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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/129 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 129. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Oktober 1996 Inhalt: Vorverlegung der Frist für die Einreichung der Fragen für die Fragestunde 11631 B Zusatztagesordnungspunkt 13: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu Beratungen des Tarifausschusses über Mindestlöhne im Baugewerbe 11619 A Leyla Onur SPD 11619 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . 11620B Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11621B Uwe Lühr F.D.P 11622 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 11622 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 11623 C Peter Dreßen SPD 11624 B Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU . . . 11625B Ernst Schwanhold SPD 11625 D Heinz Schemken CDU/CSU 11626 D Erika Lotz SPD 11627 D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 11628D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 11630 B Tagesordnungspunkt 14: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 13/5583, 13/5750) - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 13/5582, 13/5750) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Kerstin Müller (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Kompensation von Überhangmandaten (Drucksachen 13/5575, 13/5750) . . 11631 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Wahlkreiskommission für die 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 3 Bundeswahlgesetz - zu dem Zwischenbericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages: Empfehlungen für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag und zu den wesentlichen Regelungen für die Verkleinerung des Deutschen Bundestages - zu dem Ergänzenden Bericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages zu dem Zwischenbericht: Empfehlungen für die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag und zu den wesentlichen Regelungen für die Verkleinerung des Deutschen Bundestages hier: Empfehlungen zu den wesentlichen Regelungen für die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ab der 15. Wahlperiode (Drucksachen 13/3804, 13/4560, 13/ 4860, 13/5750) 11631 C Erwin Marschewski CDU/CSU 11632 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 11633 C Fritz Rudolf Körper SPD 11633 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11635A, 11644 C Peter Conradi SPD 11635 D Jörg van Essen F.D.P. 11637 B Dr. Gregor Gysi PDS 11638 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS 11639 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . 11640B, 11645B, 11646 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . 11642 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 11644 B Dr. Gregor Gysi PDS 11645D Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Drucksachen 13/2576, 13/ 5743) 11647 A Ronald Pofalla CDU/CSU 11647 B Allred Hartenbach SPD 11649 A Alfred Hartenbach SPD 11649 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11652B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 11653 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 11654 D Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . 11655 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 11656 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . 11657 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 11658 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 11659 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe), Hans-Peter Kemper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Private Sicherheitsdienste (Drucksache 13/3432) 11660 A Günter Graf (Friesoythe) SPD 11660 B Michael Teiser CDU/CSU 11662 C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . . 11662 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11665A Dr. Max Stadler F D P. 11665 B Dr. Max Stadler F D P. 11666 B Dr. Winfried Wolf PDS 11667 D Hans-Peter Kemper SPD 11668 D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 11670B Tagesordnungspunkt 17: Bericht des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag - Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 1995 (Drucksache 13/ 4498) 11671C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11671C, 11682D Wolfgang Dehnel CDU/CSU 11673 D Lisa Seuster SPD 11675 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 11677A Heidemarie Lüth PDS 11679 C Wolfgang Dehnel CDU/CSU . 11680B, 11684 B Wilma Glücklich CDU/CSU 11681 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 11683 B Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) CDU/ CSU 11685B Lisa Seuster SPD 11686 B Jutta Müller (Völklingen) SPD . . . 11686C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11686D Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11687 D Hildegard Wester SPD 11689 A Matthäus Strebl CDU/CSU 11690 D Christel Deichmann SPD 11692A Tagesordnungspunkt 18: Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung" (Drucksachen 13/984, 13/5749) . . . 11693C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 11693 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 11694 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11695 C Nächste Sitzung 11696 C Berichtigung 11696 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11697* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) 11697* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung") Reiner Krziskewitz CDU/CSU 11698* B Ludwig Eich SPD 11699* C Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 11700* C 129. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Oktober 1996 Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung 128. Sitzung, Seite 11576A; der Text Geradezu perfide wird dieser Vorgang dadurch, daß die parlamentarische Mehrheit diese Entscheidung auch noch gegen den Willen derer, die Steuern zu bezahlen haben, durchsetzt, obwohl man gerade hier mit größtem Einvernehmen streichen und sparen könnte. ist die Fortsetzung des vorstehenden Zitats und dementsprechend einzurücken. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 10. 96 Bläss, Petra PDS 11. 10. 96 Böttcher, Maritta PDS 11. 10. 96 Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 10. 96 Braune, Tilo SPD 11. 10. 96 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 11. 10. 96 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 11. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Burchardt, Ulla SPD 11. 10. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 10. 96 Irber, Brunhilde SPD 11. 10. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 11. 10. 96 Jelpke, Ulla PDS 11. 10. 96 Dr. Küster, Uwe SPD 11. 10. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 10. 96 Karl-Hans Leutheusser- F.D.P. 11. 10. 96 Schnarrenberger, Sabine Lummer, Heinrich CDU/CSU 11. 10. 96 * Mehl, Ulrike SPD 11. 10. 96 Neuhäuser, Rosel PDS 11. 10. 96 Neumann (Berlin), Kurt SPD 11. 10. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 10. 96 Hermann Reuter, Bernd SPD 11. 10. 96 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 11. 10. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Steindor, Marina BÜNDNIS 11. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Tappe, Joachim SPD 11. 10. 96 Terborg, Margitta SPD 11. 10. 96 * Thieser, Dietmar SPD 11. 10. 96 Vosen, Josef SPD 11. 10. 96 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 11. 10. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 11. 10. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach j 31 GO des Abgeordneten Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) Ich möchte hier, da es sich um eine sehr wichtige Entscheidung handelt, ein paar Sätze zu meinem ansonsten vielleicht für manche mißverständlichen Verhalten in der nachfolgenden Abstimmung sagen. Dieser Erklärung schließen sich die übrigen anwesenden Mitglieder meiner Fraktion an. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen regelt,was wir in der Reformkommission fraktionsübergreifend miteinander vereinbart haben. Und da gab es ja viel und wichtigen Konsens: Ich will - und auch dies gilt in gleicher Weise für die gesamte Fraktion - die Verkleinerung des Bundestages, wie die Kommission sie nach langem Hin und Her beschlossen hat. Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt und hätte auch eine Sitzzahl, die deutlicher unter der 600er-Grenze liegt als die nicht gerade berauschende Zahl 598, für möglich, ja sogar für besser als die jetzige Lösung gehalten. Ich trage aber das Verhandlungsergebnis ausdrücklich mit. Und ich will auch, daß wenigstens zukünftig - selbst wenn all dies erst ab der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag gelten soll - endlich von Gesetzes wegen vorgeschrieben wird, daß die Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern deren Bevölkerungsanteil soweit wie möglich entsprechen muß. Genauso habe ich mich die ganze Zeit über dafür eingesetzt, die zulässige Abweichung der Bevölkerungszahlen der Wahlkreise untereinander auf im Regelfall 15 Prozent, maximal aber 25 Prozent zu beschränken. Denn die bisherige Regelung führt, wie wir wissen, im Einzelfall zu Unterschieden bei der Zahl der Stimmberechtigten zu verschiedenen Wahlkreisen im Größenverhältnis von 1 : 2. Das ist nicht mehr hinnehmbar! All diesen Regelungen im Koalitionsentwurf kann ich also zustimmen. Der Entwurf wird falsch nicht durch das, was in ihm steht, sondern durch das, was nicht in ihm steht. Und das ist der weitaus gravierendere Punkt. Denn die Verschiebung all dieser sinnvollen o. g. Gesetzesänderungen auf einen Tag irgendwann um das Jahr 2000 und insbesondere die geradezu peinliche Formel: „Artikel 1 Nr. 1 tritt an dem Tage in Kraft, an dem das in Artikel 2 genannte Gesetz in Kraft tritt" - wohlgemerkt ein Gesetz, von dem es noch nicht einmal einen Entwurf gibt und noch völlig offen ist, ob es überhaupt zustandekommt -, all dies ist rechts- und verfassungspolitisch mehr als fragwürdig, zeigt, auf welch schwankendem Grund ihre ganze unhaltbare Konstruktion ge- baut ist, mit der sie hoffen, einen verfassungswidrigen Zustand noch über die Zeit retten zu können; all dies also ist keinesfalls zustimmungsfähig. Vor allem aber krankt Ihr Gesetzentwurf, wenn man akzeptiert, was in ihm steht, an dem, was eben nicht drin steht: eine Ausgleichsregelung für die zu erwartende hohe Zahl an Überhangmandaten. Wir können diesem Gesetzentwurf also - auch wenn wir für die Verkleinerung und die Änderung der Toleranzgrenzen sind - nicht zustimmen. Ich werde mich daher in der Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Den SPD-Entwurf werde ich ablehnen, weil wir für das gleiche Problem eine bessere Regelung vorgeschlagen haben. Insofern stehen diese beiden Entwürfe in Konkurrenz zueinander. Ich bedauere sehr, daß es all unseren Bemühungen zum Trotz nicht zu einem gemeinsamen Entwurf gekommen ist, weil sich die SPD bis zum Schluß die Beratungen in der Reformkommission noch gegen eine Ausgleichsregelung ausgesprochen hat, dann aber, als Sie sich nach Vorlage unseres Entwurfes in internen Gesprächen von unseren Argumenten überzeugen ließ, unbedingt der Meinung war, sie müsse einen eigenen Entwurf einbringen und könne sich einem gemeinsamen Entwurf nicht anschließen. Umso dankbarer bin ich, daß der ehemalige Partei- und Fraktionsvorsitzende und gegenwärtig Sachverständige der SPD, Hans-Jochen Vogel, der die Debatte in der Reformkommission die gesamte Zeit über mitverfolgt und geführt hatte, gestern öffentlich erklärt hat, er würde dem Gesetzentwurf der Grünen den Vorzug geben. Das werde ich in der Abstimmung auch tun. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 18 (Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Refom der Kommunalfinanzierung") Reiner Krziskewitz (CDU/CSU): Mit Recht wird die finanzielle Situation der deutschen Kommunen heute als besonders angespannt bezeichnet. Kommunale Finanzierungsprobleme nehmen in der finanzpolitischen Debatte eine zentrale Stellung ein, und jeder Politiker wird genügend Beispiele aus seinem Wahlkreis beisteuern können, die von den Auseinandersetzungen zwischen Kommunen und Landkreis, Landkreis und Land berichten. Es handelt sich zwar hier um ein Dauerthema, aber es ist nicht zu übersehen, daß in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, unvorhergesehener gesamtstaatlicher finanzieller Verpflichtungen, wie sie im Gefolge der deutschen Einheit unumgänglich sind, und weltweiter technologisch/ökonomischer Umbruchsituationen die Kommunen als letztes Element in einer Organisation staatlicher Gliederung besonders betroffen sind. Es fehlt nicht an Analysen unterschiedlichster Art auf diesem Gebiet. Beim Recherchieren zu diesem Thema stößt man auf wahre Berge von Vorschlägen und Denkschriften. Die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit vieler Modelle ist nicht anzuzweifeln, die politische Umsetzbarkeit in der heutigen konkreten Situation ist jedoch fraglich. Ich habe deshalb große Zweifel, ob eine EnqueteKommission wirklich neue Erkenntnisse produzieren könnte. Bestenfalls könnte sie mehr oder weniger Bekanntes zusammenfassen oder ordnen. Eine Enquete-Kommission kann aber vor allem eines nicht leisten: Sie kann keine neuen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen, noch viel weniger kann sie deren politische Umsetzbarkeit dekretieren. In der augenblicklichen Situation ist aber ein schnelles und entschlossenes Handeln nötig, das die übernationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht aus den Augen verliert und einer gesamtvolkswirtschaftlichen Betrachtungsweise die gesetzlich notwendigen Regelungen verschafft. Die Handlungsweise der Bundesregierung auf diesem Gebiet, besonders im Hinblick auf die neuen Bundesländer, ist dadurch bestimmt, daß die Sicherung der kommunalen Finanzen einen hohen Stellenwert einnimmt. Ich erinnere hier an die kommunale Investitionspauschale für die Gemeinden in den neuen Bundesländern, an die Entlastungswirkung der Pflegeversicherung und an die Neuordnung des Länderfinanzausgleiches. In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß die deutsche Finanzverfassung sich auch in einem zweigliedrigen Staatsaufbau, in dem die Gemeinden Teil der Länder sind, wiederfindet. Bei allen Einwänden, die auf Reibungsverlusten, widersprüchlicher Interessenlage, auch unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten beruhen, hat sich diese Finanzverfassung bewährt. Ich sehe auch keine reale Chance, dies grundsätzlich zu ändern. Wir sollten auch eine Intention der Antragsteller nicht übersehen, die offensichtlich dahin geht, Finanzlasten auf den Bund zu verschieben. Die Verschuldungsrate der Kommunen ist zweifellos hoch und für die Gemeinden drückend. Ebenso ist anzumerken, daß der Bund mit einer Zinslast von 20 Prozent seiner Ausgaben an einer absoluten Obergrenze angelangt ist. Ein Großteil dieser Verschuldung ist als Kostenfolge des deuschen Einigungsprozesses anzusehen. Der Bund hat hier - und nicht zuletzt im Interesse der Kommunen aus den neuen Bundesländern - Vorleistungen geschaffen. Auch wenn wir neue Ausgaben in den sogenannten Erblastentilgungsfonds schieben, so muß daran erinnert werden, daß die Tilgung dieses Fonds 30 Jahre in Anspruch nehmen wird. Um es zu veranschaulichen: Nicht wir, sondern unsere Kinder und Enkel werden diesen Schuldenberg zu tilgen haben. Ein vernünftiger volkswirtschaftlicher Ansatz für die Neugestaltung von Steuereinnahmen und deren Verteilung muß alle Aspekte und Wirkungen be- trachten. Ich möchte das an folgendem Beispiel demonstrieren: Man mag zur Gewerbesteuer stehen, wie man will, aber es ist nicht zu leugnen, daß die Koppelung kommunaler und wirtschaftlicher Interessen in einem konkreten regionalen Bezug einen Sinn ergibt. Wenn auch eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung dieser Steuer unumgänglich ist, so sollte eine Koppelung der eben erwähnten Interessen von Gemeinden und Unternehmen beibehalten werden. Die in der Gewerbesteuer enthaltene Gewerbekapitalsteuer erfüllt diese Funktion nicht. Als Substanzsteuer, die selbst Schulden noch besteuert und auch bei negativem Betriebsergebnis wirkt, gehört sie abgeschafft. Selbstverständlich müssen die Kommunen eine entsprechende Kompensation erhalten. Die Koalition hat hierzu einen Anteil an der Umsatzsteuer vorgeschlagen. Um einen möglichst genauen Verteilungsschlüssel zu erhalten, werden seit 1995 entsprechende Steuerstatistikdaten erfaßt. In einer kurzen Übergangsphase sollen die Kommunen die bei Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer entstehenden Defizite ohne Berücksichtigung der erhöhten Anteile an der Einkommensteuer voll ausgeglichen erhalten. Da die neuen Bundesländer bisher keine Gewerbekapitalsteuer erheben, schlagen wir vor, einen Zuschlag in Höhe eines geschätzten fiktiven Gewerbekapitalsteueranteils von 25 Prozent des Gesamtvolumens der betreffenden Gewerbesteuer nach