Rede von
Wilfried
Seibel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei einer zu hohen, aber real existierenden Staatsquote von über 50 Prozent hat der Haushalt des Bundes unmittelbare Auswirkungen auf Konjunktur und Wirtschaft in unserem Lande.
Der jetzt zu verabschiedende Haushalt für das Jahr 1997 wird den nationalen und globalen Notwendigkeiten gerecht. Die politische Diskussion überbetont die Risiken, beklagt die Einschränkungen staatlicher Tätigkeit und sorgt mit nicht immer ganz ausgegorenen Vorschlägen und neuen Ideen für einen Teil der Verunsicherung in diesem Lande. Ich denke, in der Debatte dieser Woche sollten wir auch den Versuch unternehmen, die Stärken des Wirtschaftsstandorts Deutschland klarer herauszustellen, weniger zu jammern und mögliche Risiken mit Optimismus und nicht mit Wehklagen anzugehen.
Der Blick auf die Wechselkurse markiert die hervorragendste Stärke: die Stabilitätspolitik der Bundesregierung und der Bundesbank, den Erhalt der Geldwertstabilität auf hohem Niveau. Bei fast 5 Billionen DM Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland bedeutet jedes Prozent Inflation Vermögenseinbußen in Höhe von annähernd 50 Milliarden DM. Ich glaube, schon diese Kennziffer macht deutlich, daß wir auch weiterhin in der Pflicht stehen, Stabilität zu erhalten und Inflation zu vermeiden.
Dies ist auch aus folgendem Grund notwendig: Wenn wir stärker als bisher eine eigenverantwortliche Vermögensbildung zur Absicherung bei Krankheit und im Alter fordern, dann darf Vermögen nicht durch Inflation und eine ausufernde Steuer- und Abgabenlast wieder verzehrt werden.
Noch gestern abend hat der Vorsitzende der SPD, Herr Lafontaine, öffentlich erklärt, die strikte Stabilitätspolitik sei der wesentliche Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung.
Dem ist ganz entschieden entgegenzuhalten, daß Inflation kein geeigneter Weg für mehr Wachstum und Beschäftigung ist.
Da Deutschland auf Grund seiner wirtschaftlichen Stärke und der Stabilität seiner Währung eine unbestrittene Vorreiterrolle in Europa hat, würden Anstrengungen anderer Länder nicht nur ad absurdum geführt, sondern auch verhöhnt, wenn wir unsere Anstrengungen zurücknehmen würden.
Wenn sich der Staat höher verschuldet, übt er Druck auf die Geldmärkte aus. Die Zinsen werden steigen, und das belastet nicht nur die Investitionen und die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit, sondern auch den privaten Konsum. Mehr staatliche Tätigkeit durch höhere Steuern oder Abgaben zu finanzieren
ist Gott sei Dank ein versperrter Ausweg. Die Abgaben- und Steuerlast in unserem Lande ist zu hoch. Sie wird von allen Bürgern und der Wirtschaft als unerträglich empfunden. Sie ist Anlaß zur Leistungsverweigerung und zu Betriebsverlagerungen ins Ausland. Mehr Steuern sind nicht möglich. Steuerentlastung ist das Gebot der Stunde.
Der vom Haushaltsausschuß beschlossene Etat für 1997 hält die Staatsverschuldung in Grenzen und führt durch die Aufnahme der Daten aus dem Jahressteuergesetz zu einer nicht unmaßgeblichen Steuerentlastung in Höhe von insgesamt rund 18 Milliarden DM. In dem Etat werden die staatlichen Ausgaben zurückgefahren. Dies ist in Wahrheit der einzig mögliche Weg, Wirtschaft und Finanzen zu konsolidieren.
Die staatliche Tätigkeit muß noch weiter zurückgefahren werden; sie muß reduziert werden. Ich sage: Dies ist auch möglich. Nach meinem Verständnis ist das das Feld, auf dem sich die Kreativität konkurrierender Politikentwürfe beweisen könnte. Aber leider geschieht das nicht. Es wird gejammert. Es wird gehetzt. Es wird verunglimpft. Es wird mehr gefordert, aber ein Konkurrieren gerechterer, intelligenterer, in die Zukunft weisender Modellentwürfe der staatlichen Tätigkeit findet nicht statt.
Lassen Sie mich in bezug auf uns alle sagen: Ich denke, hier hätten wir mehr leisten sollen. Die Panikmache der letzten Wochen hat dazu beigetragen, daß auf den Märkten eine deutlich spürbare psychologische Zurückhaltung herrscht. Überspitzt formuliert: Hüten wir uns als Politiker davor, ein Stück einer möglichen Krise zu werden.
- Wunderbar, die Botschaft ist angekommen. Der Aufschrei beweist es. Danke sehr.
