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ID1314006800

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    Plenarprotokoll 13/140 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 140. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Freimut Duve 12569 A Begrüßung einer gemeinsamen Delegation aus Israel, den palästinensischen Gebieten und dem Königreich Amman . . 12611 B Begrüßung einer Delegation von Innenpolitikern aus der Ukraine 12615 A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/5200, 13/5836) . . . 12569 A Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 13/6001, 13/6025) 12569 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 13/ 6002, 13/6025) 12569 C Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 13/6003, 13/ 6025) 12569 D Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 13/6008, 13/6025) . . . 12569 D in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 13/6022) . 12570 A in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 13/6024) 12570 A in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 13/ 6018, 13/6025) 12570 A Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin BMF 12570 B Karl Diller SPD 12573 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 12580 B Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . 12583 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12585 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 12586 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 12589 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . 12589 D, 12604 C Dr. Christa Luft PDS 12594 A Jörg-Otto Spiller SPD 12596 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 12597 C Susanne Jaffke CDU/CSU 12599 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 12602 A Wilfried Seibel CDU/CSU 12603 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/6017, 13/6025) 12606 A Siegrun Klemmer SPD 12606B, 12622 A Peter Jacoby CDU/CSU 12609 A Ingrid Matthäus Maier SPD 12609 C Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12611 C Ina Albowitz F.D.P. 12613 A Dr. Edith Niehuis SPD 12614 B Heidemarie Lüth PDS 12615 A Renate Diemers CDU/CSU 12616 A Uwe Göllner SPD 12617 B Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 12619 C, 12622 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/6015, 13/6025) . . . 12623 A Gerhard Rübenkönig SPD 12623 A Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 12624 D, 12628 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12626 D Antje-Marie Steen SPD 12628 A Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12629 A Dr. Dieter Thomae F.D.P 12630 C, 12632 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12632 A Dr. Ruth Fuchs PDS 12632 D Dr. Martin Pfaff SPD 12633 C, 12638 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . . 12635 C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/6010, 13/6025) 12639 B in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Ausgleich der Währungsverluste in der Europäischen Union für die deutsche Landwirtschaft (Drucksachen 13/3656, 13/4996) 12639 B Ilse Janz SPD 12639 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . 12641 D, 12651 A Horst Sielaff SPD 12643 C, 12644 B Dr. Gerald Thalheim SPD 12644 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12645 B Jürgen Koppelin F.D.P 12646 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 12646 D Günther Bredehorn F.D.P. 12647 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12648A, 12652 A Dr. Günther Maleuda PDS 12648 D Horst Sielaff SPD 12649 C, 12651 B Jochen Borchert, Bundesminister BML . . 12651 C Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/6013, 13/6025) 12654 B Gerhard Rübenkönig SPD 12654 C Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 12656 B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12657 D Dr. Max Stadler F D P. 12659 A Gerhard Jüttemann PDS 12660 A Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . 12661 A Hans Martin Bury SPD 12662 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12663 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 12664 B Hans Martin Bury SPD 12664 D Nächste Sitzung 12665 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12666* A 140. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1996 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang SPD 26. 11. 96 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 26. 11. 96 * Dr. Eid, Ursula BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Gysi, Andrea PDS 26. 11. 96 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 26. 11. 96 Klein (München), Hans CDU/CSU 26. 11. 96 Klose, Hans-Ulrich SPD 26. 11. 96 Krüger, Thomas SPD 26. 11. 96 Lehn, Waltraud SPD 26. 11. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 26. 11. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 26. 11. 96 Scheel, Christine BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 26. 11. 96 Tappe, Joachim SPD 26. 11. 96 Thieser, Dietmar SPD 26. 11. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 26. 11. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 26. 11. 96 Wallow, Hans SPD 26. 11. 96 Weis (Stendal), SPD 26. 11. 96 Reinhard Wieczorek (Duisburg), SPD 26. 11. 96 Helmut Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 26. 11. 96 Wohlleben, Verena SPD 26. 11. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 26. 11. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Renate Diemers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Ausgangssituation, vor der wir den Haushalt 1997 diskutieren, ist uns, den Familien, den Seniorinnen und Senioren, den Frauen und der Jugend bekannt. Wir alle zusammen wissen: Die Verteilungsmittel sind knapper, die Verteilungsspielräume enger, und die Verteilungskämpfe sind härter geworden.
    Vor diesem Hintergrund gebietet es die politische Fairneß, daß wir nicht sagen, was hätte sein können und was wünschenswert ist, sondern daß wir vielmehr sagen, was Familien, Seniorinnen und Senioren, Frauen und die Jugend vom Bundeshaushalt 1997 zu erwarten haben.
    Ich stelle mit Nachdruck noch einmal fest, daß wir mit dem Haushaltsansatz 1997 für die Familienpolitik den im vergangenen Jahr vorgenommenen Umbau vom Familienlasten- zum Familienleistungsausgleich gefestigt haben. Ich freue mich darüber, daß sich offensichtlich herumgesprochen hat, daß sich der Familienleistungsausgleich nicht in der Kindergeldzahlung erschöpft. Deshalb betone ich, daß die gesetzlichen Vorgaben zur Sicherstellung der Conterganrenten, die Zuweisung an die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder", erhöht wird. Daß für diese Zuwendungen in anderen Bereichen gekürzt werden muß, ist vertretbar. Die Einlage für die Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" bleibt mit 200 Millionen DM auf dem Niveau von 1995 und 1996. Auch für die Aufklärung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes werden wieder 10 Millionen DM in den Haushalt eingestellt.
    Zu nennen ist im übrigen auch die Projektförderung im Bereich der Familienbildung sowie der Eltern- und Eheberatung für zentrale Maßnahmen. Ich nenne auch die Zuwendungen zum Bau, zur Modernisierung sowie für Sanierungsmaßnahmen und die Errichtung von Familienbildungsstätten. Denjenigen, die meinen, den Familien suggerieren zu können, für die Familienförderung geschehe zu wenig, sage ich: Wir wären mit der Familienförderung erkennbar weiter, wenn gerade die SPD-regierten Länder, statt unhaltbare Forderungen an den Bund zu richten, ihrer Bringschuld eines Landeserziehungsgelds endlich nachkommen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Forderung kann nicht mit der gegenwärtigen Haushaltssituation vermengt werden. Diese Forderung hat Jubiläum. Sie wird seitens meiner Fraktion und meinerseits seit zehn Jahren, also schon seit der Zeit, als ich noch nicht Bundestagsabgeordnete war, erhoben.

