Rede von
Dietrich
Austermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Welt ist ein Jammertal, und Karl Diller ist der Oberbuchhalter, der verkündet, wo es langgehen sollte, könnte man fast sagen. Ich sage das aber deshalb nicht, weil ich damit die Buchhalter beleidigen
Dietrich Austermann
würde. Denn nicht eine einzige Zahl von denen, die Herr Diller soeben vorgetragen hat, ist zutreffend.
- Ich komme noch darauf. - Er hat nicht einen einzigen Lösungsvorschlag für den Weg aus diesem Jammertal angeboten, der vielleicht aufzeigt, in welche Richtung wir marschieren müssen, damit es wirtschaftspolitisch künftig besser läuft, als es zur Zeit der Fall ist.
Man muß sich fragen - die Zuhörer haben heute Gelegenheit, die Debatte auf breiter Front zu verfolgen -: Wo liegt eigentlich die unterschiedliche Position der Opposition zu dem, was die Regierung heute mit dem Spar- und Wachstumspaket vorgeschlagen hat? Wo liegt die unterschiedliche Position in bezug auf den Haushalt? Herr Diller beklagt zwar, daß die Situation haushaltspolitisch schwierig sei. Seine Partei legt aber nur einen Antrag vor, gewissermaßen eine doppelte Null-Lösung, in dem das Einbringen eines Ergänzungshaushalts vorgeschlagen wird. Was soll darin stehen?
Wem soll das helfen? In welche Richtung soll das gehen? Sie treten dynamisch auf der Stelle. Aber es passiert nichts! Jeder fragt: Was macht ihr eigentlich? Es passiert nichts!
- Eben.
Weil das Parlament der wichtigste Ort für die Diskussion über die Lösung der Zukunftsprobleme ist, hätte man doch erwartet, daß Herr Diller sagt: Jetzt kommen die Vorschläge der SPD, wie wir die Probleme in Deutschland lösen. Da kam aber nichts.
Es gab nur den Scharpingschen Dreisprung nach dem Motto „Brutto, Netto, Mexiko".
Es gab ansonsten keinen Vorschlag, wohin der Weg gehen soll. Das ist auch schwierig auf Grund der Diskussionslage, in der sich die SPD zur Zeit befindet.
In der „Welt am Sonntag" ist soeben die 20. Folge einer Serie mit dem Titel „SPD in der Krise" erschienen, in der sich ehrenwerte Genossen verbreiten.
Der Genosse Farthmann, ehemaliger Arbeits- und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen, schreibt ein Buch mit dem Titel „Blick voraus im Zorn - Aufruf zu radikalem Neubeginn" . Er meint damit Ihre Partei. Sie können ähnliche Zitate finden, wo immer Sie schauen. Herr Schmidt, früherer Bundeskanzler: „Ich weiß nicht mehr, wofür meine Partei eigentlich steht." Herr Schröder: „Ich komme aus einem Millieu, von dem die SPD Abschied genommen hat."
Egal welche Stimme man von wichtigen älteren oder jüngeren Sozialdemokraten nimmt: Es gibt keinen einzigen Lösungsvorschlag von Ihnen.
Wenn man die Situation richtig beschreiben will, muß man sich damit befassen, welcher Weg eigentlich aus der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, herausführen könnte. Niemand bestreitet - auch ich tue das nicht -, daß wir uns in einer schwierigen Situation befinden. Deutschland hat - das gilt auch für die Bundesländer und die Gemeinden - zu hohe Steuern, zu viele Schulden, zu hohe Abgaben, zu viele Arbeitslose und zu viele Sorgen mit den Sozialversicherungsgrundlagen.
Bei dem Thema Steuern und Sozialabgaben frage ich mich: Wer trägt eigentlich ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung für die Entscheidung in unserem föderativen Gefüge? Kam in den letzten Jahren eine einzige neue Idee aus dem anderen wichtigen Organ, aus dem Bundesrat? Gab es eine einzige neue Idee, mit der der Versuch unternommen wurde, einen alternativen Weg zu dem aufzeigen, was wir machen?
Ich höre, daß der Herr Lafontaine interessanterweise inzwischen sagt - im „Focus" soll es am Montag stehen -: „Man kann über alles mit uns reden, außer über das Thema Kindergeld" , also auch über das Thema Vermögensteuer; das ist ganz interessant. Das heißt: Er ist inzwischen bereit. Folgen Sie ihm doch! Folgen Sie ihm doch auf dem Weg, daß in Deutschland etwas passiert und daß Entscheidungen getroffen werden müssen! Beziehen Sie sich nicht ständig auf angebliche Prognosen über den Haushalt!
