Rede von
Dr.
Gerald
Thalheim
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Junghanns, selbstverständlich gibt es an der Stelle einen Interessenkonflikt. Am Ende bin auch ich der Meinung, daß die Volkskammer aus diesen Gründen damals so entschieden hat. Nur, wenn wir entlang des Rechts argumentieren, was wir hier heute machen - Kollege Heinrich, ich erinnere mich an die Diskussion zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz -, und Art. 14 zur Kernfrage erheben, können wir, wenn es um die Abwägung von Privateigentum und wirtschaftlichen Interessen geht, nicht anders entscheiden. Auf nichts anderes wollte ich aufmerksam machen.
Ich habe darauf hingewiesen: Mit fragwürdigen Begründungen wollen Sie korrigierend in einen Prozeß eingreifen, dessen Auswirkungen zwar bis heute spürbar sind, der sich aber im Jahre 1990 und danach abgespielt hat. In dieser Zeit sind in unzähligen Gesprächen im Rahmen langwieriger Auseinandersetzungen in einem mühevollen Prozeß Vereinbarungen getroffen worden. Natürlich, Herr Kollege Hornung, waren das oft Kompromisse. Aber an diesen Kompromissen haben in vielen Fällen die Clearingstellen der Länder, Vermittlungsausschüsse, mitgewirkt.
Den Vereinbarungen, die getroffen wurden, lagen in vielen Fällen Gerichtsentscheidungen zugrunde. Man hat also im außergerichtlichen Rahmen gerichtliche Vergleiche nachgeholt. Insofern ist es sehr bedenklich, das alles heute in Frage zu stellen. Das Gegenteil wäre richtig: sich auf die offenen Fälle zu konzentrieren.
Ich darf auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Im Kern liegt der Gesetzesnovelle die These zugrunde, daß das Eigenkapital der ehemaligen LPG zu niedrig bewertet wurde und demzufolge nach § 44 ausgeschiedenen Mitgliedern in enormem Umfang Vermögenswerte vorenthalten wurden. Am weitesten ging dabei immer die FAZ, die von bis zu 60 Milliarden DM sprach. Einen Beweis für diese These sind bisher alle schuldig geblieben. Im Gegenteil: In der Ausschußberatung haben Sie sich geweigert, auch nur schätzungsweise eine Zahl zu nennen, was Sie damit begründet haben, daß das nicht mit der Fragestellung des Gesetzes im Zusammenhang steht.
Herr Junghanns, Sie haben das hier heute wiederholt. Ich möchte Sie noch mal fragen: Wenn am Ende ausgeschiedene Mitglieder nicht mehr erhalten sollen, warum machen wir das Ganze überhaupt? Sie wollen ein Gesetz mit erheblichen Folgewirkungen, Prozessen usw. Am Ende kommt heraus: Es gibt für die Betroffenen zwar das gleiche, aber der Rechenweg war richtig. Das wäre die Quintessenz des Gesetzes. Das kann man nicht machen, weil man damit mehr in Frage stellt. Vor allem: Das Ergebnis steht erst am Ende. Das Problem ist der Prozeß, zu diesem Ergebnis zu kommen.
Vor allem ist es eine gefährliche Illusion, die hiermit geweckt wird. Ich räume ein: Im Einzelfall mag das herauskommen. In vielen Fällen dürfte aber das Gegenteil eintreten: daß sich herausstellt, daß das Vermögen zu hoch bewertet wurde, was die Finanzämter bei den derzeitigen Betriebsprüfungen vielerorts feststellen. Sie verlangen, daß das Vermögen von damals abgewertet wird.
Rückforderungen an ausgeschiedene Mitglieder wären die Folge. Diese Ansprüche nach dem neuesten Gesetzestext auch wirklich einklagbar zu machen ist zwar logisch, aber, wie ich meine, völlig unrealistisch.
Im jetzigen Streit geht es im Kern um die Bewertung des aus DDR-Zeiten übernommenen Eigenkapitals, also den wahren Wert der vorhandenen Tiere, Maschinen und Gebäude abzüglich - darauf möchte ich mit Nachdruck hinweisen - der immer noch bei den Betrieben liegenden Altschulden in Höhe von 6 Milliarden DM.
- Selbstverständlich: Das vorhandene Vermögen minus die Altschulden ergibt das Eigenkapital, das zur Verteilung anstand.
Hinsichtlich der Höhe dieses LPG-Vermögens gibt es nach meiner Auffassung erhebliche Illusionen. Das wird bei einem Vergleich mit den volkseigenen Gütern deutlich, die der Treuhand unterstanden. Das ist mit einer der interessantesten Punkte: Nicht nur die Geschäftsführer und ehemaligen LPG-Vorsitzenden hatten die Ostlandwirtschaft zu verwalten, sondern auch der Bundesfinanzminister, der über die Treuhandanstalt die volkseigenen Güter geerbt hat.
Mit Datum von gestern ist uns in der Antwort auf eine Kleine Anfrage eine Bilanz der wirtschaftlichen Tätigkeit der volkseigenen Güter vorgelegt worden. In ihr wird eingeräumt, daß im Jahre 1990 pro Hektar ein, wie es im Text heißt, „negativer Rohüberschuß" - ich möchte es der betriebswirtschaftlichen Vereinfachung halber einfach „Verlust" nennen - von 2 000 DM pro Hektar entstanden ist. 1992 waren es immerhin noch 1 000 DM.
Dr. Gerald Thalheim
Das heißt, bei den volkseigenen Güten stand kein Vermögen zur Verteilung an; der Steuerzahler mußte für die Verluste haften.
Worauf gründen Sie eigentlich - bei allen Unterschieden, die es gegeben hat - die Auffassung, daß im Vergleich zu dem Teil volkseigene Güter im Bereich der LPGs so hohe Vermögenswerte versteckt sind? Natürlich wurden diese Verluste in erheblichem Umfang auf Grund der damaligen Überbeschäftigung und vieler anderer Faktoren verursacht. Sie sind aber trotz Anpassungshilfen genauso im Bereich der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften eingetreten.
Aus diesen Gründen - das waren, so denke ich, eine ganze Reihe gewichtiger Argumente -
fordern wir Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen. Herr Kollege Junghanns, wenn wir Ihnen ein Stück weit entgegengekommen worden sind, indem wir das Sammelverfahren für einen eng begrenzten Personenkreis zulassen, dann im Interesse der ostdeutschen Landwirtschaft. Wir halten dies in wenigen Fällen für durchaus gerechtfertigt. Es ist besser, mit einem Kompromiß auseinanderzugehen, als eine unendliche Flut von Prozessen heraufzubeschwören.
Sie wissen, wir sind für eine Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn auch nur um drei Jahre. Fünf Jahre halten wir für zu lang. Wir sind für eine erleichterte Abberufung der Liquidatoren. Ich denke, diesen Punkten können Sie zustimmen. Wir fordern Sie auf - auch im Interesse Ihrer mecklenburgischen Kollegen, die heute wieder nach Hause wollen -, unserem Antrag zuzustimmen.
Besten Dank.