Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Ausgangssituation, vor der wir den Haushalt 1997 diskutieren, ist uns, den Familien, den Seniorinnen und Senioren, den Frauen und der Jugend bekannt. Wir alle zusammen wissen: Die Verteilungsmittel sind knapper, die Verteilungsspielräume enger, und die Verteilungskämpfe sind härter geworden.
Vor diesem Hintergrund gebietet es die politische Fairneß, daß wir nicht sagen, was hätte sein können und was wünschenswert ist, sondern daß wir vielmehr sagen, was Familien, Seniorinnen und Senioren, Frauen und die Jugend vom Bundeshaushalt 1997 zu erwarten haben.
Ich stelle mit Nachdruck noch einmal fest, daß wir mit dem Haushaltsansatz 1997 für die Familienpolitik den im vergangenen Jahr vorgenommenen Umbau vom Familienlasten- zum Familienleistungsausgleich gefestigt haben. Ich freue mich darüber, daß sich offensichtlich herumgesprochen hat, daß sich der Familienleistungsausgleich nicht in der Kindergeldzahlung erschöpft. Deshalb betone ich, daß die gesetzlichen Vorgaben zur Sicherstellung der Conterganrenten, die Zuweisung an die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder", erhöht wird. Daß für diese Zuwendungen in anderen Bereichen gekürzt werden muß, ist vertretbar. Die Einlage für die Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" bleibt mit 200 Millionen DM auf dem Niveau von 1995 und 1996. Auch für die Aufklärung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes werden wieder 10 Millionen DM in den Haushalt eingestellt.
Zu nennen ist im übrigen auch die Projektförderung im Bereich der Familienbildung sowie der Eltern- und Eheberatung für zentrale Maßnahmen. Ich nenne auch die Zuwendungen zum Bau, zur Modernisierung sowie für Sanierungsmaßnahmen und die Errichtung von Familienbildungsstätten. Denjenigen, die meinen, den Familien suggerieren zu können, für die Familienförderung geschehe zu wenig, sage ich: Wir wären mit der Familienförderung erkennbar weiter, wenn gerade die SPD-regierten Länder, statt unhaltbare Forderungen an den Bund zu richten, ihrer Bringschuld eines Landeserziehungsgelds endlich nachkommen würden.
Diese Forderung kann nicht mit der gegenwärtigen Haushaltssituation vermengt werden. Diese Forderung hat Jubiläum. Sie wird seitens meiner Fraktion und meinerseits seit zehn Jahren, also schon seit der Zeit, als ich noch nicht Bundestagsabgeordnete war, erhoben.
Ich meine, die betroffenen Familien wissen sehr wohl zwischen Lippenbekenntnissen und Taten zu unterscheiden.
Die Kürzungen im Bereich der frauenpolitischen Maßnahmen sind bestimmt nicht einfach zu verkraften. Dennoch sage ich: Die zentralen Punkte der Gleichberechtigungspolitik sind mehr als sichtbar. Ich nenne Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt, Abbau des Rollenklischees, Verbesserung der Situation der Frauen in den neuen Bundesländern. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt; dazu gehört auch, daß der Deutsche Frauenrat aus Bundesmitteln mit knapp 1 Million DM gefördert wird.
Im Zusammenhang mit der Frauenpolitik darf nicht unerwähnt bleiben, daß wir alle aufgefordert sind, Vorschläge zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen vorzulegen. Ich freue mich schon heute auf die Debatte, die wir dazu sicherlich noch führen werden.
Ich verhehle nicht, daß ich die Kürzungen von gesellschaftspolitischen Maßnahmen, die wir für die ältere Generation vornehmen müssen, mehr als bedauere. Da sich diese Kürzungen aber zu einem erheblichen Teil auf Forschungsprojekte beziehen, läßt sich, denke ich, dieses Defizit durchaus aus den Forschungsvergaben der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" kompensieren. Ich bin davon überzeugt, daß gerade die alte und ältere Generation eine Doppelvergabe von Forschungsaufträgen verneint und einer Bündelung der Forschung das Wort reden wird.
Mit aller Deutlichkeit sage ich: Die ältere und alte Generation ist nicht verunsichert über Kürzungsmaßnahmen im Forschungsbereich. Sie ist darüber verunsichert, daß ihre Alterssicherung in unverantwortlicher Weise in Frage gestellt wird.
Das Spiel mit dem wirtschaftlichen Sicherungsbedürfnis alter Menschen nenne ich verantwortungslos. Ich frage auch: Was sollen alte und ältere Menschen davon halten, wenn in der politischen Auseinandersetzung über finanzielle Mittel von Forschungsaufträgen gestritten wird, gleichzeitig aber vom „Altenberg", von der „Altenlast", von der „Dramatik des demographischen Wandels" gesprochen wird?
Ich sage: So wenig, wie sich der Familienleistungsausgleich im Kindergeld erschöpft, so wenig erschöpft sich unsere Altenpolitik in Forschungsaufträ-
Renate Diemers
gen. Ich meine, diese Deutlichkeit muß sich auch in unserer Ansprache an Jugendliche niederschlagen. Jugendliche wie alte Menschen wollen keine Betulichkeit, keine Betreuungsmentalität. und keine Bevormundung. Sie wollen Voraussetzungen für Eigenständigkeit.
Ich könnte jetzt noch vieles sagen, aber meine Redezeit ist gleich abgelaufen. Deshalb sage ich nur noch folgendes: Die beste Jugendförderung erreichen wir mit einem ausreichenden Ausbildungsplatzangebot, so wie wir die beste Frauen- und Familienförderung dadurch bekommen, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für uns absolute Priorität hat.
Dieser Aufgabe stellen wir uns. Wir wissen: Der damit verbundene Erfolg setzt auch Spielräume für die Weiterentwicklung der Familien-, Frauen-, Seniorinnen- und Senioren- sowie der Jugendförderung frei.