Rede von
Claudia
Nolte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Klemmer, lieber Herr Göllner, das, was wir hören konnten, war: Sie sind mit dem Haushalt nicht zufrieden. Ich finde allerdings, daß Sie uns die Antwort schuldig geblieben sind, wie Ihre Alternativen aussehen.
Sie haben gegenüber den Ansätzen, die wir gewählt haben, beträchtliche Forderungen offeriert, die zu Mehrausgaben führen würden, aber Sie verlieren überhaupt kein Wort darüber, wie man das finanzieren soll, woher das Geld dafür kommen soll. Frau Klemmer, die Gegenfinanzierung stimmt nicht; Sie haben dazu keine Vorschläge gemacht.
Für die Finanzierung von Mehrausgaben gibt es eigentlich nur drei Möglichkeiten. Die erste ist die höhere Neuverschuldung. Wir debattieren schon eine gewisse Zeit darüber und hören, Neuverschuldung heißt, auf Kosten nachfolgender Generationen zu leben.
- Nein, Frau Klemmer, darauf komme ich noch im einzelnen.
Die zweite Möglichkeit sind höhere Steuern. Das würde ganz Ihrem Prinzip Rechnung tragen, den Leuten das Geld mit der einen Hand aus der Tasche zu ziehen, um es mit der anderen großzügig zu verteilen. Das ist etwas, das wir nicht wollen und auch nicht machen.
Der dritte Weg ist Sparen. Das ist im Moment der einzig richtige Weg, und deshalb gehen wir ihn. In gewissem Sinne erfordert das Mut, denn man muß genau sagen, wo man seine Schwerpunkte setzt. Es fällt Ihnen schwer, von alten Dingen Abstand und Abschied zu nehmen, um neue politische Schwer-
Bundesministerin Claudia Nolte
punkte setzen zu können. Sie können nur draufsatteln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß die Familienförderung hohe Priorität für mich hat. Es ging wirklich um mehr als die Frage, ob wir das Kindergeld um 20 DM in 1997 oder 1998 erhöhen, sondern wir haben den Familienlastenausgleich zu einem Familienleistungsausgleich weiterentwickelt und ihn damit auf eine neue solide Grundlage gestellt.
Bereits in diesem Jahr haben wir die Familien mit 7 Milliarden DM mehr entlastet. Damit ist die Familienförderung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs so hoch wie noch nie.
Ganz kurz noch ein Wort zu Ihrem Antrag zum Erziehungsgeld: Ich begrüße es, daß wir uns inzwischen so weit einig sind, daß wir die Anhebung der Einkommensgrenzen erreichen wollen. Ich hatte lange Zeit den Eindruck, daß wir uns überhaupt nicht einig sind; denn wenn man schaut, was die Länder tun, kann man nicht davon ausgehen, daß es sich um ein Herzensanliegen der SPD handelt.
Um es ganz konkret zu machen: Als wir die Zeitspanne für den Erziehungsgeldbezug ausgeweitet haben, hatte Rheinland-Pfalz nichts Eiligeres zu tun, als die Bezugsdauer für seine Bürger um denselben Zeitraum zu kürzen. Daraus kann man nun wirklich nicht schließen, daß das Erziehungsgeld ein besonderes Anliegen für Sie ist. Im übrigen gelten in Rheinland-Pfalz dieselben Einkommensgrenzen wie beim Bund.
Die Art und Weise, wie Sie den Antrag stellen, ist sehr billig. Es gehört nun einmal dazu, daß wir die Maßnahmen, die wir durchsetzen wollen, auch seriös finanzieren. In Ihrem Antrag ist nicht ein Wort dazu verloren worden, wie man die 500 Millionen DM finanzieren soll.
- Herr Diller, auch in der Summe der Anträge ist das nicht sehr seriös.
Die Politik für eine familienfreundliche Gesellschaft hängt weiß Gott nicht nur am Kindergeld, am Kinderfreibetrag und am Erziehungsgeld, sondern entscheidend ist, welche Wertschätzung die Familien erfahren und inwieweit sie in einem familienfreundlichen Umfeld leben. Für mich ist es in der Tat sehr wichtig, daß wir kinder- und familienfreundliche Gemeinden haben. Deshalb setze ich auch einen Schwerpunkt, um Gemeinden zu fördern. Dazu dient der neue Bundeswettbewerb „Kinder- und familienfreundliche Gemeinden" .
