Rede von
Heidemarie
Lüth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erfüllt voll meine Erwartungen, weil er in keiner Weise den Anforderungen gerecht wird.
Dies wäre sicher die tragende Grundaussage, wäre der Einzelplan 17 - das ist er ja nun bei aller Liebe nicht - Gegenstand des Programms in einem politisch-satirischen Kabarett.
Hinzufügen könnte man noch: Warum soll man überhaupt für das Haus der Generationen und dessen Verantwortungsbereich finanzielle Mittel einsetzen? Nimmt man Koalitions- und Regierungsaussagen, dann sind doch gerade hier höhere Werte in der Gesellschaft, die Wahrnehmung der Verantwortung durch die doch so anonyme Gesamtgesellschaft, die moralische Verantwortung der Generationen und bei finanziellen Konsequenzen vor allem die Länder und die Kommunen gefragt; letztere entscheiden dann auch. Was darüber hinaus noch zu bewältigen ist - das haben wir heute schon mehrfach gehört -, kann ja über das Ehrenamt erfolgen.
Es überfällt mich dieser Sarkasmus, wenn ich auf der einen Seite gesellschaftlich Notwendiges und bei einer soliden Finanzpolitik auch Machbares erkenne, sich auf der anderen Seite aber die Frage stellt, wie bei aller Problematik die unverhältnismäßige Absenkung des Gesamtvolumens dieses Einzelplans um 6,7 Prozent - die Absenkung im Gesamthaushalt beträgt lediglich 2,5 Prozent - erklärt wird.
Auch wenn der Kollege Jacoby hier ausgeführt hat, daß hierbei dosiert und nicht mit dem Rasenmäher vorgegangen werden solle, bleiben dennoch eine starke Reduzierung der Ressortforschung und eine Absenkung der Aufwendungen für zentrale Maßnahmen und Organisationen der Seniorenhilfe übrig, obwohl doch alle über die demographische Entwicklung und über die Aufmerksamkeit für die ältere Generation sprechen. Aber die Forschungsmittel und insbesondere die Mittel für die Entwicklung und Erprobung von Hilfen für ältere Menschen werden radikal von 7 auf 5 Millionen DM gekürzt. Man kann angesichts dessen auch nicht mit dem Hinweis auf die Enquete-Kommission kommen; denn diese befaßt sich ja mit der Zukunft und nicht mit der Gegenwart.
Gravierende Eingriffe erfolgen - hierauf ist schon aufmerksam gemacht worden, auch im Bereich der Jugend, insbesondere in der Schul- und Berufsausbildung junger Ausländer. Auch erfolgt eine Mißachtung der Belange der Behindertenpolitik. Und das alles soll die Opposition ganz einfach, wie uns vorgeschlagen wurde, zur Kenntnis nehmen.
Für skandalös halten wir, daß von den Haushaltsansätzen keinerlei Impulse für eine notwendige gleichstellungspolitische Aufgabe der Bundesregierung ausgehen. Obwohl sich die Bundesrepublik in der Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking verpflichtet hat, die Benachteiligung der Frauen entschieden zu bekämpfen, verschärft sich die Diskriminierung der Frauen sehr erheblich und wird nahezu dramatisch.
Die durch die Bundesregierung betriebene Wirtschaftsförderpolitik reproduziert durch fehlende Bindung der Wirtschaftsförderung an konkrete Frauenförderung eine gravierende Benachteiligung von Frauen in der Privatwirtschaft. Dies ist um so verhängnisvoller, als auch im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung keine finanziellen Zuschüsse für die Sicherung und Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze für Frauen bereitgestellt werden. Statt dessen werden ABM-Mittel drastisch gekürzt, wodurch wiederum insbesondere Frauen arbeitslos werden.
Auch die geplante Kürzung der Mittel für die Finanzierung von Frauenprojekten, die im Einzelplan 17 ja auch ausgewiesen sind, trifft Frauen mehrfach: einmal, weil Frauen arbeitslos werden, und andererseits, weil mit den Frauenprojekten wichtige Institutionen für die Interessenvertretung von Frauen in ihrer Existenz bedroht werden. Mit dieser Rotstiftpolitik der Bundesregierung zu Lasten der Frauenpolitik ist vorprogrammiert, daß sich die ohnehin bestehende Diskriminierung der Frauen in der Gesellschaft weiter verschärft.
Im Beratungsverfahren wäre durchaus Spielraum gewesen. Ich möchte noch einmal darauf verweisen - Herr Jacoby hat das ja schon getan -, daß der Fachausschuß bei Abwesenheit der Fraktion der CDU/ CSU und immerhin bei Enthaltung der Fraktion der F.D.P. diesen Plan abgelehnt hat.
Ich frage mich natürlich auch, wie man dann so schnell, wenn man doch energisch sparen muß, 349 000 DM Mehrbedarf bestätigen konnte, weil eine Verschiebung bei Neuvermietung oder Abmeldung von Dienstgebäuden notwendig ist. Wenn zu sparen ist, dann doch sicherlich gerade in einem solchen Falle. Das würde dann auch entsprechend zu Buche schlagen.
Ich meine, man kann eigentlich bei der Aussage bleiben, wie sie im Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schon getroffen wurde:
Die Politik der Bundesregierung für Familien, Frauen, junge und alte Menschen ist von Initiativlosigkeit sowie mangelnder Durchsetzungsfähigkeit für die Interessen der im Ressort vertretenen Personengruppen und damit von finanzieller Lähmung gekennzeichnet.