Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Landwirtschaftsminister gute Genesungswünsche übermitteln. Ich hoffe, daß er bald wieder voll arbeitsfähig ist.
Gerade angesichts der Pläne des Gesundheitsministers ist das wichtig. Ich glaube, wir werden uns freuen, wenn er wieder gesund unter uns sein kann.
Es war sicherlich entlarvend, lieber Herr Gröbl, daß Sie eben vorwiegend über die EU-Agrarpolitik gesprochen und fast gar nicht den eigenen Haushalt erwähnt haben. Sie tun so, als wäre die Bundesrepublik Deutschland an der EU-Politik überhaupt nicht beteiligt. Dabei hat der Agrarministerrat alles vorwiegend gemeinsam erarbeitet und beschlossen.
Dieser Agrarhaushalt ist ziel- und perspektivlos. Der Agraretat wird schon im dritten Jahr gekürzt. Trotzdem wird der von Waigel verkündete strikte Sparkurs nicht eingehalten. Die Kürzungen, die vorgenommen wurden, scheinen ohne Sinn und Verstand gemacht zu sein.
Einige Beispiele zur Illustration. Je schlechter es der deutschen Landwirtschaft geht, um so stärker steigen die Ausgaben an knappen Steuermitteln für die Öffentlichkeitsarbeit des Ministers.
Gegenüber 1,7 Millionen DM sollen 1997 für die Öffentlichkeitsarbeit 2,6 Millionen DM ausgegeben werden. Das ist eine Steigerung von rund 55 Prozent.
Die perspektivlose Agrarpolitik der Bundesregierung soll offensichtlich gutgeschrieben und schöngeredet werden.
Die Schaffung einer ganz neuen, zusätzlichen Abteilung für Kommunikation zum Amtsantritt des Ministers und die Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit - so sieht offensichtlich die Vorstellung dieser Bundesregierung von einem schlanken Staat aus.
Es wäre 1996 an der Zeit gewesen, mit dem Haushalt für 1997 den Mißgriff vom Anfang der Amtsperiode zu bereinigen. Die wirklich wichtigen Aufgaben dieser Abteilung könnten neu verteilt und die Abteilungsleiterstelle eingespart werden. Dies wäre auch eine glaubhafte Geste gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Forschungseinrichtungen des BML gewesen.
Deren Etat und Mitarbeiterzahl wird schrumpfen: in zehn Jahren um ein Drittel; so lautet jedenfalls der Beschluß der Bundesregierung. Das ist das Schrumpfen eines Bereichs, der Lösungen für Zukunftsaufgaben vor allem in defizitären Forschungsbereichen erarbeiten sollte, wie die von uns seinerzeit beantragte und durchgeführte Anhörung von Experten es gezeigt hat.
Dabei handelt es sich um Strukturprobleme in ländlichen Räumen, die Ernährungsforschung für die Verbraucher, die Viehseuchenforschung, die Erhaltung der genetischen Ressourcen, Fragen und Probleme der Gen- und Biotechnologie und Welternährungsprobleme. Doch bei Zukunftsaufgaben wird gekürzt, bei rückwärtsgerichteten Propagandaaufgaben geklotzt. Einzige Ausnahme: Die Zuschüsse zur Förderung nachwachsender Rohstoffe werden im Haushalt 1997 geringfügig aufgestockt; das hat auch Herr Gröbl gesagt.
Sofern die Ergebnisse ökologisch und ökonomisch vertretbar sind, unterstützen wir das ausdrücklich. Angesichts des Rückgangs der Flächenstillegung muß sich jedoch zeigen, welche Marktmacht nachwachsende Rohstoffe nunmehr erreicht haben. Die Bundesregierung hat, wie ich meine, zu lange einseitig auf Raps und die energetisch aufwendige Veresterung gesetzt.
Horst Sielaff
Über die Verwendung und Nutzung von heimischem Holz ist dagegen erschreckend wenig geforscht worden.
Es ist jetzt an der Zeit, daß die Bundesregierung einmal lückenlos darstellt, welche wettbewerbsfähigen Einsatzfelder für nachwachsende Rohstoffe im Nichtnahrungsbereich mit wieviel Förderung bisher erschlossen werden konnten.
Die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ist alles andere als gut. Sie ist gekennzeichnet - ich nenne nur wenige Beispiele - durch fortdauernden Preisdruck bei Milch, Verfall der Rindfleischpreise, stagnierende und rückläufige Einkommen.
Besonders prekär ist die Situation in den Rindermast- und Milchviehbetrieben, wozu die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe bei uns gehört. Die Situation verschärft sich in den Gebieten, in denen diese Produktionsausrichtungen konzentriert sind.
Sichtbarer Ausdruck der existenzbedrohenden Lage waren sicherlich die Pfiffe vor wenigen Tagen in Leer. Wenn Bäuerinnen und Bauern konservative Politiker nicht zu Wort kommen lassen, muß die Existenzangst schon groß sein.