    (Zuruf der Abg. Dr. Edith Niehuis [SPD])

    Ich meine, die betroffenen Familien wissen sehr wohl zwischen Lippenbekenntnissen und Taten zu unterscheiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zuruf von der SPD: Allerdings!)

    Die Kürzungen im Bereich der frauenpolitischen Maßnahmen sind bestimmt nicht einfach zu verkraften. Dennoch sage ich: Die zentralen Punkte der Gleichberechtigungspolitik sind mehr als sichtbar. Ich nenne Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt, Abbau des Rollenklischees, Verbesserung der Situation der Frauen in den neuen Bundesländern. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt; dazu gehört auch, daß der Deutsche Frauenrat aus Bundesmitteln mit knapp 1 Million DM gefördert wird.
    Im Zusammenhang mit der Frauenpolitik darf nicht unerwähnt bleiben, daß wir alle aufgefordert sind, Vorschläge zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen vorzulegen. Ich freue mich schon heute auf die Debatte, die wir dazu sicherlich noch führen werden.
    Ich verhehle nicht, daß ich die Kürzungen von gesellschaftspolitischen Maßnahmen, die wir für die ältere Generation vornehmen müssen, mehr als bedauere. Da sich diese Kürzungen aber zu einem erheblichen Teil auf Forschungsprojekte beziehen, läßt sich, denke ich, dieses Defizit durchaus aus den Forschungsvergaben der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" kompensieren. Ich bin davon überzeugt, daß gerade die alte und ältere Generation eine Doppelvergabe von Forschungsaufträgen verneint und einer Bündelung der Forschung das Wort reden wird.
    Mit aller Deutlichkeit sage ich: Die ältere und alte Generation ist nicht verunsichert über Kürzungsmaßnahmen im Forschungsbereich. Sie ist darüber verunsichert, daß ihre Alterssicherung in unverantwortlicher Weise in Frage gestellt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Spiel mit dem wirtschaftlichen Sicherungsbedürfnis alter Menschen nenne ich verantwortungslos. Ich frage auch: Was sollen alte und ältere Menschen davon halten, wenn in der politischen Auseinandersetzung über finanzielle Mittel von Forschungsaufträgen gestritten wird, gleichzeitig aber vom „Altenberg", von der „Altenlast", von der „Dramatik des demographischen Wandels" gesprochen wird?

    (Zuruf von der SPD: Wer macht das denn?)

