Das Wort hat jetzt der Kollege Adolf Roth.
Adolf Roth (CDU/CSU) (von Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zweite und dritte Lesung des Bundeshaushalts 1997 in dieser Woche bringt ein ohne Zweifel schwieliges Kapitel deutscher Etatpolitik zu einem vernünftigen parlamentarischen Abschluß.
Wenn ich meinen Eindruck von der Rede des Kollegen Diller zusammenfassen soll, dann möchte ich feststellen: Sie sind offenbar mit dem Ergebnis dieser Haushaltsberatung nicht ganz fertiggeworden. Sie hätten es lieber in der Nähe der von Ihnen immer wieder suggestiv beschriebenen Katastrophe gesehen, aber die ist nicht eingetreten.
Wenn das die gnadenlose Abrechnung gewesen sein soll, muß ich sagen: Vielleicht hat die alerte Juso-Bundeschefin Nahles mit ihrer Einschätzung beim gestrigen Sonderparteitag der SPD recht,
daß die höchste Finesse, zu der sozialdemokratische Oppositionspolitik heute fähig ist, die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist.
Jedenfalls ist mit den Entscheidungen, die der Haushaltsausschuß in der Nacht zum 15. November getroffen hat, Klarheit geschaffen worden, und es ist ein tragfähiger Haushalt für 1997 zustande gekommen. Die überzeugende ruhige, sachorientierte Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin Karwatzki hat deutlich gemacht, was in dieser fünfwöchigen Beratungsphase im Ausschuß zustande gekommen ist. Aber ich räume freimütig ein, daß in dieser Zeit die zuweilen dissonante Begleitmusik aus den Reihen der Regierungskoalition selbst gelegentlich für mehr Zündstoff gesorgt hat als manche Attacken der SPD, die wirkungslos verpufft sind. Aber das Ganze ist nun Gott sei Dank vorbei.
Was zählt, ist das Ergebnis. Jetzt ist die Stunde einer nüchternen Bilanz, die nach meiner Einschätzung so aussieht: Erstens. Die Haushaltslage bleibt angespannt, aber die Koalition hat für 1997 die festgelegten Haushaltseckwerte vollständig eingehalten und die politischen Ziele durchgesetzt. Zweitens. Der Bund bleibt mit seiner Budgetierung klar innerhalb der verfassungsrechtlichen Kriterien. Drittens. Wir haben die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um 11 Milliarden DM oder 2,5 Prozent abgesenkt und damit den Sparkurs unter schwierigsten Bedingungen durchgesetzt. Das hat es in dieser Größenordnung überhaupt noch nicht gegeben.
Viertens. Eine Flucht in höhere Steuern oder zusätzliche Verschuldung findet mit dieser Koalition nicht statt. Fünftens. Der Haushalt paßt in die konjunkturpolitische Landschaft. Er ist stabilitätsgerecht, und er schafft Vertrauen für mehr Wachstum und Beschäftigung. - Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist weit besser, als die Krisenpropheten und Defizitastrologen der Opposition vorausgesagt haben. - Aber er ist noch lange nicht gut genug, um Entwarnung an der Sparfront zu verkünden.
Unsere politische Devise bleibt: Wir werden auf Jahre hin eine Politik der Haushaltskonsolidierung mit langem Atem betreiben müssen. Dies ist die Politik, die gleichermaßen auf wirtschaftliche Besserung und Abgabenentlastung angelegt ist.
Wir wußten, daß 1997 das schwierigste Haushaltsjahr dieser 13. Wahlperiode sein würde. Wir haben uns diesen Herausforderungen gestellt und nicht kapituliert.
Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich gern die Gelegenheit wahrnehmen, dem leider noch immer erkrankten, aber in der Bereinigungssitzung schon wieder frisch und motiviert anwesend gewesenen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, dem sozialdemokratischen Kollegen Wieczorek, meine besten Grüße und Wünsche für weitere Genesung auszusprechen.
Adolf Roth
Ich schließe den akut erkrankten Bundesfinanzminister in diese Wünsche natürlich gern mit ein.
Meine Damen und Herren, mein Dank gilt auch dem amtierenden Ausschußvorsitzenden, dem Kollegen Kurt Rossmanith, der die Haushaltsberatungen gut geführt und souverän gemeistert hat.
