Rede von
Ulrike
Höfken-Deipenbrock
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muß doch zuerst einmal fragen, Herr Kalb: Welches Geld meinen Sie denn? Es kann doch nur noch bergauf gehen, auch mit einer SPD-Regierung.
Das Bild der Landwirtschaft hat ganz offensichtlich einen Sprung. Denn was wir heute in den Schlagzeilen sehen, ist doch nicht etwa das wunderbare Bild der Landwirtschaft, das wir uns hier vielleicht gerne malen würden, sondern man sieht Schweine mit Antibiotika-Rückständen, verseucht bis auf die Knochen.
- Das steht nicht nur in der „taz" , sondern das ist durchaus Realität.
Da nutzen auch die Fensterreden nicht. Das sind auch nicht die Antworten, die die Verbraucherinnen und Verbraucher oder die Bauern von Ihnen haben
Ulrike Höfken
wollen, sondern sie wollen andere Antworten auf ihre tatsächlichen Probleme haben.
Der Haushalt, den Sie heute vorgelegt haben, gibt diese Antworten nun wahrlich nicht; er ist ein Haushalt des Versagens.
Erstens. Die zentrale Aufgabe, das Überleben der Landwirtschaft zu sichern, die Sie doch so hoch loben - wie wir auch -, haben Sie nicht erfüllt; denn von Überleben kann keine Rede sein. Zweitens. Notwendige Innovationen werden behindert. Drittens. Es wird nicht real gespart, sondern Finanzrisiken und Finanzierungslücken sind Bestandteile der Agrarpolitik der Bundesregierung. Viertens. Finanzierungsmittel werden uneffektiv eingesetzt. Fünftens. Innovationspotentiale werden nicht genutzt.
Die kaum bestrittene Misere wird verwaltet. Die wenigen Ansätze, die zu einer Neuorientierung genutzt werden könnten, wie die Gemeinschaftsaufgabe, werden zurückgenommen - und das nicht behutsam, sondern ganz gewaltig. Die Kürzungen im Haushalt um 75 Millionen DM sind um so problematischer, als damit kein zukunftsweisendes Konzept verbunden ist, und das angesichts der Tatsache - auf die Herr Kalb noch einmal hingewiesen hat -, daß in Zukunft noch eine erhebliche Mehrbelastung auf die Landwirtschaft zukommt.
Wir wollen eine grundsätzliche Orientierung der Landwirtschaft auf den Markt und eine Abkehr von der bisherigen Agrarpolitik, die den Bauern niedrige Erzeugerpreise verordnet, Massenproduktion statt Qualitätsproduktion fördert und Milliarden Haushaltsgelder verschlingt.
Wir wollen die Ausrichtung auf die berechtigten Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher, auf unbelastete Nahrungsmittel und sauberes Wasser. Wir wollen auch, daß die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht für die Folgeschäden der heutigen Agrarpolitik herangezogen werden.
Eine Landwirtschaft, die auf „Subventionen" verzichten kann, kann nur eine umweltgerechte Landwirtschaft sein. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher - damit das nicht wieder kommt - steht einem eher geringen Anstieg der Verbraucherpreise eine längerfristige Einsparung in erheblichem Ausmaß im Gebühren- und Steuerbereich gegenüber.
Auf eine solche Neuausrichtung muß auch die EU-Agrarpolitik ausgerichtet werden - eine Reform der Reform, die schon lange im Gange ist, wozu Sie kein Konzept vorgelegt haben, sondern abwarten, bis Sie von den Tatsachen überholt werden, genau wie bei der Milchquote.
Eine solche Diskussion gehört in den nächsten Jahren natürlich auch in die GATT- bzw. in die WTO-Verhandlungen.
Wir fordern Einsparungen bei den EU-Mitteln im europäischen Konsens, nicht als nationalen Alleingang, wie Bayern das tut, obwohl ich glaube, daß die europäische Agrarpolitik die abschreckendste Europapolitik ist, die man sich denken kann. Bei den meisten Betrieben kommt nur ein sehr geringer Anteil der Finanzmittel des Staates, der Länder und des Bundes, an.
Die Umstrukturierung der Agrarpolitik der Europäischen Union kann nicht von heute auf morgen erfolgen, sondern nur als langsamer Umbau in ZehnJahres-Schritten. Die Reduzierung der über 100 Marktordnungsmaßnahmen, die Einschränkung der Intervention, die Marktöffnung, die Lagerhaltung und die Streichung der Exporterstattung sollen zugunsten einer Modernisierung und Ökologisierung der Agrarproduktion in den nächsten zehn Jahren genutzt werden. Das bedeutet auch ein schrittweises Auslaufen der staatlichen Gelder - bei gleichzeitiger Sicherung der Lebensmittelproduktion, der Umwelt, der Betriebe und auch der Einkommen der Menschen, die in der Landwirtschaft dann auch in Zukunft noch arbeiten können.
Zum zweiten Punkt: Innovationshemmnisse im Zusammenhang mit BSE. Das größte Hemmnis, das Sie als verantwortliche Regierung der Landwirtschaft in den Weg gelegt haben, ist die Nichteinführung der Herkunftskennzeichnung. Man kann vielleicht eine „Herodes-Prämie" befürworten, die das Abschlachten von 20 Tage alten Kälbern ermöglicht, wie Sie das auf der europäischen Ebene tun. Das eigentliche Hemmnis zur Wiederstabilisierung des Marktes aber ist die fehlende Einführung der Herkunftskennzeichnung. Das liegt auch im Verantwortungsbereich Ihrer Politik.
Weiterhin ist die regionale Erfassung, Vermarktung und Verarbeitung unterentwickelt und von der Förderung ungenügend berücksichtigt. Hier ist eine veränderte Schwerpunktsetzung in der Gemeinschaftsaufgabe vorzunehmen.
Zur Innovation gehört auch eine ökologische Steuerreform in der Landwirtschaft.