    Ich sage: So wenig, wie sich der Familienleistungsausgleich im Kindergeld erschöpft, so wenig erschöpft sich unsere Altenpolitik in Forschungsaufträ-

    Renate Diemers
    gen. Ich meine, diese Deutlichkeit muß sich auch in unserer Ansprache an Jugendliche niederschlagen. Jugendliche wie alte Menschen wollen keine Betulichkeit, keine Betreuungsmentalität. und keine Bevormundung. Sie wollen Voraussetzungen für Eigenständigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Ich könnte jetzt noch vieles sagen, aber meine Redezeit ist gleich abgelaufen. Deshalb sage ich nur noch folgendes: Die beste Jugendförderung erreichen wir mit einem ausreichenden Ausbildungsplatzangebot, so wie wir die beste Frauen- und Familienförderung dadurch bekommen, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für uns absolute Priorität hat.

    (Zurufe von der SPD)

    Dieser Aufgabe stellen wir uns. Wir wissen: Der damit verbundene Erfolg setzt auch Spielräume für die Weiterentwicklung der Familien-, Frauen-, Seniorinnen- und Senioren- sowie der Jugendförderung frei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun gebe ich das Wort dem Abgeordneten Uwe Göllner.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich, bevor ich einen Blick in den Haushalt werfe, zwei Bemerkungen zum vorher Gesagten mache.
    Herr Jacoby, dieses Haus steht immer noch in Bonn und nicht in Saarbrücken.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Na, so was!)

    Hier werden auch nicht Dinge des Saarlandes behandelt, sondern der Bundeshaushalt für 1997.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Dann soll Herr Lafontaine auch in Saarbrücken bleiben!)

    Wir sollten uns mit dem, was die Kolleginnen und Kollegen auf anderen staatlichen Ebenen tun, hier nur dann befassen, wenn es uns oder die jeweils andere Ebene betrifft. Darauf werde ich nachher noch zu sprechen kommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Albowitz hat das Haus verlassen. Ich hätte ihr gern gesagt, daß es mich freut, wie sehr sie sich mit unserem Jugendpolitischen Parteitag von Köln befaßt. Daß sie sich so viel Mühe macht, Presseausschnitte zusammenzutragen, und so viel Zeit investiert, zeigt, daß wir auf dem richtigen Wege sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Ich hätte ihr ganz gern gesagt, daß in der Stadt, in der ich Bürgermeister bin und die 75 000 Einwohner
    hat, der letzte Junge Liberale im Ring Politischer Jugend 1980 ausgeschieden ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie doch mal von Jusos!)

    - In der Stadt, in der ich Bürgermeister bin, gibt es davon 380. Davon sind über 50 aktiv. Ich kann mich überhaupt nicht beklagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich komme aus dem katholischen Rheinland. Bei uns werden die Menschen
    - nach einem alten Bibelwort - an dem gemessen, was sie tun. Wenn ich diesen Maßstab an die Ankündigungen der Bundesregierung anlege, muß ich feststellen, daß zwischen dem, was angekündigt wird, und dem, was als Taten hinten rauskommt - wie das so schön heißt -, Welten liegen.
    Überdies tragen Sie mit Ihrer Politik zum Ruin der Kommunen bei. Dabei hat der Herr Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung 1982 doch gesagt
    - Herr Präsident, ich zitiere -:
    ... es entspricht dem Willen der Bundesregierung, daß Länder und Gemeinden wieder mehr zu ihrem Recht kommen.
    Die negativen bis ruinösen Auswirkungen Ihrer Politik auf die Gemeinden werde ich in meine Betrachtungen mit einbeziehen. Als Bürgermeister weiß ich durchaus, wovon ich rede.
    Ein Satz stand in der ersten Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, an dem sich die Politik seiner Regierung ausrichten sollte und der ausweislich des damaligen Protokolls von CDU/CSU und F.D.P. mit Beifall bedacht wurde. Er hieß:
    Wir verlangen die notwendigen Opfer nicht von den Einkommensschwachen, sondern von denen, denen diese Opfer eher zugemutet werden können.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)

    Wie weit diese Ankündigungen von Ihrer Politik entfernt sind, können Sie sich von Ihnen nahestehenden Verbänden der Kirchen erklären lassen.
    Mit der Armut, die auch durch Ihre Politik erzeugt wurde, müssen die Kommunen fertig werden. Während meine Stadt 1982 ganze vier Betten für nichtseßhafte Männer vorhielt, betreibt der Sozialdienst Katholischer Männer bei uns zur Zeit zwei Häuser, in denen zunehmend auch Frauen und Jugendliche unterkommen. Diese Häuser werden natürlich von der Stadt bezahlt.
    Zum zentralen Punkt seiner Politik erklärte Helmut Kohl 1982 die Familienpolitik. Er sprach wörtlich davon, „daß wir wieder ein kinderfreundliches Land werden" müssen. In seiner Regierungserklärung vom vorletzten Jahr hieß es dann:
    Wir wollen, daß unsere Gesellschaft familienund kinderfreundlicher wird.

