Rede von
Dr.
Ruth
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 15 des Bundeshaushaltes gehört bekanntlich mit seiner Größenordnung von unter 1 Milliarde DM zu den kleinsten Einzeletats. Das ist zumindest in der Grundproportion strukturell bedingt und so gesehen keineswegs ein Makel. Daß er aber von Jahr zu Jahr wesentlich kleiner wird - und der Minister ist noch stolz darauf -, das markiert eine klare Fehlentwicklung und ist sehr wohl der Gesamtpolitik der Koalition anzulasten.
Noch wesentlich schlimmer für die Menschen ist aber, was diese Regierung inzwischen im Gesundheitswesen selbst angerichtet hat.
1996 steht ein Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung in Aussicht, das mindestens wieder so hoch sein wird wie das des Jahres 1992. Das Versorgungssystem hat keinerlei Strukturreform erlebt. Alle seine altbekannten Konstruktionsfehler erfreuen sich bester Gesundheit.
Dabei gab es 1992 unübersehbare gute Ansätze, die Serie der kurzatmigen Kostendämpfungsgesetze endlich zu durchbrechen. Wer das Gesundheitswesen sanieren will, muß sich nun einmal die Anbieterseite vornehmen. Aus dem Gesundheitsstrukturgesetz hätte so wirklich eine Art von Markierungspunkt in der deutschen Sozialgeschichte werden können. Heute kann es jedoch bestenfalls noch als Beispiel für die Grenzen der Reformfähigkeit dieser Koalition gelten.
Fast nichts ist Wirklichkeit geworden. Ambulant/ stationäre Kooperation: Noch nie waren die Fronten so verhärtet. Neue Krankenhausfinanzierung: Statt Effektivitätsanreiz und mehr Flexibilität unverantwortliche Beschimpfung der Krankenhäuser und in diesem Jahr eine Budgetierung, die an Undifferenziertheit und Härte ihresgleichen sucht. Stärkung der hausärztlichen Tätigkeit: Der Anteil spezialärztlicher Leistungen ist gegenwärtig höher denn je.
Und besonders makaber ist die Geschichte der Positivliste: statt ihrer Umsetzung ein klassischer Kniefall vor der Pharmaindustrie und eine massive Brüskierung des politischen Partners aus der großen Koalition von 1992.
Jetzt soll ausgerechnet ein tatsächlich verwirklichter Schritt in die richtige Richtung, die Wahlfreiheit auch für Arbeiter und der Risikostrukturausgleich, zum Ausgangspunkt einer vollends apokalyptischen Entwicklung werden. Soziale Krankenkassen, die in einen in diesem Falle absolut systemwidrigen Konkurrenzkampf geschickt werden; Vorfahrt für die Selbstverwaltung, die dafür aber keine Steuerungsinstrumente erhält - das nun sind die neuen Wundermittel, mit denen die Gebrechen des Gesundheitswesens kuriert und die Beitragssätze stabil gehalten werden sollen.
Diese sogenannte dritte Stufe der Gesundheitsreform, die im Kern wieder nur auf einschneidende Belastungen der Versicherten und diesmal sogar auf die Zerstörung des Solidarsystems hinausläuft, ist im Gegensatz zu manchem aus dem GSG völlig zu Recht gescheitert.
Natürlich haben wir alle gehört, daß Sie wesentliche Teile in anderer Form einbringen und am Bundesrat vorbei doch in Kraft setzen wollen. Aber, Herr Minister, die Wahrheit ist doch, daß Sie mit alledem Ihren eigenen und oft genug in der Vergangenheit selbst verkündeten Reformansatz verfehlt haben.
Das entscheidende politische Signal, schon beim Kippen der Positivliste hörbar und jetzt erst recht beim Beitragsentlastungsgesetz, gewissermaßen als die Botschaft hinter dem eigentlichen Geschehen, bestand doch darin, daß diese Regierung und die sie tragende Koalition weder das erforderliche Stehver-
Dr. Ruth Fuchs
mögen noch den politischen Willen zu den unerläßlichen Strukturveränderungen im Gesundheitswesen haben würden.
Heute sprechen die Tatsachen ihre eigene Sprache. Milliardengeschenke für die Pharmaindustrie bei einschneidenden Belastungen für die Versicherten, das ist der Kern Ihrer Politik geworden. Das Gesundheitswesen wurde nicht aus der Sackgasse geführt. Die Probleme sind größer denn je. Das Absinken in den Sumpf einer prinzipienlosen Klientelpolitik wird immer deutlicher erkennbar. Auf eine solche Politik kann nur mit entschiedener Opposition geantwortet werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.