Rede:
ID1312305000

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    Plenarprotokoll 13/123 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 123. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. September 1996 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages Willi Weiskirch 11061A Erweiterung der Tagesordnung 11061 C Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 11062 B b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 11062 B Karl Diller SPD 11062 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 11067D Ingrid Matthäus-Maier SPD 11069 D Joachim Poß SPD 11072 B Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11073A Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) F.D.P. . . 11075C Dr. Christa Luft PDS 11077 D Dieter Pützhofen CDU/CSU . . 11079D, 11081B, 11082D, 11083C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 11082A Joachim Poß SPD 11083 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11083D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 11084 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 11088A Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktion der SPD: Vorlage eines Ergänzungshaushalts zum Entwurf zum Bundeshaushaltsplan 1997 (Drucksache 13/5509) 11089 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Vereinbarte Debatte zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz, zum Gesetz zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit, zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, zum Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetz, zum Beitragsentlastungsgesetz und zum Achten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch . 11089C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 11089D Rudolf Scharping SPD 11093D Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11094 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 11096B Dr. Gregor Gysi PDS 11098D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 11100B Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Anrufung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz) (Drucksachen 13/4611, 13/5089, 13/5108, 13/5327, 13/5446, 13/5528, 13/5536) 11102C Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Anrufung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Begren- zung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Drucksachen 13/4613, 13/5074, 13/5327, 13/5448, 13/5529, 13/5537) . . 11102C Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksache 13/5538) 11102D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. (Erklärung nach 31 GO) 11103B Namentliche Abstimmung 11104 A Ergebnis 11109B Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksache 13/5539) 11102D Namentliche Abstimmung 11106D Ergebnis 11107A Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz) (Drucksache 13/5540) , 11102D Namentliche Abstimmung 11109C Ergebnis 11109D Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Achte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 13/5541) 11103A Namentliche Abstimmung 11112B Ergebnis 11112C Nächste Sitzung 11115C Berichtigung 11115 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11117 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11117* B 123. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 120. Sitzung, Seite 10805: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist einzufügen: „Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 10. 9. 1996". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 13.9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Däubler-Gmelin, SPD 13. 9. 96 Herta Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 13. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Graf von Einsiedel, PDS 13. 9. 96 Heinrich Graf (Friesoythe), SPD 13. 9. 96 Günter Dr. Jacob, Willibald PDS 13. 9. 96 Regenspurger, Otto CDU/CSU 13. 9. 96 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 701. Sitzung am 12. September 1996 beschlossen, gegen das nachfolgende Gesetz einen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht einzulegen: Siebtes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Siebtes SGB V-Änderungsgesetz - 7. SGB V-ÄndG) Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 11. September 1996 ihren Antrag „Verbesserung des Jugendaustausches zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik" - Drucksache 13/5469 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EUVorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/4137 Nr. 2.15 Drucksache 13/4466 Nr. 2.10 Drucksache 13/4514 Nr. 2.25 Drucksache 13/4514 Nr. 2.47 Anlagen zum Stenographischen Bericht Drucksache 13/4636 Nr. 1.1 Drucksache 13/4678 Nr. 2.12 Innenausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.14 Drucksache 13/3790 Nr. 2.3 Drucksache 13/3938 Nr. 2.13 Drucksache 13/3938 Nr. 2.17 Finanzausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.44 Drucksache 13/4678 Nr. 2.42 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2306 Nr. 2.51 Drucksache 13/3668 Nr. 2.15 Drucksache 13/4137 Nr. 2.91 Drucksache 13/4137 Nr. 2.93 Drucksache 13/4137 Nr. 2.94 Drucksache 13/4137 Nr. 2.95 Drucksache 13/4137 Nr. 2.96 Drucksache 13/4678 Nr. 1.1 Drucksache 13/4678 Nr. 2.6 Drucksache 13/4678 Nr. 2.15 Drucksache 13/4678 Nr. 2.18 Drucksache 13/4678 Nr. 2.22 Drucksache 13/4678 Nr. 2.23 Drucksache 13/4678 Nr. 2.26 Drucksache 13/4678 Nr. 2.29 Drucksache 13/4678 Nr. 2.30 Drucksache 13/4678 Nr. 2.33 Drucksache 13/4678 Nr. 2.35 Drucksache 13/4678 Nr. 2.40 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/4137 Nr. 2.85 Drucksache 13/4466 Nr. 2.49 Drucksache 13/4466 Nr. 2.50 Drucksache 13/4514 Nr. 2.12 Drucksache 13/4514 Nr. 2.32 Drucksache 13/4514 Nr. 2.35 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/218 Nr. 85 Drucksache 13/218 Nr. 86 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/2674 Nr. 2.21 Drucksache 13/3938 Nr. 2.11 Drucksache 13/3938 Nr. 2.19 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/1614 Nr. 1.7 Drucksache 13/3938 Nr. 2.30 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/4678 Nr. 2.4 Drucksache 13/4678 Nr. 2.14 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/4466 Nr. 2.36 Drucksache 13/4466 Nr. 2.40 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/1799 Nr. 3.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um auf das Thema zurückzukommen: Worum geht es?