    Uwe Göllner
    Der unbedarfte Leser beider Regierungserklärungen wird sich wohl fragen, wer dieses Land in den zwölf dazwischenliegenden Jahren regiert hat.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Verwundern darf das aber nicht; denn nachdem Sie den Kommunen durch die Anhebung der Freibeträge bei der Gewerbeertragsteuer Millionenbeträge aus den Kassen genommen haben, haben Sie Ihre „Familienfreundlichkeit" dadurch bewiesen, daß Sie den Kommunen beispielsweise über das KJHG weitgefächerte und differenzierte Pflichtaufgaben der Familien- und Erziehungshilfe verordnet haben. Daß diese Hilfen nur nachsorgen, was soziale Benachteiligung häufig erst angerichtet hat, stört Sie dabei genausowenig wie die Tatsache, daß dies „natürlich" wieder von den Kommunen bezahlt werden muß.
    Da paßt es in die politische Landschaft, wenn Sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion zur Förderung der offenen Kinder- und Jugendarbeit durch die Bundesregierung lapidar erklären, daß eine Aufstockung der Mittel für diesen Bereich aus Haushaltsgründen kaum realisierbar sei.
    1982 hat der Kanzler erklärt, seine Regierung wolle alles tun, um die bedrückende Jugendarbeitslosigkeit abzubauen. Es bewirke Bitterkeit - so der Kanzler damals - und oft auch Resignation, daß so viele junge Menschen den Einstieg ins Erwerbsleben mit Arbeitslosigkeit begännen. 13 bis 15 Prozent eines Jahrgangs sind heute ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Im letzten Jahr waren 178 000 von ihnen nach der betrieblichen Ausbildung arbeitslos. Unter den 18- bis 25jährigen sind 450 000 Sozialhilfeempfänger, die damit auch Leistungsempfänger der Kommunen sind.
    Meine Damen und Herren, wenn ein großer deutscher Chemiekonzern vor zwei Jahren sein 150jähriges Bestehen feierte und in einer Bilanzpressekonferenz gleichzeitig sowohl das beste Betriebsergebnis seiner Geschichte verkündete als auch 6 000 Entlassungen ankündigte und wenn dieser Konzern im letzten Jahr dieses gute Ergebnis nochmals verbesserte und in der Bilanzpressekonferenz wieder 2 000 Entlassungen ankündigte, dann erzeugt das Bitterkeit und hoffentlich keine Resignation, sondern Veränderung im Wählerverhalten vieler sozial denkender Christen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Meine Damen und Herren, 1983, in seiner zweiten Regierungserklärung, hat der Kanzler die alleinerziehenden Mütter entdeckt. Das Zitat lautet:
    Wir müssen uns um die alleinstehenden Mütter kümmern, ihre Diskriminierung abbauen und ihre soziale Sicherung festigen.
    In der letzten Regierungserklärung des Kanzlers hieß es:
    Für Alleinerziehende sind familiengerechte Wohnungen und ein kinderfreundliches Umfeld von großer Bedeutung.
    Der aufmerksame Betrachter findet die „soziale Sicherung" nicht mehr; denn sie wird ja zwischenzeitlich für viele der Betroffenen in Form von Sozialhilfe von den Gemeinden übernommen.
    Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang die Bemerkung von vorhin aufnehme: Auch unter solchen Aspekten war es richtig, die schon beschlossene Erhöhung des Kindergeldes gegen Ihren Willen durchzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Eine große Herausforderung in der Jugendpolitik ist die Integration der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Aussiedlerfamilien. Viele, ja fast die meisten von ihnen, kommen mit ihren Familien und völlig gegen ihren eigenen Willen. Sie müssen die vertraute Umgebung verlassen, sie müssen Bekannte und Freunde aufgeben. Sie kommen in eine neue, ihnen völlig fremde Welt. Sie sind in einem vollkommen anderen Werte- und Normensystem aufgewachsen und müssen sich bei uns erst einmal umorientieren. Die jungen Leute sprechen so gut wie kein Deutsch. Die Spätaussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken lernen nach unseren Erfahrungen eh viel schwieriger Deutsch als jene aus Rumänien und Polen.
    Die Kürzung der Mittel für die sprachliche Förderung in diesem Haushalt trifft diese Personengruppe deshalb besonders schwer. Die Erfahrung mit jungen Aussiedlern in den Jugendzentren unserer Städte macht deutlich, daß Integration ohne Sprachkenntnis schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in diesen Einrichtungen fühlen sich überfordert und oft allein gelassen.
    Der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien waren und sind die Aus- und Übersiedler als Wählerinnen und Wähler willkommen. Sie haben dann aber auch die Pflicht, die zur Integration in unsere Gesellschaft notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das mindeste wäre, wieder die Leistungen zu gewähren, die Sie selbst zum Zeitpunkt der Parteienvereinbarung über Asyl und Zuwanderung am 16. Dezember 1992

