Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums schrumpft im Jahre 1997, also im nächsten Haushaltsjahr, von 789 Millionen auf 751 Millionen DM. Das ist ein Ausgabenrückgang von 4,8 Prozent, für den ich dankbar bin, weil er den Minister und seine Mitarbeiter dazu zwingt, die Effizienz zu erhöhen und richtige Prioritäten zu setzen.
Auch mit dem reduzierten Ausgabevolumen ist es möglich, alle notwendigen und wichtigen Maßnahmen der deutschen Gesundheitspolitik zu realisieren. Ich bin dankbar, daß bei dieser Prioritätensetzung die Mittel für die Aufklärungsmaßnahmen bei der Aids-Bekämpfung im Verhältnis zu dem laufenden Haushaltsjahr unverändert geblieben sind. Das ist ein gutes Beispiel dafür, daß man auch unter Sparzwang richtige Schwerpunkte und Prioritäten setzen kann.
Insgesamt beträgt der Etat des Bundesgesundheitsministeriums ohnehin nur 0,17 Prozent des Gesamtvolumens des Bundeshaushaltes, weil sich die Finanzströme für die wichtigen Aufgaben Sozialhilfe und Gesundheit außerhalb des Bundeshaushaltes realisieren, beispielsweise bei den Kommunen und in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Aus diesem Grunde möchte ich nach vielem Gerede und vielen Kommentierungen über die Lage des deutschen Gesundheitswesens einiges Grundsätzliches zur tatsächlichen Realität sagen.
Ich möchte mich dem Thema aus der Sicht eines Menschen, der krank ist, nähern und mit der Frage: Was erwartet eigentlich ein Mensch, der krank ist, von unserem deutschen Gesundheitswesen? Er erwartet in allererster Linie Hilfe. Er erwartet medizini-
Bundesminister Horst Seehofer
sehe Betreuung, auch menschlichen Zuspruch und vor allem Heilung.
Wenn man an dieser Erwartungshaltung das deutsche Gesundheitswesen mißt, dann kann man ohne Zweifel feststellen, daß bei der Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung und bei der Versorgungsqualität das deutsche Gesundheitswesen weltweit in der Spitzengruppe liegt, wenn nicht gar weltweit Spitze ist.
Es braucht keinen Vergleich zu scheuen.
Meine Damen und Herren, das ist nicht das Verdienst der Politiker,
sondern es ist das Verdienst derer, die als Mediziner, Schwestern und Pfleger tagtäglich Dienstleistungen für Menschen erbringen. Ihnen verdanken wir diese Qualität des deutschen Gesundheitswesens. Das möchte ich heute auch einmal aussprechen.
Das deutsche Gesundheitswesen genießt bei der Bevölkerung höchste Wertschätzung. In allen Umfragen liegt die Leistungsfähigkeit der Mediziner, unserer Arztpraxen, der Apotheken, der Krankenhäuser ganz oben. Aber ich brauche keine Umfragen, ich brauche nur die Reaktion der Menschen. Was geschieht denn, wenn sie im Ausland erkranken? Der erste Wunsch dieser Menschen ist, daß sie in die Obhut des deutschen Gesundheitswesens zurückkommen. Das muß so bleiben, meine Damen und Herren, und das ist das Wichtigste.
Ich möchte heute auch einmal mit dem Vorurteil aufräumen, daß dieses Gesundheitswesen immer mehr in eine Apparatemedizin abgeglitten sei. Nein, meine Damen und Herren, neben dieser medizinischen und pflegerischen Qualität erwarten die kranken Menschen auch menschliche Fürsorge und Zuspruch.
Nach meinen vielen Besuchen in Krankenhäusern und Diskussionen mit kranken Menschen möchte ich heute sagen, daß unser Gesundheitswesen nicht kälter geworden ist, nicht in die Apparatemedizin abgeglitten ist, sondern daß jeden Tag viele Beschäftigte im deutschen Gesundheitswesen diesen Zuspruch, diese Barmherzigkeit und diesen Gedanken des Samaritertums bei der Betreuung der Patienten einbringen.
Natürlich erwarten die Menschen auch das, weshalb die gesetzliche Krankenversicherung vor 150 Jahren einmal gegründet wurde. Sie ist gegründet worden als Selbsthilfeeinrichtung der Menschen zum Schutz vor den finanziellen Risiken bei Krankheit.