Herr Schily, als wir vor den Landtagswahlen im Frühjahr dieses Jahres gesagt haben, es bestehe Entscheidungs- und Korrekturbedarf bei den Haushalten, und ein Programm vorgelegt haben, haben Ihre Finanzminister in den Ländern - die ja für das Steuereintreiben zuständig sind und die es am besten wissen - gesagt, sie würden sich an Spekulationen nicht beteiligen. Sie haben den letzten Haushalt um ein halbes Jahr verzögert; der Haushalt 1995 ist erst
Dietrich Austermann
im Juni verabschiedet worden. Sie blockieren und verzögern Entscheidungen. Das einzige, was im Bundesrat an revolutionären Dingen beschlossen worden ist, waren die Rechtschreibreform und die letzte Rundfunkgebührenerhöhung. Ansonsten kommt aus Ihrer Partei und aus den Gremien, in denen Sie Verantwortung tragen, nichts.
Ich möchte deutlich machen, wie der Haushalt für das Jahr 1997 in wichtigen Ansätzen die Korrektur auf entscheidenden Gebieten zeigt, um ein wichtiges Problem, den Arbeitsmarkt, in Angriff zu nehmen. Wir überlegen, was wir als Staat an den Rahmenbedingungen ändern können, um die Situation zu verbessern. Der Staat kann nur die Rahmenbedingungen verändern; die wesentlichen Entscheidungen sind von den Tarifparteien bei der Gestaltung der Tarifverträge zu treffen.
Hierzu eine kurze Anmerkung: Wir bekommen pausenlos Briefe vom DGB, in denen das, was wir machen, kritisiert wird. Übrigens hat auch der DGB keine Alternative. Ich halte es für besonders beschämend, daß der DGB als Arbeitgeber mit einigen tausend Mitarbeitern, wenn ich richtig informiert bin, nicht einen einzigen Auszubildenden beschäftigt. Herr Schulte und Frau Engelen-Kefer beschäftigen nicht einen einzigen Auszubildenden!
Aber Sie kommen hierher, heben den moralischen Zeigefinger und sagen: „Was ihr da tut, ist zuwenig", von anderen Dingen mal ganz abgesehen.
Normalerweise kommt von der SPD immer die Aufforderung, wir sollten den Arbeitsmarkt von versicherungsfremden Leistungen entlasten, wir müßten bestimmte Bereiche übernehmen. Wir tun das übrigens in diesem Haushalt. In diesem Haushalt trägt der Bund bereits 20 Prozent der Rentenausgaben,
5,8 Milliarden DM mehr als im letzten Jahr. 87 Milliarden DM zahlt der Bund 1997 als Zuschuß zur Rentenversicherung. Damit entlastet er natürlich die Tarifparteien, die diesen Beitrag nicht zahlen müssen.
Die Lösung der Probleme kann meines Erachtens nur darin liegen, daß wir die Zahl der Beitragszahler erhöhen, und zwar im Inland. Dies geht nach den Erfahrungen der ersten zehn Jahre der Regierung Helmut Kohls nur durch eine Belebung der Wirtschaft. Also muß der Haushalt 1997 auch wichtige Entscheidungen für eine Belebung der Wirtschaft treffen. Wir brauchen nach den 80er Jahren, in denen wir mit ganz bestimmten Rezepten eine gewaltige Beschäftigungswelle ausgelöst haben, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Damit beginnt dieser Haushalt 1997.
Wir sparen. Ich mache das einmal am Beispiel des Verteidigungsetats deutlich. Der Verteidigungsetat des Jahres 1997 ist der niedrigste seit dem Jahre 1982.
Wir gehen damit schon an die Grenzen dessen, was wirtschaftlich sinnvoll ist, auch hinsichtlich der Erhaltung von Mindestkapazitäten in der wehrtechnischen Industrie. Auch jemand wie Frau Matthäus-Maier, die sich ständig an einem bestimmten Projekt im Verteidigungsbereich aufhält, kann doch diese Tatsache nicht leugnen.
Wo haben die Ministerpräsidenten denn echt gespart? Man hat sich verschiedentlich getroffen, geheime Giftlisten vorgelegt, die dann keiner geschrieben haben wollte, und hat in Krickenbeck den Mund gespitzt, aber nicht gepfiffen. Es kam kein einziger konkreter Vorschlag. Ein Jahr ist verplempert worden. Auch dies hat negative Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.