Rede von
Hans Martin
Bury
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Kiper, wir haben im Gegensatz zu den Grünen nicht die Erhöhung der Gebühren in diesem Bereich um diesen exorbitanten Betrag gefordert. Die Koalition ist aber den Vorstellungen der Grünen gefolgt. Aus schierer Haushaltsnot hat sie 1,5 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen eingestellt. Wir sagen: Wenn sie dies mit ihrer Mehrheit durchsetzt, darf dieses Geld nicht zum Stopfen der Haushaltslöcher, sondern muß wirklich im Sinne der Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes, also zur Förderung von Telekommunikationsdienstleistungen bei öffentlichen Einrichtungen, verwandt werden.
Wenn das Sprichwort stimmte, daß Lügen kurze Beine haben, würden wir den Bundespostminister hinter diesem Rednerpult gar nicht mehr sehen.
Von seinem Versprechen, eine mindestens fünfstellige Zahl posteigener Filialen in Deutschland zu sichern, ist er kleinlaut abgerückt. Er versucht, sich mit der Zusage von 10 000 stationären Vertriebsstellen über die nächste Woche und über sein letztes Amtsjahr zu retten. Ein Postfilialkonzept, wie vom Regulierungsrat und der SPD gefordert, ist das nicht.
Noch immer fehlt ein Konzept für die bessere Auslastung der Postfilialen durch die Aufnahme von Vertriebskooperationen mit Finanzdienstleistern. Noch immer fehlen qualitative Kriterien, die sich daraus für das Filialnetz und die Arbeitsplätze bei der Post AG ergeben. Statt die offenen Punkte zu klären und die Voraussetzungen für ein qualitativ hochwertiges, kundenorientiertes und flächendeckendes Filialnetz zu verbessern, beschließen die Post und ihr Minister willkürlich die Schließung Tausender von Postfilialen und den Abbau von Arbeitsplätzen.
Es gibt öffentliche Angebote, die Erlöse des Postfilialnetzes um Provisionseinnahmen von 300 Millionen DM jährlich zu erhöhen. Die Schlafmützigkeit der Regierungskoalition und des zuständigen Ministers kommt uns alle teuer zu stehen.
Das gilt auch für seine Weigerung, dem Remailing endlich wirksam einen Riegel vorzuschieben. Am vergangenen Freitag erklärte der Bundespostminister öffentlich, kein Remailing-Verbot ins Postgesetz aufnehmen zu wollen. Am Montag verlagerte ein großer Service-Provider 1 Million Sendungen pro Monat von einer Druckerei in Deutschland nach Holland. Das geschah nicht, weil er mit der Leistung der deutschen Druckerei oder mit deren Preisen nicht einverstanden gewesen wäre. Im Gegenteil: Der Auftraggeber bot der Druckerei ausdrücklich die Übernahme eines Betriebes in Holland an, um die Arbitrage-Vorteile eines Versands aus dem Ausland auszunutzen.
Wenn der Bundespostminister diesen Export von Arbeitsplätzen weiter zuläßt, verletzt er seinen Amtseid.
Herr Kollege Müller, Sie haben vorhin in Ihrer Rede gefordert, im Zuge der Postgesetzgebung entsprechende Maßnahmen vorzusehen. Diese Forderung weicht erfreulich von bisherigen Verlautbarungen ab. Ich setze darauf, daß die CDU/CSU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Vorschläge der SPD, die als Antrag bereits vorliegen, dann auch unterstützen wird.
- Wenn wir auf die europäische Lösung warten, Herr Kollege Müller, werden Tausende hochinnovativer Arbeitsplätze in Deutschland verlorengehen und ins Ausland verlagert werden. Es werden mittelständische Unternehmen in innovativen Bereichen des Druckgewerbes, der Direktwerbung und der Rechenzentren hier nicht mehr konkurrenzfähig arbeiten können, obwohl sie gute Leistungen zu vernünftigen Kosten anbieten, allein wegen einer Wettbe-
Hans Martin Bury
werbsverzerrung, die Sie selber und auch die EU- Kommission eingeräumt haben. Es reicht hier nicht, nach Brüssel zu zeigen. Wir müssen in Deutschland handeln und bereit sein, wenn eine europäische Regelung nicht zustande kommt, eine nationale Regelung im neuen Postgesetz vorzusehen. Exakt dieses fordert die SPD.
Wir werden auch sehr genau darauf achten, daß die Bundesregierung den Verfassungsauftrag nach Art. 87 f Grundgesetz einhält, über dessen Interpretation seit 1981 im Deutschen Bundestag Übereinstimmung besteht. Deshalb wehren wir uns gegen die Reduzierung auf eine Minimalversorgung, wie sie der Regierungsentwurf des neuen Postgesetzes vorsieht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bundesregierung ist eine Gefahr für die Infrastruktur und für die Arbeitsplätze in Deutschland. Sie hat im Postressort - wie überall - kein Konzept für eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes. Das Ende des Postministeriums kann deshalb nur der Anfang vom Ende dieser Bundesregierung sein.