Rede von
Dr.
Wolfgang
Schäuble
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Entschuldigung, sobald Sie ruhig sind, antworte ich Ihnen. Erstens können Sie von der Bundesratsbank überhaupt keine Zwischenrufe machen, und zweitens: Lassen Sie mich doch antworten!
Dr. Wolfgang Schäuble
Ich habe mich genau vergewissert, Herr Kollege Struck, weil ich das ja auch wissen will. Die mir erteilte Auskunft ist, daß bei allen vier Pairingvereinbarungen zwischen den Ländern - sie pairen untereinander - jeweils das SPD-regierte Land die Initiative ergriffen hat und auf ein unionsregiertes Land zugegangen ist. Das ist die Wahrheit.
Sie können das nachprüfen. Ich habe mich genau vergewissert: Vier SPD-regierte Bundesländer sind initiativ geworden, weil sie nicht in der Lage sind, an der Sitzung des Vermittlungsausschusses teilzunehmen. Deswegen halte ich die Behauptung aufrecht: Das ist ein widersprüchliches Verhalten.
- Nein, das ist die Wahrheit.
Ich habe mich ausdrücklich erkundigt, und so ist es mir aufgeschrieben worden: In allen Fällen ist die Initiative von den A-regierten Ländern ausgegangen. Deswegen sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es hilft doch gar nichts. Wenn wir die Probleme unseres Landes - daß wir welche haben, ist gar nicht zu bestreiten - lösen wollen, dann lassen Sie uns doch darüber reden: Was kann und was muß getan werden? Aber es macht doch keinen Sinn, im Bundesrat alle Einsparungen zu blockieren - jetzt muß ich Ihnen wieder die Liste vorlesen; wir haben Finanzprobleme sowohl im Haushalt 1996 wie im Haushalt 1997, weil die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat alle zustimmungspflichtigen Einspargesetze blockiert - und anschließend den Vermittlungsausschuß noch beschlußunfähig zu machen. Das geht wirklich nicht.
Herr Kollege Lafontaine, Sie haben das Gutachten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erwähnt. Das ist schon toll.
- Ich kenne es. Ich habe es zwar nicht dabei; aber ich habe den wesentlichen Inhalt im Kopf.
Ich will Ihnen den wesentlichen Inhalt nennen.
Dieses Gutachten sagt, daß man mit vier verschiedenen Maßnahmen die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2005 tatsächlich in einer Größenordnung reduzieren könne, wie es auch Bundesregierung, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gemeinsam im Januar als Erwartung ausgedrückt haben.
Was sind diese vier Maßnahmen? Das eine ist in der Tat eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, aber eben nicht durch Reduzierung der Wochenarbeitszeit - ganz und gar nicht -, sondern durch mehr Teilzeitarbeit und durch Abbau von Überstunden. Wir bekommen Überstunden nur abgebaut, wenn wir beispielsweise die Flexibilisierungsmaßnahmen durchführen, die Sie beim Kündigungsschutzgesetz so bekämpft haben. Anders ist das nicht zu schaffen.
Denn nur wenn die Betriebe in der Lage sind, risikoabhängiger einzustellen - das geht nur durch mehr Flexibilität beim Kündigungsschutz -, bekommt man durch Abbau von Überstunden zusätzliche Arbeitsplätze. Wer solche Veränderungen blokkiert, schafft nicht mehr Arbeitsplätze, sondern er verhindert, daß mehr Arbeitsplätze entstehen.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagt, daß die Tarifpartner bei der Lohnentwicklung Zurückhaltung wahren sollen. Die Tarifabschlüsse sollen dabei unter dem Zuwachs der Produktivitätsrate bleiben.
Ich glaube, das Gutachten hat recht. Aber, Herr Lafontaine, es ist schon ziemlich dreist, daß Sie dieses Gutachten hier anführen. Sie haben in jeder Debatte gesagt, wir bräuchten höhere Lohnsteigerungen. Sie sind damit den Gewerkschaften bei verantwortungsvoller Lohnpolitik in den Rücken gefallen. Wenn Sie Ihre Meinung ändern, ist das gut; aber dann sagen Sie es auch! Wir sind der Meinung, es geht nicht anders.
Weiterhin sagt das Gutachten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der Sozialversicherungsbeitrag dürfe insgesamt nicht steigen, sondern müsse sinken. Die Staatsquote müsse reduziert werden. Damit sind wir doch beim Kern der Probleme.
Wir sind übrigens bei dem, was im Januar zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung im Kanzleramt besprochen, vereinbart und in einer gemeinsamen Erklärung - veröffentlicht im Bulletin der Bundesregierung vom 26. Januar - festgehalten worden ist. Wir haben diese gemeinsamen Absichtserklärungen überhaupt nicht aufgekündigt.
