Rede von
Margareta
Wolf-Mayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hauser, Sie haben gerade gesagt, daß die Bundesregierung seit geraumer Zeit damit befaßt ist, die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Risikokapitalmarkt zu verbessern. Ich finde das löblich. Auch Herr Kolb sagt das ja in diesem Hause bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Aber ich habe nach wie vor den Eindruck, es handelt sich vor allem um Ankündigungsrhetorik.
Ich habe mir im Mai diesen Jahres eine Synopse zu Ihrer „Offensive für unternehmerische Selbständigkeit" und zu dem zweiten Paket, das Sie vorgelegt haben, nämlich „Zugang zu Wagniskapital verbessern", gemacht. Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen sind alle schon im Jahreswirtschaftsbericht und in der Koalitionsvereinbarung angekündigt worden. Zu keiner der hier vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch liegt diesem Hause bisher ein diskussionsfähiges Papier vor.
Wir können uns darüber nicht unterhalten. Ich denke, so eine Vorlage wäre dringend geboten.
Wir diskutieren, Herr Hauser, ja heute auch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß davon ausgegangen wird, daß die Steuermindereinnahmen um 4 bis 5 Milliarden DM höher ausfallen, als Herr Waigel das projektiert hat; wir diskutieren vor dem Hintergrund der Tatsache, daß schon vorletzte Woche und auch gestern gesagt wurde, daß man nicht mehr davon ausgeht, daß mit dem „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" eine Halbierung der Zahl der Beschäftigungslosen bis zum Jahre 2000 erreicht werden kann. Das Paket ist noch nicht in „trockenen Tüchern", und Sie sagen schon jetzt, daß damit maximal 500 000 Arbeitsplätze geschaffen werden können. Ferner diskutieren wir vor dem Hintergrund der Tatsache - das hörte ich heute morgen noch schlaftrunken in meinem Bett -, daß der Bundesarbeitsminister wiederum 1 Milliarde DM einsparen muß.
Ich glaube, diese Faktoren, zusammengenommen, zeigen eine dramatische Entwicklung auf und verdeutlichen einen erheblichen Entscheidungsdruck gerade im Hinblick auf die kleinen und mittleren Unternehmen. Denn wer hat denn die Arbeits- und Ausbildungsplätze in den letzten Jahren, auch über die Rezession hinweg, geschaffen? Das waren die kleinen und mittleren Unternehmen. Und wessen Eigenkapitalquote sinkt - Herr Bury hat das gesagt - auf inzwischen 18 Prozent? - Sie betrug einmal 30 Prozent; sie sinkt also dramatisch. - Die der mittelständischen Unternehmen. Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Insolvenzrate noch nie so hoch wie heute.
Ich denke, daß diese Tatsachen darauf hindeuten, daß wir die ökonomischen Rahmenbedingungen für die KMUs endlich verbessern müssen. Die Anforderungen haben sich seit 1989 dramatisch verändert. Man kann wirklich nicht mehr mit alten Konzepten an diese Lage herangehen.
Ich glaube - das wurde auch schon von Herrn Hauser und von Herrn Bury gesagt -, es gibt an den Hochschulen eine Menge guter Leute, die eine Fülle guter Ideen haben. Das gleiche gilt für die Forschungseinrichtungen und für die kleinen und mittleren Unternehmen. In diesem Lande ist das Problem nicht, daß wir zuwenig Kapital hätten, sondern das Problem ist, daß der Einsatz von Risikokapital zu gering ist.
Margareta Wolf
Ich bin auch der Meinung, daß es tatsächlich an risikofreudigen Unternehmerpersönlichkeiten mangelt, die aus zündenden Ideen neue Geschäfte machen. Das hat etwas mit der fehlenden Interdisziplinarität in diesem Land zu tun. Dieser Prozeß wird, so glaube ich - das kann man in der neuesten Ausgabe von „Markt und Mittelstand" eindrucksvoll, wie ich finde, nachlesen -, durch zwei schwerwiegende Faktoren immer weiter verstärkt.
„Markt und Mittelstand" zeichnet in seiner diesmonatigen Ausgabe eine Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundesverbandes Junger Unternehmer auf. Ich möchte Ihnen an Hand von zwei Beispielen deutlich machen, worum es da geht.
Erstens. Auf die Frage „Wer oder was entscheidet eigentlich über den Erfolg eines jungen Unternehmens?" sagt ein Herr, 32, der Inhaber einer Gesellschaft für EDV-Management und Unternehmensberatung in Mannheim ist: „Die Bank." Weiter sagt er:
Was die Banken heute alles wissen wollen, ist schlicht unverschämt. Die verlangen teilweise einen Riesenaufwand, wenn es um die Unternehmensdaten geht. Dafür müßte ich
- der Unternehmer -
eigentlich einen eigenen Stab beschäftigen. Ich habe als Unternehmer zunächst mal eine andere Aufgabe, ich muß erst mal Geld verdienen.
Zweitens. Eine Dame, 30 Jahre alt, die Inhaberin eines Baugeschäftes ist, sagt:
Wir hatten gerade einen Fall, daß die Bank einem
Unternehmer über Nacht ein Kontokorrent von
1 Million DM gesperrt hat. Der mußte daraufhin
' Konkurs anmelden, obwohl es seiner Firma nicht einmal schlechtging.
Alle in diesem Hohen Hause, die schon mit Vertretern kleiner und mittlerer Unternehmen geredet haben, wissen: Dieses ist das eine Problem.