    (Lachen bei der SPD)

    Es geht darum, die Rahmenbedingungen für mehr Arbeit in Deutschland zu verbessern. Nicht mehr und nicht weniger.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da spricht der Gewinner des Sparpakets!)

    Es geht darum, die sozialen Lasten so zu verteilen, daß sie bei den Bedürftigen ankommen und nicht von den Cleveren mißbraucht werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD)

    Es geht darum, den Steuerzahler nicht zu überfordern, um seine Leistungsbereitschaft in den Gesamtdienst des Staates zu stellen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Sie sind der Gewinner des Sparpakets! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Sie ist heute Zahltag!)

    Zu einem solchen Vorgehen gibt es keine Alternative.

    (Widerspruch bei der SPD und der PDS)

    Das ersehen Sie aus dieser Diskussion, in der keine Alternativen vorgestellt worden sind, genauso wie aus den Maßnahmen im Umfeld der europäischen Nachbarländer.
    Ich sage denen, die von den Sparmaßnahmen betroffen sind:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dazu gehören Sie und Ihre Klientel nicht!)

    Es ist eine zumutbare Einschränkung, wenn die Sozialleistungsquote um 0,4 Prozent gesenkt wird,

    (Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Nein!)

    weil das der Aufgabe dient, die 4 Millionen Arbeitslosen nach und nach wieder in Arbeit und Brot zu bringen. Das ist das Opfer wirklich wert.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Welches Opfer bringen denn Sie und Ihre Klientel? Für Sie ist heute Zahltag!)

    Ich verstehe, daß der Kollege Scharping - er mußte die Scharte vom Mittwoch auswetzen - tief in die ideologische Mottenkiste gegriffen hat.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Ich kann aber nicht verstehen, daß er Beispiele anführt, die einfach unwahr sind.

    (Beifall bei der F.D.P.)


    Dr. Hermann Otto Solms
    Der von Ihnen zitierte Rollstuhlfahrer muß natürlich nicht in die Sozialhilfe zurück.

    (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: So ist es! Zuruf von der SPD: Doch!)

    Er muß vielmehr, wie jeder andere Arbeitnehmer auch, für eine Woche Krankheit von seinen ihm zustehenden 31 Urlaubstagen einen Urlaubstag opfern. Ist das nicht eine zumutbare Einschränkung?

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Rudolf Scharping [SPD]: Sie sind ein Zyniker! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Einschränkung muten Sie denn Ihrer Klientel zu?)

    Diese Überhitzung der Diskussion dient der Sachaufklärung nun wirklich nicht, Herr Kollege Scharping. Das war kein gutes Kapitel Ihres Vortrages hier im Bundestag.
    Wenn Frau Kollegin Müller eben behauptet, die Grünen hätten eine Alternative geboten, und dann auf die Ökosteuer als Alternative für die Senkung der Lohnzusatzkosten zurückkommt, dann frage ich: Ist das eine wirkliche Alternative, wenn jeder weiß, daß die Steuerlast in Deutschland ohnehin viel zu hoch ist?

    (Rudolf Scharping [SPD]: Für wen denn?)