Ich möchte in diesen Dank auch alle meine Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der F.D.P., insbesondere den Sprecher der F.D.P., Dr. Wolfgang Weng, einbeziehen, aber auch alle Mitarbeiter in den Fraktionen und Arbeitsgruppen und im Ministerium.
Zu unserem guten Ton gehört es natürlich auch, daß wir den Dank auf die Kolleginnen und Kollegen der Opposition ausdehnen. Sie haben uns mit ihrer Kritik wie immer beflügelt, und sparsam sind sie auch gewesen, zumindest mit eigenen Vorschlägen zur Haushaltskonsolidierung.
Wir haben unsere im September festgelegte Marschroute einhalten können, weil wir die tatsächlichen Risiken von Anfang an in Rechnung gestellt und zur Grundlage unserer Entscheidung gemacht haben. Nach dem strikten Haushaltsbewirtschaftungskurs im Jahresverlauf 1996 und dem bereits äußerst eng geschneiderten Regierungsentwurf vor der Sommerpause war es natürlich eine extreme Herausforderung, daß wir durch die Entwicklung bei den Steuern und bei den Arbeitsmarktausgaben eine zusätzliche Belastung seit September von nicht weniger als 12,5 Milliarden DM oder 3 Prozent unseres Bundeshaushaltsvolumens zu verkraften hatten. Wir haben dennoch mit der abermaligen Absenkung der Bundesausgaben, diesmal um 2,5 Prozent, unsere Entschlossenheit zur weiteren Rückführung der Staatsquote demonstrieren und unterstreichen können. Es muß immer und immer wiederholt werden: Es gibt hierzu nur einen Weg, und der lautet: sparen, sparen, sparen! Wir müssen weniger Geld ausgeben, Umschichtungen genügen nicht. Steuererhöhungen führen in die Irre. Auch die Umlagen, die die SPD gestern wieder ins Gespräch gebracht hat, sind angesichts der gegenwärtigen Haushaltssituation nicht der richtige Kurs. Wir müssen konsequent bei der Konsolidierungspolitik bleiben.
Deshalb gilt für uns: Kleine Schritte, die tatsächlich getan werden, sind allemal besser als große Schritte, die man nur diskutiert oder plant.
Diese Schritte schlagen sich in der konkreten Entwicklung des Haushalts nieder. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt geht 1997 auf
12 Prozent zurück. Er hat im Jahr 1995 noch 13,4 Prozent betragen und im laufenden Jahr im Haushaltssoll bei 12,7 Prozent gelegen. Also in der eingeschlagenen Richtung ein erheblicher Fortschritt!
Wir haben bei den Gesamtausgaben von 439,9 Milliarden DM und den investiven Ausgaben von 59,6 Milliarden DM eine Nettokreditaufnahme von 53,3 Milliarden DM bewilligt. Dies ist eine Unterschreitung des Regierungsansatzes um 3,2 Milliarden DM. Wir haben damit den Abstand zwischen Investitionen und Nettokreditaufnahme auf über 6 Milliarden DM ausgeweitet und sind mit Blick auf die Verfassungsnorm des Art. 115 des Grundgesetzes eindeutig auf der sicheren Seite. Der Bund hat damit gleichzeitig seinen Beitrag zur Erfüllung des Maastrichter Defizitkriteriums von höchstens 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erbracht.
Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Erwartungen für das kommende Jahr haben sich merklich verbessert. Das erklären sowohl die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute m ihrem Herbstgutachten als auch der Sachverständigenrat. Sie erwarten gleichermaßen ein reales Wirtschaftswachstum der deutschen Volkswirtschaft von 2,5 Prozent im nächsten Jahr.
Bei allem Zweifel darf man nicht vergessen, Herr Kollege Fischer: Wir haben in Deutschland derzeit die stabilsten Preise seit Menschengedenken. Wir haben die niedrigsten Zinsen. Wir haben steigende Kapazitätsauslastungen. Wir haben die Aufwertung bei der Deutschen Mark zurückbilden können. Die Exportaussichten sind gut. Das alles sind positive Signale und Rahmenbedingungen.