Auch wenn man diese zweite Säule abprüft: Ist diese soziale Absicherung der finanziellen Risiken im Falle der Krankheit gegeben?, kann ich nach intensivem Studium aller Gesundheitssysteme weltweit feststellen: Es gibt auf dieser Erde kein Land, das im
Falle der Krankheit die finanziellen Risiken so umfassend absichert wie die Bundesrepublik Deutschland.
Deshalb sind all die Kommentare der letzten Tage und Wochen, dieses deutsche Gesundheitswesen sei krank, es sei aus dem Ruder gelaufen, und was wir jetzt alles gleich hören werden, nicht zutreffend. Es funktioniert. Es ist hochleistungsfähig. Es ist unser Auftrag, durch rechtzeitige Reformen dafür zu sorgen, daß das, was gut ist, auch gut bleibt.
Zu dieser Analyse steht überhaupt nicht im Widerspruch, wenn wir im ersten Halbjahr dieses Jahres ein finanzielles Defizit von 7,3 Milliarden DM haben. Dieses Defizit wäre vermeidbar gewesen, wenn man die vorhandenen Instrumente zu mehr Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung angewendet hätte.
Niemand kann mir erzählen, meine Damen und Herren, daß ein zusätzlicher Arzneimittelverbrauch von 8 Prozent, daß zusätzliche Massagen und Krankengymnastik von 8 Prozent, daß Kurzunahmen von 5 Prozent, bei einzelnen Krankenkassen sogar von 10 Prozent, daß die Steigerung der Ausgaben für Gesundheits-Marketing - wo hinter dem sich nichts anderes als Werbemaßnahmen der Krankenkassen verbergen - von 17 Prozent in einem halben Jahr und daß die Zunahme der Verwaltungskosten bei den Krankenkassen von annähernd 6 Prozent - wo doch die ganze Republik bei den Verwaltungsausgaben spart -, daß dies alles notwendig ist oder gar medizinisch indiziert wäre. Nein, meine Damen und Herren, diese Unwirtschaftlichkeiten müssen herausgeschnitten werden, damit diese Gelder den kranken Menschen zur Verfügung stehen.
Die Krankenkassen dürfen nicht erwarten, daß wir dafür neue Instrumente zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren, ein Nichthandeln von Körperschaften des öffentlichen Rechts - dazu gehören die Krankenkassen - kann nicht dadurch beantwortet werden, daß der Gesetzgeber immer wieder neue Paragraphen verabschiedet. Es sollen die vorhandenen Instrumente eingesetzt werden.
Da bestünde das Arzneimittelbudget zur Vermeidung von überproportionalen Arzneimittelausgaben, es bestünden die Wirtschaftlichkeitsprüfungen, und es bestünde die Möglichkeit, alle disponiblen Ausgaben der Krankenkassen, die immerhin 6 Milliarden DM jährlich betragen, ab morgen auf Null zu stellen. Dann wären die Krankenkassen auch finanziell ausgeglichen.
Ich werde noch in dieser Woche nach der Verabschiedung des Beitragsentlastungsgesetzes dafür sorgen - jedenfalls dort, wo wir auf Bundesebene die Aufsicht über die Krankenkassen haben -, daß diese ab sofort ihre freiwilligen Leistungen zurückfahren, daß sie ihre Verwaltungskostensteigerungen auf Null zurückfahren, daß sie manche rechtswidrigen Anwendungen und rechtswidrigen Ausgaben beenden und daß sie dort, wo sie Instrumente zur Verfügung
Bundesminister Horst Seehofer
haben, um unwirtschaftliche Ausgaben zu verhindern, diese auch einsetzen.
Wir werden gleich hören: Zu dieser Ausgabensteigerung hat die Bundesregierung beigetragen. Ich möchte Sie, Herr Kirschner, vorsichtshalber darauf hinweisen, daß heute vormittag im Bundesrat drei SPD-Ministerpräsidenten ein Gesetz, das Sie hier vehement bekämpft haben,
das Sie als Kniefall vor der Pharmaindustrie eingestuft haben - nämlich den Wegfall des Festbetrages bei patentgeschützten Arzneimitteln und den Wegfall des Reimportgebotes bei Arzneimitteln -, unterstützt haben. Einer davon hat erklärt: Dieses Gesetz wird mitgetragen, weil es vernünftig ist. Jetzt hat dieser „Kniefall", den ich monatelang von der SPD vorgeworfen bekam, mit voller Unterstützung der SPD im Bundesrat stattgefunden. Das Gesetz tritt in Kraft.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Sie bei der Abschaffung der Positivliste nicht einmal die Mehrheit im Bundesrat zusammenbrachten, um den Vermittlungsausschuß anzurufen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Arzthonorare für die Hausärzte und für die Ostärzte mit Zustimmung der SPD-Bundesländer in der konzertierten Aktion beschlossen worden sind. - Wir werden hier nämlich gleich hören, daß dies ein Kniefall vor den Ärzten war und daß wir den Ärzten das Geld nachgeschmissen hätten. - Die 16 Bundesländer waren in der konzertierten Aktion anwesend. Wenn in der konzertierten Aktion nur ein Land dagegengestimmt hätte, wäre diese Empfehlung an den Bundesgesundheitsminister und an den Gesetzgeber nicht zustande gekommen. Ich sage das nur, weil wir gleich das Gegenteil hören werden.