Ländern zu erstatten. Nach überschlägigen Rechnungen dürften das für die Kommunen in den neuen Bundesländern zusätzliche Einnahmesverbesserungen in Höhe von etwa 700 Millionen DM sein. Es liegt auf der Hand, daß bei einer Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern, die, wie jeder Kenner der Materie weiß, nicht nur kontraproduktiv, sondern in ihrer Umsetzung nur mit großen technischen Schwierigkeiten behaftet wäre, dieses zusätzliche Steueraufkommen nur schwer zu erreichen ist. Dem Wunsche der Kommunen, den Umsatzsteueranteil als verbrieftes Recht auch grundgesetzlich zu verankern, ist die Koalition gefolgt. Der Finanzausschuß hat sich gestern in einer Anhörung von Vertretern der kommunalen Spitzenverbände mit diesem Thema befaßt. Dabei wurde eines deutlich: Es gab Kritik von jedem an jedem, man feilschte, ob 15 Prozent oder 13,5 Prozent, die Frage des Aufteilungsschlüssels war nicht ausdiskutiert usw. In der Sache war aber zur Verblüffung aller festzustellen: die Angelegenheit ist realisierbar. Meine Damen und Herren, hier bedarf es keiner Enquete-Kommission! Zur Substanz des Vorhabens ist bereits an berufener Stelle alles gesagt worden. - Nun muß verhandelt werden, müssen konkrete Formulierungen gefunden werden. Jetzt muß politisch gehandelt werden! Meine Damen und Herren, dieses Beispiel ist zweifellos nicht die Gesamtlösung der Problematik, sondern zeigt die Richtung an, in der wir gesamtvolkswirtschaftliche und kommunale Interessen verbinden müssen. Die Fraktion der CDU/CSU lehnt den eingebrachten Vorschlag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission ab. Ludwig Eich (SPD): Über alle Parteigrenzen hinweg besteht Einigkeit darüber, daß sich die Finanzlage der Kommunen in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat. 1995 bestand ein Finanzierungsdefizit der Städte und Gemeinden von rund 13 Milliarden Mark. In der Regierungsverantwortung von CDU/CSU und F.D.P. haben sich die kommunalen Schulden von 97 Milliarden Mark im Jahre 1982 auf den Spitzenstand von jetzt 150 Milliarden Mark erhöht. Die Zinslast ist entsprechend gestiegen. Auch diese Negativrekorde, verehrte Damen und Herren von der Koalition, haben Sie politisch zu verantworten. Wer in der Steuer- und Sozialpolitik immer nur die Interessen der eigenen Klientel im Auge hat und nicht die Auswirkungen auf die dritte Ebene des Staates beachtet, der darf sich über diese politische Schuldzuweisung nicht wundern. Die Folgen einer solchen Politik für die Menschen und unser Gemeinwesen sind verheerend: Aufträge der Kommunen für Handwerk und Gewerbe gehen rapide zurück, wichtige soziale und kulturelle Angebote der Kommunen verkümmern. Zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tätigen unsere Kommunen. Wann begreifen Sie in der Regierungskoalition, daß Ihre Politik der Lastenverschiebung auf die Kommunen eine Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen muß? Städte mit hoher Arbeitslosenquote sind arme Städte. Sie sind arm, weil mit hoher Arbeitslosigkeit in der Regel nicht nur ein Rückgang der Gewerbesteuer einhergeht. Sie sind arm, weil auch die Einnahmen aus der Einkommensteuer sinken. Und sie sind arm, weil ihre Aufwendungen für die Sozialhilfe steigen und steigen! Viele, zu viele Menschen in den Städten sind nicht nur arm wegen ihres sozialen Abstiegs. Zu viele Menschen werden auch deshalb ärmer, weil sie in einer armen Stadt leben. Die Krise unseres Staates zeigt sich auf der Ebene der Kommunen unmittelbar. Unser Sozialstaat wird durch Ihre Politik, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und nicht zuletzt von der F.D.P., auf der Ebene der Kommunen am härtesten getroffen. So darf das nicht weitergehen! Wenn dieses Dilemma mit seinen Folgen von Herrn Westerwelle nicht begriffen wird, so kann ich das beinahe verstehen. Aber es gibt in der Unionsfraktion Bürgermeister und Landräte genug, die genau wissen, daß es so nicht weitergehen kann und so nicht weitergehen darf. Die Wahlkreise aller Abgeordneten bestehen aus Gemeinden, aus Städten und Gebietskörperschaften. In den Kommunen ist der Eindruck entstanden, daß viele Kolleginnen und Kollegen die Lage ihrer Kommunen vergessen. Eine andere Erklärung habe auch ich leider mit Blick auf die Stellungnahme der Koalitionsfraktionen zum Antrag der PDS auf Einsetzung einer EnqueteKommission „Reform der Kommunalfinanzierung" nicht parat. Ich zitiere aus der Beschlußempfehlung des Ausschusses: Die Koalitionsfraktionen begründeten ihre Ablehnung damit, daß aufgrund der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1997 von ihnen angestrebten Reform der Gemeindefinanzen kein Bedarf zur Einrichtung einer Enquete-Kommission zu erkennen sei. Die geplante Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen bedeute entgegen der Auffassung der Antragsteller eine grundlegende und positive Veränderung des Systems der Kommunalfinanzierung. Mit anderen Worten: Die Regierungsfraktionen vertreten tatsächlich die Auffassung, die Finanzprobleme der Kommunen wären damit gelöst! Die entscheidende Ursache für die kommunale Finanzmisere liegt jedoch auf der Ausgabenseite. Ist es nicht so, daß mit den horrend gestiegenen Ausgaben im Bereich Sozialhilfe unser gesellschaftspolitisches Problem Nr. 1, nämlich die Massenarbeitslosigkeit, bei den Kommunen voll durchschlägt? Und ist es nicht so, daß unsere Städte, Gemeinden und Landkreise deshalb überfordert sind, weil sie alleine die Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit zu tragen haben? Was berechtigt Sie von Union und F.D.P. eigentlich anzunehmen, es reiche zur Bewältigung der Krise aus, teilweise die kommunale Einnahmenseite statt