Rede von
Horst
Sielaff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein, ich möchte im Zusammenhang reden und angesichts der Zeit keine Fragen zulassen.
Herr Gröbl, bei Einbringung dieses Haushaltes haben Sie hier erklärt:
Deshalb führen wir die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe so behutsam zurück, daß es nicht zu spürbaren Einbußen beim Einkommen der Landwirte kommen muß, insbesondere nicht bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung. . .
Gilt das heute, wenige Tage später, nicht mehr, wie ich annehmen muß, wenn ich mir anschaue, wo diese Bundesregierung den Hebel der Kürzungen ansetzt?
Die Bundesregierung und ihre Fraktionen verunsichern die Landwirtschaft und die Menschen im ländlichen Raum. Mit der von der Koalition unterstellten qualifizierten Haushaltssperre bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur werden junge Landwirte keineswegs animiert, Landwirtschaft zu betreiben und ihre Betriebe weiterzuentwickeln. Dorferneuerung, Wegebau, Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, alles wichtige infrastrukturelle Maßnahmen zur Entwicklung ländlicher Räume, werden zusätzlich in Frage gestellt. Mit dieser unterstellten Sperre sollen offensichtlich weiter entstehende Haushaltslöcher gestopft und die Länder unter Druck gesetzt werden, beim Jahressteuergesetz nachgiebig zu sein.
Wie dieser Haushalt auch von CSU-Ministern beurteilt wird, können wir in diesen Tagen nachlesen. Ich denke an Äußerungen des bayerischen Landwirtschaftsministers.
Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes ist hier bereits zitiert worden.
Die chaotische Finanzpolitik dieser Bundesregierung hat die weiterhin dringend notwendige Ökologisierung der Landwirtschaft und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe von langer Hand vereitelt. Einige Beispiele möchte ich nennen: Knappe öffentliche Mittel aus dem Währungsausgleich werden großzügig über die landwirtschaftliche Unfallversicherung verteilt. Im Anschluß an das BSE-Debakel erhalten die Landwirte jetzt ganze 14 DM pro Tier.
Wenn Sie wirklich glauben, daß dieses planlose Verregnen den tatsächlich Geschädigten helfen würde,
dann ist den Mitgliedern dieser Regierungskoalition nicht mehr zu helfen.
Zum Ausbau der ländlichen Wertschöpfung und der Beschäftigung in ländlichen Räumen tragen solche ziellosen Maßnahmen mit Sicherheit nicht bei.
Ähnlich verhält es sich mit der Politik zugunsten der benachteiligten Gebiete. Mit Übernahme des Agrarressorts durch den CSU-Minister Kiechle seinerzeit wurden die benachteiligten Gebiete ohne sachlichen Grund aus rein politischen Erwägungen auf über 50 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ausgeweitet.
Damit einher ging die Ausweitung der Ausgleichszulage um das Zehnfache auf rund 1 Milliarde DM jährlich. Die Folge ist: Für die gezielte Verbesserung der Umweltverträglichkeit und der Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft fehlen öffentliche Mittel. Der Erhalt einer flächendeckenden Landbewirtschaftung muß nicht heißen, die halbe Bundesrepublik Deutschland zum benachteiligten Gebiet zu erklären.
Die Bundesregierung ignoriert bewußt die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen in den Rahmenbedingungen auch für die benachteiligten Gebiete. Seitdem ist zu Beginn der 80er Jahre die Milchquotenregelung eingeführt worden, sind die Ausgleichszahlungen und die Förderung durch die flankierenden Maßnahmen aus der EU-Agrarreform und die verschiedenen Brüsseler Regionalprogramme hinzugekommen.
Herr Borchert, Sie haben außerdem dem Parlament bis heute keinen Bericht über die Überprüfung dieser Förderung vorgelegt, obwohl der Ernährungsausschuß bereits im Dezember 1995 und der Planungsausschuß für Agrarstruktur und Küstenschutz im März 1995 dies beschlossen haben. Offensichtlich fehlen der Bundesregierung die Kraft und der Mut, die bisherige Förderpolitik nach den veränderten Ansprüchen, die auch seitens der Öffentlichkeit an die Landwirtschaft herangetragen werden, zu korrigieren. Statt dessen setzt man lieber eine Art Von-der-
Hand-in-den-Mund-Politik fort. Kein Wunder, daß die PLANAK-Sitzung offensichtlich ins neue Jahr verschoben werden soll. Es wird wohl auch eine eher traurige Zusammenkunft für alle werden.
Gestaltende Agrarpolitik kann man mit diesem Haushalt kaum noch betreiben. Mehr als Verwaltung des Mangels und Festhalten an Überkommenem haben Sie, meine Damen und Herren von der Regie-
Horst Sielaff
rungskoalition, aber offensichtlich auch nicht vor. Das zeigen die Reaktionen auf unsere Vorschläge, die wir an unterschiedlichen Stellen gemacht haben.
Wenn es anders wäre, würden Sie, Herr Minister, im Bundeskabinett wohl verbissener und deutlicher um die Belange der Landwirte und um den Erhalt der Mittel für die Landwirtschaft kämpfen.