prozent. Der Haushalt ist auch sozial. Die Ausgaben für Soziales werden sogar erhöht. Das sind die schlichten Fakten. Ich kann Ihnen auch die Zahlen vorlesen, wenn Sie wollen. Die Einsparungen im Sozialen insgesamt, volkswirtschaftlich gesehen, betragen nur 0,4 Prozent der Sozialquote. In allen anderen westeuropäischen Ländern sind die Einsparungen höher.
    Das heißt, wir werden unserer Verantwortung gerecht. Wir stellen die Weichen für die Zukunft richtig. Wir geben den Jungen, unseren Kindern und Enkeln, wieder Hoffnung, daß sie ihr Leben aus eigener Arbeit gestalten und finanzieren können. Wir glauben, daß wir damit unserer Verantwortung gerecht werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Christa Luft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christa Luft


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister hat in der gewohnten Tonart eine Rede vorgetragen. Das zeigt, er ist auf dem Wege der Genesung. Ich wünsche ihm dabei gute Fortschritte.
    Sein Haushalt 1997 aber leidet an einem chronischen Infekt. Dieser Haushalt wird im nächsten Jahr garantiert kraftlos zusammenklappen.

    (Beifall bei der PDS)

    Diese Aussicht ist nicht einmal für eine Oppositionspartei Anlaß zu Schadenfreude und Häme. Denn die Menschen, die ohnehin am meisten betroffen sind, werden es am schwersten haben. Diese Menschen,
    die es schon bisher am schwersten hatten, Herr Bundesminister, sind in Ihrer Rede nicht vorgekommen. Sie klopfen sich pausenlos selber auf die Schulter.
    Sie, Herr Solms, sorgen sich nur um das Sparvermögen der Gutverdienenden und der Vermögenden, damit es zu Investitionen kommt. Aber die letzten Spargroschen derer, die wenig verdienen oder gar keine Arbeit haben, liegen Ihnen nicht am Herzen. Das ist schon eine eigenartige Konstellation.
    Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, sagen: Ich bin in der vergangenen Woche in meinem Wahlkreis mit sehr vielen Frauen zusammengekommen, alle zwischen 30 und 50 Jahren. Sie sind regelrecht verzweifelt. Nach der Verabschiedung dieses Haushalts wird sich an deren Befindlichkeit überhaupt nichts ändern.
    Ich kann den arbeitslosen Frauen nicht sagen, sie sollten endlich Existenzgründerinnen werden. Dazu haben sie weder Anfangskapital noch Beleihungsgrundlagen. Ich kann ihnen auch nicht empfehlen, Sie sollten nicht länger Besitzstandswahrerinnen sein. Diese Frauen haben nichts mehr, auf das sie verzichten könnten.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich kann ihnen leider auch keinen Tip geben, wo sie sich in Berlin oder anderswo bei einem Einzelhändler, einem privaten Handwerker, in einem Dienstleistungs- oder Produktionsunternehmen bewerben sollten, weil man dort gegenwärtig jemanden sucht, der einzustellen wäre. Es werden keine Menschen eingestellt; jedenfalls in Berlin kenne ich solche Fälle nicht.
    Vielleicht bekommen Sie demnächst aus dem CDU-regierten Sachsen die Quittung. Dort sind nämlich zum Jahreswechsel drei Viertel aller Frauenprojekte durch die ABM-Mittelkürzungen akut gefährdet. Mit dieser besonderen Frauenfeindlichkeit Ihrer Haushaltspolitik gewinnen Sie keine Zukunft, auch nicht für die Kinder und die Enkel, von denen Herr Sohns gesprochen hat.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Für die vier Millionen offiziell Arbeitslosen und für die ebenso vielen Quasi-Arbeitslosen verbindet sich nach dem Etatansatz für 1997 keinerlei Hoffnung auf einen Job. Sie nehmen den Menschen die durch Fortbildung und Umschulung erhofften neuen Beschäftigungschancen sogar noch, indem Sie dort neuerliche Kürzungen vorgenommen haben.
    Das Baugewerbe ist schon 1996 auf einer absoluten Talfahrt gewesen. Diese Talfahrt wird sich fortsetzen allein durch die Absenkung der öffentlichen Investitionen aus dem Bundeshaushalt von 7 Milliarden DM. Was in den globalen Minderausgaben sonst noch pro Ressort versteckt ist und inwieweit davon öffentliche Investitionen betroffen sein werden, das wissen wir noch gar nicht.
    Beschäftigungseinbrüche wird es in den Rehabilitationseinrichtungen, bei Physiotherapeuten, bei Zahnprothetikern geben. Man kann die Liste fortset-