    Es gibt nur eine Möglichkeit: Die Steuerlast für die, die Leistung bringen und investieren, zu senken

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)

    und sie gleichmäßig und gerecht zu verteilen, damit in Deutschland wieder Arbeitsplätze geschaffen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir haben gute Zeugen für unsere Politik. Der Kollege Henning Voscherau, der in Fragen der Steuerpolitik zum Wortführer der SPD erklärt worden ist, hat seine eigene Partei selbst ermahnt, sie solle zurück zur „wirklichen Wirklichkeit" kommen. Was ist denn die wirkliche Wirklichkeit?

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Nicht Mexiko!)

    Das ist, daß wir die Leistungskräfte in unserer Gesellschaft überfordern und deswegen im internationalen Wettbewerb zurückgefallen sind.
    Ich will Ihnen nicht vorenthalten, was Walter Hamm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über das schwedische Beispiel schreibt:
    In Schweden, von der SPD jahrezehntelang als Musterland gepriesen, hat eine sozialdemokratische Regierung alles das bereits verwirklicht, was die SPD verurteilt: Karenztage in der Kranken- und in der Arbeitslosenversicherung, Kürzung des Krankengelds, Erhöhung des Rentenalters, Lockerung des Kündigungsschutzes, Abschaffung der Vermögensteuer
    - wohlgemerkt, Herr Scharping in Schweden -
    und Senkung des Spitzensteuersatzes. Sparen
    auf Kosten der Alten und Kranken? Die schwedische Regierung hat erkannt, daß Übertreibungen des Wohlfahrtsstaates und die verbreitete mißbräuchliche Inanspruchnahme sozialer Leistungen das Land zugrunde zu richten drohten, und hat gehandelt. Wie hoch müssen die Arbeitslosenzahlen und die Soziallasten in Deutschland noch steigen, ehe die SPD erkennt, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann?
    So ließen sich viele Beispiele aus unseren europäischen Nachbarländern zitieren. Ich will Ihnen das ersparen.
    Wahr ist, daß die Bundesrepublik Deutschland einen Nachholbedarf hat und daß wir unsere Leistungen auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal und rufe das in Erinnerung: Die sozialste Tat, die man überhaupt vollbringen kann, ist, den Menschen zu helfen, daß sie aus eigener Arbeit ihr Leben gestalten und finanzieren können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Mit den Schlagworten Marktwirtschaft und Leistungsgesellschaft einerseits und Sozialstaatsprinzip andererseits soll immer ein Widerspruch beschrieben werden. Das ist aber kein Widerspruch, sondern beides gehört eng zusammen. Das Sozialstaatsprinzip ist ein tragendes Element unserer Gesellschaftsordnung. Aber das Sozialstaatsprinzip ist auch ein komplementäres Element zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Um es auf deutsch zu sagen: Wir können - für soziale Leistungen - nur ausgeben, was wir erwirtschaften.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der Staat, der auf Dauer über seine Verhältnisse lebt und ausgibt, was nicht zuvor erwirtschaftet worden ist, der wird à la longue in die Schuldenfalle tappen und die Lasten den nachfolgenden Generationen überlassen, die heute nicht mitwählen können, weil sie minderjährig oder überhaupt noch nicht geboren sind.

    (Rudolf Scharping [SPD]: Seit 14 Jahren machen Sie das!)

    Deswegen muß mit diesem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung eine Konsolidierung der Staatsfinanzen zwingend verbunden sein. Es gibt keine Möglichkeiten, dem auszuweichen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das müssen wir den Menschen sagen, die in diesem Prozeß im einzelnen Opfer bringen müssen. Das ist unvermeidlich. Wir können nur da sparen, wo wir Geld ausgeben. Woanders können wir nun einmal nicht sparen; das ist eine Selbstverständlichkeit.
    Für mich ist bis heute unerklärlich, wie es den Gewerkschaften, gestützt von den Sozialdemokraten, gelungen ist, den Menschen einzureden, daß wir diese schwierige Situation, in der wir Mangel an Arbeit haben, durch weniger Arbeit überwinden könnten. Jeder Mensch, den Sie fragen, sagt: Wenn es mir schlechtgeht, muß ich mehr tun. Das gilt natürlich auch für den Staat, die Tarifparteien, die Arbeitneh-