Ich bedanke mich sehr bei den kommunalen Spitzenverbänden, daß sie das so ausdrücklich mit unterstützt haben.
Auch hier wird Ihre Scheinheiligkeit deutlich. Frau Klemmer, der einzige Vorschlag für Kürzungen, den Sie in den Haushaltsausschußberatungen zum Einzelplan 17 vorgelegt haben, betraf genau den Etatbereich Förderung einer familienfreundlichen Gesellschaft und 2,4 Millionen DM. Da frage ich mich, wo Sie jetzt den Schwerpunkt für Familien setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein unbestritten gleichermaßen wichtiger Politikbereich ist für mich die Jugendpolitik. Nun gab es gestern einen Designer-Parteitag über Jugend. Ich finde es schon wichtig und begrüße es ausdrücklich, daß wir uns alle Gedanken darüber machen, wie wir es schaffen können, daß sich junge Menschen politisch engagieren und Mitwirkungsmöglichkeiten haben. Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie dies dadurch erreichen, daß Sie das Wahlalter absenken. Das ist in meinen Augen nicht nur ein sehr phantasieloser Vorschlag, sondern er ist auch der falsche Weg. Wenn man sieht, daß in keiner Altersgruppe die Wahlbeteiligung so stark zurückgegangen ist wie gerade bei den Jungwählern, dann wird offensichtlich, daß man über die Herabsetzung des Wahlalters keine Politikbegeisterung erzeugen kann.
Viel entscheidender ist, daß wir Mitwirkungsmöglichkeiten schaffen, daß wir zum politischen Arbeiten befähigen. Das findet in großem Maße in den Verbänden statt. Daß mir dies ein wichtiges Anliegen ist, mache ich dadurch deutlich, indem ich im Rahmen des Kinder- und Jugendplans ganz klar Schwerpunkte zum Erhalt von Strukturen der Jugendverbandsarbeit sowohl bei den politischen Jugendverbänden als auch beim Deutschen Bundesjugendring oder bei der Deutschen Sportjugend gesetzt habe. Das sind plurale Trägerstrukturen, Frau Klemmer, bei denen Sie in keiner Weise davon reden können, daß wir einseitig jemanden bevorzugen.
Auch das, was Sie insgesamt zum Kinder- und Jugendbereich sagen, trägt absolut nicht zu einer Klarheit bei. Sie behaupten unter anderem, die Programme im Kinder- und Jugendplan werden bis zur Unkenntlichkeit zurückgestutzt. Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, daß der Bund in seiner Anregungskompetenz Modellprojekte fördert. Sie sind nun einmal grundsätzlich auf eine beschränkte Zeitdauer angelegt. Wenn solche Programme auslaufen, dann kann man nun wirklich nicht davon sprechen, daß gekürzt oder irgendwo etwas zurückgestutzt wird. Dies gilt zum Beispiel für das Mädchenprojekt, das Ende 1996 ganz regulär ausläuft. Es war meine persönliche Entscheidung, zu sagen, ich verlängere die Projektphase noch einmal für einen neuen Versuch mit 3 Millionen DM.
Auch zum internationalen Jugendaustausch entbehren Ihre Vorwürfe zur Frage der Finanzierung der deutsch-tschechischen Koordinierungsstelle jeglicher Grundlage. Auch Sie müssen Entwicklungen doch einmal zur Kenntnis nehmen. Es stehen für den internationalen Jugendaustausch 1997 32 Millionen DM zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir
Bundesministerin Claudia Nolte
das Deutsch-Französische Jugendwerk mit 40 Millionen DM, von denen wir 20 Millionen DM bezahlen. Beim Deutsch-Polnischen Jugendwerk bezahlen wir 7,5 Millionen DM von 10 Millionen DM. Das sind beträchtliche Beträge für den internationalen Jugendaustausch.
Nun haben wir Ihnen mehrfach erläutert, daß die Finanzierung der Koordinierungsstellen zum einen dadurch möglich wird, daß wir Globalmittel von 800 000 DM zur Verfügung haben und daß wir zum anderen seit 1995 das europäische Programm Jugend für Europa 3 haben. Dort fließen aus Deutschland jährlich über 13 Millionen DM hinein, und wir bekommen darüber hinaus 5 Millionen DM aus diesem Programm für unsere Maßnahmen im Bereich des internationalen Jugendaustausches mit Ländern Europas.
Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, daß in der Summe für diesen Bereich dadurch letztlich mehr Mittel zur Verfügung stehen und daß man nicht argumentieren kann, wir nehmen es bei anderen Austauschmitteln weg.
