Rede von
Franziska
Eichstädt-Bohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bauminister hatte uns ein Wohngeldreformgesetz versprochen. Heute wird ein Flickschustergesetz verabschiedet.
Vom Ankündigungsminister zum Wortbruchminister ist es schon ein ziemlich bitterer Weg. So ist es kein Wunder, daß Herr Töpfer sich heute durch Herrn Günther vertreten läßt und selbst keinen Mut hat, diese Beerdigung erster Klasse mitzufeiern.
Wir waren und sind nicht bereit, an dieser Flickschusterei mitzuwirken. Wir fordern die Koalition und den nichtanwesenden Minister wirklich auf,
endlich das Wohngeldreformgesetz auf den Tisch zu legen, damit es wenigstens am 1. Juli 1997 in Kraft treten kann. Wir haben dazu Finanzierungsvorschläge gemacht und gefordert, bei der Eigenheimzulage den Gürtel enger zu schnallen. Wir fordern, daß Sie endlich die Eigenheimförderung als Steuermindereinnahme im Haushalt ausweisen, damit Haushaltsklarheit besteht.
Über die kleinen „Peanuts" an Verbesserungen, die Herr Rau eben in bezug auf das Wohngeldüberleitungsgesetz so groß gepriesen hat, will ich mich jetzt nicht lange verbreiten.
Es ist klar, daß es gegenüber dem Gesetzentwurf ein paar kleine Verbesserungen gibt. Ich bedanke mich bei Herrn Kansy, daß es wirklich gelungen ist, die besorgniserregende Abstufung des pauschalierten Wohngelds von 45 Prozent wieder auf 47 Prozent zurückzuführen.
Aber um diese bescheidenen 22 Millionen DM für diese Verbesserungen zu finanzieren, greifen Sie in das Budget des sozialen Wohnungsbaus hinein. Ich warne Sie eindringlich davor. Jetzt wirkt das als ein ganz kleiner, harmloser Eingriff in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus; aber demnächst wird es einen Dammbruch und große Verlagerung geben. Dann werden wir früher oder später kein Geld mehr für die investive Förderung haben.
Das wird die Arbeitslosigkeit noch weiter vorantreiben. Darin sehe ich ein ganz großes Problem. Für uns gilt, daß wir die Finanzierung des Wohngeldes zu Lasten der indirekten Förderung bejahen - darin sind wir uns mit der SPD einig -, zu Lasten des sozialen Wohnungsbaus aber ablehnen.
Franziska Eichstädt-Bohlig
Wir müssen allerdings schon darüber reden, daß heute mehr als eine Reform des Wohngeldes zur Debatte steht. Wir zelebrieren die stille Beerdigung der Wohnungspolitik der letzten 25 Jahre. Der Glaube an die Subjektförderung, den Sie seit Jahrzehnten kultivieren, wird hier und heute ganz still und leise beerdigt. Sie sollten ehrlich dazu stehen.
Die Liberalisierung des Mietrechts, die Rückführung der Wohnungsbauförderung, die Aufhebung der Gemeinnützigkeit, all das sollte durch mehr Wohngeld kompensiert werden. Und was haben Sie jetzt? - Leere Taschen.
- Nein, habe ich nicht. Aber ich habe nie für eine Politik plädiert, die die Abhängigkeit vom Wohngeld vergrößert. Das ist genau der Unterschied zwischen Ihrer und meiner Wohnungspolitik.
Wir haben viele Probleme: Die öffentlichen Kassen sind leer; die Einkommen stagnieren; die Arbeitslosigkeit, die Abhängigkeit von Sozialhilfe und die Abhängigkeit vom Wohngeld steigen. Dieser doppelten Falle von leeren Kassen und steigenden Ausgaben können wir nur durch eine andere Wohnungspolitik entkommen.
Momentan arbeitet das Bauministerium daran, das Mietrecht weiter zu vereinfachen. De facto heißt das, die Mietenschraube anzuziehen und den Kündigungsschutz zu lockern.
Was wird das Ergebnis sein? - Wir brauchen mehr Wohngeld.
Ferner soll die anstehende Wohnungsbaureform auch mit einer Anhebung der Sozialwohnungsbestandmieten verknüpft werden, wie immer das im einzelnen ausgestaltet wird. Was wird dabei herauskommen? - Wir brauchen mehr Wohngeld.
Ein weiterer Punkt. Herr Waigel hat den Schnäppchenmarkt für bundeseigene Wohnungen und für die Wohnungen der Rentenversicherungen eröffnet. Erzählen Sie uns doch nicht, daß diese Wohnungen zum Nulltarif privatisiert werden. Die Mieten werden daher steigen; Sie werden das nur für ein paar Jahre verzögern können. Was brauchen wir dann? - Mehr Wohngeld.
Das heißt: Die ganze Wohnungspolitik der Koalition ist auf die Steigerung des Mietniveaus und Liberalisierung des Mietrechts angelegt und damit auf mehr Wohngeld. Wenn Sie dieses Wohngeld aber nicht zahlen können, dann fordere ich Sie dringend auf, die Wohnungspolitik endlich in Richtung Bestandssicherung und Dämpfung der Mietsteigerungen zu ändern. Nur das hilft uns, aus dieser Falle herauszukommen.
Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie aus dieser Niederlage endlich die Konsequenzen! Machen Sie eine Kehrtwende in Richtung neuer Wohnungspolitik, die die Mieten dämpft und die preiswerten Wohnungsbestände, die wir im öffentlichen Bereich noch haben, nicht verscherbelt, sondern sichert!