    Dr. Hermann Otto Solms
    mer und die Unternehmen. Wenn es mir schlechtgeht, muß ich mich mehr anstrengen, dann muß ich mehr arbeiten, und ich brauche flexible Tarifverträge, die den Ansprüchen der Nachfrage des Marktes und dem verschärften Wettbewerb gerecht werden. Genau das tun jetzt die Unternehmen und die Arbeitnehmer vor Ort. Sie laufen dem Tarifkartell aus Arbeitgebern und Gewerkschaften davon und suchen Lösungen, weil sie es für wichtiger halten, ihren persönlichen Arbeitsplatz und die Existenz ihres Unternehmens zu sichern, als dem alten Tabu der flächendeckenden starren Tarifverträge weiter anzuhängen. Wenn sich die Tarifvertragsparteien dieser Auseinandersetzung nicht stellen - einige tun das ja: IG Textil und IG Chemie haben das erkannt, andere tun es noch nicht -, dann wird die Desolidarisierung in diesem Bereich unabhängig davon, ob die Politik das will oder nicht, fortschreiten. Ich bin nicht der Meinung, daß hier politische Vorgaben gemacht werden sollten. Die Lohnfindung, die Tarife und die Arbeitszeiten liegen im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Aber sie müssen die Zeichen der Zeit erkennen und müssen das umsetzen, sonst werden sie der Frage nach der Zukunftssicherung der Arbeitsplätze nicht gerecht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich will auf die Einzelheiten der Maßnahmen, die heute zur Abstimmung stehen, nicht weiter eingehen. Der Kollege Schäuble ist auf die wichtigsten Punkte eingegangen. Ich sage nur: Es werden zumutbare Opfer zum Wohle aller verlangt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zum Wohle?)

    Die Oppositionsparteien, insbesondere die Sozialdemokratische Partei, werden nicht umhinkommen, sich ihrer Verantwortung als Mehrheitspartei im Bundesrat zu stellen und in wichtigen Fragen mit dem Deutschen Bundestag in seiner Mehrheit zusammenzuarbeiten, weil sie sich sonst an der Zukunft der Arbeitsplätze in Deutschland schuldig macht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn Herr Scharping sagt, wir würden nur da auf Sie zukommen, wo es verfassungsmäßig nicht vermeidbar sei, dann ist das nicht wahr. Wir haben in der Frage der Unternehmensteuerreform Angebote gemacht, Verhandlungen geführt, Sie zum Mitmachen aufgefordert und sind nahezu anderthalb Jahre hingehalten worden. Die Gewerbekapitalsteuer könnte schon längst beseitigt sein, und die Unternehmen könnten längst die Möglichkeit haben, hier Geld zu sparen, um mehr zu investieren. Aber Sie sind nur dann bereit zu reden, wenn es gar nicht mehr anders geht. Also müssen wir vorangehen. Eine Mehrheit ist gewählt, um zu handeln. Wir handeln, wir tun das, was richtig und vernünftig ist, weil wir unserer Aufgabe und Verantwortung als Mehrheitspartei gerecht werden.
    Abschließend möchte ich sagen: Alternativen haben Sie nicht geboten.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Richtig!)