    Dr. Christa Luft
    zen. Reihenweise droht kleinen und mittleren Unternehmen - Herr Solms, auch Sie wissen das - der finanzielle Ruin, weil sie durch den Rückgang bei der Inlandsnachfrage in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigt werden.
    Außerdem verschlechtert sich in diesem Lande die Zahlungsmoral katastrophal. Es wäre doch ein Betätigungsfeld für die F.D.P., denke ich, diese Sache einmal zu untersuchen und zu prüfen, wie wir dort vorankommen könnten. Das ist doch inzwischen ein Greuel und eine Geißel für die kleinen und mittleren Unternehmen und die dort Beschäftigten.

    (Beifall bei der PDS)

    Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat gestern noch einmal nachdrücklich vor der ersatzlosen Kürzung des Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit gewarnt. Dramatische Einschnitte auf diesem Sektor führen nicht nur zu höherer Arbeitslosigkeit, sondern sie bedrohen auch weite Teile der sozialen Infrastruktur, besonders in den neuen Bundesländern.
    Nach Angaben dieses Verbandes werden rund 50 000 der Beschäftigten im Bereich sozialer Dienste und der Jugendhilfe als ABM-Kräfte oder über Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Bei vielen sozialen Diensten in den neuen Ländern arbeitet auch sechs Jahre nach der deutschen Einheit noch kein einziger regulär Beschäftigter. In Thüringen sind über die Hälfte aller Alteneinrichtungen und über 40 Prozent aller Dienste für Behinderte vollständig auf Zuschüsse der Arbeitsämter angewiesen. Ich habe noch nicht bemerkt, daß sich dort ein privates Unternehmen vor die Tür stellt und sagt: Ich möchte diese Dienste übernehmen.
    Allein die Art und Weise, wie Sie mit dem alle Berufsgruppen in diesem Lande betreffenden Übel Massenarbeitslosigkeit in diesem Haushalt umgehen, ist Grund, ihn abzulehnen.
    Hinzu kommt, daß Sie das Ost-West-Gefälle in Deutschland zementieren, daß Sie für Bildung, Forschung und den ökologischen Umbau, also für beschäftigungsintensive Dinge, viel zuwenig Mittel bereitgestellt haben.
    Gründe für die Ablehnung dieses Haushaltes sind außerdem die fortgesetzte Praxis des Bundes, sich auf Kosten der Kommunen zu entlasten, wodurch auch ein Grundprinzip, nämlich das der kommunalen Selbstverwaltung, in Frage gestellt wird.
    Schließlich trägt Ihr Haushalt in keiner Weise der veränderten außen- und sicherheitspolitischen Lage in Deutschland Rechnung. Sonst hätten Sie sich endlich von der Anschaffung neuer Waffensysteme verabschiedet.

    (Beifall bei der PDS)

    Nicht zustimmungsfähig ist der Haushalt auch, weil er grundgesetzwidrig ist; das ist hier schon angeklungen. Sie können dem Parlament nicht nachweisen, daß zur Stunde der Verabschiedung dieses Etats die Nettokreditaufnahme geringer ausfallen wird als die Summe der öffentlichen Investitionen; denn niemand weiß, wie sich die öffentlichen Investitionen angesichts der globalen Minderausgabe ausnehmen werden.
    Sie haben die Nettokreditaufnahme gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung in der Tat abgesenkt. Dies aber haben Sie doch wohl vor allem deshalb getan, um einen Puffer beim Haushaltsvollzug zu haben. Schon heute ist abzusehen, daß Sie Anfang 1998, also kurz vor der Bundestagswahl, einige Trostpflästerchen, kurzfristigen Wahlspeck sozusagen, verteilen werden. Das vorzubereiten ist Ihnen wichtiger, als langfristige, dauerhafte Antworten auf Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu geben.