- Frau Fuchs, nehmen Sie es zur Hand und sagen Sie mir, an welchem Punkt wir das, was damals vereinbart worden ist - -
- Moment, nicht dazwischenreden! Melden Sie sich zu einer Zwischenfrage und sagen Sie konkret, wogegen Sie sind.
Ich lese Ihnen die gemeinsame Erklärung vor. Ich bin wirklich dafür, daß wir aufhören, der Öffentlich-
Dr. Wolfgang Schäuble
keit die Unwahrheit zu erzählen, wie es hier ständig geschieht.
Dann lese ich Ihnen jetzt noch einmal aus dieser gemeinsamen Erklärung vor, die auch von den Gewerkschaftsvertretern unterschrieben wurde:
Eine zu hohe Staatsquote hemmt die wirtschaftliche Dynamik, engt Spielräume für Eigeninitiative ein und mindert die Leistungsbereitschaft der Bürger .. .
Den Sozialstaat zu sichern und zu festigen ist gemeinsames Ziel und gemeinsame Aufgabe. Seine Finanzierungsgrundlagen müssen durch Reformen erhalten bleiben. Die Sozialbeiträge insgesamt und die Sozialabgabenquote müssen stabilisiert und bis zum Jahr 2000 wieder auf unter 40 Prozent zurückgeführt werden ...
Die Praxis der Frühverrentung muß abgelöst werden durch eine neue sozial verträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand ...
Im Gesundheitswesen müssen Kostenbegrenzungen durch mehr Wettbewerb, größere Selbstverantwortung, mehr Befugnisse und Verantwortung der Selbstverwaltungen erreicht werden ...
Geprüft werden sollen in gemeinsamen Gesprächen Möglichkeiten zur Verringerung von Fehlzeiten in den Betrieben.
- Die Frage beantworte ich, wenn Sie mir die Chance dazu geben.
Wir haben im Programm für Wachstum und Stabilität Punkt für Punkt genau das umgesetzt, was der Beitrag der Politik sein kann, damit die gemeinsame Erwartung, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, erfüllt werden kann.
Sie haben unsere Vorschläge kritisiert. Das ist in Ordnung, man kann unterschiedlicher Meinung sein.
Aber Sie haben alle unsere Vorschläge, die im Bundesrat zustimmungspflichtig sind, blockiert. Sie haben beispielsweise die Dynamisierung des Anstiegs der Sozialhilfeleistungen durch Ihre Verweigerung im Vermittlungsausschuß und mit der Mehrheit des Bundesrats nicht verhindert.
Daß die Sozialhilfeausgaben weiterhin so ansteigen, ist die Hauptursache unserer Probleme; denn wir sind im Bereich aller anderen Transferleistungen nicht in der Lage, das Sozialhilfeniveau zu unterschreiten.
Sie haben sich bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und bei der Flexibilisierung von Einstellungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Betriebe verweigert. Sie haben Einsparungen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesrat blockiert, so daß wir jetzt gezwungen sind, das Gesetz so einzubringen, daß es nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Daß dann, wenn man Gesetzentwürfe einbringt, für die eine Mehrheit im Bundesrat nicht zustande kommt, in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, man müsse die Entwürfe neu einbringen, so daß sie nicht zustimmungspflichtig sind, und daß dadurch die Bevölkerung verwirrt wird, ist wahr. Das kann man auch verstehen. Aber wenn die Mehrheit des Bundesrates sich jeder Einsparung verweigert, werden wir die Staatsquote nicht senken können.
Denn sie kann man nur durch Einsparungen senken, anders nicht.
Sie haben immer nur Steuererhöhungs- und Abgabenerhöhungsvorschläge gemacht. Sie haben nicht einen einzigen Einsparungsvorschlag gemacht. Ich muß Ihnen das vorhalten.
- Können wir die einen Moment ausschreien lassen und dann wieder in Ruhe miteinander reden?
Wenn Sie schon eine Sondersitzung beantragen, sollten Sie die Möglichkeit geben, Argumente auszutauschen. Andernfalls sollten Sie diese Schauveranstaltungen lassen.
Ich will das wiederholen: Wenn sowohl die gemeinsame Erklärung von Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung als auch die Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagen, zentraler Ansatz, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sei die Verringerung der Staatsquote, dann kommen wir um Einsparungen nicht herum.
Wenn Sie jeden Einsparvorschlag für die öffentlichen Haushalte wie für die soziale Sicherung - Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe - so diffamieren, bekämpfen und blockieren, wie Sie es in diesem Jahr getan haben, dann kommen wir nicht in dem Maße voran, das notwendig wäre, wenn wir mehr Arbeitsplätze und weniger Arbeitslosigkeit erreichen wollen. Deswegen appelliere ich an Sie, damit aufzuhören, viel-
Dr. Wolfgang Schäuble
mehr endlich daran mitzuwirken und Ihre Verantwortung ernst zu nehmen.