Rede von
Gerald
Häfner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, etwas zu korrigieren, was zu einem Mißverständnis führen könnte.
Herr Gauck und seine Behörde haben sich massiv gegen diesen Vorwurf gewandt. Sie wissen, daß er in der Öffentlichkeit nicht von unserer, sondern von anderer Seite und fälschlich erhoben wird. Deshalb hat Joachim Gauck gesagt: Schreibt um Himmels willen bitte nichts in das Gesetz, das dazu führt, daß wir plötzlich entscheiden sollen, was gravierend ist oder nicht, was mitgeteilt wird oder nicht. Dies muß an Hand von Gesetzen und durch rechtsstaatliche Instanzen, die dafür zuständig sind, entschieden werden - aber bitte nicht durch die Behörde. - Deswegen hat sich Joachim Gauck gegen diesen Vorwurf gewehrt. Er und wir sehen die Gefahr, daß die Behörde auf Grund einer solchen Regelung in eine Rolle gedrängt wird, die sie nicht haben möchte und nicht haben soll.
- Die Behörde verwaltet die Akten und gibt Auskunft. Die Frage, was rechtlich daraus folgt, das heißt, ob zum Beispiel Einstellungsbeschränkungen vorzunehmen sind oder nicht, ist eine Frage des Gesetz- und Verordnungsgebers in Bund und in den Ländern. Das wissen Sie so gut wie ich.
Dies nicht bei der Verwenderseite, sondern bei der Beauskunftung zu regeln, ist ein großer Fehler. Der Bezug zum Bundeszentralregister, den Sie während der Beratung immer hergestellt haben, ist gänzlich daneben. Denn da geht es ja um Taten, die seinerzeit bekannt gewesen sind. Irgendwann werden sie - sozusagen nach dem Motto „Schwamm drüber" - nicht mehr mitgeteilt. Hier geht es um Vorgänge, die immer unterdrückt wurden, nie bekanntgeworden sind und erst jetzt ans Tageslicht kommen.
Deshalb ist eine solche Regelung ganz und gar kontraproduktiv. Sie ändert den Charakter der Behörde und schränkt das ein, was damals erreicht worden ist, nämlich das, was die Menschen wollten: nicht Rache, sondern Klarheit über Täter und Opfer und Klarheit darüber, was ihnen angetan wurde.
Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen zweiten Punkt kurz eingehen. Alle anderen Punkte werde ich aus Zeitgründen nicht mehr erwähnen können. Der zweite Punkt, den ich kurz nennen will, ist der Punkt K I. Sie alle wissen, daß in der Kriminalpolizei der DDR der Bereich K I unmittelbar der Stasi unterstellt war. Es gab niemanden in K I, der nicht gleichzeitig Mitarbeiter der Stasi war. Es ist ein großer Fehler gewesen, diesen Bereich im Gesetz auszuklammem. Wir haben diesmal bei den Beratungen dringlich gefordert, ihn mit hineinzunehmen, und haben uns auch hier nicht durchsetzen können, was ich außerordentlich bedaure.
Wir wissen, daß Mitarbeiter des Kommissariats I in vielen Bereichen des Staates und der Verwaltung tätig sind und daß hier gegenwärtig keine Möglichkeit besteht, sie zu enttarnen, während andere Menschen, die sich weit weniger haben zuschulden kommen lassen, mit dem Vorhalt ihrer früheren Tätigkeit leben und umgehen müssen.