aus dem einen Steuertopf nunmehr aus dem anderen Steuertopf zu finanzieren? Im übrigen fällt auf, daß Sie zwar eine Reform der Gemeindefinanzen anstreben, wie Sie es nennen, aber was liegt zur Beratung vor? Es gibt keine Vorlage! Fragen, die bereits vor einem Jahr gestellt wurden, sind immer noch nicht beantwortet. Es sind wichtige Fragen wie die, ob Sie die Gewerbeertragsteuer ganz oder teilweise abschaffen wollen, welche verfassungsrechtliche Absicherung Sie gegebenenfalls für die Gewerbeertragsteuer vorsehen und wie der vorläufige und wie der endgültige Beteiligungsschlüssel an der Mehrwertsteuer aussehen soll. In der gestrigen Anhörung der kommunalen Spitzenverbände wurde überdeutlich, daß Sie, die Regierungsfraktionen, nicht für die notwendige Klarheit sorgen. Aber auch die Steuerpolitik selbst wird von dieser Regierung Kohl auch weiterhin ohne Rücksicht auf die kommunalen Interessen betrieben. Als Beispiel nenne ich die geplante Abschaffung der Vermögensteuer. Damit werden nicht nur - und das in Zeiten finanzieller Not des Staates! - die Reichen und Superreichen beschenkt. Nein, die fehlenden Einnahmen werden sich auch über den kommunalen Finanzausgleich der Länder auswirken und zur Verschärfung der Finanzkrise der Städte und Gemeinden beitragen. Zur Lösung der kommunalen Finanzkrise brauchen wir eine andere Politik, eine Politik für den ganzen Staat, vor allem aber eine Politik für unseren noch vorhandenen Sozialstaat. Eine Reform der Gemeindefinanzen ist nicht zuletzt auch zur Stabilisierung unseres Sozialstaates dringend notwendig. Weil die SPD-Fraktion eine konzentrierte Arbeit zur Erreichung dieses Zieles für unbedingt wichtig erachtet, schlägt sie vor, eine gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und unter Hinzuziehung von Vertretern aus der Wissenschaft mit der Aufgabe zu betrauen, den gesetzgebenden Körperschaften möglichst schnell Vorschläge zu unterbreiten. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 702. Sitzung am 27. September 1996 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Hopfengesetz Gesetz zur Abschaffung der Gerichtsferien Gesetz zu der Vereinbarung vom 1. Mai 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran zur Aufhebung des Abschnitts II des Schlußprotokolls des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens Gesetz zu dem Abkommen vom 24. April 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Seeschiffahrtsbeziehungen Gesetz zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Seeschiffahrt Gesetz zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Bau einer Grenzbrücke an der gemeinsamen Staatsgrenze im Zuge der Europastraße E 49 Sechstes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 9. Oktober 1996 ihren Antrag „Vorlage des überfälligen Berichts über die Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst" - Drucksache 13/4617 - zurückgezogen. Der Abgeordnete Dr. Hansjörg Schäfer zieht seine Unterschrift zu dem Antrag „Bonn-Berlin-Umzug verschieben - Staatsfinanzen konsolidieren" - Drucksache 13/5581 - zurück. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung - Drucksache 13/1479 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Euro- päische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuß Drucksache 13/4678 Nr. 2.27 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3668 Nr. 2.11 Drucksache 13/4137 Nr. 2.72 Drucksache 13/4514 Nr. 1.1 Drucksache 13/4514 Nr. 2.4 Drucksache 13/4514 Nr. 2.8 Drucksache 13/4514 Nr. 2.10 Drucksache 13/4514 Nr. 2.13 Drucksache 13/4514 Nr. 2.14 Drucksache 13/4514 Nr. 2.17 Drucksache 13/4514 Nr. 2.29 Drucksache 13/4514 Nr. 2.30 Drucksache 13/4514 Nr. 2.34 Drucksache 13/4514 Nr. 2.39 Drucksache 13/4514 Nr. 2.40 Drucksache 13/4514 Nr. 2.41 Drucksache 13/4514 Nr. 2.44 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/4137 Nr. 2.86 Drucksache 13/4514 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.10 Drucksache 13/4678 Nr. 2.44 Drucksache 13/4921 Nr. 2.20 Drucksache 13/4921 Nr. 2.27 Drucksache 13/5056 Nr. 2.3 Drucksache 13/5295 Nr. 1.8 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/4466 Nr. 2.2 Drucksache 13/4466 Nr. 2.21 Drucksache 13/4678 Nr. 2.3 Drucksache 13/4678 Nr. 2.5 Drucksache 13/4678 Nr. 2.36 Drucksache 13/4921 Nr. 2.1 Drucksache 13/5295 Nr. 1.7 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/4921 Nr. 2.3 Drucksache 13/5056 Nr. 2.5 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/4514 Nr. 2.24 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/4921 Nr. 1.4
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Peter Kemper


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Teiser, lassen Sie mich kurz Bezug auf Ihre Rede nehmen. Sie haben zum Schluß dem Kollegen Graf für die Mühe gedankt, die er sich gemacht hat. Ich kann Ihnen dieses Kompliment leider nicht zurückgeben. Ich hätte gerne von Ihnen gewußt, was Sie und Ihre Fraktion wollen. Sie haben sich aber in Ihrer Rede ausdrück-

    Hans-Peter Kemper
    lich auf das beschränkt, was Sie nicht wollen, und Sie haben die Vorschläge von uns kritisiert, ohne Gegenvorschläge zu machen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Mein Kollege Graf und auch der Kollege Such haben nachdrücklich darauf hingewiesen, daß das Sicherheitsgewerbe in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr stark boomt. Die Zahl der Unternehmen hat sich verdreifacht, die Zahl der Mitarbeiter ist nahe bei 200 000 angelangt. Sie hat damit fast eine Größenordnung erreicht, wie wir sie bei der Polizei haben, die von Gesetzes wegen für die Bekämpfung der Straftaten und für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig ist.