Die trostlose Situation auf dem Rindfleischmarkt haben Sie, Herr Staatssekretär, richtig beschrieben und angesprochen. Hier gehen wir - ich hoffe, bis zum Ende - gemeinsame Schritte. Wir können es nicht hinnehmen, daß die hierzu von der EU gefaßten Beschlüsse wieder aufgeweicht werden.
Aber die Situation ist nicht allein Resultat des BSE-Geschehens in Großbritannien. Die mittelmäßige Wettbewerbsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Unternehmen im EU-Binnenmarkt hat nichts mit dem britischen BSE-Skandal zu tun. Sie ist auch Ausdruck einer verfehlten und verpaßten Politik in den zurückliegenden Jahren, die genauso falsch weitergeführt werden soll.
Die Bundesregierung spart bei Investitionen zur Entwicklung wettbewerbsfähiger und umweltverträglicher landwirtschaftlicher Unternehmen und zur Entwicklung ländlicher Räume. Nicht genug damit! Nach Planungen der Bundesregierung soll die Investitionsförderung kontinuierlich bis zum Jahre 2000 um rund 600 Millionen DM zurückgefahren werden. Wie die deutsche Landwirtschaft so aus ihrer mittelmäßigen Wettbewerbsstellung im EU-Binnenmarkt herauskommen soll, muß uns die Bundesregierung einmal erklären.
Statt dessen werden knappe öffentliche Mittel ziellos verteilt oder - besser ausgedrückt - verregnet. Die Verregnung von 415 Millionen DM über die Unfallversicherung, als Währungsausgleich gedacht, ist einer dieser Mißgriffe.
Ein gezielter Ausgleich tatsächlicher Verluste durch Wechselkursverschiebungen in den Marktordnungsbereichen erfolgt nicht. Die Nichtbetroffenen werden begünstigt, Betroffene erhalten hingegen nicht die notwendigen Finanzmittel.
Es wäre viel gerechter und zukunftsträchtiger, die zur Verfügung gestellten knappen öffentlichen Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Produktion und Vermarktung zu verwenden. Jede Mark, die für die Investitionsförderung aufgewendet wird, ist im Interesse des Erhalts und des Ausbaus der ländlichen Wertschöpfung und damit der Beschäftigung besser angelegt als die ziellose Verregnung im wesentlichen für konsumtive Zwecke.
Abgesehen davon schafft sich die Bundesregierung mit dem Mißbrauch sozialpolitischer Instrumente zur breitgestreuten Verteilung von Steuergeldern zusätzlich Arbeit und holt den Trägern der Sozialversicherungen und sich selbst Ärger ins Haus. Die gut 1 Milliarde DM Steuergelder, die zur Senkung der Unternehmerbeiträge in der Unfallversicherung 1996 aufgewendet wurden, sollen nach der Finanzplanung der Bundesregierung scheibchenweise auf 315 Millionen DM im Jahre 2000 gesenkt werden.
Entsprechend der Senkung müssen die von den Bauern zu zahlenden Unternehmerbeiträge steigen. Ich kann mir gut vorstellen, Herr Hornung, wie das in den landwirtschaftlichen Familien bei sinkenden Einkommen von jetzt an Jahr für Jahr ankommen wird. Es wird nicht nur Proteste hageln - diese zu Recht -, sondern ich bin auch gespannt, wie das die Kommunikationsabteilung des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kompensieren und beschreiben wird. Offensichtlich wurden deshalb die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit aufgestockt.
Ähnlich ist es mit der Verschiebung der von der Bundesregierung beabsichtigten Streichung der Vorsteuerpauschale für buchführende landwirtschaftliche Unternehmen. Die seit Jahren gewährten Subventionen in Höhe von 600 Millionen DM jährlich sollen nun für bestimmte Unternehmen zwei Jahre fortgesetzt werden. Um einen zusätzlichen Ausgleich für BSE-geschädigte Betriebe handelt es sich hier jedoch in keiner Weise, wie vielfach der Presse zu entnehmen war.
Wir wissen, daß einigen Betrieben Einbußen aus dieser Streichung entstehen werden. Ob und wie wir bestimmte Betriebe mit sinnvollen Ausgleichsmaßnahmen zielgerichtet und ökologisch sinnvoll unterstützen können, darüber muß man nachdenken. Aber Landwirte sind Unternehmer - das betonen sie auch immer wieder -, verstehen sich als solche und sollten daher auch wie andere Unternehmer in steuerlicher Weise behandelt werden.
Horst Sielaff
CDU/CSU und F.D.P. sind im Gleichschritt mit ihrer Bundesregierung dabei, die Axt an wieder und neu eingerichtete landwirtschaftliche Unternehmen in den neuen Bundesländern zu legen, wenn sie an der 4. Novelle zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz in der vorliegenden Form festhalten.
