Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt 1997, der unter der Euro-Fessel steht, ist ein wahrer Feldzug sozialer Grausamkeiten sowie bitterer Pillen für die Gemeinden. Durch dramatische Lastenverschiebungen hat der Bund die kommunale Sozialhilfe zusehends zum Ausfallbürgen für Arbeitslose gemacht.
Die rigorose Rückführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verschärft zusätzlich die ohnehin prekäre Haushaltslage der Städte, Gemeinden und Landkreise. Die Sozialhilfe, eigentlich für individuelle Notlagen gedacht, wird immer mehr für diesem Zweck widersprechende Ausgaben mißbraucht, was wir entschieden verurteilen. Inzwischen zahlen kreisfreie Städte und Landkreise bundesweit bereits etwa 10 Milliarden DM Sozialhilfe jährlich nur für Arbeitslose, zunehmend auch in Ostdeutschland. Die Entlastung der kommunalen Sozialhilfeetats durch die Pflegeversicherung erreicht nicht annähernd die von Minister Blüm früher einmal veranschlagten Größenordnungen.
Durch laufende Steuerrechtsänderungen zum Vorteil des Bundes und zu Lasten der Kommunen - Stichwort: Gewerbesteuer - hat die Bundesregierung neben den Ländern maßgeblich zur größten kommunalen Finanzkrise in der Bundesrepublik Deutschland beigetragen. Auch das belegen die Analysen; Herr Roth, Sie haben andere gebracht.
Die Kreditmarktschulden ostdeutscher Kommunen beispielsweise kletterten von 17 Milliarden DM Ende 1993 innerhalb von nur drei Jahren auf nunmehr 43 Milliarden DM. Das ist ein Schuldenzuwachs von über 150 Prozent in 36 Monaten. Die große Mehrheit der deutschen Kommunen in Ost und West ist angesichts dieser Situation kaum noch in der Lage, selbst die sogenannten gesetzlichen Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Aufgaben im sozialen Bereich, im Kinder- und Jugendfreizeitbereich oder in der Kultur bleiben vielerorts ganz auf der Strecke. Zugleich gingen und gehen die kommunalen Investitionen drastisch zurück, in Ostdeutschland von 28,2 Milliarden DM 1994 auf 25,5 Milliarden DM in diesem Jahr.
Die PDS-Bundestagsgruppe verlangt daher mit den beiden heute vorliegenden Änderungsanträgen die Wiederauflage einer kommunalen Investitionspauschale, die vom Bund direkt an die ostdeutschen Städte und Gemeinden weitergeleitet werden soll.
Diese Investitionspauschale, Herr Küster, soll einen Umfang von 3 Milliarden DM jährlich haben und aus der Realisierung von entsprechenden Nachforderungen des Bundes aus dem Verkauf der Banken der DDR finanziert werden. Hier gibt es nicht wenig Spielraum; Finanzierungsvorschläge von uns liegen auf dem Tisch.
Was das Gespenst der sogenannten kommunalen Altschulden anbelangt, das weiterhin durch Ostdeutschland geistert, so sage ich: Es kann hierfür nur eine sachliche und dauerhafte Lösung geben. Sie besteht darin, diese Altschulden, die keine Schulden der Gemeinden sind, vollständig in den Erblastentilgungsfonds des Bundes einzustellen und dem Bund - und nur ihm - auch die entsprechenden Zins- und Tilgungsaufwendungen zu übertragen.
Allen Tricksereien der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition - siehe den jetzigen Gesetzentwurf -, von einer hälftigen Refinanzierung des Erblastentilgungsfonds durch die ostdeutschen Länder und das Land Berlin bis hin zur Einbeziehung des Vermögens der Altparteien der DDR in derartige Zins- und Tilgungsleistungen, erteilt die PDS aus rein sachlichen Überlegungen eine eindeutige Abfuhr.
Zur Überwindung der Strukturkrise der Kommunalfinanzen, die schon heute den Bestand kommunaler Selbstverwaltung gefährdet, ist nun endlich eine umfassende Reform der Finanzierung der Gemeinde-und Kreishaushalte unabdingbar. Die von der Bundesregierung unmittelbar nach der Provokation - ich benenne es so - mit dem Jahressteuergesetz 1997, Stichwort: Abschaffung der Vermögensteuer, jetzt erneut versuchte bundesweite Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer verdient den von ihr vollmundig verwendeten Begriff einer Gemeindefinanzreform überhaupt nicht.
Indem die Bundesregierung sich vehement weigert, das dann noch verbleibende Gewerbeertragsteueraufkommen durch eine Änderung des Grundgesetzes abzusichern, will sie ganz offensichtlich das Einfallstor für die Beerdigung der Gewerbesteuer überhaupt - es geht für die Gemeinden um 30 Milliarden DM jährlich - offenhalten. Solches lehnt die PDS entschieden ab, dabei wohl wissend, daß die Gewerbekapitalsteuer durchaus ihre Probleme hat, Stichwort: Dauerschulden und Dauerschuldzinsen. Wir können uns in diesem Zusammenhang für das nächste Jahr eine Verlängerung der Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland wohl vorstellen, wenn den betreffenden Gemeinden dann endlich ein Ausgleich für das auf diese Weise entgangene Steueraufkommen - immerhin 600 Millionen DM jährlich und fast 4 Milliarden DM seit 1991 - gezahlt wird und wenn - das kommt hinzu - das nächste Jahr wirklich zur Vorbereitung einer Kommunalfinanzreform, genutzt wird, die diesen Namen auch verdient und nicht bloß eine weitere Unternehmensteuerentlastung auf Kosten der Gemeinden ist. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie sind in die zweite und dritte Lesung einzubeziehen.
Danke schön.