    Ich will diese vielfältige Aufgabenpalette nicht wiederholen. Herr Graf hat das sehr deutlich dargelegt. Ich will nur noch einmal auf die Frage eingehen, insbesondere auch deshalb, weil Sie, Herr Teiser, das angesprochen haben: Wie kommt es zu diesem unheimlichen Boom?
    Da ist in der Tat zunächst einmal die dramatische Zunahme der Kriminalität, und zwar in ganz bestimmten Bereichen: im Bereich Eigentumskriminalität, Körperverletzungskriminalität und Gewaltkriminalität. Und diese Zunahme speziell in diesen Bereichen mit einer oftmals reißerischen Presseberichterstattung hat natürlich dazu geführt, daß sich in der Bevölkerung ein starkes Unsicherheits- und Angstgefühl breitgemacht hat, und die Bundesregierung kann den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land nicht mehr das Gefühl vermitteln, daß die Gewährleistung der Sicherheit bei ihr in guten Händen sei. Ganz im Gegenteil, sie hat durch ihr ständiges ideologisch geprägtes Privatisierungsgerede in weiten Bevölkerungsteilen noch den Eindruck erweckt, private Sicherheitsdienste könnten genausogut oder sogar noch besser als die Polizei die Sicherheit gewährleisten.
    Und die Folgen? Wer es sich leisten kann, umgibt sich mit Bodyguards. Einzelhändler stellen private Sicherheitsdienste an und gaukeln so ihren Kunden Sicherheit vor. Insgesamt wird der Eindruck erweckt, als ob die Sicherheit heute zur Ware und damit käuflich geworden wäre.
    Nun noch einmal zur Rechtslage. Herr Stadler, wir unterscheiden uns in dieser Frage ganz deutlich. Wir sind nicht der Meinung, daß die Not- und Jedermannrechte auch für die Sicherheitsdienste ausreichend sein dürfen. Wenn heute ein Mensch in Not und Gefahr gerät, dann steht ihm das Recht der Notwehr, überhaupt das Recht der Wehrhaftigkeit zu, dann muß er dafür nicht geschult sein, sondern er reagiert aus der Not heraus spontan nach dem gesunden Menschenverstand.
    Da unterscheiden wir uns ganz deutlich. Unsere Fraktion ist hier anderer Meinung. Ich denke, das können wir dem privaten Wachdienst nicht zubilligen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der private Wachdienst, die Menschen, die sich dort
    von Berufs wegen in solche Situationen begeben
    müssen, müssen für diese Einsätze geschult sein. Sie müssen darauf vorbereitet werden. Sie können nicht die Not- und Jedermannrechte in Anspruch nehmen.
    Herr Stadler, Sie haben die Verhältnismäßigkeit angesprochen. Wir sind der Meinung, daß bei denen, die berufsmäßig damit zu tun haben, also bei den privaten Wachdiensten, andere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit gestellt werden müssen als bei einem Menschen, der unvermutet überfallen wird oder unvermutet in eine Notlage gerät.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Günther Graf [Friesoythe] [SPD]: Ein ganz zentraler Punkt!)

    Da sind wir der Meinung, hierzu bedarf es der Ausbildung, der Schulung. Bis heute reicht es so nach landläufiger Meinung aus: Wenn jemand stark ist, mutig und fit, kann er Wachmann werden. Das ist ein Zustand, den selbst der Bund deutscher Sicherheitsunternehmen beklagt. Für den Nachweis der Zuverlässigkeit reicht ein ganz normales polizeiliches Führungszeugnis aus, und wir alle wissen, wie wenig aussagekräftig solche Führungszeugnisse lang- oder mittelfristig sind.
