Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Entwicklung der Diskussion um Risikokapital und Stärkung des Kapitalmarktes für den Mittelstand bei uns anschaut, dann sind in dem Zusammenhang drei Daten festzuhalten: Januar 1995: Mittelstandsantrag der SPD betreffend Stärkung des Risikokapitalmarktes für Existenzgründer und schnellwachsende Technologieunternehmen, Februar 1996: Antrag zu Risikokapital, über den wir jetzt diskutie-
Ernst Schwanhold
ren, und Ende März 1996, als diese Koalition, die permanent vom Mittelstand redet, das erste Mal dieses Thema entdeckt und es ins 50-Punkte-Programm schreibt. So ist das. Plötzlich sagen Sie, Sie hätten ein neues Thema entdeckt.
- Es mag ja für Sie abwegig sein, aber bis heute haben Sie noch nicht einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir hier abarbeiten könnten; die Kollegin Wolf hat es völlig zu Recht so dargestellt. Sie spielen sich zwar zum Hüter des Mittelstandes auf.
Aber noch nie hatten es der Mittelstand, schnellwachsende Technologieunternehmen und junge, innovative Menschen in diesem Lande so schwer wie in den Zeiten der Koalition aus CDU/CSU und F.D.P.
Es ist wichtig, dieses zu Anfang festzuhalten.
- Nun lassen Sie das Gequatsche von der Gewerbesteuer sein!
Schauen Sie sich doch einmal den Fall eines jungen Mannes an, der von der Universität kommt, eine gute Idee mitbringt, irgendwo „ein paar Mark fünfzig" hat und möglicherweise auch noch das Grundstück von der Großmutter oder dem Großvater geerbt hat; er beleiht es und kann dann den ersten Ansatz finanzieren. Danach versucht er, das Unternehmen an den Markt zu bringen und zu wachsen; da setzt es dann mit der Finanzierung aus, weil er kein schiechstes Grundstück mehr hat, das er verpfänden kann. - Sie lassen zu, daß man in diesem Land für schlechte Grundstücke mehr Geld bekommt als für gute Geschäftsideen.
- Ja, natürlich! - Und dann wundern Sie sich, daß die Arbeitsplatzbilanz so ist, wie sie ist: Es fehlen 6 Millionen Arbeitsplätze in diesem Land.
Es ist doch kein Wunder, daß Menschen, die von der Universität abgehen, die Bundesrepublik Deutschland verlassen, weil sie für die Umsetzung ihrer Idee kein entsprechendes Kapital bekommen. Sie reden jetzt von Existenzgründungsdarlehen; die sind wichtig. Aber das Existenzgründungsdarlehen trägt nur eine ganz bestimmte Zeit. Es muß nämlich zu einem frühen Zeitpunkt zurückgezahlt werden; gerade dann würde eigentlich neues Geld gebraucht werden.
Dabei haben wir sehr viel Geld auf den Banken liegen. Wir müßten nur den Versuch unternehmen, dieses Geld so anzureizen, wie Sie Beton und Boden anreizen: mit hohen Abschreibungsmöglichkeiten im Rahmen von Bauherrenmodellen. Manchmal kommt man in Versuchung, zu sagen: Es sind leider viel zuwenig dabei pleite gegangen. Wenn wir die Energie aufwenden würden, um die Abschreibungsmöglichkeiten, die für Bauherrenmodelle oder auch für den Schiffbau da sind, auch im Bereich des Risikokapitals und dieser Kapitalanlagen zu eröffnen, dann wären wir auf dem richtigen Weg, dann hätten wir Eigenkapitalersatz mit hoher Renditemöglichkeit für Menschen, die über Geld verfügen. Dieses wünsche ich mir.
- Ja, auch über Abschreibungen. Die Frage nach Steuersenkungen hat man woanders zu stellen. Sie wissen, daß wir über die Gewerbekapitalsteuer durchaus miteinander reden können. Die Frage der Gewerbekapitalsteuer hat aber wirklich nichts mit den mittelständischen Unternehmen zu tun,
die mit einer guten Geschäftsidee, mit drei, fünf oder zehn Beschäftigten begonnen haben und dann mit 20 Beschäftigten in jenen Bereich hineinwachsen. Erst dann wird dies zum Thema. Es wird nicht vorher zum Thema, vorher zahlen sie keine Mark Gewerbekapitalsteuer.
Sie bauen hier ein Szenario auf, das nicht existiert.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen. Man muß sich auch einmal die Frage stellen: Warum gelingt es eigentlich in anderen Ländern über Börsen - zum Beispiel mit Aktien mit einem Nennwert von 0 DM - Kapital zu sammeln, um aus guten Ideen Geschäfte zu machen? Warum kommen wir da eigentlich nicht weiter? Warum vertun wir eigentlich die Chance, die Bereitschaft der Menschen in diesem Land, die über Kapital verfügen, zu nutzen, um auch das Investitionskapital zu stärken? .