Es gibt aber ein anderes Problem, von dem ich so explizit noch nicht gelesen habe. Sie wissen alle - ich denke, da sind wir uns einig -, daß gerade der Bundesverband Junger Unternehmer für uns alle in diesem Hause so etwas wie der Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft sein sollte.
- Das mache ich gleich. Ich habe übrigens einen Antrag eingebracht, den ich Ihnen gleich vorstellen werde.
Die Damen und Herren dieses Verbandes wurden gefragt: „Was nervt Sie denn am Standort Deutschland?" Darauf haben sie gesagt: „Uns nervt, daß die Unternehmerinnen und Unternehmer heute immer noch als Sündenböcke begriffen werden." Das sollte gerade die CDU/CSU-F.D.P.-Koalition - Sie regieren ja schon lange in diesem Land - nachdenklich machen.
- Herr Merz, Sie gehören zu der Nachfolgegeneration. Mich macht das sehr nachdenklich.
- Da mache ich mir Sorgen, Sie offensichtlich nicht. Das sollten Sie aber tun.
Ich denke, es fehlt in diesem Land derzeit tatsächlich an einem Netzwerk aus Ideenträgern, aus Kapitalgebern, aus Unternehmern, also an einem Netzwerk, das tatsächlich innovative Unternehmensgründungen voranbringt und so etwas wie ein positives Klima schafft.
Jetzt komme ich zu dem hier Eingeforderten. Was wollen wir denn eigentlich?
- Sie haben gleich noch genug Gelegenheit, Ihre innovative Politik für die KMUs vorzustellen, Frau Wöhrl.
Meine Damen und Herren, wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, in dem wir Sie auffordern, ein langfristiges Finanzierungskonzept vorzulegen, mit dem die Anschubfinanzierung für eine überregionale Informationsbörse ermöglicht wird. Das Konzept der Deutschen Börse AG für diese Börse liegt seit zwei Jahren vor.
Wir erhoffen uns erstens, gerade unter den Stichworten „Raus aus der Nische", „Raus aus der Isolation", „Mehr Kommunikation", „Mehr Zusammenarbeit", „Mehr Interdisziplinarität", „Mehr Risikokapital" , von dieser Börse - das erwarten auch die Wissenschaftler, die die entsprechenden Konzepte geschrieben haben - die Etablierung eines informellen Marktes für Risikokapital.
Wir erhoffen uns zweitens dadurch, daß die Hemmnisse für die Zusammenführung von potentiellen Kapitalgebern und -nehmern abgebaut werden. Sie wissen, daß die Anzahl der potentiellen Kapitalgeber heute viel größer ist als die Anzahl derer, die ihre mentalitätsbedingten Hemmnisse im Unternehmensbereich tatsächlich schon abgebaut haben.
Drittens. Durch die Tatsache, daß die Vermittlung von Information im Vordergrund steht, können diese mentalitätsbedingten Hemmnisse gegenüber Beteiligungskapital weiter abgebaut werden - so glauben wir.
Wir halten diese Informationsbörse für den ersten tatsächlich wirkungsvollen Schritt zur Belebung von Risikokapitalmärkten in der Bundesrepublik. Diese Meinung teilen viele in der Finanzwissenschaft tätige Personen. Von daher würde ich mir wünschen, daß auch Sie diese Börse unterstützen. Zum Beispiel der Mittelstandsbeirat von Herrn Kolb unterstützt dieses unser Anliegen von der Idee her und auch in der Sache, wie ich gestern zu meiner großen Freude lesen durfte.
Wir würden uns wünschen, daß diese Infobörse - analog dem Börsen-AG-Konzept - ihren Platz in
Margareta Wolf
Leipzig erhält. Das würde den Finanzplatz Leipzig stärken und gleichzeitig ein - hoffentlich - positives Signal in die neuen Bundesländer senden.
Ich glaube tatsächlich, meine Damen und Herren, Sie sind jetzt gefordert, die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu setzen und so was wie einen Sicherheitsrahmen zur Verfügung zu stellen. Das entsprechende Know-how muß nach Leipzig, das Personal muß nach Leipzig. Es gibt keine empirischen Daten, wieviel das kostet. Aber ich denke, eine Anschubfinanzierung so um die 3 Millionen DM wäre notwendig - so sagen es uns das Institut für Mittelstandsforschung und die Deutsche Börse AG. Der zeitliche Rahmen für diese Infobörse ist tatsächlich begrenzt auf maximal fünf Jahre.
Die Gegenfinanzierung soll - ich weiß, daß jetzt gerade in der CDU einige aufjaulen werden - durch eine jährliche Umschichtung von Mitteln aus dem Eigenkapitalhilfeprogramm erfolgen. Das halten wir nur für konsequent. Wir denken, zu berücksichtigen ist, daß durch die Arbeit dieser Informationsbörse die Anforderungen an die klassische Fremdfinanzierung sukzessive zurückgeführt werden können. Das liegt auch im Interesse der Haushaltspolitiker.
Ich würde mir wünschen, daß wir in dieser Richtung gemeinsam weiter diskutieren. Denn es hilft nicht, daß wir uns in jeder Debatte über Risikokapital für den Mittelstand versichern, das sei eine richtige, gute und wichtige Sache. Das tun wir bereits seit geraumer Zeit: ich seit zwei Jahren, Sie, die Sie länger in diesem Hause sind, schon länger. Das bringt uns nicht weiter. Die Insolvenzrate steigt und steigt - und damit auch die Zahl der Arbeitslosen.
Danke schön.