    Die Rechts- und Ausbildungssituation muß endlich aus dieser Grauzone heraus, in der sie sich jetzt befindet. Der Wachmann muß gründlich unterrichtet werden: über seine Rechte, über seine Pflichten, insbesondere über die gesetzlichen Vorschriften, die bei seinem Bewachungsdienst zur Anwendung kommen können. Er muß nach unserer Meinung auch nachweisen, daß er diese Unterrichtung nicht nur akustisch wahrgenommen, sondern daß er sie auch verstanden hat, daß er die gesetzlichen Vorgaben zu handhaben weiß, auch im Interesse der Bürger.
    Unsere Forderungen werden nicht nur von einem großen Teil der Sicherheitsunternehmen in der Bundesrepublik getragen, sondern auch von den meisten Länderinnenministern, mit einer Ausnahme - und wen wundert das? -, das sind die Bayern, die sich Ihrer Meinung, Herr Teiser, angeschlossen haben, denn die halten den § 34 der Gewerbeordnung für völlig ausreichend, wobei übersehen wird, daß diese Regelung in erster Linie die wirtschaftlichen Belange berücksichtigt.
    Die Tätigkeiten privater Sicherheitsunternehmen schließen heute auch den Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum des Auftraggebers ein. Da kann es nämlich passieren - ich gehe darauf noch einmal ein -, daß ein privater Wachmann aus einer zunächst völlig harmlosen Einsatzsituation plötzlich in eine Situation gerät, in der er jemanden festhalten muß oder sich wehren muß, in eine Situation, deren Klärung aber eigentlich den Polizeibeamten zugedacht ist. Die Polizeibeamten haben für die Klärung dieser Angelegenheit mindestens 24 Monate Ausbildung genossen. Der Wachmann soll das mit einer Ausbildung von 24 Stunden schaffen, die Sie für ausreichend halten. Bei den Selbständigen soll eine Ausbildung von 40 Stunden als Qualifikationsnachweis ausreichen. Wer jetzt glaubt, es stünden Verbesserungen an, den muß ich enttäuschen: Das ist schon die Verbesserung. Vorher gab es überhaupt keine

    Hans-Peter Kemper
    Anforderungen in diesem Bereich. Wir halten diese seit einem halben Jahr geltende Verbesserung für völlig unzureichend. Sie ist lediglich mehr als gar nichts.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sehe ein, daß das kurzfristig nur sehr schwer geändert werden kann. Wir sind aber der Meinung, daß wir zumindest mittelfristig zunächst einmal zu einer punktuellen einsatzbezogenen Ausbildung kommen müssen. Es kann durchaus akzeptiert werden, daß der Wächter eines Parkplatzes eine andere Ausbildung hat als der Bodyguard oder der Begleiter eines Geldtransportes. Eines ist aber klar: Eine vernünftige Grundausbildung braucht jeder. Die Weiterbildung muß dann nach der Prämisse erfolgen: je sensibler der Einsatz, desto versierter das Personal.

    (Beifall bei der SPD)

    Langfristig muß man daran denken, auch die Möglichkeit zur Erstellung eines Berufsbildes zu schaffen, so daß in diesem Bereich auch Meister, Techniker und Ingenieure langfristig ihren Platz finden werden. Es muß ein Berufsbild erstellt werden, das die Frage der Akzeptanz der Sicherheitsdienste in der Bevölkerung verbessert, aber auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht für den Bediensteten gesehen wird und als Schutzfunktion gegenüber der Bevölkerung dient.
    Eines ist klar - das ist hier auch mehrfach angesprochen worden -: Solange es in diesem Bereich einen knallharten, ruinösen Wettbewerb gibt, solange Dumpinglöhne gezahlt werden, die unterhalb des Sozialhilfeniveaus liegen, und solange auch noch ehemals sehr aktive Stasi-Mitarbeiter von öffentlichen Arbeitgebern mit Aufgaben betraut werden, wird bei den Unternehmen wenig Neigung bestehen, Geld in ein vernünftiges Berufsbild und in eine vernünftige Ausbildung zu investieren. Von daher denke ich, daß wir ein vernünftiges Berufsbild brauchen. Ebenso brauchen wir aber eine spezialgesetzliche Regelung, die das Aufgaben- und Ausbildungsfeld dieser privaten Sicherheitsdienste abgrenzt. Berufsbild und Größe der Sicherheitsdienste müssen in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern, Eduard Lintner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eduard Lintner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was Sie, Herr Kollege Kemper, eingangs als rhetorische Frage formuliert haben, ist hier, wie ich glaube, deutlich geworden: Wir wollen keine überflüssigen Regelungen in diesem Bereich.

    (Hans-Peter Kemper [SPD]: Wir haben deutlich gemacht, wie wichtig diese sind!)

    Ich finde, das ist auch von unseren Rednern ausreichend begründet und belegt worden. Denn die Begründungen Ihrer Forderung nach einer umfassenden Regelung sind, genau besehen, Scheinargumente. Sie können diese Argumente auch nicht durch allgemeine wirtschaftspolitische Betrachtungen über die Bedeutung der Branche und die Beschäftigtenzahl ersetzen.
