Rede von
Ulrike
Mascher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein, ich möchte jetzt erst einmal diesen Gedanken ausführen.
Aber dieser Begriff des Privilegienabbaus dient dazu, erneut eine Feinsortierung bei den Angehörigen der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme vorzunehmen. Jetzt, so wird suggeriert, bleibt wirklich nur der harte Kern der privilegierten Führungseliten der DDR im Bereich der Rentenkürzungen. Aber gehören dazu wirklich auch die Köchin und der Pförtner des MfS?
Aber welcher Begriff auch verwendet wird, es bleibt beim jetzt vorliegenden Korrekturgesetz der Regierung bei politisch begründeten Rentenkürzungen. Sie sehen ja schon an der Diskussion hier im Hause, daß die befriedende Wirkung, die Herr Grund und die Regierungsfraktionen sich von ihrer Korrektur versprechen, vermutlich nicht eintreten wird.
Die SPD sieht zwar eine deutliche Korrektur der ursprünglichen Haltung der Koalition. Wir wissen, daß die F.D.P. eine vollständige Aufhebung des Kappungskataloges angestrebt hat. Aber leider hat sich die sonst so durchsetzungsstarke liberale Fraktion hier nicht durchsetzen können.
Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit mit großer Anerkennung an unseren leider vor einigen Wochen verstorbenen F.D.P.-Kollegen Dr. Bruno Menzel, der sich von Anfang an in der letzten Legislaturperiode gegen die Vermengung des Sozialrechtes mit anderen politischen Zielen gewandt hat.
Sicherlich ist das Argument der gerechten Abwägung zwischen den Erwartungen derjenigen, die in der DDR aus politischen Gründen keine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten hatten und heute nur einen unzureichenden Ausgleich erhalten, ernst zu nehmen. Auch für Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ist das ein ganz entscheidender und gewichtiger Punkt. Auch die CDU/CSU-Fraktion - Herr Grund hat es hier noch einmal ausgeführt - betont in diesem Punkt eine besondere Verantwortung.
Ich würde mir wünschen, nein, ich erwarte von Ihnen nach Ihren Ankündigungen aktives Handeln, praktische Gesetzesinitiativen im Interesse dieser Opfer des DDR-Systems; praktisches Handeln, das aber nicht, wie beim zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz die Kosten den Beitragszahlern der Rentenversicherung auflastet.
Die PDS hat wie bei den vorangegangenen Beratungen einen umfangreichen Wunschkatalog vorgelegt. Hier werden unter der Überschrift Behebung von Überführungslücken und Überführungsungerechtigkeiten Forderungen ganz unterschiedlicher Qualität vermengt: zusätzliche Anrechnungen von Ausbildungszeiten in Ostdeutschland, zusätzliche Begünstigungen von Lehrern in Ostdeutschland und die Wiederherstellung hoher DDR-Rentenansprüche.
Wir werden diese Forderungen nicht unterstützen; das haben wir auch schon in der Vergangenheit deutlich gemacht. Forderungen, die erhebliche Kostenbelastungen insbesondere für die ostdeutschen Länderhaushalte bedeuten, werden wir ebenfalls nicht unterstützen.
Die PDS macht zur Finanzierung zwar den Vorschlag, alle Kosten dem Bund anzulasten; aber auch
Ulrike Mascher
das können wir angesichts der Haushaltslage des Bundes nicht unterstützen. Es war auch bei der Diskussion über die Frage des Inkrafttretens zum 1. Januar 1996 oder zum 1. Januar 1997 schon überdeutlich, wie eng die finanziellen Spielräume der neuen Bundesländer sind.
Weiterhin gibt es Anträge der PDS zu Bereichen, bei denen wir keinen Regelungsbedarf sehen, einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand für die BfA befürchten, und es gibt Anträge, die technisch so unpräzise formuliert sind, daß wir ihnen ebenfalls nicht zustimmen werden.
Erneut wird der Antrag gestellt, die Auffüllbeträge, die Sozialzuschüsse, die besonderen Besitzstandsregelungen, die den Übergang des DDR-Rentenrechts in das Recht des Sozialgesetzbuches VI sozialverträglich gestaltet haben, weiter zu verlängern. Wir haben diese Frage ja ausführlich beim Abschmelzen der Auffüllbeträge diskutiert. Wir werden auch dem erneuten Versuch, diese Übergangsregelungen zu verlängern, so wünschenswert es für einige Fälle wäre, nicht zustimmen.