Was nicht gut ist und was dieser Entwicklung noch nicht folgt, ist die Wende am Arbeitsmarkt, das heißt die Wende zu mehr Beschäftigung auf rentablen Arbeitsplätzen. Dies erzwingt einen Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 4,1 Milliarden DM im kommenden Jahr. Wir wissen alle, daß dies in der Tat eine enge Veranschlagung ist. Aber auch hier gilt: Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit darf und wird von den erforderlichen Einsparungen nicht ausgenommen werden. Die in der vergangenen Woche von der Selbstverwaltung mit knapper Mehrheit getroffenen Entscheidungen zum Haushalt der Bundesanstalt für 1997 werden in dieser Höhe keinen Bestand haben können,
und sie machen Genehmigungsauflagen im weiteren Haushaltsverfahren erforderlich.
An dieser Stelle möchte ich wirklich einmal in Erinnerung rufen, daß in den letzten sechs Jahren in vier Jahren der bewilligte Bundeszuschuß für die Bundes-
Adolf Roth
anstalt in Nürnberg im Ist-Ergebnis unterschritten wurde. Er wurde nicht benötigt. Nur in zwei Jahren gab es eine Abweichung nach oben.
Die sicherlich krasseste Abweichung war vor genau einem Jahr, als die damalige Vorsitzende des Vorstandes dieser Selbstverwaltungsorganisation, Frau Engelen-Kefer, eine Anforderung an den Bundeshaushalt von 14,8 Milliarden DM gestellt hatte, dieser Zuschuß aber durch die parlamentarische Bewilligung deutlich unterschritten wurde, nämlich auf 8 Milliarden DM, und am Ende nur 6,9 Milliarden DM abgerufen werden mußten. Das zeigt, daß es überhaupt keine Treffsicherheit gibt, es sei denn, eine engagierte, gute Politik für den Arbeitsmarkt, an der wir für das nächste Jahr gemeinsam arbeiten wollen.
Die Arbeitslosenhilfe und die Aufwendungen für die produktive Arbeitsförderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz werden im nächsten Jahr um insgesamt 2,3 Milliarden DM erhöht. Bei der Arbeitslosenhilfe ist damit erneut ein Ansatz von 17,8 Milliarden DM eingeplant. Auch die vom Kabinett beschlossene Erhöhung der Rentenbeiträge bedeutet für den Bundeshaushalt einen Mehraufwand von 1,1 Milliarden DM. Insgesamt erhöhen sich damit die Bundesleistungen für die Rentenversicherung - Frau Staatssekretärin hat vorhin darauf hingewiesen - in diesem Haushalt um weitere 6 Milliarden DM auf mittlerweile 87 Milliarden DM. Das sage ich all denen, die ständig danach rufen, es müßten versicherungsfremde Leistungen stärker vom Bundeshaushalt erbracht werden. Dies ist eine gewaltige Leistung, die hier haushaltspolitisch abgewickelt wird.
Wenn man die Mehraufwendungen im Haushaltsverfahren zusammenrechnet, hat der Bund 7,5 Mil-harden DM höhere Sozialausgaben zu verkraften. Von dem immer wieder behaupteten Sozialabbau oder vom sozialen Kahlschlag bleibt damit nichts übrig. Das ist eine demagogische Parole der Opposition, die vollständig in sich zusammenfällt. Auch der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten treffend bemerkt:
Völlig unangemessen wäre es, von „sozialer Demontage" oder „Aufkündigung des sozialen Konsens" zu reden.
Wahr ist, daß die Sozialausgaben des Bundes zwischen 1991 und 1995 um 60 Milliarden DM oder 34,4 Prozent angestiegen sind, während gleichzeitig die operativen Ausgaben für alle übrigen Politikbereiche um 9 Prozent zurückgegangen sind.
Wahr ist, daß das „Sparpaket" der Koalition den Bürgern nichts wegnimmt, sondern lediglich Staats- und Sozialkassen verbietet, Geld auszugeben, das überhaupt nicht verfügbar ist.
