Ich darf aus diesem Beitrag zitieren:
Oft genug hört oder liest man, die Landwirtschaft sei ein unbedeutender Wirtschaftssektor geworden, der weniger als 1 Prozent des Bruttosozialproduktes erwirtschafte, nur noch 3 Prozent der Erwerbstätigen beschäftige und außerdem noch hoch subventioniert sei. Da liegt es nahe zu meinen, man könne in Deutschland auf Landwirtschaft möglichst ganz verzichten und „das bißchen Landnahrungsmittel" billiger importieren. Die Wirklichkeit sieht jedoch völlig anders aus. Unsere Landwirtschaft erzeugt nicht nur Nahrung und Industrierohstoffe. Das ist zwar sicherlich ihre Hauptaufgabe, aber sie ist darüber hinaus auf vielfältige Weise mit den übrigen Wirtschaftsbereichen verbunden.
Sie ist Arbeitgeber, Käufer von Investitionsgütern und Betriebsmitteln, sie ist Kunde auf dem Kapitalmarkt, Lieferant von Rohstoffen für die Lebensmittel- und die chemische Industrie und gleichzeitig eine eigenständige Vermarktungsbranche. Die Landwirtschaft ist also kein autarker Wirtschaftszweig, sondern als unverzichtbarer Bestandteil in unserer Volkswirtschaft verwoben.
Dies
- ich erwähne noch einmal: das steht in einem Industriemagazin -
ist jedoch nur die volkswirtschaftliche Seite der Leistungsmedaille. Auf der anderen Seite, vielleicht noch wichtigeren Seite, stehen die gesellschaftlichen Leistungen, die nicht in harten Zahlen zu Buche schlagen. Es sind vor allem die ökologischen und landschaftspflegerischen Leistungen der Landwirte, die sich kaum in Geldwerten ausdrücken lassen. Das unverwechselbare Landschaftsbild zwischen der Küste im Norden und den Alpen im Süden ist so vielgestaltig und abwechslungsreich wie kaum ein anderes auf der Erde. Es ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen bäuerlichen Kulturarbeit, die auch heute und in Zukunft fortgesetzt wird.
Mir hat dieser Beitrag sehr gut gefallen, weil ich mich voll mit ihm identifizieren kann. - Er deckt sich im übrigen auch mit dem, was Herr Staatssekretär am Schluß seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat. - Damit werden, so meine ich, in sehr zutreffender Weise die vielfältigen und für eine Wohlstandsgesellschaft unverzichtbaren Aufgaben und Leistungen der Landwirtschaft beschrieben.
Im Mittelpunkt unserer agrarpolitischen Überlegungen und Maßnahmen stehen natürlich die Landwirte, ihre Familien und ihre Existenzen. Ihre - insbesondere gegenwärtig zum Teil sehr akuten - Sorgen, von denen bereits die Rede war, sind auch unsere Sorgen. Aber Agrarpolitik ist nicht nur Politik für die Landwirtschaft, sondern eben sehr viel mehr.
Aus den vorgenannten Gründen ist Landwirtschaft eine Sache, die uns alle angeht. So gesehen kommen die Leistungen für die Landwirtschaft nicht nur dieser zugute, sondern vielen Bereichen unserer Gesellschaft - also Bereichen weit über die Landwirtschaft hinaus.
Nur wenn wir bereit sind, die Leistungen der Landwirtschaft in einem gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen
Bartholomäus Kalb
und zu werten, werden wir auch ihrer Bedeutung gerecht.
Exakt diese Gesamtbetrachtung landwirtschaftlicher Leistung für unser Gemeinwesen war für die Koalitionsparteien Grundlage für die Fortentwicklung der Agrarpolitik. Wir müssen auch in der gesellschaftlichen Diskussion immer wieder die Fragen stellen: Welche Leistungen erwarten wir von unserer Landwirtschaft? Welche Leistungen werden über die Produktpreise entgolten und welche nicht und müssen demzufolge, wenn wir sie als Gesellschaft in Anspruch nehmen wollen, über öffentliche Transfers bezahlt werden? Die Diskussion darüber wurde zwar immer wieder geführt, aber zu keinem Abschluß gebracht. Demzufolge fehlen uns zum Teil der gesellschaftliche und teilweise auch der politische Grundkonsens und somit die Basis, von der aus die Agrarpolitik weiterentwickelt werden könnte. Begünstigt wird dieser Umstand durch die Tatsache, daß es unterschiedliche Zuständigkeiten und Zielsetzungen in Teilbereichen der Agrarpolitik der verschiedenen politischen Ebenen - zum Beispiel auf der Ebene der Europäischen Union, des Bundes und der Länder - gibt.