Ob es politisch klug ist, solche Forderungen immer wieder zu stellen, ob es dem Einigungsprozeß nützt, wenn die PDS in ihren Anträgen jetzt eine Beibehaltung bzw. Wiederherstellung der Altersrente ab 60 Jahre für ostdeutsche Frauen fordert, wenn sie Rentenleistungen für nichtversicherte mitarbeitende Familienangehörige bzw. Ehegatten für Ostdeutsche fordert - eine Regelung, die es, so wünschenswert sie wäre, für westdeutsche Frauen nicht gibt -, ob solche ostdeutsche Frauenpolitik hilfreich ist, muß die PDS für sich entscheiden.
Die SPD hat sich bei der Ablehnung des Hauruckverfahrens zur Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren nicht nur für Frauen in Ostdeutschland, sondern für alle Frauen in der Bundesrepublik eingesetzt. Wir wollen eine bedarfsabhängige Mindestsicherung in der Rentenversicherung für alle, die Altersarmut für alle Frauen verhindert; so haben wir auch die gemeinsame Erklärung des Bundestages am 21. Juni 1991 verstanden.
Ich muß sagen, ich bin bei diesen Forderungen der PDS für eine Altersgrenze für Ostfrauen einigermaßen ratlos, ob das die authentische Ostfrauenpolitik sein soll. Wir werden diese Forderung jedenfalls nicht unterstützen.
Wir werden den Anträgen für eine Regelung für Blinde und für die Beschäftigten bei Bahn und Post zustimmen. Das wird heute zwar auch keine Veränderungen bringen, aber wir halten die Forderungen für berechtigt bzw. haben sie bereits in unserem eigenen Gesetzentwurf verfochten.
Auch den Anträgen, die mit dem Gesetzentwurf der SPD zur Abschaffung der Rentenkürzungen aus politischen Motiven, also der Abschaffung des „Rentenstrafrechts", übereinstimmen, werden wir zustimmen, damit hier die Position der SPD noch einmal festgehalten wird.
Ich habe mich so ausführlich mit all den Anträgen der PDS auseinandergesetzt, weil ich deutlich machen will: Wir lehnen die Anträge nicht pauschal ab, aber bis auf die drei zuletzt genannten halten wir sie entweder für politisch falsch oder angesichts der knappen finanziellen Rahmenbedingungen gerade auch in den ostdeutschen Länderhaushalten für unrealisierbar.
Das mag für einzelne Betroffene bitter klingen; ich halte es aber für notwendig, hier zu sagen, was mit der SPD zu machen ist und wozu wir nein sagen. Wir werden auch der Entschließung der PDS, die wieder alles miteinander vermischt, nicht zustimmen.
Als Resümee bleibt: Es hat bei dieser Korrektur des RentenÜberleitungsgesetzes von seiten der CDU/ CSU einen weiteren Schritt weg von der politisch motivierten Rentenkürzung gegeben. Die F.D.P. hat sich bereits für die vollständige Aufhebung der Kappungsregelungen ausgesprochen. Die Grünen haben bei den Beratungen erklärt, daß sich die Rentenversicherung nicht zur Vergangenheitsbewältigung eignet. Die SPD hat sich mit ihrem von der Koalition abgelehnten Gesetzentwurf ohne Wenn und Aber gegen die Rentenkürzungen ausgesprochen.
Theoretisch gibt es dafür also eine Mehrheit in diesem Haus. Heute wird sie noch einmal von den Koalitionszwängen verhindert und - das muß der Ehrlichkeit halber hinzugefügt werden - auch von den finanziellen Nöten der Bundesländer gebremst. Ohne die Initiative der SPD seit Beginn dieser Legislaturperiode gäbe es auch diesen halben Korrekturschritt der Regierung nicht.
Da bin ich ganz sicher.
Eine beachtliche Zahl von Betroffenen wird damit zumindest ab dem 1. Januar 1997 von den politisch motivierten Rentenkürzungen entlastet - ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir stimmen trotzdem der halbherzigen Lösung des jetzigen Gesetzentwurfes nicht zu. Eine Bemühung, Herr Grund, um einen Konsens hat es leider nicht gegeben. Wir regen aber an, bei den Renten für die Blinden rasch gemeinsam zu einer angemessenen Lösung zu finden.
Die nächste Runde in der unendlichen Geschichte des RentenÜberleitungsgesetzes geht nun wahrscheinlich an das Verfassungsgericht in Karlsruhe, weil wir es leider nicht aus eigener parlamentarischer Kraft geschafft haben, dieses mühsame Kapitel der Einigungsgeschichte zu beenden. Aber wie gesagt, es kann sich bei der CDU/CSU ja noch etwas bewegen; wir haben hier ja schon Erstaunliches erlebt.
Danke.