Erzählen Sie mir bitte auch nicht, daß eine Positivliste bei Arzneimitteln vermieden hätte, daß die Arzneimittelausgaben in dieser Höhe entstehen. Die These, wenn ein Gesetzgeber weniger Arzneimittel zulasse, gebe es weniger Arzneimittelausgaben, habe ich immer schon bestritten. Aber sie ist auch hoffnungslos falsch. Denn, meine Damen und Herren, vor zehn Jahren, im August 1986, hatten wir in der Bundesrepublik Deutschland 134 500 verkehrsfähige Humanarzneimittel. Zehn Jahre später, im August 1996, ist diese Zahl auf 48 500 zurückgegangen. Nach der These von Planwirtschaftlern, hätten die Ausgaben für Arzneimittel proportional zurückgehen müssen. Tatsächlich sind sie massiv gestiegen. Beerdigen Sie einmal die Theorie, daß man mit Planwirtschaft und Listenmedizin Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung vermeiden kann.
Wir werden morgen das Beitragsentlastungsgesetz verabschieden und damit erstmals seit langer Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar die Beiträge um 0,4 Beitragspunkte senken. Das entlastet die Beitragszahler um 7,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, dies ist deshalb gerechtfertigt, weil wir auch das dafür notwendige Sparvolumen in der gesetzlichen Krankenversicherung morgen mit verabschieden.
Wir zwingen die Krankenkassen nicht zur Beitragssenkung und sagen auch nicht „Schaut, wo ihr das einspart" , sondern wir bringen den politischen Mut auf und kürzen Leistungen in dieser Größenordnung, um die Beitragssenkung zu ermöglichen. Ich finde es gut, daß eine Beitragssenkung in einer Sozialversicherung stattfindet.
Auch ist es nicht neu, daß die dritte Stufe der Gesundheitsreform trotz des Beitragsentlastungsgesetzes notwendig ist. Wir sagen dies seit 1992 für Mitte der 90er Jahre vorher. Den Zeitpunkt haben wir erreicht.
Wir wollten mit Ihnen darüber verhandeln.
Sie haben viele Geschichten in die Welt gesetzt.
Tatsächlich sind die Verhandlungen nach zwei Stunden aus einem einzigen Grund abgebrochen worden, nämlich weil uns die SPD aufgefordert hat, bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Eine Bedingung war, das morgen zu verabschiedende Beitragsentlastungsgesetz vom Tisch zu nehmen.
Wenn man wirklich einen Konsens will, dann kann man Gespräche nicht damit beginnen, daß man dem Gesprächspartner Bedingungen setzt.
Deshalb werden wir die dritte Stufe der Gesundheitsreform zustimmungsfrei aus eigener Kraft realisieren. Wir werden das sehr zügig tun. Ich kann Ihnen von der Opposition nur raten: Glauben Sie jetzt nicht, daß Sie nach der morgigen Verabschiedung des Gesetzes und der Sparprogramme viel Zeit zum Luftholen haben. Wir werden innerhalb kürzester Zeit, innerhalb der nächsten 14 Tage oder drei Wochen, die dritte Stufe der Gesundheitsreform vorlegen. Die Verhandlungen laufen in der Koalition sehr gut. Im Grunde steht das Konzept. Wir werden es realisieren.
Das Konzept hat drei Grundsätze. Das erste ist das Organisationsprinzip. Wir halten daran fest: Wir wollen keine Privatisierung des Krankheitsrisikos. Wir wollen aber auch keine Verstaatlichung des Gesundheitssystems. Wir bleiben bei dem bewährten Partnerschaftsmodell, wonach die Selbstverwaltung innerhalb der Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber setzt, das Gesundheitswesen entwickelt und umsetzt. Es ist immer besser, einer kleineren Einheit, in diesem Fall den Krankenkassen, den Ärzten, den Krankenhäusern, den Apothekern, die Erfüllung einer Aufgabe zu übertragen. Ein alter Grundsatz: Man soll einer größeren Einheit, nämlich dem Bund,
Bundesminister Horst Seehofer
nichts übertragen, was eine kleinere genauso gut erledigen kann.