Ende des Jahres 1997 wird in der EU festgestellt, wer die Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllt und wer in die Währungsunion aufgenommen werden kann. Bürger und Finanzmärkte beurteilen Politik, aber nicht nach Absichtserklärungen und Anstrengungen, sondern nach Ergebnissen. Diese sind heute noch nicht ausreichend.
Die im Maastrichter Vertrag angelegte Rückführung der Staatsverschuldung ist damit eine unverzichtbare Grundlage für ein langfristig angelegtes Revitalisierungsprogramm für ganz Europa. Einschränkungen bei konsumtiven Staatsausgaben zur Rückführung des Staatsanteils geben Spielraum für dringend erforderliche Steuersenkungen, für private Initiativen und Investitionen.
Wenn die europäischen Regierungen es heute nicht schaffen, den Schuldentrend zu brechen und glaubwürdig umzukehren, dann werden sie diese Kraft niemals aufbringen. So gesehen ist es verfrüht,
Wilfried Seibel
einer Verschiebung des Beginns der Währungsunion das Wort zu reden.
Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, daß der niedersächsische Ministerpräsident Schröder täglich den Eindruck erweckt, der Maastrichter Vertrag sei nicht ausreichend formuliert, und es gebe jetzt Veranlassung, den Beitritt zur Währungsunion zu verschieben. Immer bemüht, auf der nächsthöheren Welle der Popularität zu surfen, benutzt Herr Schröder dieses Thema, um an Stelle von Oskar Lafontaine Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Der Konkurrenzkampf dieser beiden Herren ist nicht ohne Unterhaltungswert. Aber die Frage, wer in welcher Talkshow wen zum Verzicht auffordert, kann doch wohl nicht mit den Problemen der Staaten in Europa verbunden werden.
Wer die Zügel der strikten Konsolidierungspolitik in Europa lockern will, muß dem deutschen Bürger auch deutlich sagen, welche Folgen eine Verschiebung oder möglicherweise sogar eine Aufgabe des Ziels der Europäischen Währungsunion mit sich bringen würde.
Für Deutschland wären die Folgen verheerend. An dem Tag, an dem die Aufgabe oder die Verschiebung verkündet würde, gäbe es eine exorbitante Flucht aus verschiedenen europäischen und anderen Währungen in die D-Mark. Auf die D-Mark würde ein immenser Aufwertungsdruck wirken, dem sich die Märkte nicht entziehen könnten.
Was eine so deutlich aufgewertete D-Mark für den Export und für die Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte auf den Weltmärkten bedeutet, muß ich einem so kundigen Publikum wie Ihnen sicherlich nicht im einzelnen auseinandersetzen: Wir würden noch mehr Arbeitslosigkeit bekommen; wir würden noch mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Probleme, die dadurch entstünden, wären so gewaltig, daß alles das, was wir schon heute intensiv diskutieren, nur ein lauer Frühlingswind gegen den Herbststurm wäre, der dadurch ausgelöst würde.
Meine Damen und Herren, auch wenn es keinen vollständigen Automatismus gibt, so wird mit dem Stabilitätspakt doch ein Zwang zu weitreichender Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Europäischen Union begründet. Eine völlige Vereinheitlichung aller Bereiche der Wirtschaftspolitik ist nicht notwendig. Ein gewisser Systemwettbewerb der Staaten ist auch in der Währungsunion möglich und wünschenswert, schon um den zentralistischen Tendenzen der Brüsseler Regulierungswut entgegenzuwirken.
Wir müssen allerdings darauf achten, daß die gemeinsame Währung und das feste Wechselkursverhältnis zwischen den „Ins" in der Währungsunion und den „Outs" sowie der Druck auf eine Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik nicht dazu führen, daß die Staaten in Europa nunmehr dazu übergehen, steuerpolitisch eine „beggar my neighbour policy"
zu betreiben, und daß die einzelnen Staaten der EU versuchen, die Konkurrenz, die bei Währung und Wirtschaft nicht mehr stattfinden kann, nunmehr bei Steuersystemen einzusetzen.
Es war wichtig, daß Finanzminister Waigel einen großen Erfolg bei der Absicherung einer nachhaltigen Haushaltsdisziplin und damit für die Glaubwürdigkeit der Stabilitätsorientierung der Europäischen Währungsunion erzielt hat. Es ist nun wichtig, daß wir bis zum möglichen Beginn der Währungsunion am 1. Januar 1999 eine weitgehende Harmonisierung der Steuern in Europa erreichen können.
Für uns in Deutschland und nahezu für alle Staaten in Europa ist die wichtigste Frage, wie mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können. Dieses Ziel darf aber nicht zu einer Aushöhlung der Stabilitätsorientierung führen.