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    und dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes am 1. Januar 1993 als notwendig erachtet haben. Aber selbst dieses Minimum ist für Sie offensichtlich schon zu viel. Denn in Kapitel 17 02 dieses Haushaltes werden die Eingliederungsmittel für junge Aussiedler um mehr als 10 Prozent gekürzt, ein im wahrsten Sinne richtungsweisender Beitrag der Koalition zur Integration junger Aussiedler.

    Uwe Göllner
    Frau Albowitz, Sie haben in diesem Zusammenhang meinem Parteivorsitzenden vorgeworfen, etwas gegen Aussiedler gesagt zu haben. Ich finde es ungeheuerlich,

    (Andreas Schmidt [Mülheim] [CDU/CSU]: Das finden wir auch ungeheuerlich! Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das war eine Sauerei, was der gesagt hat! Normalerweise könnte man so etwas als Hetze bezeichnen!)

    dem Vorsitzenden der einzigen wirklich internationalen Partei dieser Republik einen solchen Vorwurf zu machen. Sie haben mit Sicherheit seine Reden nachgelesen. Sie können mit Sicherheit unterscheiden zwischen dem, was er gesagt hat, und dem, was daraus in der veröffentlichten Meinung gemacht worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wenn zur Erfüllung dieser von mir genannten Aufgaben weitere Opfer notwendig sind, dann müssen die vom Herrn Bundeskanzler angesprochenen Bürger, denen nach seinen Worten diese Opfer eher zugemutet werden können, eben ein wenig länger auf wünschenswerte Entlastungen warten. Wer hat Sie denn eigentlich gezwungen, die private Vermögensteuer abzuschaffen?

    (Beifall bei der SPD)

    Wer zwingt Sie, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen und laut über die Abschaffung der Gewerbeertragsteuer nachzudenken? Frau Albowitz, Sie sind wie ich häufig in der Handwerkskammer Köln. Demnach müßten Sie wissen, daß 95 Prozent aller Gewerbetreibenden keine Gewerbekapitalsteuer und 88 Prozent keine Gewerbeertragsteuer bezahlen. Als Bürgermeister frage ich Sie: Welchen Anreiz hat eigentlich ein Stadt- oder Gemeinderat, statt Wohnbauflächen Gewerbeflächen im Bebauungsplan auszuweisen, stellt er doch, wenn die Gewerbesteuer wegfällt, damit die Grundstückseigentümer um 200 DM pro Quadratmeter schlechter?

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Machen wir jetzt die steuerpolitische Debatte?)

    Über einen finanziellen Ausgleich ist viel geredet worden, von einem neuen Anreiz habe ich bis heute nichts gehört.
    Als Bundespolitiker im Bereich Familien, Senioren, Frauen und Jugend frage ich Sie: Ist es eigentlich sinnvoll - im Sinne des Kanzlerwortes von vorhin -, die wenigen Gewerbesteuerzahler, zu denen ich übrigens selbst gehöre, weiter zu entlasten, um über die Mehrwertsteuer auch die Schwachen weiter zu belasten?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Meine Damen und Herren Sozialpolitiker und Familienpolitiker von der Union, Sie sollten nach meinem Erachten - aber ich habe Ihnen keine Ratschläge zu geben - mehr auf Ihre eigenen Kommunalpolitiker vor Ort hören, die das Ohr am Volk haben, als auf Ihren Koalitionspartner in Bonn. Dann
    wäre es um die soziale Symmetrie dieses Staates besser bestellt.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)