    Wir müssen vorangehen, die Ziele formulieren und durchsetzen, soweit wir es können. Wir müssen Sie zwingen, da mitzugehen, wo es unausweichlich ist. Es gibt keine Möglichkeit, sich dieser Verantwortung zu entziehen. Für Sie gibt es dann nur noch die politische Alternative, andere Mehrheiten zu suchen - Sie haben für die nächste Legislaturperiode eine Mehrheit zusammen mit den Grünen angekündigt -, das ist Ihr gutes Recht. Die Wirklichkeit in NordrheinWestfalen weist allerdings etwas anderes aus. Die Zukunftssicherung in Nordrhein-Westfalen wird durch diese Koalition beschnitten und nicht verbessert. Außerdem muß man von Ihnen verlangen, daß Sie aus Ehrlichkeit dem Wähler gegenüber eine klare Aussage zu Ihrem Verhältnis zur PDS, der Partei der nationalen Spaltung, machen.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Sie müssen sagen, ob Sie sich von einer Partei abhängig machen wollen, die die Gräben in Deutschland vertieft und nicht zuzudecken versucht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    - Das Beispiel, das Sie in Sachsen-Anhalt geboten haben, ist ja nun wirklich nicht ermutigend. Ich kann Sie nur auffordern: Sagen Sie ein klares Nein zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei! Der Kollege Gysi wird ja jetzt gleich Gelegenheit haben, darauf einzugehen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem ist, Herr Solms, daß nicht die PDS in dieser Gesellschaft Spaltungen hervorruft, sondern Sie, und zwar vehement zwischen Arm und Reich und darüber hinaus auch noch zwischen Ost und West.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist nämlich kein Zufall, daß die Zahl der Wahlstimmen für die F.D.P. im Osten, die 1990 - übrigens aus mir unerklärlichen Gründen - beachtlich war, inzwischen gegen Null tendiert. Die Leute wissen einfach, was ihnen die F.D.P. bringt. Es ist eine Klientel, die die Immobilien haben will, sich aber um die Sorgen der Menschen nicht kümmert. Das ist die Realität.

    (Beifall bei der PDS und der SPD sowie der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Sie, Herr Solms, haben gesagt, daß das, was hier beschlossen werden soll, zumutbare Opfer seien. Sa-

    Dr. Gregor Gysi
    gen Sie doch einmal, welches Opfer Sie und ich in dieser Situation bringen!

    (Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    In dieser Gesellschaft müssen immer die Kleinen die Opfer bringen. Dabei kann es nicht bleiben.
    Sie haben übrigens etwas gesagt, was ich noch viel besser fand. Sie haben gesagt: Wem es schlechtgeht, der muß mehr arbeiten. Ich kann nur hoffen, daß es dieser Regierung, dieser Koalition nach der nächsten Wahl so schlecht geht, daß sie dann wirklich anfangen muß zu arbeiten. Anders scheint dies nicht einzutreten.

    (Beifall bei der PDS)

    Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat gesagt: Wir müssen nach dieser Debatte lernen, Mehrheitsentscheidungen, das heißt: einen demokratischen Grundkonsens, zu akzeptieren. Darf ich Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, darauf hinweisen, daß Sie eine demokratische Prozedur zur Formalie reduziert haben, indem Sie schon vor der Sitzung des Bundesrates die Abstimmung über den Einspruch des Bundesrates angesetzt haben, obwohl Sie zu diesem Zeitpunkt weder die Debatte noch die Entscheidung des Bundesrates kennen konnten. Damit sagen Sie doch nicht mehr und auch nicht weniger, als daß Sie weder das Ergebnis dieses Verfassungsorgans noch das, was dort inhaltlich vorgetragen wird, interessiert. Ansonsten hätten Sie nach dem gestrigen Tag erst einmal eine Denkpause eingelegt.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie machen aus demokratischen Strukturen reinen Formalismus und untergraben damit wichtige Grundlagen.
    Im übrigen halte ich Ihr sogenanntes Sparpaket für verfassungswidrig.
    Ich sage aber noch etwas: Was ich besonders übel finde, ist, daß Sie den Staat durch völlig ungerechtfertigte Steuergeschenke arm gemacht haben und dann, wenn er arm ist, daherkommen und sagen, sie müßten Sozialabbau betreiben, weil kein Geld mehr da ist.

    (Beifall bei der PDS)

    Wer die Schuld an der Armut des Staates trägt, ist zu einer solchen Argumentation nicht legitimiert.

    (Beifall bei der PDS)

    Noch etwas: Sie können nicht über Sozialabbau in dieser Gesellschaft reden, wenn Sie nicht gleichzeitig auch über Reichtum in dieser Gesellschaft reden. Was machen Sie denn angesichts der Tatsache, daß seit 1989 die Einkommensmillionäre um 40 Prozent zugenommen haben, daß wir inzwischen 100 Milliardäre haben? Diese Leute ruft niemand zur Solidarität auf, sondern immer nur die Arbeitslosen,
    Kranken und Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger. Das ist der eigentliche Skandal Ihres Pakets.