Herr Hauser sagt: Wir wollen keine zusätzlichen Förderprogramme. - Drei Sätze später fordert er ein eigenes Förderprogramm und erinnert noch einmal an das Eigenkapitalhilfeprogramm, anstatt darüber nachzudenken, wie wir das private Kapital - welches ja teilweise wirklich auf den Konten fast brachliegt; es könnte sehr viel effektiver für Arbeitsplätze eingesetzt werden - aktivieren können. Darum geht es, und deshalb wollen wir mit diesem Antrag in genau jene Lücke hineinstoßen.
Ich will einen dritten Punkt ansprechen, Herr Friedhoff. Sie und Frau Wolf haben von der InfoBörse in Leipzig gesprochen. Ich glaube, wenn wir mittelständische Unternehmen an den Markt bringen wollen, brauchen wir nicht nur die Emissionsmöglichkeiten über Banken, sondern auch die über Freihändler. Da gibt es durchaus Hemmnisse. Die Berliner Börse ist da intelligent vorangegangen. Wir könnten andere Börsen ermuntern, dies auch zu tun. Das ist aber nur dann denkbar, wenn wir die regionalen Börsen stärken und sie nicht unter das Dach von Frankfurt lassen.
Ernst Schwanhold
Es wäre dringend notwendig, in Ostdeutschland eine regionale Parkettbörse zu haben, weil man kleine Unternehmen nämlich zunächst nur in regionalen Bezügen mit Freihändlern an die Börse bringen kann.
Es wird über eine Info-Börse geredet. Ich halte eine solche für eine Spielzeugbörse. Ich glaube, wir brauchen eine Parkettbörse in Leipzig oder in Dresden oder wo auch immer. Berlin muß gestärkt werden, und die anderen jetzt vorhandenen regionalen Börsen müssen ihre eigene Freiheit gegenüber der Frankfurter Börse und ihre eigene Existenzsicherung bekommen. Das ist ein gutes Geschäft für sie, das ist lukrativ hinsichtlich des Einsammelns von Geld, und das bringt Investitionen und die Sicherheit für schnell wachsende Unternehmen, sich zu finanzieren, ohne sich zu verschulden und zu 100 Prozent in die Hände der Banken zu begeben. Dies ist doch der eigentliche Knebel, mit dem es diese Unternehmen irgendwann zu tun haben.
Eine vierte Bemerkung. Mich hat in diesen Tagen geärgert - ich will das noch einmal sagen -, daß sich Rektoren der deutschen Hochschulen zum Erhalt von 590-DM-Jobs äußern. Das mag möglicherweise richtig sein. Ich würde die Rektoren der deutschen Hochschulen bitten, einmal darüber nachzudenken, wie sie es schaffen, die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Forschungsinstitute und der Diplomarbeiten so umzusetzen, daß Diplomanden Patente anmelden können und Kapital gesammelt wird, damit sich wie um das MIT herum kleine Unternehmen, die schnell wachsen, aus Höchsttechnologiebereichen, in denen uns solche Unternehmen fehlen, ansiedeln. Das wäre auch Aufgabe von Hochschulen, und es wäre Aufgabe von Politik, insbesondere dafür die Rahmenbedingungen zu setzen, damit das gemacht werden kann.
Ich weiß, daß dies auch Sache der Länder ist, aber das Risikokapital für diese kleinen und mittelständischen Unternehmen haben wir nicht zur Verfügung. Deshalb würde ich mir sehr wünschen, daß wir intelligente Modelle finden, um privat vorhandenes Vermögen in jenen Kapitalmarkt hineinzulenken, der letztlich die zukünftigen Arbeitsplätze im Mittelstand finanziert.
Es geht dabei nicht um Programme, die wir mit staatlichem Geld ausrüsten, sondern darum, durch den Verzicht auf Steuern Wachstum zu ermöglichen.
Dieses alles gehört neben der Höchstleistungsforschung - das sage ich ganz bewußt - zu dem eigentlichen Aufbauprogramm, mit dem wir die Arbeitsplätze bei uns schaffen können, die den hohen Standard dieses Sozialstaates tragen können. Die eigentlichen Schwächen liegen im innovativen und im investiven Bereich, weil dort die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Verehrter Herr Hauser, 14 Jahre ist nichts geschehen.
Das, was Sie uns vorgetragen haben, sind Absichtserklärungen. Alle Maßnahmen wollen Sie erst noch prüfen. Sie selbst haben fünf Punkte aufgezählt und zu jedem Punkt bemerkt: Wir prüfen das im Rahmen der Steuerdebatte.
Sie haben überhaupt nichts vorzuweisen, noch nicht einmal einen Antrag, über den wir diskutieren können. Ein Jahr liegt Ihnen unser Antrag vor, und Sie waren noch nicht einmal in der Lage, einen eigenen Gegenentwurf vorzulegen. Dieses ist Beleg genug für ein Trauerspiel, welches diese Regierung in einem Bereich bietet, der dringend auf Wachstum ausgerichtet werden muß.