    (Beifall bei der PDS)

    Sagen Sie nicht, die PDS kritisiere sowieso nur und habe nichts dazu beizutragen. Ich kann Ihnen sagen - wir haben es noch einmal zusammengezählt -, daß wir zu 127 Titeln des Haushaltsentwurfs Erhöhungs-
    und Absenkungsanträge gestellt haben. Die Erhöhungen und Absenkungen halten sich in etwa die Waage. Wir haben Vorschläge gemacht, wie die Einnahmen um annähernd 3 Milliarden verbessert werden können. Diese Vorschläge schlagen Sie in den Wind. Damit hätte man gut und gerne eine kommunale Investitionspauschale finanzieren können. Das wäre eine Initialzündung für mehr Beschäftigung in Ostdeutschland.

    (Beifall bei der PDS)

    In den Kommunen könnten diese Mittel kompetent ausgegeben werden.
    Sie sagen, daß es öffentliche Gelder sind, die wir mit dem Bundeshaushalt verteilen, und daß man sorgsam damit umgehen muß. Meine Damen und Herren, da kann man Ihnen nicht widersprechen. Das ist ein richtiger Grundsatz. Aber warum fällt Ihnen dieser Grundsatz, dieser Fingerzeig immer dann ein, wenn es um Sozialleistungen geht? Warum verausgaben Sie die öffentlichen Mittel eigentlich nicht endlich mit einem Höchstmaß an Beschäftigungswirkung? Das ist doch im allerhöchsten öffentlichen Interesse.

    (Beifall bei der PDS)

    Wozu die Anschaffung sogenannter intelligenter Minen? Man möge sich allein diese Wortzusammenstellung einmal zu Gemüte führen: intelligente Minen. Wozu also die Anschaffung dieser Minen? Wozu die Anschaffung eines Eurofighters? Weshalb nicht Konversion? Das wäre beschäftigungswirksam.
    Wozu Kernfusion statt Finanzierung alternativer Energiequellen?
    Wozu Abriß des Palastes der Republik, anstatt ihn schnell zu sanieren und in Betrieb zu nehmen? Auch das wäre ein Beitrag zur Beschäftigung.

    (Beifall bei der PDS Zuruf von der CDU/ CSU: Ein architektonisches Monster!)

    Warum stellen Sie eigentlich nie die Frage, wem die Zinsen zugute kommen, die Sie für die unter dieser Regierung aufgelaufenen Staatsschulden aus dem Haushalt jährlich zu begleichen haben? Das

    Dr. Christa Luft
    sind ja doch immer zwischen 90 und 100 Milliarden DM. Wäre es in dieser Situation des Landes nicht an der Zeit, diejenigen, für die der klamme Bund zur Melkkuh geworden ist, zu einer solidarischen Leistung heranzuziehen?
    Ich komme zum Schluß und sage: In einer schwierigen Lage und unverhofft mußte in dieser Runde der Haushaltsberatungen Kollege Kurt Rossmanith die Leitung des Ausschusses übernehmen. Ich möchte ihm ausdrücklich den Respekt der Mitglieder der Gruppe der PDS im Haushaltsausschuß für seinen fairen Umgangsstil zollen.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Natürlich wünsche ich auch, daß Kollege Helmut Wieczorek bald vollends hergestellt ist und wie früher der Fels in der Brandung sein kann.
    Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses für ihre stete Hilfsbereitschaft.
    Sie, meine Damen und Herren von der Koalition werden - daran wird kein Zweifel bestehen -, mit Ihrer knappen Mehrheit heute diesen unsolide finanzierten Haushalt beschließen. Eine Grundlage für eine hoffnungsvolle Zukunft von Millionen verunsicherter Menschen, darunter vieler Jugendlicher und Kinder, legen Sie damit nicht.
    Danke schön.

    (Beifall bei der PDS)