    Gefordert wird von Ihnen ja unter anderem, daß jetzt abschließend geregelt werden müsse, was private Sicherheitsunternehmen in welcher Form dürfen, wie die Zusammenarbeit mit der Polizei zu erfolgen habe, wie Ermittlungsergebnisse der Unternehmen zu verwerten seien und wie die Datenerhebung zu erfolgen habe. Bei so umfangreichen Forderungen wäre es eigentlich schon wünschenswert gewesen, daß aus Ihren Ausführungen auch die Begründung für die Notwendigkeit der geforderten Regelungen hervorgegangen wäre. Aber trotz der von Ihnen immer wieder genannten 200 000 Beschäftigten in 1 200 Unternehmen gibt es kein rechtstatsächliches Material - und Sie haben auch keines anführen können -, das Regelungsdefizite in dem von Ihnen behaupteten Umfang hätte belegen können.
    Unabhängig davon läßt sich gegen den Ruf nach dem Gesetzgeber noch folgendes geltend machen, und ich möchte aus der Sicht der Bundesregierung nur noch einige ergänzende Bemerkungen machen:
    Die Tätigkeit privater Bewachungsunternehmen ist auftragsabhängig. Das heißt, daß sich der Auftrag auch aus dem dahintersteckenden Aufgabenzuschnitt ergibt. Soweit Hoheitsaufgaben übertragen werden, bedarf es einer spezialgesetzlichen Regelung, wie sie beispielsweise im Luftverkehrsgesetz oder im Atomgesetz getroffen worden ist. Deshalb ist im übrigen auch eine Novellierung des § 26 StVG geplant.
    Für die Befugnisse gilt Entsprechendes. Sie sind - soweit nicht hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden - aus dem Recht des Auftraggebers abzuleiten: Dem Notwehrrecht - zum Beispiel des Eigentümers, des Besitzers und des Auftraggebers selbst - entsprechen Nothilferechte des beauftragten Unternehmers und seiner Beschäftigten. Die Meinung, der Gesetzgeber habe nicht gewollt, daß die Rechte der Notwehr und des Notstandes, der Besitzwehr und des Verfolgungsrechts des Besitzers auf Dritte, die für die Tätigkeit vom Auftraggeber bezahlt sind, übertragen werden könnten, läßt sich nicht aufrechthalten. Das wissen Sie so gut wie wir.
    Die Notwehrrechte sind eben nicht höchstpersönlicher Natur. Ihre Ausdehnung auf Nothilfe ist deshalb unbestritten. Die Unrechtsposition desjenigen, gegen den Notwehr ausgeübt wird, wird durch die Wahrnehmung der Rechte durch einen kommerziellen Dritten nicht verändert.
    Der Ausschluß der Übertragung dieser Rechte wird auch durch die tatsächliche Entwicklung nicht gefordert. Es sind nur verhältnismäßig wenige Fälle bekannt, in denen private Bewachungsunternehmen die privaten Nothilferechte überschritten haben. Jedenfalls liegt die Gefahr solcher Überschreitungen

    Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
    bei den Bewachungsunternehmen - gerade wegen ihrer größeren Erfahrung - nicht näher als beim Eigentümer selbst. Für ihn ist der Angriff eigentlich der größere Ausnahmefall als für den Beschäftigten des privaten Bewachungsunternehmens. Er ist auch wegen der unmittelbaren Betroffenheit und Schadensträgerschaft in größerer Gefahr, emotional und damit unverhältnismäßig auf den Angriff zu reagieren.
    Hier bedarf es also keiner weiteren Befugnisregelungen. Es ist vielmehr auf das Jedermannsrecht zu verweisen; dies ist auch schon von den Kollegen getan worden. Im übrigen gilt dies auch hinsichtlich der generalklauselartigen Regelungen, die Sie fordern. Angesichts der vorhandenen, jahrzehntelang entwikkelten und damit gefestigten Rechtsprechung ist nicht einzusehen, wie durch eine solche neue gesetzliche Formulierung mehr Rechtsklarheit gewonnen werden könnte.
    Den von der SPD beklagten Observationen privater Detekteien im öffentlichen Raum kann ebenfalls auf der Grundlage bestehender rechtlicher Regelungen in ausreichendem Maße begegnet werden, insbesondere im Rahmen des Ordnungs- und Gewerberechts.
    Der Forderung nach Ausbildung und Sachkundeprüfung der Betreiber und Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen kommt die Einführung des Unterrichtungsverfahrens für das Bewachungsgewerbe mit dem Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes nach.
    Auch im Waffenrecht und im Datenschutzbereich ist gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht erkennbar und wird auch von den Antragstellern nicht schlüssig dargetan. Die bestehenden Handlungsinstrumente des Gewerbe-, Waffen- und Datenschutzrechts sowie die Möglichkeiten nach Straßen- und Wegerecht, aber auch die strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten bieten bei konsequenter Anwendung eine ausreichende Grundlage dafür, einem unerwünschten Ausufern der privaten Sicherheitsdienste entgegenzuwirken.
    Es bleibt auch nach dieser von Ihrer Seite wortreich geführten Debatte festzuhalten, daß Sie ein umfassendes Gesetzeswerk gefordert haben, ohne daß Sie die für diese Regelung notwendigen Rechtstatsachen hätten nachweisen können. Es bleibt deshalb bei unserer ablehnenden Haltung.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Das ist bemerkenswert, gleich in der ersten Lesung Ablehnung zu erklären, sich also nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen! Das sind doch Dinge, die Ihre eigenen Länder fordern!)