Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit den vollmundigen Wahlversprechen des Jahres 1994 wird von Tausenden Betroffenen sehnlichst eine Korrektur der Rentenüberleitung Ost erwartet. Ohne die permanenten, konsequenten Forderungen der PDS wären wir wohl nicht da angelangt, wo wir heute stehen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, natürlich wäre auch uns eine völlige Abschaffung des Rentenstrafrechts lieber; für die Sie jetzt so vehement einstehen. Ich darf Sie aber daran erinnern, daß sich die PDS von Anbeginn gegen den Mißbrauch von Rentenrecht als politisches Strafrecht gewehrt hat, während Sie 1991 der Installierung und noch 1993 den Schönheitsreparaturen zugestimmt haben. Nun, wo tatsächlich eine Abschaffung des Strafrechts für einen Großteil der Betroffenen ins Haus steht, sind Sie dagegen.
Wenn ich an der Glaubhaftigkeit Ihrer Forderungen zweifle, dann liegt das vor allem auch daran, daß Sie vorgestern im Ausschuß auch gegen unseren Änderungsantrag gestimmt haben, mit dem die völlige Abschaffung des Strafrechts in den Regierungsentwurf Eingang gefunden hätte. Sie haben im Anschluß der Debatte aber noch einmal Gelegenheit, sich zu unseren Anträgen zu positionieren.
Natürlich weiß auch die PDS um die verfassungsrechtlichen Bedenken der vorliegenden Änderungen. Denn die Regierung zeigt uns auch, wer hier im Lande die Macht hat, und kredenzt neben dem Zukkerbrot auch die Peitsche und verfährt nach dem uralten Motto: Teile und herrsche.
Ist Ihnen klar, daß Sie vor allen Dingen diejenigen im Strafrecht belassen, die zwar in der DDR an maßgeblichen Stellen saßen, die aber gerade diejenigen waren, die mit Besonnenheit und Vernunft in Wendezeiten Gewalt mit all den unübersehbaren Folgen verhinderten?
Als Vorsitzende der Wahlkommission zu den ersten freien Wahlen in der DDR weiß ich, wovon ich hier spreche.
Dem können wir nicht zustimmen. Aber der Verbesserung nicht nur der finanziellen Lage, sondern auch der Aufhebung diskriminierender Bewertung von Lebensleistung in der DDR wollen wir uns in der Mehrheit nicht verschließen. Natürlich müssen diesem Schritt weitere folgen, und zwar bald - nicht erst jenseits des Jahres 2000.
Wir legen deshalb zur Verabschiedung des Gesetzes einen Entschließungsantrag vor, mit dem wir alle in diesem Hohen Hause die Bundesregierung verpflichten könnten, bis Sommer nächsten Jahres Vorschläge für die noch zu lösenden Überführungsprobleme vorzulegen. Neben der völligen Abschaffung des Strafrechts im Rentenrecht sehen wir eine Vielzahl von Überführungslücken. Diese Sachverhalte benennen wir heute nicht zum erstenmal. Unsere Forderungen werden durch die tagtägliche Praxis mehr und mehr unterstrichen. Um so unverständlicher ist die Sturheit der Bundesregierung, mit der sie sich der Lösung dieser Probleme verschließt.
Da sind die Betriebsrenten. Die PDS fordert seit Anbeginn ein Gesetz zur Fortzahlung der Betriebsrenten. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestätigte unlängst, daß die Ansprüche nach der Anordnung von 1954 weiterhin bestehen. Ist es denn wirklich notwendig, daß sich jetzt Tausende Betroffene mit ihren ehemaligen Betrieben über Wiederherstellungsanträge herumschlagen müssen, um 20 bis 100 DM Rente zu erstreiten? Oder ist bei dem Betriebsrentenurteil ein ähnliches Vorgehen wie bei den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern beabsichtigt? Auch hier begann der Weg der Sozialgerichtsbarkeit vielversprechend, und postwendend wurde mit dem sogenannten Sparpaket ganz nebenbei ein für die Berechtigten günstiges Urteil kassiert.
Sozial äußerst brisant ist die Lage von Blinden und Sonderpflegegeldempfängerinnen und -empfängern. Wir fordern, daß deren Berufstätigkeit vollwertig anerkannt wird.
Noch unterliegen diese Fälle der schützenden Vergleichsrentenberechnung nach DDR-Recht. Doch die pure Berechnung nach Einordnung in das bundesdeutsche Recht kommt zu skurrilen Ergebnissen.
Wenigstens die Bündnisgrünen und eine Ost-SPD-Abgeordnete öffneten sich im Ausschuß mit überwiegender Stimmenthaltung ein wenig gegenüber der Vielzahl der Probleme, so da noch wären rentenrechtliche Anerkennung von Frauensonderstudien, Aspiranturen, postgradualen Studien, von Zeiten als mithelfende Familienangehörige, von Auslandseinsätzen oder die berühmten geklebten Drei-Mark-Beträge.
Frau Kollegin Mascher, es handelt sich hier nicht um zusätzliche Forderungen. Diese Menschen haben ihre Lebensbiographien auf diese Anwartschaften aufbauen können,
die jetzt durch die Überführungslücken eben nicht geschlossen werden.
Petra Bläss
Wiederholt forderten wir einen Stopp für das Abschmelzen der Auffüllbeträge.
Doch der Gipfel der Ungeheuerlichkeiten in Sachen Rente Ost wird mit der Einstellung des Sozialzuschlages erreicht, obwohl die gesetzliche Verbesserung des Frauenrentenrechts nicht gekommen ist. Wenn die Zahlung für hochbetagte Frauen per 1. Januar 1997 eingestellt wird, kann es hier zu gravierenden Rentenkürzungen kommen. Frau Kollegin Mascher, Sie wissen genau, daß wir einen Antrag zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen in Ost und West eingebracht haben. Es ist hier fehl am Platze, eine Entsolidarisierung herbeizureden.
All das muß verhindert werden. Wir stellen deshalb 21 Einzelanträge zur Abstimmung. Vielleicht schlägt bei dem einen oder anderen von Ihnen doch das schlechte Gewissen, derart einleuchtende Forderungen abzulehnen. Und wenn nicht, haben wir gelernt: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Ich will nur darauf verweisen, daß auch das Problem des Versorgungsunrechts nicht angepackt worden ist.