Es spricht nichts dagegen, wenn man die Krankenkassen durch den Gesetzgeber zwingt, jetzt Beiträge zu senken.
Denn es ist geradezu eine Pflicht, daß wir, wenn wir auf der Leistungsseite 7,5 Milliarden sparen, dann dafür Sorge tragen, daß das Sparvolumen an jene weitergegeben wird, die Beiträge zahlen, an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Wir halten an diesem Partnerschaftsmodell fest. Wir werden die Freiräume für die Selbstverwaltung erweitern,
das heißt, wir werden in bestimmten Feldern der Selbstverwaltung die Möglichkeit einräumen, durch Satzung den Leistungskatalog zu verändern und zu variieren. Wir werden ihr die Möglichkeit einräumen, auch auf der Beitragsseite mit Beitragsrückgewähr, Selbstbehalten und ähnlichem Variationen in die gesetzliche Krankenversicherung zu bringen.
Ich frage mich: Was spricht dagegen, wenn wir auch die Stellung des Versicherten, des Patienten, stärken, damit nicht Funktionäre über seinen Kopf hinweg entscheiden, indem wir sagen: „Ein Patient bekommt künftig eine Rechnung, damit er Kostentransparenz hat, was und in welcher Höhe bei ihm abgerechnet wurde"
und indem wir dem Patienten sagen: „Wenn du nicht Sachleistung willst, kannst du dich aus freien Stükken für die Kostenerstattung entscheiden. " Glauben wir doch nicht immer, daß wir die Menschen bevormunden müssen!
Die Tatsache, daß vielleicht da und dort die Selbstverwaltung nicht immer so perfekt funktioniert, ist noch lange kein Grund, sie als solche in Frage zu stellen. Wir schaffen auch nicht die soziale Marktwirtschaft ab, wenn es unlauteren Wettbewerb gibt. Dann müssen wir die Fehlentwicklungen abschaffen und nicht die Marktwirtschaft.
Die Selbstverwaltung ist nicht ein Systemfehler, wenn sie Defizite macht, sondern dort liegen Managementfehler vor. Wir müssen dafür sorgen, daß die Managementfehler abgestellt werden.
Zweitens. Nach welchem Gesellschaftsbild organisieren wir eine Krankenversicherung? Wir bleiben dabei, daß wir eine freie Arztwahl wollen. Wir wollen nicht das, was manche Planfunktionäre wollen, nämlich daß Funktionäre bestimmen, wohin der Patient gehen kann. Der Patient wird in Deutschland seine freie Arztwahl behalten.
Wir wollen die Therapievielfalt. Wir wollen die Therapiefreiheit des Arztes. Zur Therapiefreiheit gehört, daß man nicht Listenmedizin betreibt,
innerhalb deren sich der Arzt bewegt. Zur Therapievielfalt gehört, daß wir die Schulmedizin genauso unterstützen wie die besonderen Therapierichtungen; denn auch diese können im Einzelfall segensreich wirken.
Da gibt es kein Entweder-oder, sondern ein SowohlAls-auch.
Wir wollen eine Pluralität des Angebotes, meine Damen und Herren. Es wird mit uns keine staatlichen Gesundheitszentren geben, auf die der Patient angewiesen ist. Er muß wählen können zwischen verschiedenen Krankenhäusern, zwischen verschiedenen Ärzten, zwischen verschiedenen Masseuren und zwischen verschiedenen Krankengymnasten. Schminken Sie sich ab, daß Funktionäre bestimmen, zu welchem Arzt und in welches Krankenhaus ein Patient gehen darf!
Drittens. Wir bleiben bei einer sozialen Krankenversicherung, einer Krankenversicherung, die jene Risiken absichert, die gemeinschaftlich getragen werden müssen. Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Das werden wir auf Dauer mit Spitzenmedizin, mit medizinischem Fortschritt und bei steigender Lebenserwartung nur finanzieren können, wenn wir dort, wo kleinere Risiken vorliegen und wo es auch um die Erhöhung des Wohlbefindens geht, in der Bundesrepublik Deutschland mehr Eigenverantwortung realisieren.
Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen werden wir wieder hören, daß eine Zweiklassenmedizin ins Haus stünde.
