Rede von
Dr.
Gisela
Babel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt reagiert auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 1995. Darin wurde es als verfassungswidrig angesehen, daß der Gesetzgeber eine Einmalzahlung, wie zum Beispiel die Zahlung des Weihnachtsgeldes, zwar zu den Einnahmen zählt, nach denen die Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung berechnet werden, aber keine entsprechend höhere Leistungen einräumt. Ein Arbeitnehmer, dem eine solche Einmalzahlung gewährt wird, zahlt also mehr in die Kassen ein als ein Arbeitnehmer, dem keine solche Einmalzahlung gewährt wird. Er bekommt aber keine höheren Leistungen dafür.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, spätestens zum 1. Januar 1997 eine neue Regelung zu schaffen, die diese Ungereimtheit - man kann auch von Ungerechtigkeit sprechen -
beseitigt.
Die finanziellen Folgen dieses einleuchtenden Urteils muß das Gericht ja nicht bedenken, geschweige denn verantworten. Ein Herausnehmen der Einmalzahlung aus den Beiträgen führt zu Einnahmeausfällen in Höhe von 25 bis 30 Milliarden DM. Das ist gerade in jetziger Zeit nicht auszugleichen.
Dr. Gisela Babel
Die Lösung der SPD ist insofern unrealistisch, wiewohl ich nicht verschweigen will, daß sie vom Ansatz her die einfachste und sauberste Lösung ist.
Demgegenüber hat es sich die Bundesregierung sehr viel schwerer gemacht. Sie mußte den Auflagen des Verfassungsgerichts Genüge tun und gleichzeitig finanzielle Einbußen der Sozialversicherung vermeiden, die durch Einnahmeausfälle oder höhere Leistungsverpflichtungen entstanden wären. Es war eine vertrackte Aufgabe; man kann auch von der Quadratur des Kreises sprechen.
Die gefundene Lösung - das haben die Vertreter der Koalition mit Erleichterung von den Verfassungsexperten in der Anhörung vernommen - ist vertretbar, wenngleich nicht ganz ohne verfassungsrechtliches Risiko. Aber was ist heute schon ohne verfassungsrechtliches Risiko, meine Damen und Herren?
Auf der Einnahmeseite wird nichts verändert. Das bedeutet, daß auch künftig Sozialversicherungsbeiträge von Einmalzahlungen bezahlt werden müssen. Diesen Beiträgen stehen künftig wenigstens in einem Punkt auch verbesserte Leistungen gegenüber. Es gibt ein zusätzliches Krankengeld, wenn ein Arbeitnehmer auf eine Einmalzahlung wegen seiner Krankheit verzichten muß.
Keine Mehrleistung gibt es dagegen in der Arbeitslosenversicherung, insbesondere beim Arbeitslosengeld. Gerade dieser Punkt ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Ausschuß außerordentlich intensiv diskutiert worden, und er war auch zentraler Gegenstand der Expertenanhörung im Ausschuß.
Die Grundüberlegung für den Gesetzgeber, die Begründung ist, daß die Lohnersatzleistung das Arbeitsentgelt ersetzt, das der Arbeitslose künftig erzielt. Es ist also eine Umstellung von dem Prinzip, welches das Bundesverfassungsgericht noch als Äquivalenzprinzip gekennzeichnet hat - das heißt die enge Verknüpfung von Beitragshöhe und Leistungshöhe -, auf etwas, was man als Risikoversicherung einschätzt.
Meine Damen und Herren, das ist in den Köpfen bei uns noch nicht verankert. Man denkt, eine Arbeitslosenversicherung ist eine Versicherung, die nur dem Äquivalenzprinzip gehorcht, ,das heißt, es ist so ähnlich wie bei der Rente: je höher der Beitrag, desto höher die Geldsumme. Das ist das Prinzip, aber nicht durchgängig. Der Gesetzgeber ist in einer Risikoversicherung freier, hat einen größeren Gestaltungsspielraum. Genau das haben uns die Verfassungsexperten im Ausschuß auch bestätigt.
Meine Damen und Herren, ich will zugeben, daß wir hier unter einem gewissen Zwang gestanden haben. Die Lösung, die die Bundesregierung vorgelegt hat, entspricht der Meinung der angehörten Experten. Wir müssen Ihnen allen und der Öffentlichkeit zugestehen, daß wir nicht sicher sein können, ob das
Bundesverfassungsgericht diese Lösung akzeptiert. Ich gebe aber zu, daß auch die Opposition keine realistische Alternative vorgelegt hat.
Ich bedanke mich.