Rede von
Dr.
Dieter
Thomae
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über den Bundeshaushalt 1997 orientiert sich wiederum an der Zielsetzung, die Nettoneuverschuldung in Grenzen zu halten und damit die Manövrierfähigkeit des Staates zu sichern. Das ist schwierig, aber notwendig. Als Gesundheitspolitiker könnte ich mir sehr gut vorstellen, in dem einen oder anderen Bereich mehr zu tun. Aber in Zeiten knapper Kassen sind nicht alle wünschenswerten Projekte finanzierbar. Das muß man akzeptieren. Jedem privaten Haushalt mit begrenztem Einkommen geht es nicht anders. Dennoch muß man sich einzelne Positionen näher anschauen, ob sie richtig gewichtet sind. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, daß wir im Gesundheitsausschuß noch einmal darüber diskutieren, die finanziellen Mittel in der Drogenprävention besser zu bündeln.
Jede erfolgreich in der Suchtvorbeugung eingesetzte Mark bedeutet Folgeeinsparungen in mehrstelliger Größenordnung.
Die Bekämpfung der Beschaffungskriminalität, die Betreuung der Süchtigen, Substitutionsprogramme und Therapieangebote über Monate hinweg - alle diese kostenträchtigen Maßnahmen könnten reduziert werden, wenn es gelingt, zumindest einen Teil derjenigen, die suchtanfällig sind, im Vorfeld zu stabilisieren.
Ähnlich sehe ich das bei der Aids-Aufklärung. Auch hier dürfen wir nicht nachlassen. Es ist deshalb gut und richtig, daß der Ansatz für Aids-Präventionsmaßnahmen trotz aller Sparerfordernisse nicht heruntergefahren wurde.
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt spiegelt gerade in der Gesundheitspolitik nur einen geringen Teil des Gesamtgeschehens wider. Der größte Teil der Gesundheitsversorgung spielt sich in der GKV ab. Aber auch hier ist Nachdenken darüber angesagt, wie mit den Herausforderungen umgegangen werden soll. Das Defizit in den ersten Monaten des Jahres zeigt, daß wir so wie bisher einfach nicht weitermachen können. Auch hier müssen Prioritäten gesetzt werden. Deshalb möchte ich in Anbetracht der Zeit zehn Thesen formulieren.
Dr. Dieter Thomae
Erstens. Das Ziel der Koalition, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bis zum Jahre 2000 unter 40 Prozent zu drücken, kann und darf nicht auf gegeben werden. Das wäre Gift für die Beschäftigung, für das Wachstum, den Wohlstand und die soziale Sicherheit.
Zweitens. Vordringlichste Aufgabe sind stabile Krankenversicherungsbeiträge. Dazu müssen wir Beitragserhöhungen erschweren.
Drittens. Damit das nicht in Defizite mündet, muß die Selbstverwaltung natürlich erweiterte Freiräume zum eigenverantwortlichen Handeln im Leistungs- und Vertragsrecht bekommen.
Viertens. Die Absicherung der entscheidenden Krankheitsrisiken und -kosten, die den einzelnen überfordern würden, muß das Solidarsystem leisten, mehr aber nicht.
Fünftens. Zuzahlungsregelungen, Selbstbehalte, Beitragsrückgewähr und - das sage ich sehr deutlich - die Kostenerstattung müssen stärker in die Konzeption integriert werden.
Sechstens. Die Ausweitung des Risikostrukturausgleiches kommt nicht in Frage. Ein degressiver Abbau muß schrittweise begonnen werden.
Siebtens. Im Krankenhausbereich müssen die marktwirtschaftlichen Instrumente weiter ausgebaut werden.
Nur so werden wir vorhandene Rationalisierungsreserven auf Dauer gezielt ausschöpfen können, ohne die Gefahr einer schleichenden Zwangsrationierung in Kauf nehmen zu müssen. Ich nenne nur das Stichwort „Wartelisten bei Operationen".
Folgende Maßnahmen im Krankenhaus gehören für mich unbedingt dazu: die beschleunigte Vereinbarung von Fallpauschalen und Sonderentgelten - ich würde mir wünschen, daß jedes einzelne Krankenhaus den Krankenkassen Vorschläge unterbreiten kann -; der Abbau von Überkapazitäten dadurch, daß nur tatsächlich erbrachte Leistungen bezahlt werden; die Stärkung der Konkurrenz unter den Krankenhäusern; die Überführung in die monistische Finanzierung, aber mit Kompensation der Länder; vor allen Dingen aber der Abbau von Reglementierungen in diesem Bereich und - ich sage das sehr deutlich - die Abschaffung der Pflegepersonalverordnung, denn sie ist ein Relikt des Selbstkostendekkungssystems. Je mehr Fallpauschalen wir einführen, desto weniger ist diese Pflegepersonalverordnung notwendig.
Achtens. Es sind Anreize zu schaffen für - das sage ich sehr deutlich und bewußt - sparsames Verhalten, und der Grundsatz „ambulant vor stationär" ist zu beleben, damit nur so wenige Fälle wie unbedingt notwendig in den teuren Versorgungsformen der stationären Einrichtung behandelt werden müssen. Wir werden Ende des Jahres ein Gutachten vorgelegt bekommen, in dem gefordert wird, daß diese Maßnahmen unbedingt aufgegriffen werden, damit diese Prozentzahlen gedrückt werden.
Neuntens. Keine Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung.
Zehntens. Einführung eines den Versicherten mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten einräumenden Erstattungssystems beim Zahnersatz durch Festzuschüsse.
Meine Damen und Herren, dies waren in der mir zur Verfügung stehenden kurzen Zeit zehn Anmerkungen. Ich denke: Das ist die Richtung. Wir werden dies in den nächsten Wochen behandeln. Grundlage bleiben die beiden Gesetzentwürfe.
Ich wünsche mir, daß wir diese Eckpunkte realisieren, damit wir nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch über das Jahrtausend hinaus die Krankenversicherung zum Wohle der deutschen Bevölkerung wirklich vernünftig gestalten.
In diesem Zusammenhang warne ich sehr deutlich vor der Budgetierung.
Unsere Reise nach Schweden hat gezeigt, daß dies kein Weg ist. Denn sie bedeutet die Einführung von Wartelisten. Das möchte ich den deutschen Patienten, die Operationen dringend benötigen, nicht zumuten. Was mir sehr deutlich wurde, ist: Dort wurden zusätzlich Gremien geschaffen, die aus den Wartelisten Personen auswählen, die vorgezogen werden, damit eine Operation schneller möglich ist. Eine solche Planwirtschaft wünsche ich mir in diesem Lande nicht.