Ich will dies an einem Beispiel deutlich machen: Die EU zahlt, weil für den Markt zuständig, entsprechend der EG-Agrarreform einen flächenbezogenen Preisausgleich für Getreide. Die Länder, weil besonders für Natur und Umwelt zuständig, sorgen sich um die flächendeckende Landbewirtschaftung und bieten Kulturlandschaftsprogramme und ähnliche Dinge an zum Teil unterstützt durch Mittel der EU und des Bundes. Zugleich wird aber kritisch über die Flächenprämien der EU diskutiert.
In beiden Fällen, so meine Meinung, wird aber durch diese Transferleistung, unabhängig von der jeweiligen Ausgangslage und Motivation, sichergestellt, daß flächendeckende Landwirtschaft betrieben werden kann, daß die Landschaft als Kulturlandschaft erhalten werden kann. Wie vorhin ausgeführt, erbringt die Landwirtschaft also durch ihr Tätigwerden, durch ihr Wirtschaften und Bewirtschaften eine Leistung, die wir alle wollen und die sie ohne diese öffentlichen Transfermittel nicht mehr erbringen könnte.
Insofern halte ich die aufgekommene Diskussion und die dahinter stehenden Absichten - es wurde ja bereits über die Höhe der Ausgleichszahlungen gesprochen, wie sie im Rahmen der EG-Agrarreform vereinbart wurden - für schädlich. Worüber gegebenenfalls nachgedacht werden muß, ist, inwieweit ab bestimmten Größenordnungen betriebswirtschaftliche Vorteile Berücksichtigung finden und zu einer Degression führen könnten.
Ich bin sehr der Meinung, daß sich jeder landwirtschaftliche Unternehmer - je nach Eignung, Neigung und Fähigkeit - Möglichkeiten der Nischenproduktion oder des Zuerwerbs zur Absicherung seiner Existenz erschließen sollte. Mit den Mitteln, wie sie Ende dieses Jahres die bayerische SPD vorgeschlagen hat, scheinen mir allerdings die Probleme der Landwirtschaft nicht lösbar zu sein.
- Sonst hört man sowieso nichts mehr von denen.
Laut Bericht von Oliver Platzer in der „Passauer Neuen Presse" vom 27. Juli 1996 mit der Überschrift „Bayern-SPD will Bauern mit Roßkuren retten" haben Bayerns Sozialdemokraten unkonventionelle Vorschläge in die Diskussion gebracht, mit denen sie der Landwirtschaft aus der Krise helfen wollen. Ich zitiere wörtlich:
Einige Beispiele für diese Ideen sind die „individuellen Sonderformen des Zuerwerbs": Danach erschließt sich der moderne Landwirt auf dem „Markt der 1 000 Möglichkeiten" seine künftige Einkommensquelle, indem er eine Reha-Klinik für Pferde einrichtet, indem er sich in den schwunghaften Handel mit gebrauchten Schneeketten für Schlepperfahrzeuge einschaltet. Oder, indem er sich neben den täglichen Pflichten wie Pflügen, Melken und Ackern als Kinderbuch-Autor verdingt.
Ich jedenfalls hätte diese Fähigkeit nicht.
Die bayerische SPD-Vorsitzende - einige von Ihnen werden sie noch kennen - spricht in diesem Zusammenhang, so der Bericht, davon, daß die bisherigen Leistungen für die Landwirtschaft hinausgeschmissenes Geld seien, und fordert auf derselben Pressekonferenz die Abschaffung der Mineralölsteuerrückvergütung. Mit so unterschiedlichen und widersprüchlichen Ansätzen in der Landwirtschaft wird sicher kein Staat zu machen sein, Herr Kollege Sielaff.
Seit ich mich mit Agrarpolitik befasse, weiß ich um die Sorgen und Klagen aus der Landwirtschaft. Wer sich mit der gegenwärtigen Lage der Landwirtschaft, insbesondere mit der von Rindfleisch- und Milcherzeugern, befaßt, wird nicht mehr milde lächelnd, ignorierend darüber hinweggehen können.
Viele Betriebe sind wegen der bereits angesprochenen BSE-Problematik unverschuldet in eine schwierige - zum Teil in eine äußerst schwierige - Situation geraten. Dies werden wir nicht allein mit dem Einsatz öffentlicher Mittel bewältigen können. Wenn es nicht gelingt, in einer konzertierten Aktion von Politik, Erzeugern, Vermarktern und den übrigen Marktbeteiligten das Vertrauen der Verbraucher für die hochwertigen Produkte deutscher Landwirtschaft zu gewinnen, wie es der Staatssekretär und auch der bayerische Präsident des Bauernverbandes, Sonnleitner, zum Ausdruck gebracht haben, bleiben alle übrigen Maßnahmen nur von sehr begrenzter Wirkung.