Ich möchte aber gerade nicht, daß die aufwendige Spitzenmedizin, der Krankenhausaufenthalt, die Operation, die medizinische Dienstleistung, das teure Medikament zum Privileg von Menschen wird, die es sich privat leisten können.
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Aber wir müssen den Menschen sagen, daß wir das nur finanzieren können, wenn nicht jede Massage nach einer Sportverletzung, jedes Aspirin und jede Erholungskur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wird.
Wenn eine Solidargemeinschaft alles finanzieren will, kann sie am Ende nichts mehr finanzieren. Deshalb werden wir das Niveau unserer medizinischen Leistungsfähigkeit nur erhalten können, wenn wir allen Beteiligten mehr Freiräume gewähren; denn nur Freiräume wecken Motivation und Kreativität. Wenn wir mehr Eigenverantwortung einräumen, kann der einzelne Mensch, wenn ich an die Gesundheitsprävention denke, auf fast keinem anderen Feld für sich und seine Gesundheit innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung mehr tun. Ich brauche keinen Vormund, keinen Funktionär, der mich ständig an der Hand führt und mir sagt,
wie man sich richtig bewegt, richtig ernährt. Da gibt es eine Eigenverantwortung für jeden einzelnen Menschen, und die müssen wir motivieren.
Für die Behandlung eines Patienten ist nicht primär der Arzt verantwortlich, sondern zunächst jeder Mensch selbst. Jedenfalls ist das bei den gesunden Menschen so, wenn es um die Prävention geht. Das müssen wir realisieren.
Wie ich in den letzten Wochen oft gesagt habe, wird auch beim Beitrag die notwendige Sicherheit einziehen, so daß es dann nicht zu Mehrbelastungen bei den Arbeitskosten kommt. Die Beitragsfestschreibung ist das letzte Mittel. Es würde von mir der Koalition nur dann vorgeschlagen, wenn uns nicht bessere Strukturmaßnahmen einfielen. Es schaut so aus, als könnte sich die Koalition auf bessere Lösungen verständigen.
Wir wollen hier vorsichtigerweise nur sagen, daß wir Beitragsveränderungen durch Krankenkassen so erschweren werden, daß man davon ausgehen kann, daß, wenn sie denn stattfinden, vorher alle Wirtschaftlichkeitsreserven in diesem System ausgeschöpft sind.
Ich glaube, wir brauchen diese elegante Lösung; denn wenn wir auf Dauer budgetieren würden, würde das den medizinischen Fortschritt im Gesundheitswesen abschneiden. Es darf nicht so weit kommen, daß wir uns in der Bundesrepublik Deutschland auch noch vom medizinischen Fortschritt abkoppeln.
Für den medizinischen Fortschritt müssen wir das notwendige Geld zur Verfügung stellen.
Das sind Richtungsentscheidungen. Da geht es nicht mehr um Variationen. Deshalb werden wir uns auch nicht treffen, meine Damen und Herren von der SPD, weil Sie an Ihrem alten Prinzip der Aufsicht, der Kontrolle des Staates festhalten.
Wir wollen mehr Freiräume verwirklichen.
Wir werden in den nächsten Wochen wieder viel von der Zweiklassenmedizin, von der Politik gegen den kleinen Mann hören.
Ich kann Ihnen nur sagen: In der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den letzten fünf Jahren die Ausgaben um 60 Milliarden DM gestiegen, von 170 auf 230 Milliarden DM. Wie kann man von einem Sozialabbau reden, wenn in einer Sozialversicherung die Ausgaben innerhalb von fünf Jahren um ein Drittel steigen und diese gleiche Gesellschaft just in diesem Jahr noch eine Pflegeversicherung zur Absicherung von Pflegebedürftigen mit einem Volumen von 32 Milliarden DM in Kraft setzt?
Das ist sozialer Umbau, meine Damen und Herren: die Mittel dorthin zu lenken, wo sie wirklich erforderlich und notwendig sind.
Wir werden die Kraft für diese Reformen aufbringen. Denn wenn die Politik nicht jetzt die Veränderungen vornähme, würde das im Klartext bedeuten, daß wir die negativen Konsequenzen einer Reformunfähigkeit auf die nächsten Generationen verlagern.
Dafür möchte ich und möchte die Koalition die Hand nicht reichen.
Deshalb werden wir den Mut und die Tapferkeit zu weiteren Veränderungen in den nächsten Wochen auch in der Gesundheitspolitik aufbringen.