Ein Wort auch noch zum AFG. Ich glaube, es macht keinen Sinn, wenn wir uns jetzt noch einmal darüber verständigen müssen, daß wir ein föderaler Staat sind, in dem jede Ebene ihren eigenverantwortlichen Kompetenzbereich hat. Es ist nun einmal zwingend, daß die Aufgaben jeweils von der Ebene wahrgenommen werden, die dafür die Zuständigkeit besitzt. Das gilt für die Vernetzungsstelle der kommunalen Frauenbeauftragten ebenso wie für die Finanzierung kommunaler Projekte im Jugendbereich. Wir können kommunale Aufgaben auf Dauer nicht von der Bundesebene her finanzieren. Ich weiß, daß in den neuen Bundesländern ein Großteil der Jugendprojekte im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes durchgeführt werden. Falls Ihnen das entgangen sein sollte: Genau das war für mich ein Grund, mich sehr intensiv dafür einzusetzen, daß wir Maßnahmen gemäß § 249h auch über 1997 hinaus möglich machen. Es liegt jetzt am Bundesrat, daß die AFG-Reform entsprechend und vor allen Dingen rechtzeitig verabschiedet wird.
Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren, daß gerade im jugendpolitischen Bereich wegen der notwendigen Kontinuität fest finanzierte Stellen nötig sind. Das können wir auf Dauer nicht über das AFG abdecken. Hier sind nun einmal in erster Linie die Kommunen gefordert. Die Länder haben die entsprechenden Unterstützungsleistungen zu geben.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Neunten Jugendbericht. Er hat, Herr Berninger, ganz klar deutlich gemacht, was der Bund beim Aufbau von freien Trägern der Jugendhilfe gerade in den neuen Bundesländern geleistet hat und daß jetzt die
Verantwortung bei den Ländern und den Kommunen liegt und dort wahrgenommen werden soll.
- Das ist originäre Kompetenz, Herr Kollege.
Zudem habe ich in den vergangenen Monaten neue Schwerpunkte gesetzt. Ich erinnere hier an das Programm für die Straßenkinder und auch an den Schwerpunkt Förderung eines guten Verhältnisses zwischen den Generationen, zwischen Jung und Alt. Denn es ist im Interesse der Jugend genauso wie im Interesse der Gesellschaft insgesamt, daß sich Jung und Alt verstehen. Ich wehre mich gegen jedes Separieren und Ausgrenzen. Deshalb ist die Förderung des Dialogs der Generationen für mich ein eigenständiger Schwerpunkt, der sich auch im Kinder-und Jugendplan entsprechend niederschlägt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine sehr wesentliche Veränderung im Gegensatz zur ersten Lesung ist in der Tat der Ansatz des Garantiefonds. Ich halte aber Ihre Kritik an diesem Punkt für nicht gerechtfertigt. Denn die Veränderung, die wir vornehmen, ist sehr wohl vertretbar, wenn man bedenkt, daß eindeutig weniger Aussiedler gekommen sind und dies auch in der nächsten Zeit so sein wird. Wir betreiben eine intensive Sprachoffensive durch das BMI, die dazu führen wird, daß bessere Sprachkenntnisse bei den nach Deutschland kommenden Aussiedlern vorhanden sein werden. Die Sprachförderung wird überdies von den Kürzungen nicht betroffen werden. Sie wissen, daß wir weitere Möglichkeiten von Umstrukturierungen innerhalb des Garantiefonds haben, so daß Ihre Besorgnis nicht begründet ist.
Die Mittelerhöhung beim REAG-Programm ist von der Abgeordneten Albowitz angesprochen worden. Ich glaube in der Tat, daß es gut ist, ein Volumen zur Verfügung zu stellen, das etwa 60 000 bosnischen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht.
Damit erfüllen wir nicht nur ein Abkommen, das für Bosnien und Herzegowina getroffen worden ist,
sondern wir helfen den Menschen ganz konkret beim Aufbau ihres Landes, bei der Rückkehr in ihr Land.
Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich sagen, daß der Haushalt dafür steht, daß man auch in Zeiten enger finanzieller Spielräume politische Schwerpunkte setzen kann. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit bei den Kolleginnen und Kollegen sowohl im Fachausschuß als auch im Haushaltsausschuß und auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, die erhebliche Arbeit geleistet haben.
Vielen Dank.