Rede von
Gerhard
Jüttemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, daß die Gruppe der PDS dem Einzelplan 13 nicht zustimmen wird. Die Gründe dafür kennen Sie: Es handelt sich um einen reinen Resthaushalt, der nur noch die verbleibenden staatlichen Behörden betrifft, auf die Ausgestaltung und Möglichkeiten von Post und Telekommunikation in diesem Lande jedoch keinen Einfluß mehr haben wird.
Das ist um so bedauerlicher, als das allgemeine soziale Chaos, das Sie mit Privatisierung und Liberalisierung angerichtet haben, staatlichen Einfluß heute bitter nötig machen würde, allerdings in die entgegengesetzte als die von Ihnen bevorzugte Richtung.
Sie werden diesem Argument den Erfolg der Telekom bei der Börseneinführung ihrer Aktien gegenüberstellen. Darauf antworte ich Ihnen:
Erstens. Warten wir doch erst einmal ab, wie es um die Dauerhaftigkeit dieses Erfolgs bestellt sein wird! Immerhin ist die Aktie schon am zweiten Tag abgerutscht. Zu den Milliardenschulden, zu der sich auf 1998 vorbereitenden Konkurrenz und zu den anderen Risiken des Wirtschaftsunternehmens Telekom hat „Liebling Kreuzberg" sich bei seinen abendlichen Besuchen in den Wohnzimmern der Republik vornehm ausgeschwiegen.
Zweitens. Eine Voraussetzung dafür, daß Herr Sommer auf einen Schlag 20 Milliarden DM einsammeln konnte, ist eben das soziale Chaos, das Sie mit ihm zusammen angerichtet haben und weiter anrichten. Da sind die Gebührenerhöhungen vom Anfang dieses Jahres, die besonders die ohnehin sozial Schwachen unerträglich stark belasten, die aber dennoch niemand für korrekturbedürftig zu halten scheint.
Da ist der planmäßige Abbau von 60 000 Arbeitsplätzen in einem einzigen Unternehmen; eine im übrigen weit untertriebene Zahl, denn in Wirklichkeit werden es mindestens 90 000 vernichtete Arbeitsplätze sein.
Dies alles geschieht in einer Zeit, in der Ihr Haushalt hinten und vorne nicht mehr stimmt, eben weil Sie unentwegt damit beschäftigt sind, die Voraussetzungen für den Kahlschlag von Arbeitsplätzen zu schaffen. Öffentlich erklären Sie derweil, Sie wollten die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 halbieren. Halten Sie eigentlich die Adressaten solcher Erklärungen alle für blind und taub?
Lassen Sie uns auch über die Deutsche Post AG reden. Die haben Sie nun so lange reformiert, daß ein beträchtlicher Teil von ihr bereits verschwunden ist: 70 000 Arbeitsplätze zum Beispiel und mehr als die Hälfte aller ursprünglich existierenden Postfilialen. Gestern haben Sie die Trennung von Post und Postbank als Reform bezeichnet, heute reformieren Sie sie wieder zusammen, freilich wieder unter Bedingungen, die erneut mindestens 23 000 Arbeitsplätze kosten werden.
Außerdem werden, wie dem jüngst vorgelegten Filialkonzept der Deutschen Post AG zu entnehmen ist, bis zum Jahr 2000 von den verbliebenen 12 800 eigenbetriebenen Postfilialen weitere 8 000 verschwinden. Am Ende werden wir dann eine Menge Postagenturen, die neben Wurst und Käse auch Briefmarken verkaufen, und einige wenige posteigene Filialen haben, die neben Briefmarken vor allem Wurst und Käse verkaufen. Das Rückgrat der Infrastruktur der Post AG, das ihre eigenen Filialen heute noch bilden, wird jedenfalls gebrochen sein.
Ob die Einnahmen aus dem verbliebenen Fastfood-Geschäft ab dem Jahr 2003 dann auch noch reichen werden, einen einigermaßen akzeptablen Universaldienst anzubieten, darf eher bezweifelt werden.
Wo das Geld sonst herkommen soll, bleibt jedoch ein Rätsel, denn einen reservierten Dienst, wie ihn die Europäische Union vorsieht, soll es laut Ihrem Postgesetzentwurf nicht geben. Das Ergebnis können nur weitere Filialschließungen und ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen sein, bis die Deutsche Post nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.
Übrigens ist in diesem Zusammenhang mehr als makaber, daß sich der Vorstand der Post AG angesichts des Massenarbeitsplatzabbaus, des Filialsterbens und der geplanten Portoerhöhungen und angesichts eines beispiellosen Sozialabbaus im ganzen Lande eine Erhöhung der eigenen Bezüge um sage und schreibe 63 Prozent bewilligt hat.
Vor 14 Tagen habe ich mich in einer Gesprächsrunde
mit Postchef Zumwinkel und Abgeordneten des Wirt-
Gerhard Jüttemann
schaftsausschusses noch darüber gewundert, daß sich Herr Zumwinkel zukünftig an den portugiesischen Löhnen orientieren wollte. Seinen Vorstand scheint er damit jedenfalls nicht gemeint zu haben.
Franz von Taxis ist vor knapp 500 Jahren für seine Verdienste als Gründer der Post mit dem rittermäßigen Reichsadel geehrt worden.
Welchen Orden werden Sie sich für deren Zerschlagung anheften?
Ich danke.