Rede von
Manfred
Grund
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Überführung von Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften aus der Sozialversicherung der ehemaligen DDR in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ist - da sind wir wohl im Konsens aller demokratischen Parteien in diesem Hause - eine besonders großartige Leistung, ein wahres Glanzstück im deutsch-deutschen Einigungsprozeß.
Millionen Rentner der neuen Bundesländer erhalten damit erstmals Rente, die ihrer Lebensarbeitsleistung entspricht. Statt Almosen von SED-Gnaden erfolgen seit der Wiedervereinigung Rentenzahlungen in harter D-Mark bei einem einklagbaren Rechtsanspruch. In keinem anderen Bereich - vielleicht mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung der Bundesanstalt für Arbeit - haben die Rechtsangleichung zwischen Ost und West und die Annäherung der Lebensverhältnisse mehr Vertrauen in den bundesdeutschen Rechtsstaat und seine sozialen Sicherungssysteme geschaffen, wie es millionenfach in der gesetzlichen Rentenversicherung geschehen ist. Sind in den postkommunistischen Staaten Ost- und Mittel-
Manfred Grund
europas die Rentner die Verlierer des Systemzusammenbruchs, so sind die ostdeutschen Rentner in besonderer Weise die Gewinner der Einheit.
Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Male mit der Überführung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der ehemaligen DDR in die gesetzliche Rentenversicherung - zum wiederholten Male, weil die Überführungsprobleme Fragen aufwerfen und weil die Überführungsbestimmungen wegen der unumgänglichen Pauschalierungen und Typisierungen zu individuellen Ungerechtigkeiten und Härten führen können. Die Beschäftigung mit diesem Thema ist für alle Beteiligten nicht leicht. Manchmal ist sie quälend; konsensfähige Lösungen sind immer schwerer zu finden.
Worum geht es in dem zu beschließenden Gesetzentwurf, der im wesentlichen die Handschrift der Abgeordneten aus den neuen Bundesländern trägt? Bereits mit dem Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion ist festgelegt, daß die in den 61 Zusatzversorgungssystemen und vier Sonderversorgungssystemen erworbenen Anwartschaften und Ansprüche einheitlich in die Rentenversicherung überführt werden. Dabei sollten überhöhte Leistungen abgebaut und ungerechtfertigte Leistungen abgeschafft werden. Dies ist im Einigungsvertrag bekräftigt und mittels Anspruch- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie im Renten-Überleitungsgesetz im großen parlamentarischen Konsens und bei einstimmiger Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden.
Das Bundessozialgericht hat sich mehrfach mit dieser Problematik beschäftigt und dabei bestätigt, daß der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum für seine Entscheidung hat, wie in der ehemaligen DDR außerhalb der Sozialversicherungspflicht zustande gekommene Einkommen für die Rentenberechnung berücksichtigt werden können und daß dabei auch Typisierungen zulässig sind. Im Einigungsvertrag wurde als Überführungsmaßgabe bestimmt, daß ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf.
Dies war bisher Konsens zwischen den demokratischen Parteien. Dabei soll es auch beim vorliegenden Änderungsgesetz bleiben. Ich bedauere nachdrücklich, daß sich die SPD von diesem Konsens entfernt hat und die Gesetzesänderung nur von CDU/CSU und F.D.P. befürwortet wird.
Was wird sich im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage ändern? - Erstens. Es gibt eine Neuordnung der Begrenzungsregelung. Zweitens. Es wird ein eigenständiger Ausgleich für Dienstbeschädigung geschaffen.
Zu erstens. Obwohl im bisher geltenden Recht eine Differenzierung möglich ist, kommt es zu Unverständnis, wenn jemand eine Einkommensbegrenzung erfährt, dessen berufliche Tätigkeit für das Bestehen oder die Stärkung der DDR nach innen und außen nicht von besonderer Bedeutung war. Deshalb entfallen zukünftig alle Begrenzungsregelungen bis zur Funktion der Hauptabteilungsleiter mit der Gehaltsstufe E 3 im zentralen Staatsapparat und für Personen mit entsprechend hohem Einkommen in anderen Bereichen, wie Zoll, NVA oder Volkspolizei.
Bei einem Einkommen, welches das Mehrfache des Durchschnittsentgeltes betrug, kann davon ausgegangen werden, daß Einkommensanteile beinhaltet waren, die Ausdruck einer politisch, gesellschaftlich oder einkommensmäßig privilegierten Stellung mit besonderer Verantwortung für die Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR waren. Überhöhte Einkommen in diesen Zeiten sollen nicht zu überhöhten Renten führen.
Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber dem Beitragszahler, das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber denen, die vom politischen System der DDR benachteiligt und ausgegrenzt worden sind.
Deshalb müssen wir uns auch die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze noch einmal auf den Tisch dieses Hauses holen, um eine Verbesserung für die Opfer durchzusetzen.
Es bleibt gerade auch deshalb dabei, daß die Renten für hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit ihre bisherige Begrenzung behalten.
Zu zweitens. Bei Dienstbeschädigung wird ein eigenständiger Ausgleich geschaffen, der sich an das Unfallfürsorgerecht im Beamtenrecht und im Soldatenrecht anlehnt.
Meine Damen und Herren, von dieser Neuregelung erwarten wir eine große Befriedung in den neuen Bundesländern. Auf diese Regelung ist nichts mehr draufzusatteln. Aber für viele tausend von dieser Änderung positiv Betroffene ist es ein Stück mehr Rechtssicherheit, ein Zugewinn an individueller Gerechtigkeit, die Anerkennung ihrer ostdeutschen Biographie. Diese Neuregelung wird zu wachsendem Vertrauen in den Rechtsstaat führen.
Damit dieses Gesetz zum 1. Januar 1997 in Kraft treten kann, bitte ich um ungeteilte Zustimmung.