Rede von
Prof. Dr.
Rainer
Ortleb
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherheitsfragen als Vehikel für generelle Blockaden von Kerntechnik - das ist ein Gegenstand, den wir bereits unter verschiedenster Themensetzung behandelt haben.
Technisch-wissenschaftliche Debatten im Bundestag mit Gesetzesfolgen animieren und veranlassen einen dazu, diese Gelegenheit zu nutzen. Durch unsere ständigen persönlichen Kontakte im Umweltausschuß wissen wir doch, daß die Debatte wohl kaum geeignet sein wird, daß ich Sie von meinem Standpunkt und umgekehrt Sie mich von Ihrem Standpunkt überzeugen werden.
Deshalb möchte ich sechs relativ allgemeine Dinge versuchen zu formulieren, die Ihnen zeigen sollen, daß ich mich durchaus bemühe, an diese Probleme mit höchstem Verantwortungsbewußtsein heranzugehen.
Erstens. Ich weiß nicht, ob Sie die vorige Debatte verfolgt haben. Da ging es um einen Streit: Faust, Schiller, Goethe usw. Das hat mich natürlich dazu veranlaßt, den ersten Punkt etwas theatralisch auszudrücken.
- Da Sie nicht die Absicht haben, mich ausreden zu lassen, verpassen Sie den Genuß der feingeschliffenen Formulierung, die ich bringen wollte und die mir nun glatt entfallen ist.
Theatralisch ausgedrückt: Manipulation mit dem, was die Welt zusammenhält, dem Atom, seinen Zuständen, seinen Teilchen, seinen Potentialen, seinen Energien und anderen Äquivalenten, ist durchaus nicht ungefährlich, aber im Sinne von Fortschritt dennoch nicht allzu vermessen.
Zweitens. Wissen um die Gefahr erlaubt, Vorkehrungen gegen sie zu treffen.
Drittens. Es gibt zwei Arten von Gefahr: a) solche, die nicht oder zumindest derzeit nicht beherrschbar sind - ein Beispiel: der Aufprall eines Kometen auf der Erde könnte derzeit durch nichts verhindert werden -, b) solche, die mit angemessen hoher Sicherheit beherrschbar sind. Beispiel: Sie gehen täglich in
Dr. Rainer Ortleb
diesen Plenarsaal und glauben fest daran, daß er nicht einstürzt, obwohl das Risiko nicht null ist.
Viertens. Es ist in der Verantwortung von beauftragten Fachleuten, zu unterscheiden, ob die Gefahr zu beherrschen - Fall B - oder nicht zu beherrschen ist - Fall A.
Fünftens. Ist die Gefahr beherrschbar, muß geklärt werden, wie. Das haben Vorredner in der Diskussion durchaus mit den Zahlen und Fakten des konkreten Problems untermauert. Ich bin ja gar nicht dagegen.
Sechstens. Ich bin der Auffassung - das ist möglicherweise ein Streitpunkt -, daß man glaubhafte Darlegungen von Fachleuten auch als Politiker zu akzeptieren lernen muß.
Einige Nachträge zum Speziellen. Der Transport in einem B-Behälter soll ja nur dann stattfinden, wenn das Material eine gewisse Konsistenz aufweist, es eben nicht in Pulverform vorliegt.
Überdies: Der Unterschied zwischen 90 Meter pro Sekunde und 29 Meter pro Sekunde, der ja ebenfalls im Laufe der Debatte eine Rolle spielte, ist eigentlich, wenn man den freien Fall, Herr Catenhusen, voraussetzt, nur der Unterschied zwischen 800 und 1600 Metern. Man sieht also, daß diejenigen, die die strengeren Maßstäbe entworfen haben, durchaus davon ausgegangen sind, daß das nicht ein freier Fall ist. Das alles muß man einmal objektiv und richtig sehen.
Oder ein anderes Kriterium: 200 Meter Wassertiefe. Die Black boxes werden unter Umständen aus einer Tiefe von 10 000 Metern aus dem Ozean geborgen werden müssen. Wenn wirklich das unangenehm Schreckliche passieren würde, daß nämlich ein Behälter den Druck, der in einer größeren Tiefe als 200 Meter herrscht, nicht aushält, dann - darauf können Sie sich verlassen - ist das Weltmeer tief genug, daß uns die Folgen, die dann kommen könnten, nicht so schnell erreichen.
Das heißt also: Beschaffenheit und Konsistenz - all das muß im Zusammenhang gesehen werden.
Ich glaube deswegen insgesamt - ich möchte mich hier nicht in Details verlieren -, daß die Bundesregierung durchaus ihrer Verantwortung nachgekommen ist, einen angemessenen, den heutigen Möglichkeiten entsprechenden Sicherheitsstandard zu verwirklichen.
Ich danke Ihnen.