Es ist außerordentlich zu begrüßen, daß die Bundesregierung alles unternimmt,
Bartholomäus Kalb
um Hilfestellung zu gewähren, und durch die Rücknahme bereits angekündigter Maßnahmen dazu beiträgt, den zusätzlichen wirtschaftlichen Druck - ich spreche wohlgemerkt von zusätzlichem Druck - vieler Betriebe zu verringern. So soll ihnen geholfen werden, die gegenwärtige Situation besser bewältigen zu können.
Allerdings gebietet es die Redlichkeit gegenüber der Landwirtschaft, darauf hinzuweisen, daß das Thema Vorsteuerpauschale nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben sein kann.
Ich sage ganz freimütig: Alle mir bisher bekannten Argumente - ich möchte das vorsichtig ausdrücken - widerlegen die Auffassung des Bundesrechnungshofes nicht. Ich halte es aber für sinnvoll und richtig, wie es die Minister Waigel und Borchert vereinbart haben und was vom Kabinett so beschlossen worden ist, diese Regelung zusammen mit dem Inkrafttreten grundlegender steuerlicher Änderungen zu treffen. Das wird nach Lage der Dinge und gegenwärtigem Stand zum 1. Januar 1999 der Fall sein.
Lieber Herr Kollege Sielaff, Sie haben davon gesprochen, daß Kürzungen ohne Sinn und Verstand vorgenommen werden.
Haben Sie nicht gemerkt, daß wir bei allen Sparmaßnahmen, sowohl des gegenwärtigen Haushalts als auch der früheren Haushalte, sehr genau darauf geachtet haben, daß die unmittelbar einkommenswirksamen Maßnahmen von allen Kürzungen ausgenommen worden sind? Sie selber haben angesprochen, daß wir im letzten Jahr zusätzliche Leistungen erbracht haben, um einen Ausgleich für die Währungsdisparitäten vornehmen zu können. Das scheint Ihnen völlig entgangen zu sein.
Ich möchte noch ein Zweites sagen. Ihre Rede war teilweise interessant. Die Alternativen, die Sie aufgezeigt haben, waren aber mehr als mäßig.
Wenn Sie meinen, die einzige Alternative zur Sanierung des Haushalts und zur Schwerpunktsetzung Ihrer agrarpolitischen Ziele bestehe darin, eine Abteilungsleiterstelle im BML abzuschaffen, dann ist das doch arg wenig, wenn ich das einmal so sagen darf.
Im übrigen haben Sie sich auf die Öffentlichkeitsarbeit bezogen, sind auf Details eingegangen, die nur von sekundärer und temporärer Bedeutung sind, und haben die Beratung im Haushaltsausschuß vorweggenommen. Wir Berichterstatter, die Kollegin Ilse Janz und ich, sind wegen Ihrer parlamentarischen Äußerung schon so in Schrecken versetzt worden, daß wir uns gar nicht mehr trauen, bei diesem Titel noch eine Kürzung vorzunehmen. Dann nämlich könnte der Eindruck entstehen, wir täten dies nur aus Angst und Respekt vor Ihnen. Soviel Angst und Respekt habe ich jedenfalls mit Sicherheit nicht.
Diese Freude können wir Ihnen nicht machen.
Ich will jetzt, weil die Uhr bereits das Ende meiner Redezeit anzeigt, auf die anderen Punkte nicht mehr eingehen. Ich möchte aber schon noch, Herr Kollege Sielaff, deutlich unterstreichen: Wir haben die Schwerpunkte gesetzt. Wir haben bei allem Zwang zum Sparen dafür gesorgt, daß die Landwirtschaft in den Bereichen nicht berührt wird, in denen ihre wesentlichen Interessen liegen, in denen es vor allen Dingen auch darum geht, sicherzustellen, daß in einer außergewöhnlich schwierigen Situation nicht auch noch die unmittelbar einkommenswirksamen Maßnahmen angerührt werden. Das wird auch im weiteren Beratungsverfahren, das wir dann im Haushaltsausschuß zu bewältigen haben, unsere Maxime sein.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche nicht, daß die bundesdeutsche Landwirtschaft jemals in die Situation kommt, auf Ihre Alternativen angewiesen zu sein
- nein, die Landwirtschaft müßte Angst haben, wir nicht - oder gar auf jene, die ich vorhin kurz anreißen konnte, die einige irgendwo in den Landesverbänden der SPD entwickeln und von sich geben, die auf der einen Seite große Sprüche machen und große Versprechungen abgeben, auf der anderen Seite aber alles tun, um den Landwirten das Geld aus der Tasche zu ziehen.