Betrieben, die vielfach sehr effektiv wirtschaften, würden so große Steine in den Weg gelegt werden, daß sie das Handtuch werfen. Die Regierungsparteien würden sich zum Erfüllungsgehilfen sehr einseitiger Interessengruppen machen. Die schmerzlichen und unrechtmäßigen Enteignungen würden nicht geheilt. Statt dessen brächte die Novelle Unsicherheit, neue Unruhe und Unfrieden in die Unternehmen und Dörfer.
Der Bundeslandwirtschaftsminister verkündet landauf, landab, die Preisausgleichszahlungen aus der Agrarreform seien fest und verläßlich. Er verschweigt tunlichst, daß er selber der Ackerkulturenverordnung von 1992 zugestimmt hat. Sie sieht in Art. 15 ausdrücklich eine Überprüfung der Zahlungen bei Änderungen der Produktivität und der Marktpreise vor. Kein Wunder, wenn jetzt bei den Beratungen hierzu in Brüssel Unmut bei den Landwirten aufkommt.
Nicht anders verhält es sich mit dem Engagement der Bundesregierung auf europäischer Ebene. Minister Borchert und offensichtlich auch Herr Gröbl reagieren nur, warten immer die Initiativen anderer ab. Es gibt praktisch keine Impulse für bald anstehende wichtige Ereignisse, die lediglich angesprochen worden sind.
Der Agrarminister sagt nicht, wie die Milchmarktpolitik nach Auslaufen der jetzigen Quotenregelung im Jahr 2000 fortgeführt werden soll. Er entwickelt keine eigenen Vorstellungen, wie es mit GATT und WTO in der zweiten Runde weitergehen soll, welche Konsequenzen sich aus den Freihandelsaktivitäten des Außen- und Wirtschaftsministers für die Landwirtschaft ergeben, obwohl die Verhandlungen schon 1997 weitergehen sollen.
Der Minister hat kein Konzept, wie aus agrarpolitischer Sicht mit der bevorstehenden und vielbeschworenen Osterweiterung der EU umgegangen werden soll, obwohl gerade die Agrarpolitik bei der Erweiterung in besonderem Maße betroffen sein wird. Er hat keine phantasievollen Lösungen dafür, ob und wie im einzelnen die Agrarreform weiterzuentwickeln ist.
Wir haben, meine Damen und Herren, mit unserer Großen Anfrage „Zu den Auswirkungen und der Zukunft der Garantiemengenregelung Milch in Deutschland" bereits Anfang 1995 und mit der Großen Anfrage „Zukunft der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der EU-Agrarreform, der Osterweiterung und GATT-WTO" im März dieses Jahres Zukunftsfragen der Landwirtschaft in Europa aufgegriffen. Die Antworten der Bundesregierung sind leider enttäuschend. Abwarten ist die Devise der Bundesregierung. Vielleicht will man sich nicht in die Karten sehen lassen. Vielleicht befürchtet die Bundesregierung, daß ihre Verhandlungsstrategie - sofern sie wirklich eine hat - in Brüssel zum gegebenen Zeitpunkt gestört oder durchkreuzt wird. Ich werte das auch als Ausdruck mangelnden Mutes, Verantwortung zu übernehmen, sich der Kritik zu stellen und damit auseinanderzusetzen.
Unverständlich ist ferner - lassen Sie mich das als letzten Punkt ansprechen - die Behandlung der Nebenerwerbslandwirte durch die Bundesregierung bei der sogenannten Reform der Arbeitsförderung. In agrarpolitischen Sonntagsreden äußert sich die Bundesregierung gern über die unverzichtbare Rolle der Nebenerwerbslandwirtschaft für die Erhaltung der sozialen Strukturen in den Dörfern und der Kulturlandschaft.
- Eben! - Aber, Herr Michels, der von CDU/CSU und F.D.P. im Hohen Haus eingebrachte Gesetzentwurf enthält massive soziale Ungerechtigkeiten für viele Nebenerwerbslandwirte im Falle der Arbeitslosigkeit. Wir werden das so nicht hinnehmen und versuchen, spätestens mit Hilfe des Bundesrates das wieder ins richtige Lot zu bringen. Gerade in den Gebieten, in denen der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe sehr groß ist und wo sie aus sozialen und ökologischen Gründen eine große Bedeutung haben, beispielsweise in vielen Mittelgebirgen, wäre eine solche Politik fatal.
Meine Damen und Herren, die Weichen müssen endlich so gestellt werden, daß die deutsche Haupterwerbslandwirtschaft wettbewerbsfähig im EU-Binnenmarkt mithalten kann und die Nebenerwerbslandwirtschaft wegen ihrer gesellschaftspolitischen Aufgaben nicht vor die Hunde geht.
Die Bundesregierung muß endlich die Zeichen der Zeit erkennen und richtige Schwerpunkte im Haushalt und damit in ihrer Politik setzen. Leider wird die Bundesregierung auch in der heutigen Debatte diesem Anspruch in keiner Weise gerecht.
Ich danke Ihnen.