    (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Nennen Sie mir eine Bestimmung, die Millionäre betrifft! Es ist keine dabei.
    Ich komme zur Steuerflucht. Sie sind doch an der Regierung. Weshalb ändern Sie eigentlich nicht die Steuergesetze dahin gehend, daß die Einnahmen dort zu versteuern sind, wo sie erzielt werden? Mir ist es ganz egal, wo eine private Person ihren Wohnsitz hat. Wenn sie im belgischen Fernsehen auftritt, soll sie das Honorar, das sie dort verdient, auch dort versteuern, aber wenn sie in Deutschland ihr Geld verdient, dann soll sie es auch hier versteuern.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist längst geändert! Schlafmütze!)

    Das gleiche muß für Unternehmen gelten. Es kann nicht weiterhin so sein, daß Unternehmen wie Daimler Benz hier alle Vorzüge genießen, aber die Steuern woanders zahlen, weil die Gewinne ins Ausland transferiert werden, und sich somit aus der Bezahlung der Bundesrepublik Deutschland verabschieden.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie nehmen das alles widerspruchslos hin.
    Sie wollen den Kündigungsschutz in breitem Rahmen abschaffen und wissen, was das bedeutet. Wenn Sie für 80 Prozent der Unternehmen und für 30 Prozent der Beschäftigten den Kündigungsschutz abschaffen, dann können Sie ihn auch für die anderen 70 Prozent nicht halten. Der Zug, den Sie hier auf die Fahrt schicken, wird katastrophale Folgen haben, übrigens auch für die Bedeutung der Gewerkschaften.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie reduzieren die Lohnfortzahlung und das Krankengeld und scheuen nicht einmal davor zurück, in diese Regelung die schwangeren Frauen mit einzubeziehen. Damit entlarven Sie all Ihre Sätze zur Kinderpolitik und zum Schutz des ungeborenen Lebens als glatte Heuchelei.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wer Schwangeren das Geld im Falle der Krankheit nimmt, kann hier mit diesem Thema nicht mehr auftreten.
    Ich füge hinzu: Es sind die Frauen, die bei der Krankheit ihrer Kinder, nachdem sie erst einmal geboren sind, zu Hause bleiben müssen. Auch denen entziehen Sie die finanziellen Mittel. Sie haben in der Frage der Gleichstellung den Rückwärtsgang eingelegt. Ich hoffe aber, daß Ihnen die Frauen - und mit ihnen solidarisch auch die Männer - diesen Rück-

    Dr. Gregor Gysi
    wärtsgang verübeln werden und ihn letztlich nicht zulassen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    In Richtung der ostdeutschen Abgeordneten muß ich noch etwas zu den Kürzungen im ABM-Bereich sagen. Sie haben ja angekündigt, sich mutig dagegen zu wehren. Schon jetzt werden die Weichen gesetzt. Schon jetzt soll in Ostdeutschland die ABM-Vergütung um 20 Prozent und damit auf Sozialhilfeniveau reduziert werden. Auch dieser Zug ist nicht mehr zu stoppen, es sei denn, Sie hätten den Mut, heute mit Nein zu stimmen. Es hat aber sicherlich wenig Sinn, an das Gewissen einzelner Abgeordneter der Koalition zu appellieren.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Die haben keines!)

    Aber ich will es dennoch tun: Wenn die ostdeutschen Abgeordneten in der Koalition heute nicht gegen dieses Sparpaket stimmen, dann verlieren sie jede Glaubwürdigkeit im Osten. Sie beweisen damit, daß Sie aus Ihrem Unterordnungsdenken früherer Zeit immer noch nicht heraus sind, sondern es beibehalten haben. Nur, jetzt haben Sie einen neuen König; das ist der einzige Unterschied.

    (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mein letzter Satz. Dieses Sparpaket wird dazu führen, daß sich die Bevölkerung diese Regierung bei der nächsten Wahl spart.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das war eine große Heuchelei, Herr Gysi!)