Wahr ist neben allem anderen, daß ein erheblicher gesamtwirtschaftlicher Störfaktor im permanenten Widerstand der Opposition und des von ihr mehrheitlich dominierten Bundesrates gegen nahezu alle Vorhaben der Konsolidierung und der Ausgabenkontrolle begründet liegt. Das muß sich in unserer Haushaltspolitik gesamtstaatlich ändern. Dann werden wir auch zu einer vernünftigeren Entwicklung kommen.
Das finanzielle Gesetzgebungsrisiko für 1997 bleibt in einer beträchtlichen Dimension. Bei den anstehenden Entscheidungen im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß liegt das Volumen, das hierbei für den Bund auf dem Spiel steht, bei immerhin fast 5 Milliarden DM. Es geht vor allem um das Asylbewerberleistungsgesetz , um das Arbeitsförderungs-Reformgesetz und um andere Vorhaben der Gesetzgebung, die der Deutsche Bundestag längst verabschiedet hat.
Ich fordere die SPD auf, ihren gefährlichen und unerträglichen Obstruktionsweg zu verlassen.
Regierung und Koalition haben ihren Verantwortungsrahmen im nationalen Stabilitätsprogramm rechtzeitig und vollständig ausgefüllt. Jetzt muß auch die parlamentarische Opposition in ihrem Verantwortungsbereich in den Ländern springen. Sie kann sich nicht länger den Spar- und Gestaltungsnotwendigkeiten bei den sozialen Transfergesetzen verweigern, selbst aber keinen ernsthaften Sparvorschlag auf den Tisch legen.
Ich möchte Sie eindringlich bitten, sich noch einmal das anzuschauen, was das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit kürzlich in seiner Studie „Strategien für mehr Beschäftigung" ausgeführt hat. Dort heißt es, daß die von der Regierung und der Koalition angestrebte mittelfristige Verringerung der Staatsquote sowie die angestrebte Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge für eine nachhaltige Belebung der Wirtschaftstätigkeit und einen deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit unverzichtbar bleiben.
Staatliche - schuldenfinanzierte - Ausgabenprogramme, etwa zur Ausweitung des sogenannten zweiten Arbeitsmarktes, finden in dieser Studie nicht die geringste wissenschaftliche Unterstützung. Vielmehr wird in einem „Strategiebündel" für die Jahre 1998 bis 2001 eine jährliche - kummulierende - Senkung der Sozialausgaben um 10 Milliarden DM verlangt. Dies ist ein klarer Hinweis auf die Dringlichkeit des nationalen Stabilitätspaktes, von dem Bundesfinanzminister Theo Waigel immer wieder gesprochen und den er bei der Länderseite bisher immer wieder vergeblich angemahnt hat.
Die SPD ist in ihrer heutigen Situation entscheidungs- und verantwortungsunfähig.
„Kaum einer weiß heute, wofür die SPD steht und wogegen sie ist", sagt Helmut Schmidt, der ehemalige Bundeskanzler, und fügt hinzu: „Ich bin unzufrieden mit meiner Partei. Sie führt zu viele akademische Debatten, die viel zuwenig mit der Wirklichkeit
Adolf Roth
der Menschen zu tun haben. " Ich fürchte, er hat mit dieser Feststellung recht.
Kollege Diller, Sie haben vorhin in dramatischen Worten die Höhe der Verschuldung, aber gleichzeitig auch die zu starken Kürzungen kritisiert. Ich wundere mich, wie widersprüchlich und verlogen dieser Konfrontationskurs der Opposition ist.
Der Kollege Schwanhold - er war vorhin noch im Raume - hat noch im Frühjahr massiv für eine deutliche Erhöhung der Neuverschuldung geworben. Er hat eine Neuverschuldung um 10 bis 15 Milliarden DM angemahnt.
- Ich will Ihnen einmal sagen, was seinerzeit über den Ticker lief: Ernst Schwanhold, SPD: Defizit um 15 Milliarden DM erhöhen, Sparen schadet. - Sieben Minuten später läuft über eine andere Agentur: SPD uneins über höhere Neuverschuldung. Matthäus-Maier sprach von einem „großen Fehler" und Ernst Schwanhold vom einzigen Weg aus der Krise. - Jetzt weiß ich, warum Sie so gerne vom Chaos und von Verwirrung in der Öffentlichkeit reden!